MEMCAL ^€M1©(0)L TaVU ENZYKLOPAEDIE DER KLINISCHEN MEDIZIN HERAUSGEGEBEN VON L. LANGSTEIN C. von NOORDEN C. PIRQUET BERLIN FRANKFURT A. M. WIEN A. SCHITTENHELM KIEL SPEZIELLER TEIL < HANDBUCH DER KRANKHEITEN DES BLUTES UND DER BLUTBILDENDEN ORGANE HAEMOPHILIE - HAEMOGLOBINURIE HAEMATOPORPHYRIE IN ZWEI BÄNDEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1925 HANDBUCH DER KRANKHEITEN DES BLUTES UND DER BLUTBILDENDEN ORGANE HAEMOPHILIE • HAEMOGLOBINURIE HAEMATOPORPHYRIE BEARBEITET VON L. ASCHOFF-FREIBURG ■ M. BÜRGER-KIEL • E.FRANK-BRESLAU H. GÜNTHER-LEIPZIG ■ H. HIRSCHFELD BERLIN . 0. NAEGELl ZÜRICH • F. SALTZMAN-HELSINGFORS • 0. SCHAUMAN f- HELSINGFORS • F.SCHELLONG KIEL ■ A. SCHITTENHELM KIEL • E. WÖHLISCH -WÜRZBURG HERAUSGEGEBEN VON A. SCHITTENHELM ZWEITER BAND MIT 101 ABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1925 0) ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1925 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN. S33 v, 2 1925" Inhaltsverzeichnis. Sekundäre Anämie, Chlorose. Von Professor Dr. M. Bürg er -Kiel. Seite Einleitung 1 I. Allgemeine Pathologie der sekundären Anämien 2 1. Das morphologische Verhalten der roten Blutkörperchen bei den sekundären Anämien 3 2. Größe und Formen der Erythrozyten bei den sekundären Anämien ... 4 3. Die Blutbildung bei den sekundären Anämien 10 4. Lienale Erythropoese 14 5. Störungen am Zirkulationsapparat bei den sekundären Anämien 17 6. Chemische Veränderungen des Blutes bei sekundären Anämien 23 IL Die spezielle Pathologie der sekundären Anämien 30 1. Die Blutungsanämien 30 2. Aderlaß 30 3. Die subakute und chronische posthämorrhagische Anämie 34 4. Die alimentären Anämien 37 5. Anämien infolge physikalischer Schädigungen des Blutes . ... • 42 6. Anämien infolge chemischer Schädigungen des Blutes (hämotoxische Anämien) 43 7. Sekundäre Anämien bei chronischen Infektionskrankheiten 48 8. Splenogene Anämien 58 9. Karzinom-Anämie 61 10. Anämie der Frühgeborenen 66 III. Chlorose 69 1. Allgemeines Krankheitsbild der Chlorose 76 2. Spezieller Untersuchungsbefund 78 Das Blut 78 Der Atmungsapparat 83 Störungen am Zirkulationsapparat 84 Das Verhalten des Magen-Darmkanals bei Chlorose 88 Sinnesorgane und Nervensystem 90 Pathologisch-anatomische Befunde 91 3. Die Therapie der sekundären Anämien 92 Die perniziöse Anämie. Von Prof. Dr. 0. Schauman f und Dozent Dr. F. Saltzman-Helsingfors. Einleitung 100 A. Verbreitung 102 B. Lebensverhältnisse, Beruf und Beschäftigung 111 C. Erbliche Belastung 115 D. Auslösende Teilfaktoren 122 1. Eingeweidewürmer 122 a) Bothriocephalus latus 122 b) Taenia und andere Darmparasiten 134 2. Schwangerschaft und Geburt 135 3. Infektionskrankheiten 139 4. Störungen seitens des Verdauungsapparates 143 VI Inhaltsverzeichnis. Seite 5. Bösartige Geschwülste 150 6. Blutverluste 153 7. Einfache Anämie, Chlorose und Leukämie 154 8. Konstitution 157 E. Symptomatologie und Verlauf 164 F. Das Blut 195 G. Diagnose und Differentialdiagnose 213 H. Prognose und Verlauf 216 I. Behandlung 221 K. Pathologische Anatomie 231 L. Wesen und Pathogenese 240 Die Polyzythämie. Von Professor Dr. H. Hirschfeld -Berlin. I. Erythrozytosen 260 II. Die Erythrämie 263 1. Die Vaquezsche Polycvthaemia megalosplenica oder Erythrämie 263 2. Die Gaisböcksche Form 269 Die hämorrhagischen Diathesen. Von Professor Dr. E. Frank- Breslau. Einleitung 289 I. Die essentielle (benigne) Thrombopenie 295 A. Klinische Analyse des Werlhof- Syndroms 308 B. Spezielle diagnostische Methodik 319 1. Gerinnungszeit und Retraktilität des Gerinnsels 319 2. Blutungszeit nach Duke 320 3. Zählung der Blutplättchen 321 a) Die Zählung im Ausstrich 321 b) Zählkammermethoden für das Gesamtblut 322 C. Synthese des Krankheitsbildes der essentiellen Thrombopenie, Prognose und Differentialdiagnose 326 D. Pathogenese 336 1. Entstehung der Hämorrhagien 336 a) Die pseudohämophile Komponente 336 b) Die Purpura 346 E. Therapie der essentiellen Thrombopenie 370 1. Methoden zur Steigerung der Plättchenzahl 371 a) Plättchentransfusion 371 b) Die künstliche Erzeugung einer Plättchenkrise 372 2. Blutstillung durch Einwirkung auf das Kapillarsystem 379 3. Beschleunigung der Gerinnung der gesamten Blutmasse 382 4. Spezielle Maßnahmen bei bestimmt lokalisierter Blutung 382 Anhang. Über hämorrhagische Diathese 383 IL Aleukia haemorrhagica 390 Anhang. Die Aleukie resp. Hypoleukie durch Myelommetamorphose . . . . 430 1. Die akute Leukämie 431 2. Die splenopathische Markhemmung 432 Pseudohaemophilia heptica 445 III. Die hämorrhagische Kapillartoxikose 451 IV- Die Endotheliosie haemorrhagica 461 Anhang. 1. Bemerkungen über die Hämorrhagien bei septischer Allgemein- infektion 464 2. Purpura fulminans und Purpura variolosa 465 Inhaltsverzeichnis. VII Das retikulo-endotheliale System. Seite I. Morphologie des retikulo-endothelialen Systems. Von Geheimrat Professor Dr. L. Aschoff -Freiburg 473 A. Historische Übersicht 473 B. Das retikulo-endotheliale System im Lichte der vitalen Färbung .... 476 C. Einteilung des retikulo-endothelialen Systems 479 D. Vergleichende Histologie des retikulo-endothelialen Systems 484 E. Übertritt der Retikuloendothelien in das Blut 488 TT. Normale und pathologische Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Von A. Schittenhelm-Kiel 492 1. Vitale Speicherung des retikulo-endothelialen Systems 493 2. Ernährung und retikulo-endotheliales System 500 3. Milzexstirpation und retikulo-endotheliales System 501 4. Parabiose und retikulo-endotheliales System 502 5. Geschwülste, Infektionen, Entzündungen und retikulo-endotheliales System 502 6. Antikörperbildung und endotheliales System 509 7. Stoffwechsel und retikulo-endotheliales System 511 8. Proteinkörpertherapie und retikulo-endotheliales System 516 9. Trypanozide Stoffe des menschlichen Serums und retikulo-endotheliales System 517 10. Die Beziehungen der Monozyten der weißen Blutkörperchen überhaupt zum retikulo-endothelialen System 518 11. Blutbildung, speziell Bildung von Monozyten, in der Carellschen Gewebs- kultur 532 III. Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Von A. Schittenhelm-Kiel 535 1. Symptomatische Monozytosen 535 2. Monozytenleukämie. Leukämische Retikuloendotheliose. Endothel- hyperplasie als Systemerkrankung 551 3. Amyloid. Gauchersche Krankheit, L. Picks lipoidzellige Splenomegalie, Xanthelasma usw 556 a) Amyloid 556 b) Gauchersche Krankheit , 557 c) L. Picks lipoidzellige Splenomegalie 561 Diabetische Xanthomatose 561 Die Hämophilie. Von Privatdozent Dr. E. Wohl i sc h - Würzburg. A. Definition. Vererbungsgesetz. Allgemeines S67 B. Symptomatologie 569 C. Das Wesen des Gerinnungsvorganges 573 D. Das Gerinnungssystem des Hämophilen 576 1. Die Geschwindigkeit der hämophilen Blutgerinnung 576 2. Die Faktoren des hämophilen Gerinnungssystemes 578 E. Differentialdiagnose 585 F. Die Behandlung der Hämophilie 586 1. Allgemeine Maßnahmen zur Bekämpfung der Hämophilie 586 2. Lokale Maßnahmen 591 G. Prophylaxe der Hämophilie 592 Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Von Privatdozent Dr. F. S che llong- Kiel. Die Kältehämoglobinurie 596 1. Das klinische Bild der Kältehämoglobinurie 596 2. Ätiologie und Vorkommen 599 VIII Inhaltsverzeichnis. Seite 3. Pathogenese 600 a) Das Kältehämolysin 600 b) Die Resistenz der Erythrozyten 605 c) Untersuchungen über Opsonine 605 d) Der Mechanismus der Anfälle und die Theorie der Kältehämoglobinurie. . . 606 4. Diagnose 611 5. Therapie 612 B. Die Marschhämoglobinurie 613 1. Klinisches Bild 613 2. Pathogenese 615 C. Paroxysmale Myoglobinurie 618 Hämatoporphyrie. Von Professor Dr. H. Günther -Leipzig. A. Bedeutung der Hämatoporphyrine im normalen und anormalen Pigmentmeta- bolismus 622 B. Bedeutung der Hämatoporphyrine in der klinischen Diagnostik 632 C. Porphyrismus 636 D. Krankheitsgruppe der Hämatoporphyrie 641 1. Haematoporphyria acuta 642 a) Haematoporphyria acuta idiopathica 643 b) Haematoporphyria acuta toxica 653 2. Haematoporphyria congenita 656 Namenverzeichnis 674 Sachverzeichnis 683 Inhalt des I. Bandes. (Ausführliches Inhaltsverzeichnis siehe Band I.) Allgemeine Embryologie, Morphologie und Biologie der Blutzellen und der blutbilden- den Organe. Von O. N aegeli- Zürich. Bemerkungen zur pathologischen Physiologie des Blutes. Von M. Bürger -Kiel. Symptomatische Blut Veränderungen. Von H. Hirse hfe ld- Berlin. Leukämie und verwandte Zustände. Von H. Hirschfei d -Berlin. Sekundäre Anämie, Chlorose. Von M. Bürger -Kiel. Mit 12 Abbildungen. Einleitung. Jede Anämie ist Symptom. Ihr symptomatischer Charakter tritt bei der einen Form mehr, bei der anderen weniger in den Vordergrund. Das Bedürfnis der Lehre und der Forschung hat zu immer neuen Systematisierungen und Einteilungen geführt, die alle einer streng logischen Durchführung entbehren. Die Abgrenzung einer Gruppe von Anämien als sekundäre ist streng genommen unstatthaft, da eben alle Formen — ihres symptomatischen Cha- rakters wegen — als sekundäre zu bezeichnen sind. Eine ätiologische Ein- teilung stößt darum auf Schwierigkeiten, weil wir bei vielen Formen die Ätiologie nicht kennen. Man könnte mit gutem Recht eine Gruppe als kryptogenetische Anämien von denen mit bekannter Ätiologie abtrennen. Unter den krypto- genetischen Anämien steht die perniziöse wegen des häufigen Vorkommens und klinischer Dignität an erster Stelle. Bei dieser Krankheit steht der Blut- schaden so im Vordergrund des charakteristischen klinischen Bildes, daß es volle Berechtigung hat, die Huntersche Anämie als nosologische Einheit darzustellen, selbst wenn man damit rechnet, daß ihr eine ätiologische Viel- heit zugrunde liegt. Zudem rechtfertigt der eigenartige embryonale Typus der Erythropoese und der hyperchrome Charakter dieser Anämie, ihr eine besondere Stellung unter den Anämien zuzuweisen. Sie findet in diesem Werk eine gesonderte Darstellung. Eine zweite Form der kryptogenetischen Anämie ist die Chlorose. Alles, was wir über die Ätiologie dieser Krankheit bisher erfahren haben, trägt bis heute durchaus hypothetischen Charakter. Aber auch hier berechtigt vor allem das klinische Bild, weniger der Blut bef und, eine besondere Krankheit eigener Art anzunehmen. Auch die Chlorose ist eine sekundäre Anämie, wahrscheinlich bedingt durch korrelative Störungen zwischen innersekretorischen Organen und dem Knochenmark. Sie findet in dieser Darstellung unter den myelopathischen Anämien ihren Platz. Es bliebe uns nun für die Vielheit der sekundären Anämien die Möglichkeit, sie nach ihrer Ätiologie zu gruppieren, was schließlich zu einer Aufzählung aller Krankheiten, die zur Anämie führen können, zwingt. Diese Art der Dar- stellung würde zu unnötigen Wiederholungen Anlaß geben. Es soll daher versucht werden, die Anämien nach dem Angriffspunkt der ätiologischen Faktoren zu gruppieren, ein Prinzip, das unter anderen von Pappenheim in seiner allgemeinen Darstellung der Pathogenese der Anämie durchgeführt wurde. Man hat einer solchen Einteilung den Vorwurf gemacht, daß sie keine strenge Sonderung gestatte, weil die schädigenden Biutkrankheiten. II. 1 2 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Faktoren meist gleichzeitig an mehreren Stellen angreifen, z. B. am Knochen- mark und am zirkulierenden Blute, daß also Mischformen von myelophthisischen und hämopathischen Anämien vorliegen. Das ist zuzugeben. Die Darstellung wird zeigen, daß die sekundären Anämien doch ein differentes charakteristisches Gepräge erhalten, je nachdem die Noxe vorzugsweise den Blutbildungs- apparat und das fertige Blut in seiner Bahn betrifft oder eine Erkrankung des Blutapparates vorliegt. Daraus ergeben sich die Gruppen der I. hämophthisischen und hämopathischen Anämien mit den Unterabtei- lungen der posthämorrhagisch-traumatischen und der hämotoxischen Anämien und II. die myelophthisischen Anämien mit a) myelophthisischen Anämien im engeren Sinne, entstanden durch Verdrängung des Knochenmarks -Parenchyms durch ortsfremdes Gewebe (Tumormetastasen, Myelome), aplastische und aregene- ratorische Anämien; b) myelotoxische Anämien, meist kombiniert mit Hämotoxikosen (Anämien nach Karzinom, bakteriellen Infektionen und physikalische Schädigungen durch Röntgenstrahlen und Radiumeinwirkung) ; c) die myelopathischen Anämien infolge Störungen von Organkorre- lationen zwischen Knochenmark und inkretorischen Drüsen (Chlorose) ; d) splenogene Anämien der älteren Autoren. Diese Gruppe läßt sich nach neueren Anschauungen nicht mehr aufrechterhalten . e) Die Stellung der alimentären Anämien in diesem System ist umstritten, da über den Angriffspunkt der alimentären Schädigungen eine Einig- keit bis heute nicht erzielt ist. Nach ihrem histologischen Verhalten lassen sich die Anämien einteilen in: 1. Anämien mit embryonalem Typus der Erythropoese. Hyperchrome Anämien (perniziöse Anämien). 2. Anämien mit postembryonalem Typus der Erythropoese. Alle sekundären Anämien. Hypochrome Anämien. I. Allgemeine Pathologie der sekundären Anämien. Der Darstellung der speziellen Pathologie der sekundären Anämien soll eine Erörterung derjenigen Folgen für den Gesamtorganismus vorausgeschickt werden, welche mehr oder weniger ausgesprochen sich nach jeder Veränderung der Blutzusammensetzung im Sinne der Anämien einstellt. Jede Form der sekundären Anämie geht mit einer Verminderung der Zahl der roten Blutkörperchen und der Hämoglobinmenge einher. Die Veränderungen, welche die chemische Zusammensetzung des Blutes und sein physikalisch-chemisches Verhalten betreffen, werden naturgemäß sich unterscheiden nach den verschiedenen ätiologischen Faktoren, welche die sekundäre Anämie zur Folge haben. Gewisse gemeinsame Züge lassen sich aber bei allen Formen der sekundären Anämien aufdecken. Zunächst ist festzuhalten, daß weder akute noch chronische Blutungen zu einer dauernden Verminderung der Gesamtflüssigkeitsmenge im Gefäß- system führen. Blutmengenbestimmungen sind allerdings für die verschiedenen Stadien der Reparation nach eingetretener Blutung noch nicht gemacht, doch sind andere Kriterien dafür vorhanden, daß selbst große Blutverluste nur ganz vorübergehend zu einer Oligämie führen. Sekundäre Anämien: Morphologisches Verhalten der roten Blutkörperchen. 3 Nur wenn ein abundanter Blutverlust unmittelbar zum Verblutungstode führt, so zeigt sich bei der Obduktion eine sehr geringe Blutgefäßfüllung. Wird der Blutverlust aber überstanden, so wird die Gesamtblutmenge ihrem Volumen nach sehr rasch durch den Einstrom von Gewebsflüssigkeit wieder ergänzt, was zu einer charakteristischen posthämorrhagischen Hydra mie führt. Diese Verwässerung des Blutes läßt sich erkennen durch Feststellung des spezifischen Gewichtes, welches eine Abnahme erfährt und die Bestimmung des Trockenrückstands, welcher vermindert ist. Und zwar sind diese Veränderungen nicht bloß am Gesamtblut, was nichts beweisen würde, sondern auch am Plasma resp. Serum nachzuweisen. Ältere Autoren haben allerdings angenommen, daß die Zunahme an Wasser vorzugsweise die roten Blutkörperchen beträfe. Durch die moderne refrakto- metrische Untersuchung des Serums läßt sich kurvenmäßig die Veränderung des Serums im Sinne einer Hydrämie als Folge akuter Blutverluste nachweisen. Eine akute Verminderung der roten Blutkörperchen nach Blutverlusten in die Volumeinheit ist gar nicht anders als durch den eben geschilderten Mecha- nismus des raschen Wiederersatzes der Blutflüssigkeit aus den Gewebsdepots zu erklären. Bei der Art der Zählung der roten Blutkörperchen in der Volumen- einheit müßte, wenn lediglich eine Oligämie resultiert, die Zahl der Blut- körperchen unverändert bleiben. Schon Vierordt hat in seinen Tierversuchen gezeigt, daß die Verminderung der Blut- körperchenzahl in der Volumeneinheit anfänglich um so geringer ist, je größer der Blut- verlust ist. In diesen Fällen reichen eben die vorhandenen Reserven an Gewebsflüssigkeit nicht aus, um sofort einen vollen Ersatz der in Verlust gegangenen Flüssigkeitsmengen zu leisten, woraus dann eine relativ geringere Verdünnung der Blutkörperchensuspensions- flüssigkeit resultiert. Der geschilderte Mechanismus läßt es daher verständlich erscheinen, daß die Blutkörperchenzahl und das Hämoglobin nicht unmittelbar nach einem akuten Blutverlust ihren niedrigsten Wert nach den üblichen klini- schen Bestimmungsmethoden erreichen, sondern erst dann, wenn der Flüssig- keitsersatz aus den Geweben auf seinem Höhepunkt angelangt ist. 1. Das morphologische Verhalten der roten Blutkörperchen bei den sekundären Anämien. Das morphologische Verhalten der roten Blutkörperchen bei den einzelnen Formen der sekundären Anämie wechselt vor allem nach Maßgabe der Schnellig- keit, mit welcher der Blutverlust resp. die Blutkörperchenzerstörung eingesetzt hat. Jeder Blutverlust stellt einen intensiven Reiz für das Knochen- mark dar. Das rote Mark dehnt sich aus auf Kosten des Fettmarks, es kommt zu den Erscheinungen einer lebhaften regeneratorischen Tätigkeit. Der Aus- druck dieser lebhaften Knochenmarkstätigkeit ist das Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörperchen und häufig auch neben der mehr oder weniger lebhaften Zunahme der roten eine Vermehrung der weißen Zellen: neutrophile post- hämorrhagische Leukozytose. Je nach der Intensität des eingetretenen Blutverlustes ist das neugelieferte Material mehr oder weniger minderwertig. Es werden Blutkörperchen in die Bahn abgegeben, welche eine nur mangelhafte Hämoglobiijausrüstung erhalten haben, die sich von den älteren durch ihr blasseres Aussehen unterscheiden. Auch die Poikilozytose — die Vielgestaltigkeit der roten Blutkörperchen — ist ebenso wie die Mikrozytose — das Zukleinbleiben der einzelnen roten Zellen — ist als Ausdruck überstürzter Regeneration angesprochen worden, die eben zur Lieferung eines qualitativ unzulänglichen Materials führt. 1* 4 M. Bürger: Sekundäre Anämie. Chlorose. Der wechselnde Hämoglobingehalt der einzelnen Zellen bedingt ihre wech- selnde Färb^arkeit. Häufig sieht man neben den rein azidophilen Zellen solche, welche sich mit basischen Farbstoffen tingieren. Die Veränderungen der roten Blutkörperchen bei den sekundären Anämien betreffen demnach ihre Zahl, Größe und Form; auch ihre innere Struktur ist verändert, was aus ihrem veränderten chemischen Bau und ihren anderen physikalischen Eigenschaften geschlossen wird. Während bei den meisten Formen von sekundärer Anämie in irgend einem Stadium der Krankheit die Zahl der Roten in der Volumeinheit vermindert ist, kann gelegentlich auch eine Vermehrung der Roten im Verlaufe einer Anämie zur Beobachtung kommen, was als ein Zeichen der Überregeneration aufgefaßt wird. Die Ursachen für die Erniedrigung der Zahl der Roten sind verschieden. Die Verminderung der Erythrozyten nach Blut- verlusten wurde bereits erwähnt. Hier hängt die Menge der roten Blutkörperchen in der Volumeinheit einerseits ab von der Größe und Schnelligkeit des einge- tretenen Blutverlustes, anderseits aber von dem Wassergehalt der Gewebe, aus welchem sich das Gesamtvolumen der Blutflüssigkeit wieder ergänzt und schließlich von der regeneratorischen Kraft des hämatopoetischen Apparats. Wie das Zusammenspiel dieser Faktoren im einzelnen das Verhältnis der Zellen - zahl zum Plasmavolumen gestaltet, welches wir ja allein bei unseren Zählungen feststellen können, soll im speziellen Teil erörtert werden. Weiterhin kann die Zahl der Zellen durch die Zerstörung der Blutkörper in ihrer Bahn erheblich vermindert werden. Das geschieht unter der Einwirkung der bekannten Blutgifte und der ihrer chemischen Zusammensetzung nach unbe- kannten Hämolysinen: z. B. in besonders eindrucksvoller Weise durch das ,,Kältehämolysin" bei der paroxysmalen Hämoglobinurie. Ferner können Blutparasiten die Erythrozyten in der Blutbahn zerstören. Drittens kann die Schädigung des hämatopoetischen Apparats eine Verminderung der Erythro - zytenzahl dadurch bedingen, daß die Neubildung in dem geschädigten Knochenmark mit dem normalen Verbrauch nicht Schritt hält. Am klarsten liegt diese Genese der Erythropenie bei Tumoren des Knochenmarks bei welchen an Stelle des roten Marks z. B. ein Karzinom sich ausbreitet. In der Mehrzahl der Fälle, mit welchen die Klinik zu rechnen hat, spielen mehrere Momente gleichzeitig ihre deletäre Rolle, indem neben einer, toxischen Lähmung des germinativen erythropoetischen Gewebes intravasale Blutschädigungen einherlaufen. Das ist bei vielen Infektionskrankheiten und bei den zur Kachexie führenden Karzinosen der Fall. Schließlich kann es durch eine relative Vermehrung der Blutflüssigkeit (Polyplasmie) zu einer scheinbaren Erythropenie kommen. 2. Größe und Formen der Erythrozyten beiden sekundären Anämien. Eines der geläufigsten hämatologischen Zeichen der sekundären Anämien ist die ungleiche Größe (Anis ozy tose) der roten Zellen. Durch Vergleich mit den normalen Zellen (Normozyten) lassen sich die Gruppen der pathologisch kleinen Zellen (Mikrozyten), der krankhaft großen Zellen (Makrozyten) und der Riesenzellen (Megalozyten) unschwer unterscheiden. Unter den Mikrozyten unterscheidet man die Gruppe der Schizozyten, ganz abnorm kleine und in der Form unregelmäßig gestaltete Zellen mit zwei bis drei /li Durchmesser und die eigentlichen Mikrozyten von 4 — 6 jti Durchmesser. Die Schizozyten (Ehrlich) deuten schon durch ihre Mißgestalt ihren degene- rativen Charakter an. Sie sollen durch Abschnürung aus krankhaft veränderten Blutkörperchen entstellen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß ein Sekundäre Anämien: Größe und Formen der Erythrozyten. 5 krankhaft verändertes Knochenmark diese Mißgeburten in die Blutbahn treten läßt. Die eigentlichen Mikrozyten werden jetzt wohl allgemein als das Zeichen erlahmender Knochenmarks bätigkeit aufgefaßt. Es ist von Bedeutung, daß auch bei bestimmten Formen von Polyglobulie eine Mikrozytose bestehen kann, eine Erscheinung, die dafür spricht, daß unter bestimmten Bedingungen diese fehlerhaft gebildeten Zellen auch bei erhaltener germinativer Kraft des myelopoetischen Apparats auftreten können. Die Makrozyten stellen große, kernlose rote Blutzellen dar, von etwa 9 — 15 jti Durchmesser. Sie werden bei allen Formen schwerer Anämie gefunden, im allgemeinen zeichnen sie sich durch einen großen Hämoglobinreichtum aus. Sie sind sehr gut färbbar, doch wird von allen Autoren hervorgehoben, daß gelegentlich auch, hämoglobinarme Makrozyten im Blute zirkulieren. Ge- legentlich kommen polychromatische Makrozyten im Blute vor. Auch baso- phile Punktierung, Kernreste, Jollykörperchen werden in ihnen gesehen. Ehrlich wollte diese Makrozyten als charakteristisches Merkmal der perniziösen Anämie ansehen. Diese Auffassung ist aber von Grawitz, Nägeli und anderen wider- legt. Die Makrozyten stellen eben jugendliche Elemente des in lebhafter Ery- thropoese begriffenen Marks dar. Eine besondere maligne Bedeutung haben diese Zellen nicht. Von diesen Makrozyten werden als Megalozyten abnorm große Riesen- zellen beschrieben, die im embryonalen Leben und unter pathologischen Be- dingungen in die Blutbahn übertreten. Auch sie zeigen eine besonders gute Färbbarkeit, dank ihres erhöhten Hämoglobingehalts. Bei den sekundären Anämien wird diese Form der Riesenzellen relativ selten gefunden. Daß es sich bei diesen Bildungen um pathologische Gebilde handelt, die in der Peri- pherie gequollene Zellen darstellen, sie also das Produkt degenerativer Vorgänge darstellen, ist schon deshalb wenig wahrscheinlich, weil das embryonale Blut diese Formen in großer Menge enthält. Daß es aber angängig ist, auf Grund lediglich einer Megalozytose auf das besondere Wesen und den Charakter der Anämie, wie Nägeli es will, bindende Schlüsse zu ziehen, erscheint mir nicht angängig. Die kernhaltigen roten Blutkörperchen (Normoblasten). Unter den kern- haltigen roten Blutkörperchen werden orthochromatische und polychromatische Erythroblasten unterschieden. Ihr Vorkommen ist ganz allgemein ein Symptom gesteigerter Regeneration. Wir finden daher diese Zellen bei allen sekundären Anämien der verschiedensten Ätiologie. Neben der Reizung des Marks zu ge- steigerter Zellbildung mögen in einzelnen Fällen direkte toxische oder mechanische Schädigungen das erythropoetische Gewebe zur Ausschwemmung von Normo- blasten veranlassen. Türk weist darauf hin, daß während des Schüttelfrostes bei der Malaria, unter der Einwirkung von Blutgiften oder bakteriellen Toxinen unverhältnismäßig große Mengen von Normoblasten im Blute zu einer Zeit auftreten können, in welcher die Anämie noch relativ gering ist. Ein besonders lebhafter Reiz zur Knochenmarksbildung infolge Hämoglobinverarmung des Blutes also noch nicht vorliegen kann. Bei Karzinosen des Knochenmarks und bei infiltrierenden Lymphomatosen desselben soll nach. Türk eine direkte Verdrängung dieses unreifen Elemente aus dem Mark stattfinden. Mit zuneh- mender Markverödung werden dann die Erythroblasten wieder spärlicher. Diese toxischen und mechanischen Reizwirkungen mögen als gelegentliche Ursachen zur Ausschwemmung von Normoblasten führen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle haben wir in dieser Erscheinung den Ausdruck einer lebhaften, ja überstürzten Blutregeneration zu erblicken. Allen Untersuchenden ist die Unregelmäßigkeit des Vorkommens dieser Elemente im Blute aufgefallen. Oft werden sie schubweise ins Blut geworfen, ein Zustand, der von v. Noorden 6 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. als Blutkrise bezeichnet wird. Es ist angebracht, in der prognostischen Beur- teilung des mehr oder weniger zahlreichen Vorkommens von Normoblasten im Blute sehr zurückhaltend zu. sein. Nicht selten kommen sie bei durchaus genügender Rückbildung schwerster Anämien relativ spärlich im Blute vor, anderseits sieht man sie relativ zahlreich in Fällen, die zum Tode führen. Das ist aber sicher eine Ausnahme. In der Regel kündigt ein Erythroblasten- schub das Einsetzen einer kräftigen Blutregeneration an, welcher eine günstige klinische Vorbedeutung zukommt. Stets soll man, wenn die Normoblasten bei schweren Anämien dauernd im Blute fehlen, zum mindesten an eine funk- tionelle Erschöpfung des Knochenmarks denken. In selteneren Fällen ist bei anämischen Zuständen eine Aplasie resp. Atrophie des Knochenmarks, bei welcher sich das rote Epiphysenmark in Fettmark umgewandelt hat, die Ursache für das Ausbleiben der kernhaltigen roten Blutkörperchen im peripheren Blute. Die orthrochromatischen Normoblasten haben die Größe und Färb- barkeit der normalen kernlosen Erythrozyten. In der Regel ist der Kern klein und dicht gefügt und zeigt eine ausgesprochene Basophilie. Er hat im Durch- schnitt einen Durchmesser von etwa 3 /t< und ist um so dichter gefügt, je kleiner er ist. Die polychromatischen Normoblasten unterscheiden sich von den ortho- chromatischen durch die Farbe ihres Protoplasmas. Häufig zeigen sie eine mehr lappige und unregelmäßige Oberfläche als die orthochromatischen Erythro- blasten, ihr Kern ist fast regelmäßig größer und nicht so dicht gefügt. Das Protoplasma zeigt eine wechselnd intensive Affinität zu basischen Farbstoffen. Kommt wie gewöhnlich Methylenblau zur Verwendung, so kann sich das Proto- plasma so stark tingieren, daß eine gewisse Ähnlichkeit mit den Lymphozyten resultiert. Nicht selten zeigt ihr Protoplasma basophile Tüpfelung. Ihr Vor- kommen hat dieselbe diagnostische und prognostische Bedeutung wie die der orthochromatischen Erythroblasten . Megalobl asten. Eine besondere differentialdiagnostische Bedeutung kommt den Megaloblasten zu. Darunter werden große 10—12 /.i im Durchmesser betragende Gebilde verstanden, die einen strukturreichen, nicht dichten Kern aufweisen. Ihr Protoplasma ist polychromatisch. Die Aufnahmefähigkeit auch für basische Farbstoffe ist eine regelmäßige Erscheinung bei den Ery- throblasten. Diese Polychromasie ist verschieden stark ausgeprägt. Jüngere Zellen zeigen bei Methylenblaufärbung oft eine rein blaue Tinktion. Die dia- gnostische Bedeutung dieser Zellen ist sehr verschieden ge wertet worden. Ehrlich hat diese Zellform als charakteristisches Merkmal der perniziösen Anämie angesprochen. Wenn sie auch bei dieser Form der Erkrankung beson- ders häufig gefunden werden, so ist in ihnen doch kein differentialdiagnostisches Kriterium in dem Sinne zu entdecken, daß der Megaloblastenfund eine sekundäre Anämie auszuschließen gestattet. Sie sind auch bei der Anämie der Wurm- träger gefunden worden, (Botriocephalus latus und Anchylostomum duodenale). Auch bei Anämien nach Karzinom, Syphilis und chronischen Blutungen hat man diese Zellen beschrieben. Wir selbst sahen sie nach einfachen Blutungs- anämien nie. Darin ist Nägel i jedenfalls recht zu geben, daß die durch einfache Blutentziehung oder durch Blutgifte erzeugten Anämien nicht zum Auftreten dieser Zellformen führen, daß also die Schwere der Anämie offenbar nicht der wesentliche Faktor ist, sondern daß es sich um eigenartige Vergiftungen des Knochenmarks handele, die zum Auftreten der Megaloblasten Anlaß geben. Türk vertritt einen anderen Standpunkt. Nach ihm ist, wenn der Überbedarf an Erythrozyten nicht sehr groß ist, eine Vermehrung der bereits Hämoglobin- gehalt führenden Normoblasten des Markgewebes ausreichend, ihn zu befriedigen. Sekundäre Anämien: Größe und Formen der Erythrozyten. 7 Bei gesteigertem Bedarf sollen basophile Erythoblasten zur Hilfe heran- gezogen werden, und zwar in um so unreiferem Zustand, je größer die Anforde- rungen sind, und je kürzer ihre Reifungszeit bemessen ist. Er meint also, daß das Auftreten oder Ausbleiben dieser Elemente im peripheren Blute im wesent- lichen eine Funktion der Plötzlichkeit der an das Knochenmark gestellten Anforderungen sei. Diese Auffassung scheint mehr theoretisch konstruiert als tatsächlich beobachtet. Festhalten müssen wir jedoch, daß die Megaloblasten auch bei anderen Anämien als der Perniziosa gefunden werden. Wir sind heute bei der Abgrenzung der Anaemia perniciosa von den sekundären Anämien nicht mehr auf den rein zytologischen Befund angewiesen, sondern haben neben dem Blutbefund andere differentialdiagnostische Kriterien, unter denen ich den Gallenfarbstoff des Serums, der bei den perniziösen Anämien in der Regel erhöht, bei den sekundären Anämien in der Regel normal, oder eher vermindert ist, oben anstelle. Die Polychromatophil! e oder Polychromasie auch von Ehrlich als anämische Degeneration bezeichnet, ist nicht, wie man früher glaubte, der Ausdruck einer peripheren Schädigung, sondern ein Zeichen rascher Regeneration. Für diese Auffassung spricht vor allem der Befund polychromatischer Zellen in den blut- bildenden Organen, und zwar können sowohl kernhaltige sowie kernlose rote Blutkörperchen in den Blutbildungsstätten diese Veränderung aufweisen. Über die chemische Eigenart, welche der Polychromatophilie der roten Blut- körperchen zugrunde liegt, herrscht keine Einigkeit. Das wahrscheinlichste ist die Annahme, daß die Polychromasie mit dem Entkernungsvorgang in irgend- einem Zusammenhang steht. Für diese Auffassung sind vor allem Blumen- thal und Morawitz eingetreten. Askanazy fand im Knochenmark einer resezierten Rippe die Polychromatophilie in allen kernhaltigen roten Blut- körperchen ausgeprägt. Für die bei Anämien gefundene Polychromasie darf festgehalten werden, daß sie ein Ausdruck der Jugendlichkeit der roten Blut- körperchen ist. Im extrauterinen Leben finden sich polychromatische kernhaltige und kern- lose rote Blutkörperchen regelmäßig im Knochenmark. Im Blut treten sie am häufigsten bei den verschiedenen Formen der Anämien auf. Daß sie auch bei Gesunden im peripheren Blute vorkommen, habe ich nie gesehen. Bei bestimmten Infektionen können die polychromatischen roten Blutkörperchen bereits zu einer Zeit auftreten, in welcher die übrigen Zeichen der Anämie noch wenig entwickelt sind. So hat man die polychromatischen roten Blutkörperchen bei den verschiedensten parasitären Blutkrankheiten, z. B. Malaria, Trypano- somiasis und bakteriellen Septikämien gefunden. Der Meinung, daß der Polychromasie im wesentlichen ein Attribut jugend- licher Elemente sei, steht die ältere Auffassung Ehrlichs gegenüber, die wir oben erwähnten, nach der es sich um eine degenerative Erscheinung an den roten Zellen handeln soll, und zwar vor allem an älteren Zellen. Es wurde darauf hingewiesen, daß unter Einwirkung von Giften eine Form von Degeneration zustande käme, welche die Färbbarkeit im Sinne der Basophilie ändere. Hirsch - feld zeigte, daß Blut, welches er in Kapillaren einschloß, und im Brutschrank aufbewahrte, nach 48 Stunden reichlich polychromatische rote Blutkörperchen erkennen läßt. Das sind aber durchaus unphysiologische Bedingungen. Ob auch Blut, das innerhalb des Körpers die Gefäße verläßt, die gleichen Ver- änderungen aufweist, ist zweifelhaft. Heinz, der solche Versuche anstellt, hat nie Polychromasie an den roten Blutkörperchen gefunden. Es ist nach unserem bisherigen Wissen zum mindesten unbewiesen, daß in der Blutbahn angreifende Schädlichkeiten die Polychromasie hervor- rufen können. 8 B£. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Die basophile Tüpfelung. Auf das Auftreten von basophilen Körnelungen im Erythrozytenprotoplasma hat als erster Ehrlich hingewiesen. Auch diese Veränderung wurde von ihm als Zeichen der Degeneration des Zellstromas aufgefaßt. Auch von anderen (Maragliano und Castellino) wurden die basophilen Substanzen als nekrobiotische Produkte gedeutet. Nach vielen Irrtümern — man hat die Tüpfelung als Kokken, als Keime der Malariaparasiten gedeutet — wurde von Askanazy, der sie besonders bei perniziöser und Botrio- zephalus-Anämie beobachtete, diese Veränderung als der Ausdruck von Kern- zerfallsprodukten angesprochen. Er sah in den basophil reagierenden Sub- stanzen Kernfragmente, die gewissermaßen den Übergang vom Erythro- blasten zum orthochromatischen Erythrozyten darstellen. Bei diesen Besonderheiten der roten Blutkörperchen, die am häufigsten bei anämischen Erkrankungen gefunden werden, sind im wesentlichen zwei Auffassungen verteidigt worden. Nach der einen ist die basophile Tüpfelung der Ausdruck einer direkten deletären Einwirkung der verschiedenen Schäd- lichkeiten auf die roten Blutkörperchen. Nach der anderen Auffassung handelt es sich um den Ausdruck eines Knochenmarkreizes. Da die Granula als Kernfragmente betrachtet werden, und man dieselben häufig neben kernhaltige Erythrozyten findet, ist sehr bald die Frage aufge- worfen worden, ob jedes Blut, in welchem basophile Granula auftreten, auch stets kernhaltige rote enthält. Die Frage ist wohl dahin entschieden, daß auch in einem Blut mit sehr zahlreich getüpfelten basophilen roten Blut- körperchen die kernhaltigen roten fehlen können. Wie für die Entstehung der Polychromasie, so hat man auch für das Auf- treten der basophilen Tüpfelung direkte Einwirkung von Blutgiften auf die fertigen Zellen als Ursache angenommen. Grawitz, welcher diese Hypothese verteidigte, hat aus der Anwesenheit der basophil getüpfelten Zellen umge- kehrt auf das Wirken unbekannter Blutgifte geschlossen. Gegen diese Auf- fassung, die Körnelung der Erythrozyten sei der Ausdruck einer peripheren Blutschädigung, spricht vor allem ihr Auftreten bei Blutungsanämien. Weiter- hin widerlegte in entscheidender Weise das Vorkommen der Granulierung bei Embryonen (Schmidt, Engel) den degenerativen Charakter der Körnelung. Es war eine unmögliche Annahme, daß die Zeit der intensivsten Entwicklung gleichzeitig die Periode ausgedehnter degenerativer Prozesse sein sollte. Auch die Feststellung, daß eine Parallele zwischen der Menge der gekörnelten Zellen und der Konzentration des Blutgiftes nicht vorhanden ist, spricht gegen den degene- rativen Charakter. Bei schweren perniziösen Anämien können die basophil getüpfelten vor dem Tode verschwinden. Die Frage nach dem Wesen und der Bedeutung der basophilen Tüpfelung hat eine ausgedehnte experimentelle Bearbeitung erfordert. Die Anregung dazu hat das fast regelmäßige Auftreten der basophilen Tüpfelung bei der chronischen Bleivergiftung gegeben. Es stellte sich bei diesen Untersuchungen heraus, daß durch akute Bleivergiftungen die basophile Tüpfelung ausbleibt. Nur durch chronische Intoxikation ließ sich die Granulierung erzeugen. Wenn die toxische Bleidosis aber über eine gewisse Höhe hinausging, ver- schwanden die Körnchen wieder aus dem Blut. Ebenso pflegt bei tödlich ver- laufender Vergiftung die Tüpfelung vor dem Tode auszubleiben. Diese Unter- suchungen, erst von Sabrazes durchgeführt, wurden von anderen bestätigt und in ihrer allgemeinen biologischen Bedeutung gewürdigt (Lutoslawski). Es ergibt sich daraus, daß die basophile Tüpfelung ein Zeichen leb- hafter regeneratorischer Tätigkeit der blutbildenden Organe dar- stellt und daß, \\ Organ Cur die Bildung der roten Blutkörperchen beim erwachsenen gesunden Menschen kommt nach unseren heutigen Kenntnissen allein das Knochenmark in Frage. Wir wissen, daß beim Embryo die Fähigkeit, spezifische Blutelemente zu produzieren, zunächst dem mesenchymalen Gewebe zukommt. Sekundäre Anämien: Blutbildung. 11 Mit fortschreitender Entwicklung lassen dann Leber, Milz und Knochenmark alle Formen der Blutzellen aus den gleichen undifferenzierten mesenchymalen Elementen entstehen. Die Leber verliert ihre blutbildende Funktion nach und nach und. stellt sie schließlich vollkommen ein, während Milz und Lymphdrüsen nur mehr Lymphozyten und ihnen nahestehende Zellformen produzieren. Die Bildung der granulierten Leukozyten wird nach unseren heutigen Kenntnissen der Hauptmenge nach, die der roten Blutkörperchen vollkommen aufs Knochen- mark beschränkt. Für das Verständnis der Blutbildung unter pathologischen Verhältnissen ist die Kenntnis der Blutbereitung im embryonalen Leben von wesentlicher Bedeutung. Unsere jetzigen Vorstellungen können dahin präzisiert werden, daß wir viele Änderungen des Blutbildes, wie wir sie bei schweren Anämien beobachten, als den Ausdruck einer geänderten Knochenmarksfunktion zu deuten haben und darüber hinaus histologische Anhaltspunkte dafür gewinnen, daß Organe, die im embryonalen Leben an der Blutbildung beteiligt waren, dieselbe auf bestimmte Reize hin im postembryonalen Leben wieder aufnehmen. Die Knochenmarksfunktionen können in zwei Richtungen unter krankhaften Bedingungen geändert sein: 1. Kann die Zellneubildung quantitativ ge- steigert sein, wobei der Zellexport qualitativ anscheinend nur normal gebildete Produkte in die Blutbahn treten läßt. 2. Kann es aber unter pathologischen Verhältnissen auch zu einer veränderten Zellbildung im erythropoetischen Apparat kommen. Eine wichtige bisher in ihren Ursachen noch wenig auf- geklärte Funktion des normalen Marks ist es, nur reife Elemente in die Blutbahn zu entlassen. Wir wissen, daß unter pathologischen Bedingungen diese Funktion notleidet, auch dann, wenn qualitativ die erythroblastischen Funktionen des Marks noch nicht alteriert sind. Erst dann, wenn zwischen dem Zellbedarf des Organismus und den germinativen Kräften des hämato- poetischen Gewebes ein Mißverhältnis eintritt, leidet diese Funktion not. Es kommt nicht bloß zu einer Mehrleistung des Knochenmarks, die das Resultat einer Aktivitätshypertrophie ist, sondern es wird auch qualitativ anderes Zell- material in die Peripherie abgegeben. Man hat Grund zu der Annahme, daß aus einem ursprünglich bloß funktionellen Reiz ein zytoplastischer Reiz ge- worden ist. Das unter solchen Bedingungen gebildete rote lymphoide Reizmark hat die Funktion verloren, unreife blutfremde Elemente vor dem Übertritt in die Gefäßbahn zu bewahren. Bei der Beurteilung von Knochenmarksbefunden ist zu berücksichtigen, daß das rote Mark auch beim normalen erwachsenen Individuum durchaus nicht auf die kurzen Knochen (Wirbelsäule, Rippen) beschränkt ist, sondern daß auch im Oberschenkel gewöhnlich rotes Mark gefunden werden kann. Darauf hat Hedinger hingewiesen, wir selbst fanden bei systematischen Unter- suchungen des Knochenmarks das gleiche. Das rote Mark verdrängt bei funktio- neller Beanspruchung, also besonders bei den verschiedenen Formen der Anämien, aber auch bei vielen Infektionskrankheiten das Fettmark in der Richtung vom proximalen zum distalen Ende sich ausbreiten. Bei vielen Kachexien und bei Zuständen, die zur Unterernährung führen, tritt ein sogenanntes Gallertmark auf, das statt des Fettes eine wässerige Sülze enthält. Chemische Unter- suchungen der verschiedenen Typen des Knochenmarks zeigen die allmähliche Verdrängung des Fettes durch zellreiches eiweißhaltiges Gewebe. Umstehende Tabelle nach eigenen mit Beumer durchgeführten Untersuchungen möge diese Verhältnisse illustrieren. , Unter den wechselnden Formen von Zellmark lassen sich verschiedene Typen nach ihrem makroskopischen und vor allen histologischem Befund unter- scheiden : 12 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. 100 g Knochenmark enthalten1): Krankheitsdiagnose XIII. XVI. XXVI. am « 5 8 S u . fl OM - »^ p 7 = 3 g 7. "S § b Pankreas« atroph ie. ")jähr. Man cc 3 * S'~z^ O « | h 0 fflp Perniz DämJe, nochen Iji'ihr. Perniz nämie, nochen Mädel .\ auch bei entmilzten Tieren _m " ^^G> ^\ eme myeloide Metaplasie von Leberzellen nachweisen, bei pyrodin vergifteten Kaninchen . Auch hier wurden unter den Q C £ ^ **9 myeloiden Elementen Mega- karyozyten, Normoblasten mit Kernteilung in gruppenförmi- i'-YhPii& ^?y - ä. t&& ger Anordnung, oft in Lakunen und allseitig abgeschlossenen Buchten gelagert gefunden. Bei sekundären Anämien €*£ ^ (_7 Msjrs. "' ' des Menschen sahen Meyer 0©s "' Oa^O 'ß\ ' und Heineke in zwei Fällen jfS ijy ffi -T; ^ yJ} £r*)\ von schwerer Sepsis mit weit- \ jrm^ ^ ''■' ^-^y gehender Anämie extra- und intrakapillare Blutungsherde Abb. 4. Myelozytenhaufen in der Leber bei in der Leber. In dem einen Karzinomanämie. Fall war besonders auffallend, daß sich in den Ausstrichen der Leber neben anderen myeloiden Elementen Normoblasten fanden, die im zirkulierenden Blut trotz sorgfältigster Untersuchung stets fehlten. Dabei waren in der Leber perivaskuläre Herde mit wenig differenzierten weißen Blutzellen und mononukleären eosinophilen Zellen vorhanden, während das Knochenmark relativ zellarm nur stellenweise in rotes, nicht lymphoides Mark umgewandelt war, also ein Bild, welches in vielen Fällen an das der perniziösen progressiven Anämie erinnert. Es zeigt sich demnach, daß ganz entsprechend den Erfahrungen bei der Blutgiftanämie auch bei postinfektiösen Anämien myeloide Metaplasien in der Leber sich ausbilden, die als Ausdruck regeneratorischer Bestrebungen in der Leber aufzufassen sind. Eine eigene Beobachtung betrifft einen 39 Jahre alten Kranken, der wegen einer schweren sekundären Anämie in Behandlung stand. Es fanden sich zahlreiche Schleimhaut- blutungen und Blutungeo am Augenhintergrund. Die Sektion deckteeindiffus infiltrieren- des kleinzelliges Karzinom auf, «las sieh wahrscheinlich auf der Basis eines Ulkus ent- wickelt hatte \),\< Ende wurde beschleunig durch eine lobärc Pneumonie des rechten Unter- lappens. Die am Tage vor dem Tode durchgeführte Blut Untersuchung ergab folgendes: Sekundäre Anämien: Veränderungen des Herzens. 17 Rote 1 060 000, Blutplättchen 88 000 Weiße 8 300 Neutrophüe 14,5 °/0 Lymphozyten 69 °/0 Mononukleäre 9 °/o Eosinophile 0,5 °/0 Myelozyten 7 °/0 Auf 100 weiße Blutkörper kommen 64 Normoblasten, 20 Megaloblasten. Starke Poikilozytose, Anisozytose, Polychromatophilie. Das mikroskopische Bild der Leber zeigt Hämosiderose, Rundzell- anhäufungen zwischen den Leberzellbalken und Myelozytenhaufen (vgl. Abb. 4). Dieser Befund entspricht ganz denen, die Meyer und Heineke bei sekundären Anämien nach chronischer Sepsis erhoben haben. Literatur. Albrecht: Frankfurt. Zeitschr. f. Pathol. Bd. 12. 1913. -- Askanazy: Verhandl. d. dtsch. pathol. Ges. 1904. — Bizzozero und Salvioli: Zentralbl. f. d. med. Wiss. 1879. - Butterfield: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 92. 1908. — Domarus: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 58, S. 319. 1908. — Ehrlich: Charite-Ann. Bd. 9. 1884. — Foa und Pellazani: Interessanter Beitrag zur wissenschaftlichen Medizin. Berlin 1891. — Heinz: Virchows Arch. f. pathol. Anat. ü. Physiol. Bd. 168. 1902. — Helly: Nothnagels Handbuch. — Howel: Journ. of morphol. 1890. — Isaak und Möckel: Kongr. f. inn. Med. 1910. - Kurpjuweit: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 77. 1903 und Bd. 80. 1904. - Meyer und Heineke: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 88, S. 435. 1907. — Pappenheim: Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten. Kraus und Brugsch. Lief. 130 bis 141. 1920. — Sternberg: Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. Bd. 46. — Ziegler: Fol. haematol. Bd. 6, S. 113, 357, 1908: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 99. 5. Störungen am Zirkulationsapparat bei den sekundären Anämien. Veränderungen des Herzens. Unter den Störungen am Zirkulationsapparat bei anämischen Zuständen stehen die Veränderungen des Herzens im Vordergrunde. Die schweren Verfettungen, welche als erste Ponfick und Biermer beschrieben haben, legten sehr bald die Frage nahe, ob die fettige Degeneration eine Folge der veränderten Blutzusammensetzung sei, oder ob die zur Anämie führenden Schädlichkeiten gleichzeitig die Entartung des Herzmuskels bedingen. Für beide Anschauungen sind eine Reihe von Gründen und Gegen- gründen angeführt. Ponfick glaubt die Herzverfettung sei Folge der chronischen, lokal sich geltend machenden Anämie, da nach seinen Experimentalunter- suchungen schwere Blutverluste regelmäßig fettige Entartung des Herzmuskels hervorbringen. H eitler meint präziser, es handele sich um Ernährungsstörungen, Eichhorst beschuldigt die veränderte Blutzusammensetzung als solche. Grawitz ist eher geneigt, die Herzverfettung als Folge direkt am Myokard angreifender Giftwirkung zu deuten nach Analogie der Befunde, welche man nach Phosphor und Arsen Vergiftung erheben kann. Gerade dieser Einwand der Möglichkeit eines direkten Angriffs am Herzmuskel muß auch allen den Untersuchungen gemacht werden, welche die Frage einer experimentellen Lösung durch chronische Zufuhr sog. Blutgifte entgegenführen wollten. Bei einem mit Pyrodin vergifteten Hund fand Samuely ausgedehnte Tigerung und Fett- einlagerung im Myokard. Das Herz hatte einen Fettgehalt von 13,86 %• Ein nach Pyrodinintoxikation wieder erholter Hund hatte nur 7,54°/0 Fett im Herzen. Ebenso fand Battistini schwere anatomische Veränderungen am Herzen, während Lüdke und Schüller nur bei einem von drei mit Pyrodin vergifteten Hunden eine mäßig ausgesprochene Tigerung und Fetteinlagerung finden konnten. Viel klarer liegen die Versuchsbedingungen, wenn nicht Gifte . Blutkrankheiten. IT. 2 18 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. sondern Aderlässe die Anämisierung bewirken. Aber auch dabei sind die ge- wonnenen Resultate durchaus ungleiche. Fettige Degeneration des Herzmuskels konnte Pest bei Hunden durch starke Aderlässe 6 mal unter 7 Versuchen erzielen, während er mit kleinen Blutentziehungen nicht zum Ziele kam. Morawitz und Blumenthal, Lüdke und Schüller dagegen hatten keinen positiven Erfolg. Diese sich widersprechenden Resultate sind z. T. durch die verschieden lange Dauer der Versuche zu erklären. Vielleicht spielen auch andere sekundäre Veränderungen, welche die chronische Anämie zur Folge haben kann, eine Rolle. Ich denke dabei an Störungen der Ernährung. Fraglos ist der blutarme Darm zum mindesten für resorptive Leistungen weniger geeignet. Darüber hinaus werden auch die Fermentationskräfte mehr oder weniger gelähmt sein, so daß im ganzen für stark beanspruchte Gewebe fraglos Ernährungsstörungen bei der chronischen Anämie resultieren werden. In dieser Auffassung bestärken mich alte Untersuchungen von Ribbert, der sich die Frage vorlegte, wie die eigen- artige Verteilung der degenerativen Veränderungen des Herzens, die die Bezeich- nung Tigerherz rechtfertigt, zustande kommt. Inj ektions versuche lehrten ihn, daß dafür die Anordnung der Kapillaren anzuschuldigen ist, wie sie seine Abbildungen erkennen lassen. Man sieht besonders auf der Zeichnung, die nach einem injizierten Papillarmuskel hergestellt ist, wie zwischen den gröberen noch injizierten Kapillarverästelungen regelmäßige nicht injizierte Intervalle auftreten. Diese Anordnung ließ sich besonders schön an den verfetteten Herzmuskeln zur Darstellung bringen, bei denen die Injektion bis an die Grenze der entarteten Abschnitte reicht. Es wechseln bei derartigen Injek- tionsversuchen farblose Streifen und gefärbte regelmäßig miteinander ab. Nach jeder Kontraktion, meint Ribbert, werden nur die weniger gut injizierten Abschnitte einen Augenblick später mit Blut versorgt werden als die anderen und wenn das Blut nach Sauerstoff und Nährgehalt weniger geeignet sei, müsse dieses Verhalten die Ungleichheit verstärken. Er stellt sich weiterhin vor, daß die am besten versorgten Muskelteile dem Blut bereits die größte Menge an Nährmaterial entziehen, da es an die weniger gut gestellten Teile herankommt. Wenn wir auch im einzelnen die Blutversorgung der Gewebe bei schweren Anämien noch nicht übersehen, so ist doch sicher, daß bei der Verteilung des Blutes durch die Abdrosselung weiter Kapillargebiete mit äußerster Sparsamkeit gewirtschaftet wird. Es ist leicht denkbar, daß bei einem stark arbeitenden, und dabei noch intermittierend durchströmten Gewebe, wie es der Herzmuskel darstellt, die Grenze des eben noch erträglichen Minimums leicht überschritten wird und gefährliche, sich summierende Ernährungsschäden, zunächst lokaler Natur, für dieses dauernd stark beanspruchte Gewebe resul- tieren werden. Meiner Überzeugung nach müssen die klinischen und experimentellen Er- fahrungen zu der Auffassung führen, daß die Anämie als solche, wenn sie genügend weit entwickelt und von längerer Dauer ist, degenerative Veränderungen am Herzmuskel setzen kann. Es fragt sich jetzt, welches sind die klinischen Folgen dieser Verände- rungen ? Hier interessiert zunächst die Herzgr ö ße. Die meisten Untersuchungen liegen vor von Kranken mit perniziöser Anämie, für die in der Mehrzahl der Fälle eine Dilatation mit deutlicher mitraler Konfiguration gefunden wird (Kraus, Lüdke und Schüller). Dasselbe finden Heitier und Eichhorst. Aber diese Dilatation ist kein regelmäßiger Befund und vor allem kein dauernder. Die älteren Untersuchungen, die sich nur auf Perkussionsbefunde stützen, sind mit Zurückhaltung zu beurteilen, da geringe Verbreiterungen mit dieser Methode nicht mit der wünschenswerten Sicherheit festzustellen sind. Sekundäre Anämien: Anämische Herzgeräusche. 19 Experimentell fanden Lüdke und Schüller bei Hunden nach Pyr odinint oxikation eine in geringen Maßen bleibende Vergrößerung der Herzfigur, während sie nach starken Blutentziehungen keine Erweiterung der Herzgrenzen orthodiagraphisch nachweisen konnten. Bei schweren, akut verlaufenden Anämien durch Injektion von spezifisch wirk- samen Hämolysinen dagegen trat eine deutliche Vergrößerung der Orthodiagramme auf. Hierzu ist zu bemerken., daß die kleinen Blutentziehungen nur eine mäßige Abnahme an Farbstoff- und Erythrozytengehalt des Blutes zur Folge hatte, also nicht beweisend ist. Bei den großen Aderlässen wurde 4 Tage später keine Veränderung gesehen. Eine Herabsetzung der Blutmenge kann nun schwerlich sobald eine Giößenzunahme des Herzens bedingen. In dieser Richtung sind die Untersuchungen von Lüdke und Schüller also nicht entscheidend. Auch hier möchte ich die positiven Befunde höher bewerten und glauben, daß die anämischen Schädigungen, wenn sie von langer Dauer sind, Vergrößerungen des Herz volumens zur Folge haben können. Experimentelle Untersuchungen über die Leistungsfähigkeit des Herzens bei Anämien wurden in systematischer Weise von Wolf er angestellt. Er verband die rechte Karotis von Kaninchen unter Einschaltung eines Hürtleyschen Gummimanometers mit dem Kymographion. Sodann wird der Arcus aortae präpariert und nach Abgang der Carotis sinistra unter Kontrolle des Blutdrucks ligiert. Der Blut- druck wird in kurzen Intervallen von 5 Minuten 3 Stunden lang aufgezeichnet. Während der Versuche Äthernarkose und künstliche Atmung durchgeführt. Durch die Aortenunter- bindung wird ein starkes Kreislaufshindernis geschaffen, welches unter normalen Bedin- gungen eine erhebliche Steigerung des Blutdrucks zur Folge hat. Allmählich sinkt der Druck wieder auf niedere Werte ab, aber noch 180 Minuten nach Beginn des Versuchs werden deutliche Druckkurven geschrieben. Zur Anämisierung seiner Versuchstiere ver- wendete Wolf er Anilin, in Gestalt von Anilinöl, ferner salzsaures Phenylhydrazin. Die Dauer der Versuche schwankte zwischen 4 und 28 Tage bei den Anilinversuchen, zwischen 9 und 54 Tagen beim Phenylhydrazinversuch, zwischen 1 und 46 Tagen bei den Entblutungs- anämien. Die Resultate dieser Untersuchungen sind folgende: Die Ausdauer des Herzens — seine Reservekraft — ist bei den experimentellen Anämien herabgesetzt. Die funktionellen Abweichungen von der Norm bestehen in der Richtung einer verminderten Diastole und verkleinerten Amplitude. Während normale Kaninchenherzen nach der Kompression eine Vergrößerung der Druck - amplitüde aufwiesen, wurde eine solche bei den Anämietieren nur in gewissem Grade gefunden. Wolf er sieht das Hauptmoment der bei seinen Tieren gefundenen Herzinsuffizienz in einem verminderten diastolischen Verhalten. Die diastolische Füllung soll verringert sein. Anatomische Schädigungen des Herzens wurden von ihm nicht gefunden. Besondere Beachtung verdienen die Resultate der Herzwägungen anämischer Tiere. Im Durchschnitt wurden bei den Anämien hohe absolute und relative Herzgewichte gefunden. Das Herz hatte also nicht wie der übrige Körper durch den Anämisierungsprozeß an Gewicht eingebüßt. Es war im Gegenteil in einzelnen Fällen hypertrophiert , aber diese Hypertrophie hatte das Herz nicht vor Insuffizienz geschützt. Schwerste Anämien, unter 10°/0 Hämoglobin, führten zu einer totalen Insuffizienz. Die von Wolf er gefundenen Hyper- trophien bei den experimentellen Anämien stehen in Einklang mit den Befunden von Gautier, der in einigen Fällen Hypertrophie des Herzens bei Chlorose findet. Diese Hypertrophie bei den experimentellen Anämien wird auf das ver- größerte Schlagvolumen, welches zu vermehrter Arbeitsleistung führt, bezogen. Die anämischen Herzgeräusche. Über die Entstehung der sog. anämischen Geräusche ist viel diskutiert worden. Die von Corrigan inaugurierte Vor- stellung, daß die Geräusche durch „Wirbelbildung" im Blut entstünden, einer Vorstellung, der viele Kliniker Raum gegeben haben, ist von R. Geigel mit guten Gründen bekämpft worden. Daß Wirbelbildungen vorhanden sein können, wird auch von ihm zugegeben. Nur, daß sie die Ursache für die Geräusche ab- geben, wird abgelehnt. Wäre der Wirbel die Ursache für Schallbildung durch innere Reibung, ,,so müßten in zähen strömenden Flüssigkeiten Geräusche leichter auftreten als in dünnflüssigen". Die klinische Beobachtung spricht dagegen: 20 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Je geringer die Viskosität des Blutes, um so leichter sind Geräusche über dem Herzen nachweisbar. Schon von Weber ist betont worden, daß unter anderem für die Leichtigkeit mit welcher Geräusche entstehen, die Eigenschaften der Wandungen der Röhren und die Geschwindigkeit der strömenden Flüssigkeit maßgebend sei. Der wesentliche Faktor für die Entstehung der anämischen Geräusche scheint mir die größere Stromgeschwindigkeit des anämischen Blutes zu sein. Sie liefert den Anstoß zu transversalen Schwingungen der elastischen Gefäße, aus denen die Geräuschbildung resultiert. Hinzukommen mag, daß eine gewisse Abnahme des Gefäßwandtonus bei den anämischen Zuständen das Zustandekommen der akzidentellen Geräusche begünstigt. Eine solche Tonusabnahme glauben Lüdke und Schüller bei pyrodin-anämisierten Hunden aus der erheblichen Erweiterung der Gefäßlumina im Orthodiagramm schließen zu dürfen. Sie hörten denn auch im Verlaufe der Pyrodinintoxikation häufiger systolische Geräusche über dem Sternum und stellten gleichzeitig eine be- schleunigte, aber regelmäßige Herztätigkeit fest. Besonders häufig werden die anämischen Geräusche bei der Chlorose gefunden. Sie sind bei den schwereren Formen der Bleichsucht ein fast regelmäßiger Befund; sind mit wenigen Ausnahmen stets systolisch, haben einen lauten blasenden Charakter und sind meist am lautesten über der Auskultationsstelle der A. pulmonalis hörbar. Ebenso häufig, aber nicht immer ebenso laut, sind sie über der Herzspitze wahrnehmbar. Sie sind in der Regel im Exspirium wesentlich lauter als im Inspirium und können bei tiefster Inspiration voll- kommen schwinden. Nach einer Zusammenstellung von Otten wurde gefunden: Herzdilatation ohne Geräusch in 48 Fällen, mit „ „ 147 Herzgeräusch ohne Dilatation „179 ,, Bezüglich der Lokalisation des Geräusches lauten die Angaben Ottens: Das systolische Geräusch war zu hören: an der Spitze in 53 Fällen. an der Basis „23 „ an der Spitze und Basis „50 „ über der Art. pulmonalis „66 „ an der Spitze und über der Art. pulmonalis . . „31 „ an allen Ostien „89 „ Neben den oben erörterten Bedingungen für die Entstehung akzidenteller systolischer Geräusche muß man die Möglichkeit des Vorliegens einer relativen Mitralinsuffizienz immer im Auge behalten. Bei schweren Anämien ist das Vorkommen einer Herzdilatation experimentell erwiesen, bei schwerer Chlorose von Otten orthodiagraphisch nachgewiesen. Diese Erweiterung der Herz- höhlen führt zu einer relativ kleinen Insuffizienz. Wenn auch in vielen Fällen, in denen man zu der Annahme einer relativen Insuffizienz gedrängt wird, die übrigen Zeichen der Insuffizienz nicht deutlich ausgesprochen sind, so besteht doch die Möglichkeit, daß die Insuffizienz so geringen Grades ist, daß sie zwar zur Geräuschbildung Anlaß gibt, die übrigen Zeichen der Insuffizienz wegen der geringen Menge von Blut, welches regurgitiert, nicht zur Ausbildung kommt. Die Zeichen einer schweren Mitralinsuffizienz mit all ihren üblen Folgen für den Kreislauf sieht man jedenfalls bei unkomplizierten Fällen von sekundären Anämien und Chlorosen sehr selten. Daß durch eine Erschlaffung der Herzmuskulatur eine muskuläre Insuf- fizienz bei Chlorose vorkommt, möchten wir für wahrscheinlich halten. Eine solche Annahme ißt auch dann gerechtfertigt, wenn die auskultatorischen Erscheinungen mit Abheilen der Chlorose wieder verschwinden. Das Herz ist mit dw Besserung der Chlorose wieder erstarkt und somit fallen die Vor- bedingungen, welche zu einer muskulären Insuffizienz führten, fort. Sekundäre Anämien: Veränderungen an den Gefäßen. 21 Nicht selten wird bei Chlorotischen eine deutliche Akzentuation des 2. Pulmonaltons gehört, und zwar an der normalen Auskultationsstelle der Pulmonalis. Auch bei anderen sekundären Anämien wird diese Verstärkung des 2. Pulmonaltons gelegentlich gehört. Die Erklärung für diese Erscheinung wird in erster Linie in der Retraktion des Lungengewebes vom Gefäß band gesehen, die dadurch bedingte Entblößung des Anfangsteiles der Pulmonal- arterie schafft günstigere auskultatorische Bedingungen und täuscht dadurch eine relative Verstärkung des 2. Pulmonaltons gegenüber dem Aortenton vor. Eine andere Erklärung, die von Jagic, daß die blutärmere Lunge in solchen Fällen für die Fortleitung des 2. Pulmonaltons günstigere Bedingungen bietet. Diese Erklärung hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Sind wir doch gewohnt, gerade bei Anschoppungen in den Lungen bei vermehrtem Blutgehalt die Fort- leitungsbedingungen verbessert zu sehen. Zurückhaltung muß man üben, aus dieser relativen Verstärkung des 2. Pulmonaltons auf eine Hypertrophie des Ventrikels und eine Drucksteigerung im Lungenkreislauf zu schließen. Neben den systolischen Herzgeräuschen sind in seltenen Fällen sichere diastolische Geräusche über der Aorta gehört worden. Auch bei schweren Anämien sind dieselben gelegentlich festgestellt. Die Erklärung für diese Ge- räusche wird von v. Noorden in einer Fortleitung von Geräuschen, die in den großen Halsvenen und ihrem Bulbus entstehen, gesehen, v. Noorden konnte durch Druck auf die rechtsseitigen Jugularvenen, dicht über dem Bulbus, das diastolische Geräusch zum Verschwinden bringen. Am lautesten soll es über der Articulatio sterno clavicularis zu hören sein, wird weiter abwärts zunächst leiser, und hat über dem Aortenostium ein 2. Maximum. Mit der Besserung der Anämie, resp. der Chlorose, verschwindet das Phänomen. Diese diastolischen anämischen Geräusche sind sicher außerordentlich selten. Ich selbst habe seit vielen Jahren danach gesucht, konnte aber nie ein solches Geräusch demon- strieren. Eine von Jagic gegebene Erklärung, nach der es sich um eine relative Insuffizienz der Aortenklappen handeln soll, ist bisher unbewiesen. Gelegentlich soll an der Herzspitze präsystolische Geräusche gehört werden, auf die vor allem von der französischen Schule (Bard) hingewiesen wurde. Als Erklärung dafür ist eine angeborene Enge des Mitralostiums ange- nommen worden, für welche anatomische Belege fehlen. Literatur. Battistini: Zit. nach Malys Jahresber. f. Tierchem. Bd. 28, S. 189. — Biermer: Korresp.-Blatt f. Schweiz. Ärzte 1872. — Grawitz: Pathologie des Blutes. 1906. S. 282. — Heitier: Wien. med. Wochenschr. 1892. Nr. 22. — Lüdke und Schüller: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 100, S. 512. 1910. - Ponfick: Berl. klin. Wochenschr. 1873. Nr. 1 u. 2. - Samuely: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 89. 220. 1907. Die Veränderungen an den Gefäßen. Bei den posthämorrhagischen Anämien kommt es gelegentlich zu einer Verfettung der Intima der Gefäße. Mit dieser Gefäßveränderung wird die Neigung zu spontanen Blutungen, welche bei der posthämorrhagischen Anämie sich in Blutungen am Zahnfleisch, an der Netz- haut, an der Schleimhaut der Nase und des Uterus äußert, in Zusammenhang gebracht. Es muß hier aber sofort erwähnt werden, daß diese Blutungen bei den sekundären Anämien seltener und in geringerer Ausdehnung zu finden sind als bei der perniziösen Anämie. Diese Hämorrhagien bei den sekundären Anämien entwickeln sich immer erst nach längerem Bestände der Anämie. Dies Ver- halten ist dadurch zu erklären, daß erst länger dauernde Veränderungen des Blutes offenbar zu Ernährungsstörungen der Gefäßwand führen, als deren anatomischer Ausdruck die Verfettungen, als deren funktioneller Ausdruck die Hämorrhagien anzusprechen sind. Die akuten Blutungsanämien führen fast nie zu hämorrhagischen Erscheinungen. 22 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Über die Verteilung der Blutungen lassen sich keine gesetzmäßigen Be- funde erheben, oft sind sie in Gestalt kleinster Herde in der Haut ausgebildet, in anderen Fällen dominieren die Blutungen in der Schleimhaut des Magen- Darmtrakts oder in den serösen Häuten. Die Blutungen in die Magendarm - Schleimhaut haben insofern besondere Bedeutung als der anämische Zustand dadurch weiter verschlimmert und die endgültige Erholung entweder verzögert oder ganz verhindert wird. Systematische Belastungsproben der Gefäße bei den sekundären Anämien und der Chlorose in Gestalt des Rumpel-Leedeschen Versuchs sind bis heute nicht durchgeführt. Funktionell ist die Gefäßfüllung bei den Anämien und den Chlorosen gegen- über der Norm sicher geändert. Es wurde schon gelegentlich der kompensatori- schen Einrichtungen darauf hingewiesen, daß das durchströmte Kapillargebiet bei den sekundären Anämien fraglos gegenüber der Norm stark eingeengt ist. Durch diese schlechtere Füllung des Kapillargebiets ist z. T. die Blässe der Anämischen mit bedingt. Die schlechtere Durchblutung der Haut bedingt gleichzeitig eine schlechtere Durchwärmung der Bedeckungen. Die Haut- temperatur der Anämischen ist geringer als die gesunder Menschen. Daher die häufigen Klagen über kalte Hände und Füße und das erhöhte Wärme - bedürfnis, welches alle Anämischen auszeichnet. Veränderung der Atmung bei den Anämien. Veränderungen des Atemtypus sind bei Anämischen häufig beobachtet worden, besonders bei der perniziösen Anämie hat man gefunden, daß das Volumen des einzelnen Atemzuges bedeutend dasjenige Mittel übertrifft, welches man nach Größe und nach ihren Gewicht hätte erwarten sollen. Man hat daran gedacht, daß diese verstärkte Atmung zurückzuführen sei auf saure Produkte, die auf dem Umwege einer Reaktions- änderung des Blutes zum Atemreiz werden, ähnlich wie die verstärkte Atmung bei der Muskelarbeit und beim Aufenthalt in verdünnter Luft zu einer ver- tieften Atmung führen. Lehmann hat gezeigt, daß es sich bei diesen Beob- achtungen von Gebhard und Zuntz um das Auftreten von sauren, leicht oxydablen Produkten handelt, die im Harn nicht ausgeschieden sondern weiter oxydiert werden (Loewy). Mohr denkt vor allem an die Milchsäure als inter- mediäres Zwischenprodukt, zumal es Hoppe-Seyler und seinen Schülern gelang,, durch starke Aderlässe einen Sauerstoffmangel zu erzeugen, welcher zum Auftreten von Milchsäure im Blute führte. Eine Veränderung der Blutalkaleszenz nach akuten Blutentziehungen ist von Zuntz gefunden worden. Das gleiche wurde bei Fällen von perniziöser Anämie nachgewiesen. Der Mechanismus der Atmungsänderung bei schweren Anämien wäre nach den hier entwickelten Vorstellungen der gleiche wie bei der diabetischen Azidose. Ob die tiefe Atmung im Sinne einer kompensatori- schen Einrichtung wirkt, oder ob sie von dem veränderten Alkaleszenzgrad des Blutes im wesentlichen bestimmt wird, ist nicht ohne weiteres zu entscheiden. Von Geppert und Zuntz ist gezeigt worden, daß tiefe Atmung beim Hund den Sauerstoffgehalt des Blutes um 2—3% m °^e Höhe treibt. Dasselbe fanden Fi lehne und Kionka und haben dies am Kaninchen bestätigt. Schon Mohr hat darauf hingewiesen, daß als kompensatorische Einrichtung die Vertiefung der Atmung kaum in Frage kommt. Er weist darauf hin, daß bei normaler Atmung, bei welcher in den Lungen ein Sauerstoff partiardruck von 110 mm herrscht, das Blut bei einem Hämoglobingehalt von 5°/0 nur noch 5,46 ccm Sauerstoff binden könne. Ferner können physikalisch 0,3 ccm Sauerstoff absorbiert werden. Durch vertiefte Atmung kann die Sauerstoff tension in den Alveolen auf etwa 128 mm gebracht werden. Dadurch würde chemisch 5,61 Sauerstoff gebunden, 0,34 ccm physikalisch absorbiert, zusammen 5,95 ccm. Dieses geringe Plus kommt für die Kompensation der Anämie kaum in Frage. Wesentlicher Sekundäre Anämien: Atmung. Eiweißgehalt des Blutes. 23 ist die Förderung der Zirkulation, welche die vertiefte Atmung bedingt. Die Entleerung des Venensystems geht besser vor sich, das Blut kommt in ver- mehrter Menge zum Herzen, woraus eine Beschleunigung der Zirkulation resul- tiert. Aber nicht bei allen Formen der Anämie ist eine Vertiefung der Atmung festzustellen. Bei der Chlorose ist die Atmung eher flach und beschleunigt. v. Noorden hat systematische Zählungen der Atemfrequenz bei Chlorotischen durchgeführt und sie durchschnittlich erhöht gefunden. Das Atemvolumen ist bei den Chlorotischen wegen der oberflächlichen Atmung geringer als in der Norm. v. Noorden weist darauf hin, daß unter seinen Fällen mit hoher Atem- frequenz viele waren, die einen Hochstand des Zwerchfells erkennen ließen, was gleichfalls für die Oberflächlichkeit der Atmung spricht. Hofbauer hat bei schweren Chloranämien mit Hilfe graphischer Methoden auf die lange dauernden Atemstillstände und die tiefen unregelmäßigen dazwischenliegenden Atemzüge aufmerksam gemacht. Literatur. Araki: Zeitschr. f. physikal. Chem. Bd. 15, S. 335. — Filehne und Kionka: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 62, S. 201. — Gebhard und Zuntz: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 42, S. 344. — Geppert und Zuntz: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 42, S. 188. — Hoppe - Seyler: Virchows Festschrift 1891. S. 1. — Irisawa: Zeitschr. f. physikal. Chem. Bd. 17, S. 340. — Lehmann: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 42, 5. 301. — Loewy: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 42, S. 284. — Mohr: Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. Bd. 2, S. 435. 1905. - Mohr: 1. c. S. 465. - Zillesen: Zeitschr. f. physikal. Chem. Bd. 15, S. 387. 6. Chemische Veränderungen des Blutes bei sekundären Anämien. Der Eiweißgehalt des Blutes bei den sekundären Anämien. Der Eiweiß- gehalt des Blutes bei den sekundären Anämien wird von drei Faktoren bestimmt : 1. von dem Blutverlust, 2. von der Ernährung, 3. von der Intaktheit der den Wasserhaushalt regulierenden Organe. Eine strenge Trennung dieser den Eiweißgehalt des Blutes maßgebend beein- flussenden Momente wird sich im Einzelfall schwer durchführen lassen, da die- selbe ätiologische Noxe, welche zur Anämie führt, nicht selten die Ernährung weitgehend beeinträchtigt und gleichzeitig häufig eine Kachexie zur Folge hat, bei welcher nach vielen klinischen Erfahrungen eine Störung der den Wasserhaushalt regelnden Faktoren mit zu den ersten klinischen Symptomen gehört. Am übersichtlichsten liegen die Verhältnisse bei akuten Blutverlusten. Der Wiederersatz des Blutvolumens geschieht durch den Einstrom einer eiweiß- armen Flüssigkeit in die Blut bahn, woraus eine Eiweiß Verarmung des Blutes nach jedem akuten Blutverlust resultiert. Bei sonst gesundem Organismus geht der Wiederersatz ziemlich rasch und gleichmäßig vor sich. Veil hat die Verhältnisse nach Aderlaß am gesunden Menschen studiert und den zeitlichen Ablauf des Wiederersatzes der Eiweißkörper der roten und weißen Blutkörper- chen kurvenmäßig dargestellt (s. Abb. 5). Auch dann, wenn die zu Verlust Leuko- qjten frutßra cyten Hglb. Serum- eiweiß Vortag Aderlaßtag tNachtaq 2. Nachtag 8 12 8 12 8 12 8 12 8 12 8 12 8 12 S 12 12000 6.0" 96 7,5 11000 10000 5,5» 9t 7,25 St rurti m» $ 5,0» 92 7,0 9000 14.5» 90 6,75 Pili m 8000 1.0» 88 6,5 .._. \ ..-'' f ~~&y> f'ro uts i 1000 3.5» 86 6,25 " V »' Leu ~o'h ^n 6000 3,0» 8 gesunden Frauen 19,8%. Er fällt bei sekundären Anämien bis unter die Hälfte dieses Wertes ab. So geben Stintzing und Gumprecht bei einem Fall von Magenkarzinom mit 1,4 Millionen roten Blutkörperchen 9,0 °/0 Trocken- rückstand an. Daß die Anämie mit einer Hydra mie und zwar vorzugsweise der roten Blutzellen verbunden sei, wie die Autoren meinen, dafür geben die von ihnen beigebrachten Daten kein überzeugendes Beweismaterial. Der Wassergehalt des Serums bei den sekundären Anämien ist in weitem Maße abhängig von dem Ernährungszustand in welchem sich die Kranken befinden. Nicht selten wird die gleiche Ursache, welche zu einer Schädigung der blutbereitenden Organe führt, zu einer Schädigung auch anderer Organ- funktionen führen (Verdauung, Resorption) und damit eine Verarmung des Blutes an festen Substanzen herbeiführen können. Bei einer Pankreasatroph ie wurde in eigenen Untersuchungen mit Beumer 4,909 °/0 Trockenrückstand und 3,620 °/0 Eiweiß gefunden. Auch bei den verschiedenen Lokalisationen des Karzinoms kann es zu einer Verarmung des Blutes an Eiweiß und Trocken - rückstand und damit zu einer Vermehrung des Wassergehalts kommen, ohne daß direkte Beziehungen zu der Anämie bestehen. Das gleiche gilt für kachektische Fälle von Tuberkulose, bei welchen sub finem vitae eine geringere Serumdichte gefunden wird (Aid er). Auf den Mechanismus der Blutverdünnung nach akutem Blutverlust wurde oben bereits hingewiesen. Jeder größere Blutverlust, der noch mit dem Leben verträglich ist, führt zu einer Verwässerung des Serums, welche durch den Einstrom einer eiweiß- und molenärmeren Flüssigkeit aus den Geweben in die Blutbahn resultiert. Es wird daher der Trockenrückstand des Blutes nach jedem Aderlaß erniedrigt gefunden. Auch der Rückstand des Plasmas wird entsprechend dem Einstrom von eiweißarmem Gewebswasser reduziert gefunden. Charakteristische Unterschiede bezüglich des Ver- haltens des Trockenrückstandes des Gesamtblutes sind bei den verschiedenen Formen der Anämie nicht gefunden worden. Wo man danach suchte, fand man ihn bei jeder Anämie erniedrigt. Bei Karzinomanämien ist der Trocken- rückstand zuweilen bis unter die Hälfte des Normalen gesunken. Das Serum wird je nach den Ursachen, welche zu der sekundären Anämie führten, ein ver- schiedenes Verhalten des Trockenrückstandes aufweisen. Häufig werden sub- normale Werte bis 6°/0 herunter gefunden. Das spezifische Gewicht des Blutes ist bei den sekundären Anämien häufig entsprechend der Reduktion des Hämoglobins vermindert, während es normalerweise bei Männern zwischen 1055 und 1062 und bei Frauen zwischen 1050 und 1056 schwankt, werden bei schweren sekundären Anämien, besonders wenn gleichzeitig eine Kachexie sich eingestellt hat, Werte bis unter 1035 beobachtet. Nach einer schweren Magenblutung wurde von Grawitz ein spezifisches Gewicht von 1025 gefunden. Die Bestimmung des spezifischen Gewichts vom Gesamt blut wird nur in seltenen Fällen einen wertvollen Ein- blick in die krankhafte Zusammensetzung des Blutes gewähren. Wichtiger ist die Kenntnis des spezifischen Gewichts des Serums und des Plasmas, da sie uns neben anderen Methoden darüber unterrichtet, ob im Einzelfall lediglich 28 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. eine Verdünnung des Serums vorliegt, ein Zustand, den man als Hydra mie bezeichnet. Bei chronischen Blutungsanämien und Karzinomanämien ist das spezifische Gewicht des Serums in der Regel stärker vermindert als bei perni- ziöser Anämie. Normalerweise werden Werte zwischen 1029 und 1032 an- gegeben. Ich fand in eigenen Untersuchungen in einem Falle von Ösophagus- karzinom mit starker Abmagerung infolge Unterernährung das spezifische Ge- wicht auf 1028, in einem anderen Fall bei einer Karzinose des kleinen Beckens mit hochgradiger Kachexie das spezifische Gewicht auf 1026 reduziert. Ist das spezifische Gewicht des Serums resp. Plasmas normal, das des Gesamt- blutes herabgesetzt, so wird in der Mehrzahl der Fälle eine Verminderung der roten Blutkörperchen, wie z. B. bei der perniziösen Anämie diesen Befund eindeutig erklären. Es kann aber auch ohne echte Verminderung der Zahl der Roten und der Gesamthämoglobinmenge des Körpers zu einer Verminde- rung des spezifischen Gewichts des Gesamtblutes kommen bei normalem spe- zifischen Gewicht des Serums resp. Plasmas. Dieser Zustand ist bei einer Ver- mehrung der Gesamtplasmamenge gegeben, bei welchem die relativen Ver- hältnisse von Plasmavolumen und Blutkörperchenvolumen zugunsten des ersteren verschoben sind (Polyplas mie). Der Gesamtgehalt an Hämoglobin und roten Zellen ist dabei normal. Dieser Zustand der Polyplasmie muß sich durch eine Blutmengenbestimmung ohne weiteres ergeben. Diese echte Poly- plasmie kommt klinisch selten zur exakten Feststellung. Bei Herzkranken findet man bei zunehmender Herzschwäche eine Wasserretention, die sich klinisch zuerst an geringen Ödemen, bei der Blutuntersuchung an dem wachsen- den Wassergehalt des Blutes erkennen läßt. Das Gesamtblut zeigt eine gegen die Norm verminderte Konzentration. Die Blutkörperchen sind relativ ver- mindert und das Plasma vermehrt. Es handelt sich aber nicht um unverän- dertes Plasma, sondern um ein gegen die Norm verdünntes, eiweißarmes, also nicht um eine echte Polyplasmie, sondern um eine Polyhydroplasmie, um die den Klinikern seit langem bekannte Plethora serosa. Der Fettgehalt des Blutes bei sekundären Anämien. Schon lange ist man auf Beziehungen zwischen der Anämie und dem Fettstoffwechsel auf- merksam geworden. Man weiß, daß die Gesamtblutmenge bei hochgradiger Fettsucht im Verhältnis zum Körpergewicht vermindert ist, also eine relative Oligämie besteht. Bei gemästeten Schweinen fand Heißler nur 2,25% Blut gegenüber dem Normalwert von 7,8 °/0. Der Befund von Anämien bei Fett- süchtigen hat zur Aufstellung einer eigenen Form der „anämischen Fett- sucht" geführt. Von Noorden hat aber bereits darauf hingewiesen, daß diesem Befunde zwar eine klinische, besonders prognostisch therapeutische Bedeutung zukomme, er glaubt aber nicht daran, daß die Anämie eine mit der Fettsucht in ursächlichem Zusammenhang stehende Stoffwechselstörung darstelle. Kisch fand in 21°/0 seiner Fälle eine Verminderung des Hämoglobins, v. Noorden fand bei 5 stark fettleibigen Frauen, die frei von Ödemen waren, 60— 70°/o der normalen Hämoglobinmenge. Die Viehzüchter verwenden den Aderlaß, um den Fettansatz zu beschleu- nigen. Besonders bei Gänsen sollen wiederholte Blutentziehungen die Fett- anreicherung beschleunigen. Eine Verminderung des Sauerstoff Verbrauchs und Einschränkung der Oxydationsvorgänge liegt nicht vor. Dagegen führt offenbar die hochgradige Muskelschwäche der Anämischen zu einer weitgehenden Einschränkung der Körperbewegung und damit zum Fettansatz. Der Fettansatz wird noch durch ein oft falsch geleitetes Nahrungsregime unterstützt, da die Kranken, um ihren Körper zu kräftigen und ,,die Blutbildung anzuregen", weit über den Bedarf hinaus Nahrung zu sich nehmen. Dabei kommt schließlich eine Art Maßtfettsucht zustande, die die Beschwerden der Patienten erheblich steigert. Sekundäre Anämien: Fettgehalt des Blutes. 29 Experimentelle Untersuchungen haben gezeigt, daß akute Blutentziehungen, die zu einer Anämie führten, gleichzeitig lipämische Veränderungen des Blutes bedingten. So konnte Horiuchi nach voraufgehender Fettfütterung und Blutentziehung die 3-, 7 — 15fache Menge des normalen Blutfettes nach- weisen. Größere Aderlässe zeitigten ein typisches, aufrahmendes, Schokolade - farbenes, lipämisches Blut. Die Dauer der lipämischen Erscheinungen ist be- grenzt. Anfänglich kommt es zu einer manifesten Lipämie mit deutlicher Trübung des Serums. Bei Kaninchen fand Horiuchi das Fett im Plasma um das 25 fache im Maximum gesteigert. Es nehmen aber auch die Lipoide an der Vermehrung teil, so wurde das Lezithin auf das 7 fache, das Cholesterin auf das 8 fache des Normalen durch Aderlässe vermehrt. Die Blutkörperchen nehmen an diesen Veränderungen keinen regelmäßigen Anteil. Um weiter in das Schick- sal der Blutlipoide bei den experimentellen Anämien einzudringen, wurden die verschiedenen Phosphorverbindungen bei der lipämischen Anämie unter- sucht. Die stärksten Veränderungen zeigt der Lipoidphosphor ; er ist im Plasma häufig auf das 5 fache des Ausgangs wertes gesteigert. Nach Bloor sind in der Hälfte der Fälle auch die Blutkörperchenphosphatide auf das Doppelte ver- mehrt. Die Vermehrung des Lipoidphosphors erreicht ihren höchsten Grad dann, wenn die milchige Trübung des Serums am intensivsten ist. Sie ist aber noch nachweisbar, wenn das Serum bereits wieder klar und durchsichtig ge- worden ist. In den Blutkörperchen setzt die Vermehrung der Phosphatide — wenn überhaupt — später ein und hält sich mehrere Tage länger als im Plasma. Die lipämische Trübung des Serums zeigt sich, wenn die Zahl der Blutkörperchen auf die Hälfte abgesunken ist und bleibt, solange der anämische Blutbefund fortbesteht, erhalten. Bei ganz schweren Anämien ist auch der anorganische Phosphor ver- mehrt, doch lassen sich Beziehungen zwischen dem anorganischen und dem Lipoidphosphor nicht feststellen. Die organische Phosphorsäure zeigt gleichfalls keine Beziehungen zu der anämischen Lipämie. Bloor glaubt, daß sie zum Teil aus zugrunde gehenden Erythrozytenkernen stamme, die das Nukleoproteid freigeben. Die Kenntnis dieser Veränderungen der Blutphosphatide hat deswegen Bedeutung, weil man den Phosphatidgehalt als Kriterium für das Alter der Erythrozyten angesehen hat. Masing glaubt, daß der Phosphatidgehalt der jungen Erythrozyten wesentlich höher sei als der der älteren. Es zeigt sich aber, daß bei Tieren, welche auf wiederholte Blutentziehungen nicht mit Lipämien reagieren, auch keine Veränderungen der Phosphatverteilung des Blutes zustande kommen, obwohl doch auch hier lebhafte regeneratorische Vorgänge die Aderlässe beantworten. Eine Erklärung für die anämischen Lipämien ist bisher nicht gefunden. Konnstein und Michaelis glaubten ein lipolytisches Ferment in den roten Blutkörperchen entdeckt zu haben, welches imstande ist, das Fett des Blutes auch nachdem es schon die Gefäße verlassen hat, zu zerstören. Man hat die Lipämie der Diabetiker darauf zurückgeführt, daß den Blutkörperchen der Zuckerkranken das normale lipolytische Ferment fehlen soll. Es ist nahe- hegend, die weitgehende Verminderung der roten Blutkörperchen insofern als Ursache der anämischen Lipämie anzusehen, als damit die lipolytischen Fer- mente gleichzeitig verringert sind. Nach Untersuchungen von Klemperer und Umber und eigenen mit Beumer durchgeführten Analysen fehlen aber den normalen Blutkörperchen die lipolytischen Fähigkeiten, so daß ich eine intravasale Störung des Fettstoffwechsels nicht für wahrscheinlich halte. Auch nach Bloors Meinung ist bis heute nicht entschieden, ob die Erythrozyten am Fettstoffwechsel direkt beteiligt sind oder ob sie nur eine indirekte Beziehung zu demselben haben. 30 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Eine andere Möglichkeit ist darin gegeben, daß die Zersetzungsvorgänge im Körper unter dem Einfluß von Blutentziehung eingeschränkt werden. In der Tat ist eine solche Meinung früher diskutiert worden. Man hat daran ge- dacht, daß eine verminderte Sauerstoffzufuhr die notwendige Folge starker Blutverluste sein müsse und daß unter dem Einfluß großer Blutverluste der Gaswechsel vermindert sei. I. Bauer, der als erster eine solche Meinung ver- trat und sich auf gasanalytische Untersuchungen dabei stützte, wurde in der Folge durch die Arbeiten von Gürber , Kraus, Bohland, Magnus Levy u. a. widerlegt, die eher eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs als Folge großer Blutverluste eintreten sahen als das Umgekehrte. Diese Erhöhung des Sauer- stoffverbrauchs wurde von den Autoren mit der vermehrten Tätigkeit des Herzens und der bei der Atmung beteiligten Muskulatur erklärt. Literatur. Alder: Zeitschr. f . Tuberkul. Bd. 31, H. 1, S. 10. — Askanazy: Über den Wassergehalt des Blutes usw. Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 59. — Beumer und Bürger: Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. Bd. XIII. 1913. S. 1. — Grawitz: Klinische Pathologie des Blutes. Berlin 1902. - Hoke: Zeitschr. f. Heilk. N. F. Bd. 2. 1901. - Jacksch: Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24. 1894. — Jellinek und Schiffer: Über einige Vergleichsuntersuchungen des spezifischen Gewichtes, des Trockenrückstandes und des Eisengehaltes im Blute. Wien, klin. Wochenschr. 1899. Nr. 31. — Koßler: Untersuchungen über die chemische Zusammen- setzung des Blutes in Krankheiten. Zentralbl. f. inn. Med. 1897. — Krüger: Zusammen- setzung des Blutes bei Anämie und Leukämie. Petersb. med. Wochenschr. 1892. S. 203. — Masing: Zit. nach Bloor. — v. Moraczewski, S.: Blutveränderungen bei Anämien. Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 144. 1896. — Moritz: Einige Ergebnisse von Blutuntersuchungen. Petersb. med. Wochenschr. 1903. Nr. 50. — Stint zing und Gumprecht: Wassergehalt und Trockensubstanz des Blutes bei gesunden und kranken Menschen. Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 53. 1894. — Strauß, H. und Cjajes: Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 52, H. 5 u. 6. II. Die spezielle Pathologie der sekundären Anämien. 1. Die Blutungsanämien. (Akute, posthämorrhagische Anämie.) Die Wirkungen großer akuter Blutverluste sind je nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand des betroffenen Individuums verschiedene, der kli- nische Verlauf der akuten Anämie ein anderer, wenn die Blutung nach innen als wenn dieselbe nach außen erfolgt. Die Ursachen großer akuter Blutverluste sind in erster Linie Verletzungen. Wenn die Blutung nach außen erfolgt, ist die Diagnose leicht zu stellen, kommt es aber durch Stich- oder Schußverletzungen zu Gefäßabreißungen im Innern des Körpers, z. B. in der Brust- oder Bauchhöhle, so kann der Zustand ge- legentlich durch die Begleit Symptome verschleiert werden. Protrahierte Blutungen geringeren Umfangs können bei den verschiedensten Krankheiten eintreten. Akute größere Blutverluste sind dagegen auf ein relativ kleines Gebiet beschränkt: Das Platzen des Sackes einer Tubargravidität, das Zerreißen eines Aneurysmas der Aorta, die Bloßlegung und Ruptur der Gefäße auf dem Grunde eines Magengeschwürs oder einer tuberkulösen Kaverne kann zu großen das Leben bedrohenden Blutungen Anlaß geben. Seltener sind akute große Blutungen bei Tumoren des Uterus, des Magendarmkanals und der Leber. Auch Blutungen nach Zerreißungen varikös erweiterter Venen an den unteren Extremitäten, am Ösophagus, aus Hämorrhoiden, können lebensgefährlich werden, ebenso wie postpuerperale Blutungen und solche post abortum einen lebensbedrohlichen Umfang annehmen können. Blutungsanämien . 3 1 Die Blutungen bei den verschiedenen Formen der hämorrhagischen Dia- these gehen in nicht seltenen Fällen gleichfalls so rasch und an vielen Orten des weitverzweigten Kapillargebiets gleichzeitig vor sich, daß daraus eine Lebensgefahr für den Erkrankten erwächst. Die letzte Gruppe wird in einem besonderen Abschnitt dieses Buches abgehandelt. Die Frage, wie große Mengen Blut der Mensch in kurzer Zeit verlieren kann, ohne daß der Tod eintritt, ist verschieden beantwortet worden. Von großer Bedeutung für die Entscheidung dieser Frage ist die Schnelligkeit, mit welcher der Blutverlust vor sich geht. Die gleiche Menge Blut, die in wenigen Minuten aus einem größeren Gefäß ausströmend den sicheren Tod herbeiführt, braucht, wenn sich die Blutung über Stunden hinauszieht, den tödlichen Aus- gang nicht herbeizuführen. Man kann geradezu sagen, daß die Chance, einen Blutverlust zu überstehen, bei gleichen Gesamtquantitäten mit der Dauer der Blutung wächst. Im allgemeinen vertragen Frauen große Blutverluste leichter als Männer. Kinder sind dagegen gegen Blutverluste wesentlich empfindlicher als Er- wachsene. Die klinischen Erscheinungen großer akuter Blutverluste sind durch folgende Symptome gekennzeichnet. Die starke Blässe der Haut und der Schleimhäute, die Kühle der Extremitäten weisen auf eine geringere Blut- versorgung dieser Gebiete hin. Die Erscheinung tritt so rasch nach dem Blut- verlust ein, daß sie nicht auf die sekundär einsetzende Verdünnung des Blutes durch den Einstrom von Gewebsflüssigkeit zurückgeführt werden kann. Es handelt sich vielmehr bei dieser akut einsetzenden Blässe um einen vaso- motorischen Reflexvorgang. Es wird gewissermaßen durch Eindäm- mung der Gefäßbahn und Abdrosselung zahlreicher Kapillaren mit allen Mitteln auf die Erhaltung der Zirkulation hingearbeitet. Große Blut- verluste sind zunächst für den Kreislauf gefährlich. Erst durch Danieder- liegen des Kreislaufs — weit weniger als durch die Hämoglobinverarmung — wird sekundär die Sauerstoffversorgung der Gewebe gefährdet. Die mangelnde Blutversorgung der zentralen Organe äußert sich in Ohn- mächten, Schwindelgefühl, Schwachsehen, Flimmern vor den Augen. Das nächste Symptom ist das einer großen, nicht zu überwindenden muskulären Schwäche. Die Muskeln gehorchen nicht mehr dem Willen. Alle Bewegungen werden kraftlos, die Stimme wird matt und klanglos. Es tritt ein Zittern der Extremitäten ein. Von Seiten der Zentralorgane kommt es zu Reizerscheinungen, Singultus, Brechreiz und Erbrechen, Zuckungen in den Extremitäten, gelegent- 6ch epileptiforme Krämpfe. Ich sah nach einem großen Aderlaß von etwa liOO ccm, welcher zum Zwecke der Transfusion von der Tochter auf die Mutter bei einer kräftigen Frau durchgeführt wurde, bei einer leichten Ohnmacht solche epileptiformen Zuckungen in den Extremitäten eintreten, die nach der Dauer von einigen Minuten rasch wieder verschwanden. Geht der Blutverlust weiter, so kommt es zu komatösen Zuständen, die Kranken delirieren. Aphasien und Paraphasien treten ein. Für die Prognose der akuten Blutung entscheidend ist das Verhalten der Kreislauf organe. Viel hängt dabei von der Anpassungsfähigkeit der peripheren Gefäße ab. Ist dieselbe, wie bei fortgeschrittener Arteriosklerose wesentlich vermindert, so ist unter sonst gleichen Bedingungen die Prognose des Blut- verlustes eine wesentlich schlechtere. Mit zunehmender Blutung wird der Puls kleiner und frequenter, der Blutdruck sinkt. Die Frequenz der Herztätigkeit nimmt anfänglich zu, die Herztätigkeit wird lebhafter, es kommt zu Palpi- tationen. Hat die Größe des Blutverlustes bereits zu einer Schädigung der 32 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Sauerstoffversorgung des Herzens geführt, dann sinkt die Herzkraft, die Herz- töne werden leiser, unrein, der Puls aussetzend, die Frequenz nimmt ab, schließ- lich ist der Puls kaum noch fühlbar, die schlechtere Versorgung der peripheren Teile mit Blut kündigt sich an in einem Absinken der Körpertemperatur. Die- selbe kann bis auf 34 und noch geringere Werte [bis auf 32°] abfallen. In diesem Stadium tritt der Exitus ein. Die Atmung ist zunächst beschleunigt, es kommt zu starker Dyspnoe, die wohl zentralen Ursprungs ist. Erst mit fortschreitender Blutung wird offenbar wegen der Schwäche der Atemmuskulatur und einer Lähmung des nervösen Apparats, in welchem sich die atmungsregulier enden reflektorischen Vorgänge abspielen, langsamer und oberflächlicher. Der Verlauf des Verblutungstodes ist im wesentlichen davon abhängig, ob dem Körper Zeit gelassen wird, die zu Verlust gegangene Flüssigkeitsmenge aus seinen Geweben wieder zu ergänzen. Daß die akuten Verblutungs- symptome zu einem großen Teil auf eine Lahmlegung des Kreislaufes zurück- zuführen sind, lehren vor allem die tierexperimentellen Erfahrungen. Bei Kaninchen, die man bis fast zum Stillstand des Herzens ausblutete, konnte man durch intravenöse Infusion von physiologischer Kochsalzlösung die Herz- tätigkeit wieder beleben und die Zirkulation wieder in Gang bringen. Die Frage nach der Menge von Blut, die auf einmal verloren werden kann, ohne daß der Exitus eintritt, ist für den Menschen begreiflicherweise nicht exakt beantwortet worden. Wird über die Hälfte des Blutes einem Tier in kurzer Zeit entzogen, so ist das Leben bedroht. Nach klinischen Erfahrungen sind gelegentlich noch größere Blutverluste vertragen worden, ohne daß der Tod eintrat. 2. Aderlaß. Die" Wirkungen kleinerer Blutentziehungen, die sich noch in thera- peutischen Grenzen halten, sind sowohl beim Menschen wie beim Tier eingehend studiert. Die Wirkungen erstrecken sich auf die Zusammensetzung des Blutes, welche sekundär wieder Veränderungen des Kreislaufes zur Folge hat. Auf die Änderung der Blutzusammensetzung wurde bereits im allgemeinen Teil hingewiesen. Hier soll vor allem der therapeutische Aderlaß erörtert werden. Wie jede akute Blutung bedingt auch der Aderlaß zunächst eine Verminderung der Gesamtblutmenge. Sehr bald aber treten die regulatorischen Einrichtungen in Tätigkeit. Unter diesen regulatorischen Einrichtungen dominiert die Einleitung einer Hy dr ä mie. Der Einstrom von Gewebswasser in die Blutbahn führt wie bei jeder akuten Blutung zu einer relativen Verminderung der Zahl der zelligen Elemente in der Volumeneinheit und damit auch zu einer Verminderung des Hämoglobins. Die aus dem Gewebe in die Blutbahn einströmende Flüssigkeit ist eiweißärmer als das Plasma resp. das Serum, woraus eine Eiweißverarmung des Serums resultiert. Diese Verminderung des Blutes an zelligen Elementen und an Pro- teinen bedingt eine Herabsetzung der Viskosität des Gesamtblutes. Die Herabsetzung der Viskosität erleichtert nun die Strömung des Blutes im Kapillar- gebiet und unterstützt auf diese Weise die Herzarbeit. Weiterhin wirkt der Aderlaß auf die Zirkulation durch Herabsetzung des venösen Drucks. Während der arterielle Blutdruck bei gesunden Men- schen durch den Aderlaß kaum oder nur ganz vorübergehend geändert wird, wird der venöse Druck durch diesen Eingriff prompt um 40—70 mm Wasser herabgesetzt. Daraus ergibt sich eine Steigerung des arterio- venösen Druckgefälles im Kapillargebiet. Von der Steilheit dieses Druckgefälles ist im wesentlichen die Strömungsgeschwindigkeit im Kapillargebiet Sekundäre Anämien: Aderlaß. 33 abhängig. Diese Art der Wirkung auf den Kreislauf läßt den Aderlaß besonders in den Zuständen angezeigt erscheinen, welche mit einer Erhöhung des venösen Druckes einhergehen. Hierher gehören vor allem das Lungenödem, die Pneumonie, die Herz Wassersucht und das Lungenemphysem. Die Ver- minderung der Viskosität ist besonders in solchen Fällen angezeigt, in denen krankhafte Zustände dieselbe wesentlich in die Höhe getrieben haben, also vor allem bei der Polyzythämie. Wir wissen, daß neben dem Eiweißgehalt des Plasmas besonders das Gesamtvolumen und damit auch die Summe der zelligen Elemente auf die Viskosität des Blutes maßgebenden Einfluß haben. Die Größe und das Volumen der einzelnen Zellen spielen daneben eine geringere Rolle. Abgesehen von dem verminderten Eiweißgehalt und dem damit korre- spondierenden Wassergehalt des Blutes kommt es zu weiteren Änderungen der chemischen Zusammensetzung. Unter diesen spielt die Aderlaßhyperglykämie deshalb eine besondere Rolle, weil man unter Außerachtlassung der Tatsache der Aderlaßhyperglykämie aus den Verände- rungen des Zuckergehaltes des Blutes oft weitgehende theoretische Schlußfolgerungen gezogen hat. Die Vermehrung des Blutzuckers nach Aderlässen hält sich immer nur in geringen Grenzen. Als Ursache derselben sind verschiedene Momente angeschuldigt worden. So hat man die mit jedem Eingriff verbundenen nervösen Erregungen für die Vermehrung des Blutzuckers verantwortlich machen wollen. Bang meinte, daß Narkose die Aderlaßhyperglykämie weniger deutlich in Erscheinung treten lasse. Andere Autoren, unter ihnen Hirsch, zeigten aber, daß auch bei narko- tisierten Tieren größere Aderlässe eine Hyperglykämie zur Folge haben und daß dieselbe durch eine Ausschwemmung von Glykogen aus der Leber in die Blutbahn zu erklären ist. Es ließ sich nämlich nachweisen, daß eine Ausschaltung der Leber ebenso wie vorausgehende Kohlehydratkarenz das Auftreten der Aderlaßhyperglykämie verhindert. Die den Reststickstoff repräsentierenden Substanzen werden beim ge- sunden Individuum durch den Aderlaß nicht in merklicher Weise verändert. Ebensowenig sind Änderungen des Blutgefrierpunktes als Folge des Aderlasses bei Normalen beobachtet worden. Das Kochsalz dagegen erfährt regelmäßig eine geringe Zunahme. So fand Veil nach einen Aderlaß z. B. folgende Werte: Vor direkt nach 8 Stunden später 0,615 0,618 0,627 0,601 0,611 0,629 Von therapeutischer Bedeutung ist es, daß unter pathologischen Verhält- nissen jeder Aderlaß zur Mobilisierung historetinierter Substanzen führen kann. Die in Geweben deponierten Mineralien und die Schlacken des Eiweißstoffwechsels werden von dem aus den Geweben in die Blutbahn erfolgen- den Flüssigkeitsstrom mitgerissen. So kann es besonders bei Urämien zu einer vorübergehenden Erhöhung des Blutgefrierpunktes und des Kochsalzgehaltes, gelegentlich auch des Reststickstoffes kommen. Eine solche Mobilisierung historetinierter Substanzen läßt sich auch experi- mentell sehr leicht erweisen. Werden einem Tiere Farbstoffe subkutan injiziert, so hält die renale Ausscheidung derselben eine gewisse Zeit an, um dann zu sistieren. Wird zu dieser Zeit ein Aderlaß durchgeführt, so setzt die Ausscheidung des Farbstoffes durch den Harn wieder ein, ein Zeichen dafür, daß nun die in den Geweben noch lagernden Farbstoffreste durch den in die Blutbahn einsetzenden Flüssigkeitsstrom mitgerissen, an die Nieren herangebracht wurden und zur Ausscheidung gelangen. Einfluß auf die Blutgerinnung. Jeder größere Blutverlust führt zu einer Beschleunigung der Blutgerinnung. Hierin ist eine wichtige Blutkrankheiten. II. 3 31 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Selbstschutzeinrichtung für den Organismus gegeben. Die Beschleunigung der Gerinuungszeit ist eine nicht unerhebliche. So fand Freund bei der Verblutung eines Versuchstieres dieselbe von 9 auf 3 Minuten beschleunigt. Die Faktoren, welche bei dieser posthämorrhagischen Gerinnungsbeschleunigung mitwirken, sind zu sehen 1. in einem Einstrom bei der Gerinnung beteiligter enzymatischer Sub- stanzen (Thrombokinase), 2. in einer Vermehrung der bei der Gerinnung wesent- lich beteiligten Thrombozyten gegeben (posthämorrhagische Thrombozytose). Durch diese Einrichtung ist dem Organismus zum mindesten bei Blutungen aus kleineren Gefäßen zusammen mit anderen Faktoren die Möglichkeit gegeben, sich gegen weitere Blutverluste zu schützen. Wie jeder Blutverlust so setzt auch der Aderlaß einen kräftigen Reiz auf den hämatopoetischen Apparat. Das Knochenmark wirft zunächst die fertig gebildeten Blutkörperchen, sehr bald aber auch unfertige Elemente in die Bahn. Das Auftreten kernhaltiger roter Elemente dokumentiert die regeneratorischen Bestrebungen. Daneben kommt es zu anderen Veränderungen des roten Blutes, welche im allgemeinen Teil bereits besprochen wurden. Auch die Vermehrung der weißen Elemente nach kräftigen Aderlässen ist als Ausdruck einer Knochenmarksreizung zu deuten. Unter diesen domi- nieren stets die polynukleären Leukozyten. Es kommt also nicht nur zu einer absoluten, sondern auch zu einer relativen Leukozytose, da die lymphozyiären Elemente an der Vermehrung nicht teilhaben. Die Wirkungen auf den Stoff umsatz sind von Bauer studiert worden. Der Autor fand nach Blutentziehung am Hunde eine Steigerung des Stickstoff- gehaltes im Harn. Für die menschlichen Verhältnisse ist durch die Unter- suchungen von v. Noorden sichergestellt, daß Aderlässe, welche sich in thera- peutischen Grenzen halten, eine posthämorrhagische Azoturie nicht zur Folge haben. Über die speziellen Wirkungen des Aderlasses in der Therapie innerer Er- krankungen können an dieser Stelle Einzelheiten nicht mitgeteilt werden. Eine Zusammenstellung des gegenwärtigen Standes der Aderlaßfrage mit Berück- sichtigung der therapeutischen Effekte ist von mir an anderer Stelle gegeben worden. Literatur. Bang: Biochem. Zeitschr. Bd. 38, S. 236. 1914. — Bürger: Klin. Wochenschr. 1925. - Hirsch: Biochem.Zeitschr. Bd. 70, S.191. - Veil: Ergebn. d. inn. Med. Bd. 15, S. 139. 1917. 3. Die subakute und chronische posthämorrhagische Anämie. Eine scharfe begriffliche Abgrenzung der chronischen posthämorrhagischen Anämie von den Folgen akuter größerer Blutungen ist nicht immer durch- geführt worden. Wenn man darauf hinweist, daß jede chronische Blutungs- anämie aus einer akuten hervorgehen müsse oder durch eine Wiederholung und Aneinanderreihung akuter Blutverluste entstehe (Türk), so trifft das nicht den Kern der Sache. Einmalige akute große Blutverluste bedingen ein ganz charakteristisches Zustandsbild und nehmen, wenn die Blutungen zum Stehen kommt, einen typischen klinischen Verlauf. Ich halte es daher nicht für richtig, auch jene anämischen Zustände, welche nach einer einmaligen größeren akuten Blutung infolge Verzögerung der Regeneration entstehen, den chronischen posthämorrhagischen Anämien zuzurechnen. Ich will vielmehr diesen Begriff für diejenigen Zustände reservieren, welche sich durch Sum- mation vieler kleiner manifester oder latenter Blutverluste aus- bilden, von denen jeder einzelne nicht imstande ist, das Bild der akuten Blutungsanämie zu erzeugen. Es muß dabei zugegeben werden, daß auch nach akuten großen Blutverlusten, zumal wenn sie einen schon geschwächten Subakute und chronische posthämorrhagische Anämie. 35 Organismus treffen, gelegentlich die Anämien einen so verzögerten Heilungs- verlauf nehmen, daß das klinische Bild dem der chronischen posthämorrhagischen Anämie sensu strictori sehr ähnlich wird. Die Ursachen der chronischen posthämorrhagischen Anämie sind mannig- faltige. So kann das chronische Nasenbluten diesen Zustand herbeiführen. Besonders dann, wenn eine konstitutionelle Neigung zu Blutungen gegeben ist wie bei den Hämophilen. Die verschiedenen Formen der hämorrhagischen Diathese können sich gleichfalls lange Zeit in solcher gesteigerten Neigung zu Nasenblutungen manifestieren. Sehr bald aber wird unter diesen Umständen die Blutung auch in anderen Organgebieten auftreten und den wahren Sach- verhalt dadurch aufdecken. Gehäufte Zahnfleischblutungen, wie sie beim Skorbut charakteristisch sind, führen nicht selten zu anämischen Zustands- bildern, welche in einem gemeinsamen Abschnitt unter den alimentär bedingten Anämien besprochen werden sollen. Wiederholte Lungenblutungen führen im Verhältnis zu der Häufigkeit dieses Ereignisses bei tuberkulösen Kranken relativ selten allein zu einer schwereren Anämie. Die Anämie der Tuberkulösen ist meist komplexer Natur. Die häufige Blässe, welche wir bei solchen Kranken besonders im Beginn beobachten, ist bei den initialen Erkrankungsfällen nicht auf eine Verminderung der Hämoglobin tragenden Elemente zurückzuführen, sondern es handelt sich bei diesen Fällen nicht selten um Scheinanämien, welche bei mangelhaften Blutuntersuchungen zu der Diagnose Chlorose Anlaß gegeben haben. Selbst fortgeschrittene Tuberkulosen mit Kavernen können, solange Komplikationen und höhere Temperaturen fehlen, normale Werte für die roten Blutkörperchen aufweisen. Erst dann, wenn das sogenannte hektische Fieber die eingetretene Mischinfektion ankündigt, pflegt eine Anämie einzusetzen. Am ungünstigsten bezüglich des Blutbefundes wirkt die Lokalisation der Tuberkulose im Darm. Hier kommt es zu sehr starken Reduktionen der Zahl der roten Blutkörperchen bis auf 1 Million und Reduktion des Hämoglobins bis auf 15°/0. Im allgemeinen wirken die chronisch sich wiederholenden Blutverluste durch die tuberkulöse Mitaffektion des Darms weit stärker anämisierend als die Lungenblutungen. Bei der Darmtuberkulose wirkt neben dem dauernden Blutverlust aus den Geschwüren die mangelhafte Ernährung infolge der schlechten Resorption aus dem erkrankten Darm mit und hält die vermehrte Neubildung roter Blut- körperchen im Knochenmark und damit die Erholung auf. Darauf wird später noch näher eingegangen werden. Bei den fieberhaften Lungentuberkulosen mögen die Erreger der Misch - infektion durch ihre Toxine den hämatopöetischen Apparat schädigen und so die Ausbildung der posthämorrhagischen Anämie begünstigen. Blutungen aus dem Magen-Darmkanal sind von allen Formen post- hämorrhagischer Anämien, welche der Kliniker zu sehen bekommt, die häufigste Ursache. Wenn einzelne akute große Blutungen fehlen, kann selbst bei sehr lange bestehendem Ulkus nach meinem Eindruck eine schwere sekundäre Anämie lange ausbleiben. Unser eigenes Material betrifft 35 Fälle mit röntgenologisch sichergestellten Ulkusnischen ; es ergab folgende Resultate: 7 Fälle mit okkultem Blut 28 Fälle ohne „okkultes" Blut % nach Sahli Hämoglobin 41-50 51-60 61-70 71-80 <80 1 0 4 2 0 0 3 7 14 4 36 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Die meisten dieser Fälle hatten eine jahrelang zurückreichende Anamnese. Auffällig ist die relativ große Zahl der Fälle, welche bei dreimaliger Stuhlunter- suchung kein Blut aufweisen. Dementsprechend ist selbst bei bestehender Nische eine Anämie höheren Grades relativ selten. Aber auch wenn ,, okkultes" Blut im Stuhl gefunden wird, kann selbst bei langer Dauer des Ulkusleidens noch ein fast normaler Blutstatus gefunden werden. Das Ulcus duodeni kann gleichfalls zu sekundärer Anämie führen, doch sind hier zuverlässig statistische Unterlagen wegen der Unsicherheit der Dia- gnose bisher nicht gewonnen worden. Blutungen aus varikös erweiterten Venen des Magen-Darmkanals sind am häufigsten am unteren Ösophagus - abschnitt und am After zu finden. Chronische Hämorrhoidalblutungen können sehr schwer anämische Bilder veranlassen. Von Strauß und Höhn- st ein wurden nach Hämorrhoidalblutungen Reduktion des Hämoglobins auf 30°/0, Verminderung der roten Blutkörperchen auf 4,6 Millionen gesehen. Die Blutungen aus dem harnbereitenden und harnleitenden Apparat führen seltener zu dem Bilde der chronischen posthämorrhagischen Anämie. Die Ursache solcher Blutungen kann eine verschiedene sein: abgesehen von der subakuten Nierenentzündung, bei welcher besondere Verhältnisse vorliegen, kommen hier Tuberkulose der Niere, Nierengeschwülste, Papillome, Nieren- steine, feinste Verletzungen in den harnleitenden Wegen als blutungveran- lassende Momente in Frage. Bei Frauen führen die verschiedenen Formen der genitalen Blutungen zu schweren anämischen Krankheitsbildern. Schon unter physiologischen Bedingungen kommt es zu einem Schwanken der Zahl der roten Blut- körperchen bei der Frau, einer inter- oder prämenstruellen Erythrozytose von 1 — 1,5 Millionen roten folgt meist schon vor Beginn der Blutung ein Wieder - abfall der Zahl der roten Blutkörperchen zur Norm resp. unter die Norm. Schwere menstruelle Blutungen können das Blutbild im Sinne einer posthämor- rhagischen Anämie beeinflussen. Doch ist der menstruelle Blutverlust im Durchschnitt geringer als man im allgemeinen anzunehmen pflegt. Nach Hoppe-Seylers Feststellungen beträgt die Größe des Blutverlustes einer Menstruationsperiode zwischen 100 und 200 g. 376 g werden schon als profuse Blutung angesprochen. Der Geburtsakt führt zu einem raschen Zurückgehen der Blutkörperchen- zahl um 1/2— 1 Million. Noch niedrigere Werte gelten nicht mehr als physio- logisch. In den ersten 3—4 Tagen des Wochenbetts soll Poikilozytose vor- kommen (Henderson) und basophile Erythrozyten gefunden werden (Zan- frognini und Soli). Der Reduktion der Roten entspricht eine Verminderung des Hämoglobins in den ersten Tagen des Wochenbettes. Eine Wiederher- stellung der normalen Blutwerte ist mit der Rückbildung des Genitales nach 6 — 8 Wochen abgeschlossen. Akute große Blutungen haben dieselben Folgen wie Blutungen aus anderen Gefäßgebieten. Chronische Genitalblutungen sollen nach den Angaben von Peyer von dem weiblichen Körper ohne nachweisliche Veränderungen des Blutbildes vertragen werden können. Wie bei anderen Formen chronischer hämorrhagischer Anämie findet sich auch bei den chronischen' Genitalblutungen des Weihes eine Herabsetzung des Hämoglobingehaltes, die relativ weiter geht als die Reduktion der roten. Der Färbeindex ist also kleiner als I (Blumenthal). Komplizierter liegen die Verhältnisse für die Myomblutungen, da hier neben den einfachen Folgen de* chronischen Blutverlustes schädigende Wir- kungen der Stoffwechselprodukte der Myome selbst auf den blutbereitenden Apparat mitspielen. Dadurch wird die Wiederergänzung des ZU Verlust ge- gangenen Blutes gehemmt und es können schwerste anämische Zustandsbilder Alimentäre Anämien. 37 resultieren, die gelegentlich sogar zu Verwechslungen mit perniziöser Anämie Anlaß gegeben haben. Für die Auffassung, daß Zerfallsprodukte des Myoms bei der Ausbildung der Anämie eine wichtige Rolle spielen, spricht auch die Tatsache der raschen Wiedererholung nach Entfernung der Geschwulst. Literatur. Blumenthal: Hegars Beitr. zur Gynäkologie Bd. 2, S. 414. 1907. — Henderson: Journ. of obstetr. a. trynecol. of the Brit. Empire 1902. Februar. Zit. Zentralbl. f. Gynäkol. 1902. Nr. 44, S. 1191. — Hoppe- Seyler: Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 42, S. 545. 1904. — Payer, Frankel - Hochwart, v. Noorden, Strümpell: Die Erkrankungen des weiblichen Genitales in Beziehung zur inneren Medizin. Wien und Leipzig 1912. Bd. 1, S. 402. — Strauß und Rohnstein: Zit. nach Naegeli, Blutkrankheiten und Blut- diagnostik. 4. Aufl. Berlin: Julius Springer 1923. — Türk: Vorlesungen über klinische Hämatologie. II. Teil, 2. Hälfte. Wien und Leipzig 1912. S. 121. — Zanfrognini und Soli: Ref. Zentralbl. f. Gynäkol. 1905. Nr. 8, S. 244. 4. Die alimentären Anämien. Eine Verschlechterung der Blutzusammensetzung durch die Er- nährungist auf verschiedenem Wege denkbar. Es kann zunächst quantitativ unzureichende Nahrungszufuhr, wenn sie lange genug fortgeführt wird, durch die allgemeinen Schädigungen, welche den Organismus treffen, auch auf die Blutbildung übergreifen. Zweitens können qualitativ unzureichende Nahrung, drittens blutschädigende Nahrungsgemische die Blutbildung ungünstig be- einflussen. Änderung der Blutzusammensetzung durch quantitative Unter- ernährung. Der höchste Grad der quantitativen Unterernährung, zugleich der am besten untersuchte, ist der Hunger. Über Änderungen der Blut- zusammensetzung bei Hunger ist folgendes bekannt: Der Gehalt des Blutes an festen Bestandteilen und an zelligen Elementen wird bei vollständiger Nahrungsenthaltung nicht wesentlich verschoben. Das Blut nimmt entsprechend der Reduktion der Körpermasse ab. Soweit man Abweichungen gefunden hat, liegen sie eher in einer relativen Zunahme der Trockensubstanz und der zelligen Elemente, eine Erscheinung, die man als ein Symptom einer Eindickung des Blutes gedeutet hat (Panum). Die molare Konzentration des Blutes bleibt, gemessen an der Gefrierpunktsdepression, unverändert. Nach Tierversuchen von Githens am Hunde und Wallerstein am Kaninchen soll im Hunger der Globulinanteil der Plasmaeiweißkörper, die zum größten Teil aus den Or- ganen stammen, zunehmen. Anämische Zustände — das darf man wohl mit Sicherheit sagen — können durch bloßen Hunger nicht erzielt werden. Weit schwieriger ist der Einfluß chronischer Unterernährung auf das Blut zu beurteilen. Die Klinik liefert relativ wenig einwandfreies Material für die Beurteilung dieser Frage. Unterernährungen, die unkompliziert durch Darmblutungen, durch Karzinome oder durch bakterielle Darmschädigungen verursacht sind, kommen nur selten zur Beobachtung. Bei Geisteskranken hat man gelegentlich die Möglichkeit, diese Dinge zu untersuchen. Bei einem geisteskranken Mädchen fand Reinert nach monatelanger dürftigster Er- nährung Werte für die Blutzusammensetzung, die an der oberen Grenze der Norm lagen. Sichergestellt zu sein scheint mir eine Abnahme des Eiweiß - gehalts des Serums bei eiweißarmer Kost. So fand Landau nach einer Zufuhr von anderthalb Litern Milch pro Tag den Eiweißgehalt des Serums reduziert. Der N- Gehalt des Serums: Fall 1 Fall 2 Fall 3 vorher ■ l,428°/0 l,344°/0 1,386% nach einer Woche. . . 1,372% 1,316% 1,370% 38 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Ich selbst fand bei Untersuchungen mit Beumer bei einem blaß aussehen- den 65 Jahre alten Mann mit hochgradiger Pankreasatrophie und zahlreichen Konkrementen im Ductus pancreaticus im Serum 3,26 °/0 Eiweiß und 4,90 °/0 Trockenrückstand, also ungefähr die Hälfte des normalen Wertes. Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung chronischer Unter- ernährung auf die Blutzusammensetzung sind von Hößlin gemacht worden, ohne daß, trotzdem dieselben anderthalb Jahre fortgeführt wurden, größere Abweichungen von der normalen Zusammensetzung sich fanden. Reicheres Material über die Wirkung chronischer Unterernährung brachten die Untersuchungen von ödemkranken Menschen. Obwohl bei diesen Fällen der Blutbefund durch die Störungen des Gesamtwasserhaushalts kompliziert ist, lassen sich die wiedergegebenen Daten doch im Sinne einer Verschlechterung der Blutzusammensetzung verwerten. Die Zahl der roten Blutkörperchen und des Hämoglobins ist häufig vermindert. Die niedrigsten Werte sind 2 500 000 Rote. Im allgemeinen ist die Verminderung nicht so hochgradig, in der Regel bewegten sich die Werte um 4 Millionen herum. Wie schon bemerkt, ist es nicht mit Sicherheit zu entscheiden, wie weit in diesen Fällen eine Zunahme des Wassergehaltes des Blutes oder eine echte Verminderung der Zahl der roten Blutkörperchen die Veränderung der Blutzusammensetzung bewirken. Berechnet man nach dem Brechungsindex den Eiweißgehalt des Serums bei Ödemkranken, so ergeben sich nicht selten Werte unter 5%. So finden Schitten- heim und Schlecht unter 48 Fällen 8 Werte zwischen 4,1 und 4,9°/o> einmal sogar den Wert 3,94 %. Der Trockenrückstand des Gesamtblutes wurde bis auf 15°/0 reduziert gefunden. Das Serum ist durchweg hydrämisch, das spe- zifische Gewicht des Blutes wurde erniedrigt gefunden. Für das Gesamtblut zwischen 1040 und 1057, für das Serum zwischen 1019 und 1027. (Einzelheiten und Literatur siehe bei Bürger.) Interessant ist die von verschiedenen Autoren vermerkte Tatsache, daß, sobald nach länger dauerndem Hunger resp. Unterernährung eine reichlichere Nakrungszufuhr wieder eintritt, die Regeneration des Blutes mit der Zunahme der übrigen Körpergewebe offenbar nicht Schritt hält. Daraus resultiert eine relative Verminderung des Blutes an Hämoglobin und roten Blutkörperchen (Hößlin und Lehmann, Müller, Munk, Senator, Zuntz). Man muß sich aber hüten, aus einer Verminderung der Blutkörper- chen auf einen relativ zu schnell vor sich gehenden Anwuchs der Körpergewebe dann schließen zu wollen, wenn in der Hungerperiode sich unstillbares Erbrechen eingestellt hat, wie das in einer Beobachtung von v. Noordenin der Gerhardt- schen Klinik der Fall war. Durch die starken Wasser Verluste, welche das Er- brechen zur Folge hat, kann eine Anämie durch Eindickung des Blutes kachiert gewesen sein und die nach wieder einsetzender reichlicher Ernährung auftretende Blutverdünnung lediglich ein Zeichen dafür sein, daß das Blut seinen alten Wasserbestand aus der Nahrung wieder ergänzt hat. Qualitativ unzureichende Ernährung. In zwei Richtungen kann die Ernährung für die Erhaltung eines normalen Blutzustandes qualitativ un- zureichend sein. Bratens kann ein Fehlen der Vitamine in der Nahrung den Anwuchs und die Neubildung von Gewebe, zu welchem auch die zelligen Ele- mente des Blutes gehören, hindern und damit die Erythropöese lahmlegen. Zweitens können für die Blutbildung speziell wichtige Nahrungsbestandteile ur;ir nicht oder in zu geringem Maße vorhanden sein und daraus eine anämische Beschaffenheit des Blutes resultieren. Hier ist in erster Linie der Eisenmangel der Nahrung in seiner Auswirkung auf die Blutbildung zu erörtern. Unter den A\ itaminoeen, die zur Anämie führen können, ist der Skorbut und die Beri-Beri zu erwähnen. Beim Skorbut wirken mehrere Kaktoren Alimentäre Anämien. 39 bei der Ausbildung der Anämie zusammen. Erstens kann die Zusammensetzung der Nahrung an sich die Erythropoese schädigen und zweitens kann aber der bei den schwereren Erkrankungen nicht unerhebliche Blutverlust zu einer post- hämorrhagischen Anämie Anlaß geben. Die Zahl der roten Blutkörperchen ist gleichmäßig vermindert. Gewöhnlich ist die Hämoglobinarmut relativ stärker ausgeprägt als die Verminderung der Roten. Senator (1) findet in einem tödlich verlaufenden Fall die Blutkörperchen auf 750 000, das Hämo- globin auf ll°/o vermindert. Im Blute finden sich neben zahlreichen Normo- blasten vereinzelte Megaloblasten und Myelozyten. Das rote Knochenmark soll viele Lymphoidzellen enthalten. Bei der Möller-Barlowschen Krankheit führt die schwere hämor- rhagische Diathese zu hochgradiger sekundärer Anämie. Daß das Leiden, wie Senator (2) meint, auf eine Aplasie des Knochenmarks zurückzuführen sei, wird von E. Fränkel nach eigenen Befunden bestritten. Naegeli hat als erster auf Veränderungen des Knochenmarks hingewiesen im Sinne eines zellarmen Fasermarks. Die Auffassung von Looser, daß diese Zellarmut des Fasermarks eine sekundäre sei, wird von Schmorl mit guten Gründen bestritten. Ein Einfluß der Vitamine auf Blutbildung und Blutbeschaffenheit des Kindes wird ganz allgemein von Aron, L. F. Meyer und Hirschfeld für durchaus wahrscheinlich gehalten. Durch Zufütterung von Mohrrübenextrakten bei den Chloranämien der Kinder gelang es Marga Fron zig, eine sichere Besserung des Blutstatus zu erzielen. Der Gefahr, wegen mangelnder Zufuhr von Eisen eine geregelte Blut- bildung nicht aufrecht halten zu können, ist der erwachsene Mensch bei gemischter Kost nicht ausgesetzt. Anders liegen die Verhältnisse beim Säugling. Eine Gegenüberstellung der Aschenbestandteile eines Säuglings mit denen der Milch läßt ohne weiteres erkennen, daß der Säugling wesentlich mehr Eisen enthält, als eine entsprechende Menge Milch. Offenbar wird dem wachsenden Fötus ein Eisenvorrat vom mütterlichen Organismus mitgegeben, von dem er nach der Geburt zehrt. Mit diesen Vorstellungen stimmen Unter- suchungen, die man an neugeborenen Kaninchen durchführte, gut überein. Bunge hat den Eisengehalt von Kaninchenföten und Neugeborenen untersucht und gezeigt, daß auf 100 g Körpergewicht unmittelbar nach der Geburt 18,2 mg Eisen ent- fallen, der prozentische Eisengehalt der Körpersubstanz nimmt dann langsam ab und beträgt dann: am 4. Tage nach der Geburt 9,9 mg Eisen. „ 7. „ „ „ „ 6,0 „ „ 11. „ „ „ „ 4,3 „ „ „ 24. „ „ „ „ 3,2 „ „ „ 41. „ „ „ „ 4,2 „ « 72. „ „ „ „ 4,6 „ Die Kaninchen leben rund die ersten drei Wochen von der Muttermilch, wie die kleine Tabelle zeigt, wird nach Ablauf dieser Zeit ungefähr der niedrigste Eisengehalt des Körpers erreicht, der, sobald gemischte Nahrung von außen zugeführt wird, wieder ansteigt. Einen ähnlichen Versuch an 9 jungen Hunden hat Cloetta angestellt. Er fragte sich, wie die Verhältnisse des Eisens und Hämoglobins sich gestalten würden, wenn den Tieren nach Ablauf der Säuglingsperiode weiterhin Milch als einzige Nahrung gegeben wird. Er hat in einer zweiten Gruppe außer Milch täglich 35 mg Eisen in Form von milchsaurem Eisen oder von Ferratin, einer Eiweiß-Eisenverbindung, zugeführt. Es zeigte sich, daß bei der Gruppe, welche nach Ablauf der Säuglingsperiode ausschließlich Milch erhielt, der Hämo- globingehalt nach 12 Wochen auf 35 resp. 25% gesunken war, während die Kontrolltiere, denen außer der Milch noch Eisen zur Nahrung zugelegt wurde, nach Abschluß der zwölf- wöchentlichen Versuchsperiode normalen Hämoglobingehalt aufwiesen. Die Wägungen der Tiere zeigten, daß die mit der Milch gereichte Nahrung kalorisch vollkommen aus- reichte, die Hämoglobinbestimmungen und Eisenanalysen lehren aber, daß eine fortgesetzte einseitige Milchnahrung für die Blutbildung infolge ihrer Eisenarmut nicht zureicht. 40 -M. Bürger: Sekundäre Anämie. Chlorose. Experimentell läßt sich also eine alimentäre Anämie bei wachsenden Tieren durch einseitige Milchkost mit Sicherheit erzielen. Diese Tatsache ist durch neuere Untersuchungen von Tartakowski und Brinckmann erhärtet worden. Bei erwach- senen Tieren gelingt es nicht, durch eisenarme Kost eine nennenswerte Anämie zu erzeugen (M. B. Schmid und Tartakowski). Es beträgt der Eisengehalt der Frauenmilch 1,215-2,93 mg Fe203 p. 1000, der Kuh- milch 0,5 mg Fe203 p. 1000 (Edelstein und v. Ksonka). Da nach Soxhlet der Säugling zur Blutbildung einer täglichen Eisenmenge von 1,34 mg F203 bedarf, so muß bei einseitiger Kuhmilchernährung die Eisen- zufuhr stark hinter dem Bedarf zurückbleiben. Tatsächlich kann beim Menschen eine eisenarme Ernährung, wenn sie übermäßig lange durchgeführt wird, zu erheblicher Anämie führen, wie ein von Gott mitgeteilter Fall zeigt, bei dem die eisenarme Milchkost bis zum Alter von 12 Jahren fortgeführt wurde. Im allgemeinen scheint aber die Gefahr, lediglich durch Eisenminderzufuhr anämisch zu werden, für den menschlichen Säugling gering zu sein. Jedenfalls lehren klinische Erfahrungen, daß die Beigabe von medikamentösem Eisen zu reichlicher Milchkost bei den Säuglingsanämien nicht den gleichen Effekt hat wie beim Tierexperiment. Sie ist oft vollkommen wirkungslos. Auf Grund dieser Erfahrungen und der Tatsache, daß ältere Säuglinge, die bei zu geringen Milchmengen ohne Beikost oft monatelang hungern, zwar atrophisch aber nicht anämisch werden, hat man den Eisenmangel als ausschließliche Ursache der Kinderanämie fallen gelassen. Czerny und seine Schüler haben die Meinung vertreten, daß das Milchfett schädigende Substanzen enthalten solle, welche auf die Blutbildungsstätte resp. das Blut einwirken. Auch Glansmann und Meyer stein wollen nach Fettverabfolgung eine Schädigung des Blutes beobachtet haben. Die Hypothese stützt sich auf die experimentellen Erfahrungen von Faust und Tallquist. Diesen Autoren gelang es, aus getrocknetem Bothriozephalus-Material einen Cholesterin- Ölsäure-Ester zu isolieren, welcher als schädigendes Prinzip des breiten Bandwurmes ange- sprochen wurde. Es gelang den Autoren, durch 7 Monate lang fortgesetzte Fütterung von Ölsäure an einem Terrier eine erhebliche Anämie zu erzwingen. Untersuchungen von Flury und Schmincke mit einer 6 Monate lang fortgesetzten Verfütterung von täglich 10 g Ölsäure an einem 7,5 kg schweren Hund führten zu einem kurz dauernden, ziemlich beträchtlichen Sturz der roten Blutkörperchen mit langsamer, aber vollständiger Reparation. Dabei zeigte sich eine Veränderung der Erythrozyten in biologischer und chemischer Beziehung, die als Schutzmaßnahme gedeutet wurde. Beumer hat diese Untersuchungen an zwei Hunden wieder aufgenommen, und zwar an jungen Hunden im Alter von 3 Wochen. Der eine erhielt täglich, der andere mit Abständen 20 bis 30 g Ölsäure durch die Magensonde. Beumer sah zu Beginn seiner Versuche eine mäßige Abnahme des Körpergewichtes mit einer geringen Verminderung des Hämoglobins und der Zahl der roten Blutkörperchen. Er führt diese Erscheinung nicht auf eine spezifische Schädi- gung durch Ölsäure, sondern auf den widerlichen Geschmack des Präparates zurück, welche zu einer verminderten Nahrungsaufnahme veranlaßt. Irgendwelche Zeichen von einer hämo- lytischen Wirkung der Ölsäure ließen sich weder im Serum noch im Blutbild nachweisen. Wenn auch die Übertragungen solcher Ergebnisse aus Tierversuchen auf die menschliche Pathologie, vor allem des Kindesalters nur mit großer Reserve erfolgen darf, so glaube ich doch mit Beumer, daß die Möglichkeit einer Schädigung durch höhere Fettsäuren, die unter natürlichen Bedingungen nur in bedeutend geringeren Quantitäten bei Anomalien des Fettstoffwechsels im Organismus auftreten können, zum mindesten sehr in Frage gestellt ist. Diese abwartende Haltung möchte ich auch gegenüber der Hypothese Stölzners einnehmen, welcher nach Ziegenmilchfütterung gehäufte Fälle von Anämie auftreten sah. Er erblickte, da in der Ziegenmilch 8mal soviel lösliche Fettsäuren vorhanden sind als in der Frauenmilch, in ihnen den blut- Bchädigenden Paktor bei der Ziegenmilchanämie. Auch Finkelstein lehnt die Vorstellung einer aktiven Schädigung durch einen einzelnen Nahrungsstoff als Ursache für die alimentären Anämien des Kindesalters al>. Alimentäre Anämien. 41 Eine strenge Klassifizierung der verschiedenen Anämien des Kindesalters nach ätiologischen Faktoren läßt sich in exakter Weise nicht durchführen. Von einer Reihe von Autoren, unter denen ich vor allem Kleinschmidt und Czerny nenne, werden die Nährschäden und konstitutionelle Minderwertigkeit ätiologisch in den Vordergrund gestellt; sie gewinnen ihre Auffassung, daß es sich bei den ätiologisch nicht geklärten Kinder- anämien nach dem 1. Lebensjahre fast immer um alimentäre handele, ex juvantibus, da diese Anämien unter dem Einfluß von gemischter Kost besonders unter Beigabe von Fleisch die Blutarmut in wenigen Monaten wesentlich bessern konnten, von anderen wird darauf hingewiesen, daß eine ganze Reihe mehr oder weniger deutlich in die Erscheinung tretender Ursachen zur Anämie führen können. Z. B. überstandene Infektionskrankheiten, leichte Grade der Rachitis, Gastrointestinale Störungen usw. Allen Formen kindlicher Anämie sind gewisse gemeinsame Abweichungen des Blutbildes eigen. Die Blutarmut des frühen Kindesalters trägt den Cha- rakter der sekundären Anämie. Der Blutfarbstoff ist stark vermindert. Weitgehend reduziert ist die Zahl der Roten, doch entspricht ihre Reduktion nicht der des Hämoglobins, woraus ein niedriger Färbeindex resultiert. Kern- haltige rote Blutkörperchen fehlen fast nie, Myelozyten werden in geringer Menge bei fast allen Formen der Blutarmut des frühen Kindesalters nachgewiesen. Der erythropoetische Apparat spricht offenbar auf geringe Reize viel leichter und intensiver an als im späteren Kindesalter, woraus sich auch die fast regelmäßigen Vermehrungen der Leukozyten bei den sekundären Anämien des frühen Kindesalters erklären. Die Anämie erreicht leicht einen sehr hohen Grad, was sich daraus erklärt, daß der hämatopoetische Apparat beim wachsenden Individuum nicht nur den augenblicklichen Status aufrecht zu erhalten hat, sondern mit dem Wachstum des Gesamtorganismus dauernd eine entsprechende Vermehrung der Blutmenge aufbringen muß. Tritt nun eine Schädigung des blutbildenden Apparates ein, so kann schon allein aus dem Zurückbleiben der Leistungen des Knochenmarks gegenüber dem Wachstum des Gesamtorganismus eine relative Anämie resultieren, wie wir sie beim Erwachsenen schon kennen lernten, der nach voraufgehendem Hunger plötzlich wieder gut ernährt wird und nun einen Anwuchs zeigt, dem die Blutbildung nicht Schritt hält. Auf diese gewaltigen Mehrleistungen des kindlichen hämato- poetischen Apparates ist mit besonderem Nachdruck von Opitz hingewiesen worden. Literatur. Aron: Berl. klin. Wochenschr. 1922. S. 773. — Beumer und Bürger: Zeitschr. f . exp. Pathol. u.Therap. Bd. 13. 3. Mitt. — Beumer: Biochem. Zeitschr. Bd. 95, H. 3 u. 4. - Brinckmann: Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 30, S. 158. 1921. — Bunge: Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 16, S. 173. 1892. — Cloetta: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 38, S. 61. 1897. - Czerny - Keller: Des Kindes Ernährung. Bd. 2. 1917. - Edel- stein und v. Ksonka: Biochem. Zeitschr. Bd. 38, S. 14. 1912. — Faust und Tallquist: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 57. — Finkeist ein: Lehrbuch der Säuglings- krankheiten. 1921. — Flury und Schmincke: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 64. — Fränkel: Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. Bd. 8. — Fronzig, Marga: Dtsch. med. Wochenschr. 1921. S. 419. — Githens: Hofmeisters Beiträge Bd. 5 u. 15. 1904. — Glansmann: Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 84, S. 95. 1916. — Gott: Zeitschr. f. Kinder- heilkunde Bd. 9, S. 457. 1913. - Hößlin: Münch. med. Wochenschr. 1888. Nr. 38-39. - Hirschfeld: Berl. klin. Wochenschr. 1919. S. 193. - Kleinschmidt: Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 83, S. 97. 1916. - Landau: Dtsch. 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Allen Experimentatoren ist die hochgradige Empfindlichkeit des lymphatischen Gewebes, besonders der Keimzentren, gegenüber den weniger strahlenempfindlichen Knochenmarkszellen aufgefallen. Heinike fand bei seinen Untersuchungen an Mäusen, Meerschweinchen und Ratten bereits innerhalb der ersten 24 Stunden ausgedehnte Zerstörungen in den Keimzentren des lymphatischen Gewebes, während die Zellzerstörungen im Knochenmark sich erst 2— 3 Tage später, und zwar zuerst an den ungranulierten Zellen erkennen lassen. Der große Unterschied in der Empfindlichkeit von lymphatischem und myeloischem Gewebe ist von allen Nachuntersuchern bestätigt worden. Bei ihren experimentellen Untersuchungen über die Einwirkung von Röntgenstrahlen auf tierisches Gewebe fanden Krause und Ziegler bei tödlichem Verlauf der Bestrahlung zur Zeit des vollständigen Schwundes der weißen Blutzellen ein Verschwinden der bei Mäusen normalen Polychromatophilie der roten Blutkörperchen, ein spärliches Auftreten blauer Chromatinklümpchen in den Erythrozyten, eine rasche Abnahme der Plättchenzahl und ihr schließliches Verschwinden. Bei Meerschweinchen zeigte sich nach 10 stündiger Bestrahlung und Tötung 50 Stunden nach abgeschlossener Bestrahlung eine so weitgehende Rarefikation des Knochen- marks, daß an einzelnen Stellen die typischen Knochenmarkselemente vollkommen fehlten. Am ebenso lange bestrahlten Kaninchen, welches nach der Bestrahlung noch 50 Stunden gelebt hatte, wird gleichfalls eine erhebliche Zellarmut im Knochenmark gefunden, wobei die spezifischen Knochenmarkszellen sich in erster Linie vermindert zeigen. Nach einer Gesamtdauer der Bestrahlung von 8 Stunden ist eine Verminderung der Erythrozyten von 5,17 Millionen auf 4,7 Millionen erreicht. Auch bei Ratten wurde durch länger dauernde Bestrahlung eine wenn auch geringe Reduktion der Erythrozytenzahl beobachtet. Bei letzteren Versuchstieren waren die Erythrozyten unter dem Einflüsse der Röntgenstrahlen trotz vielstündiger Bestrahlung, bei welchen die Leukozyten schließlich auf 800 resp. 1000 abgesunken waren, sowohl in bezug auf die Zahl als auch auf ihr mikroskopisches Aussehen wenig verändert. Trotzdem sank der Hämoglobingehalt innerhalb von wenigen Tagen bei den Versuchstieren um etwa 30°/0 ab. Bei Hunden fanden sie nach lOstündiger Bestrah- lung und Tötung 50 Stunden nach der Bestrahlung eine leichte Zunahme des Hämoglobin- gehaltes, der nur eine geringe Vermehrung der roten Blutkörperchen parallel ging. Gleich- zeitig wurde eine Zunahme des spezifischen Gewichts des Blutes bei den Hunden festgestellt. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß bei den relativ kurzen Untersuchungs- zeiten der Autoren die Veränderungen an den Erythrozyten des strömenden Blutes verhältnismäßig geringe waren, eine Erscheinung, die sie mit der längeren Punktionsdauer der Erythrozyten erklären. Die an den Mäusen unter dem Einfluß der Bestrahlung gemachten Beobachtungen deuten sie in dem Sinne einer Beschleunigung der Reifung der roten Blutkörperchen. Für die Verhältnisse der menschlichen Pathologie sind diese Be- obachtungen insofern von geringerer Bedeutung, als wir es sowohl bei den therapeutischen Bestrahlungen als auch bei den beinfliehen Schädigungen, «reiche bei mangelhafter Technik und ungenügendem Schulz eintreten können. Anämien infolge physikalischer und chemischer Schädigungen des Blutes. 43 mit viel länger dauernden Bestrahlungszeiten als bei diesen Tierversuchen zu tun haben. Gaviati und andere italienische Forscher haben festgestellt, daß unter der chronischen Einwirkung der Röntgenstrahlen im Blute sich eine Aniso- zytose und Poikilozytose und eine Vermehrung der Erythrozyten mit der Sub- stantia granulosa filamentosa ausbilden kann. Gavazzeni et Minelli weisen darauf hin, daß bei Berufsradiologen unter der dauernden Einwirkung der Strahlen eine aplastischeAnämie mit tödlichem Ausgang sich ausbilden könne. Die Wirkung radioaktiver Substanzen auf den erythropoetischen Apparat ist von Brill und Zehner an Hunden und Kaninchen geprüft worden. Sie injizierten den Tieren subkutan 2,5/1000 bis 9,3/100 mg Radiumchlorid. Diese Mengen entsprechen 0,002 und 0,07 mg Radiummetall, sind somit 10- bis 350 mal so stark als die im Handel befindlichen Präparate. Diese Injektionen hatten eine kräftige Anregung der Erythropoese unmittelbar nach der In- jektion zur Folge. Die Zahl der roten Blutkörperchen stieg innerhalb der ersten beiden Stunden nach der Injektion, deren Radiumgehalt 0,064 mg Radium entsprach, von 5,4 auf 7,2 Millionen. Nach Injektion von 0,047 mg Radium von 6,5 auf 8,3 Millionen. Die Wirkung solle eine Reihe von Wochen anhalten und erst allmählich abklingen. Dosen unter etwa 2/1000 mg pro kg Körper- gewicht haben eine nur geringe Wirkung auf die Erythropoese. Die relativ lange anhaltende Wirkung der Radiumin jektioh auf den erythropoetischen Apparat wird als Ausdruck der Retention der Radiumsalze in den Geweben aufgefaßt. Die erwähnten Autoren haben immer nur eine Injektion gesetzt und dadurch Kumulation der Radiumwirkung vermieden. Diesem vor- sichtigen Vorgehen ist es offenbar zu danken, daß schädigende Wirkungen auf das Knochenmark und das periphere rote Blut nicht zur Beobachtung kamen. Neuerdings hat Kestner l) über jahreszeitliche Schwankungen des Hämoglobingehaltes mit einem Tiefpunkt im sonnenarmen Winter berichtet. Die Akten über die Frage, ob Lichtmangel zur Anämie führen kann, sind noch nicht geschlossen. Literatur. Brill und Zehner: Berl. klin. Wochenschr. 1912. Nr. 27, S. 1261. -- Gavazzeni und Minelli: Strahlentherapie 1914. Nr. 5. — Gaviati: Kongreß-Zentralblatt Bd. 15, S. 204. 1920. -- Heinike: Münch. med. Wochenschr. 1903. Nr. 48 und 1904. Nr. 18; Mitt, a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chirurg. Bd. 14, H. 1 u. 2; Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. Bd. 78, S. 196. - Krause und Ziegler:"Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. Bd. 10, S. 126. 6. Anämien infolge chemischer Schädigungen des Blutes (Hämotoxische Anämien). Unter den Giften, die zu den hämotoxischen Anämien führen, spielen gerade diejenigen, welche das Hämoglobin chemisch verändern, klinisch eine unter- geordnete Rolle. Das ist verständlich, soweit Gifte in Frage kommen, die neben dem Blut andere lebenswichtige Gewebe so stark schädigen, daß lange bevor eine Anämie sich ausbilden kann, in manchen Fällen der Tod eintritt, in anderen Fällen, in denen eine untertödliche Dosis den Organismus getroffen hat, die Blutschädigungen so rasch ausgeglichen werden, daß eine klinische, als solche imponierende Anämie nicht zustande kommt. Die Blausäure Vergiftung, die Schwefelwasserstoffvergiftung, die NO-Vergiftung kommen als Faktoren für die Ausbildung sekundärer Anämien daher kaum in Frage. Unter Verdrängung des Sauerstoffs aus dem Hämoglobin wird Schwefelmethämoglobin resp. Cyan- methämoglobin gebildet, das sich durch spektralanalytische resp. chemische 3) Nordwestdeutsche Ges. f. inn. Med. 30. u. 31. Jan. 1925 Hamburg. 44 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Methoden im Blute leicht nachweisen läßt. Schon durch die Farbe des Blutes, das oft einen rotbraunen Ton annimmt, kann die Methämoglobinbildung erkannt werden. Bei schwereren Vergiftungen werden die Blutkörperchen zer- stört, der Farbstoff tritt ins Plasma und schließlich in den Harn über. Die Methämoglobinurie ist oft von schweren Schädigungen des Nierenparenchyms begleitet. Wird die Vergiftung überstanden, so sorgt das Knochenmark durch kräftige reparatorische Mehrleistung für einen raschen Wiederersatz des zu- grunde gegangenen Blutkörperchenmaterials und verhindert damit die Aus- bildung einer sekundären Anämie. Unter den hämotoxischen Giften haben eine besondere klinische Bedeutung die Bleivergiftung, die Vergiftung mit Kalium chloricum und die Folgen der Injektion hämolysierender Sera. Die Pilzvergiftungen führen wegen der Schwere der Erkrankung seltener zu ausgesprochenen anämi- schen Zuständen. Bleianämie. Die Blässe der in gewerblichen Betrieben mit Blei beschäftigten Arbeiter ist durchaus nicht in allen Fällen durch eine anämische Blut- beschaffenheit bedingt. Sehr häufig findet man bei sehr blassen Arbeitern normale oder fast normale Werte für die Erythrozyten und entsprechend hohe Hämoglobinwerte. In vielen solcher Fälle ist die Blässe durch eine vermindeite Kapillarfüllung zu erklären, die ihrerseits wieder in einem veränderten Gefäß - tonus ihre Ursache hat. In anderen Fällen bildet sich aber mit zunehmender Dauer der toxischen Schädigung eine mehr oder weniger schwere Anämie mit allen hämatologischen Zeichen einer solchen aus. Unter den Veränderungen des Blutes dominieren die eigentümlichen baso- philen Tüpfelungen der roten Blutkörperchen so erheblich, daß man aus dieser Erscheinung allein, wenn die Anamnese daraufhin verdächtig war, auf eine Bleiintoxikation geschlossen hat. Sehr bald, nachdem Grawitz (1) auf diesen Befund hingewiesen hatte, entspann sich eine lebhafte Diskussion darüber, ob diese Tüpfelungen der roten Blutkörperchen einen degenerativen oder regenerativen Charakter tragen. Je nach der Stellungnahme, die man in der Beantwortung dieser Frage einnimmt, wird man die Bleivergiftung und die aus ihr resultierende Anämie entweder den hämotoxischen oder den myelo- toxischen Anämien zurechnen müssen. Man hat versucht, das Problem durch Tierexperimente der Lösung näher zu bringen. Sabrazes (1) zeigte, daß die akute und subakute Bleivergiftung niemals zum Auftreten der basophilen Tüpfelung führt. Nur durch chronische Intoxikation ließ sich die Granu- lierung erzeugen und — was besonders bedeutungsvoll ist — durch eine höher gewählte toxische Bleidosis auch wieder zum Verschwinden bringen. Stets verschwanden die Körnchen bei den bl ei vergifteten Tieren kurz vor dem Tode. Sabrazes (2) sah deshalb in den getüpfelten roten Blutkörperchen Zeichen der Regeneration und deutete ihr Ver- schwinden als ein Symptom der Erlahmung der hämatopoetischen Apparate. Diese bio- logisch bedeutsamen Versuche wurden auf Veranlassung von Naegeli durch Lutoslawski einer Nachprüfung unterzogen, die die Resultate Sabrazes im wesentlichen bestätigte. Es zeigte sich, daß nur die vorsichtige chronische Bleiintoxikation zum Auftreten der Granula in den roten Blutkörperchen führte und daß hohe Bleidosen die Zahl der getüpfelten Erythro- zyten nicht vermehrten, sondern die vorhandenen zum Verschwinden brachten. Diese Erscheinunc ging dem Tode der Versuchstiere in der Regel einige Zeit voraus. Wenn bei den Versuchstieren infolge der chronischen Bleivergiftung eine hochgradige Vermehrung 5°/0 Eosinophile 0,9 °/0 Mononukleäre 3,2 °/0 Mastzellen 0,1% In dieser Gruppe befinden sich die schwersten Fälle, 2/3 der Kranken sind während der Beobachtungszeit ihrer Tuberkulose erlegen. 11 Fälle hatten weniger als 4 Millionen Rote, der geringste Wert betrug 3,06 Millionen mit 69 % Hämoglobin (Sahli corr.). Im allgemeinen zeigten die niedrigsten Werte für die Roten und das Hämoglobin die mit Darmtuberkulose komplizierten Fälle, eine Tatsache, die auch früheren Autoren bereits aufgefallen war. So verzeichnet Limb eck einen Fall mit 2,4 Millionen Rote und 25°/0 Hämoglobin, Naegeli einen solchen mit 1,0 Roten und 20°/o Hämoglobin. Polyglobulien wurden in dieser Gruppe nicht beobachtet. Der höchste Wert für die roten Blutkörperchen betrug 5,18 Millionen. Leukozytosen über 10 000 weißer Blut- körperchen wurden in 10 Fällen gesehen, mit einem Höchstwert von 20 600 Leukozyten. Auffallend häufig fanden sich niedrige Werte für die Lympho- zyten. Allein 6 Fälle hatten 15% Lymphozyten und weniger. Sicher ist Rom - berg darin recht zu geben, daß die niedrigen Lymphozytenwerte ein Zeichen von schlechter Prognose darstellen. Die neutrophilen Leukozytosen sind am häufigsten bei den Mischinfektionen zu finden und bei den Fällen mit weitgehenden Einschmelzungsprozessen. Vergleicht man das Material in den drei Gruppen miteinander, so stehen bezüglich der sekundären Anämie die vorwiegend zirrhotischen Fälle und die Kranken mit vorwiegend proliferativer Tuberkulose nahezu gleich. Die schwerste Schädigung des Blutes machen offenbar die exsudativen Formen, bei denen allerdings die Komplikation mit Darmtuberkulose auch die häufigste ist. Die luetische Infektion führt gelegentlich zu schwererer sekundärer Anämie. Dank der verbesserten und früher einsetzenden Behandlung werden solche Bilder schwerer luetischer Anämien jetzt seltener beobachtet. Wenn Milz und Lymphdrüsen weitgehend mitergriffen sind, sind die Störungen der Blutzusammensetzung besonders ausgeprägt. Ältere Autoren weisen darauf hin, daß die Anämie oft nach ihrem Verlauf und nach den hämatologischen Befunde den Charakter der perniziösen Anämie aufweise. Hoppe-Seyler hat solche Beobachtungen an dem großen Kieler Material mehrfach machen können und gesehen, wie schwerste, von der perniziösen nicht zu unterscheidende Anämien unter zweckmäßiger antiluetischer Kur rasch zur Abheilung kamen und da mit die luetische Ätiologie sehr wahrscheinlich machten. Ähnliche Be- obachtungen sind von Naegeli, Roth, Blumenthal und anderen mitgeteilt worden. Besonders gefahrvoll für den Blutstatus scheint das Zusammentreffen von Lues und Puerperium zu sein. Schwere luetische Anämien werden bei der Sekundäre Anämien bei luetischen Infektionen, Malaria. 51 hereditären Syphilis der Säuglinge und kleinen Kinder angetroffen, haupt- sächlich im ersten Lebenshalb jähr ist die luetische Anämie oft mit den Sym- ptomen viszeraler Lues gesehen worden (Kleinschmidt). Der Charakter der Anämie ähnelt dem der alimentären. Es werden zahlreiche kernhaltige rote Blutkörperchen gefunden. Auch die nicht seltene starke Leukozytose deutet auf einen aiterativen Reiz des Knochenmarks hin. Von verschiedenen Autoren sind bei der hereditären Syphilis, besonders bei Neugeborenen, sehr hohe Lymphozytenwerte beobachtet worden. Unter den verschiedenen Stadien der Lues zeigt das erste und zweite die relativ geringsten anämischen Erschei- nungen. Am deutlichsten sind die anämischen Erscheinungen immer im 3. Sta- dium ausgeprägt, erreichen aber, abgesehen von den jetzt sehr selten gewordenen Fällen, bei denen die Anämie den Charakter der perniziösen annimmt, nur ausnahmsweise höhere Grade. Malaria. Unter den Infektionskrankheiten, welche zu einer Schädigung des zirkulierenden Blutes führen, ist an erster Stelle die Malaria zu nennen. Die Anämien, welche nach einer Malariainfektion zustande kommen, werden am zweckmäßigsten in 2 Gruppen behandelt. In der ersten Gruppe soll die Anämie bei der akuten Malaria, in der zweiten die bei chronischer Malaria besprochen werden. Wenn bei diesem Einteilungsprinzip auch nicht streng gesonderte Zustandsbilder zur Darstellung kommen, so ist das klinische Bild bei beiden In- fektionsformen doch so verschieden, daß es eine getrennte Darstellung rechtfertigt. Wie bei den anderen sekundären Anämien, so zeigen sich auch bei der Malaria zwei Angriffspunkte der Schädlichkeit: 1. die direkte Wirkung des Malaria- Parasiten auf das infizierte Blutkörperchen, 2. die toxische Schädigung, welche offenbar neben den Blutkörperchen auch den erythropoetischen Apparat trifft. Die akute Infektion mit Tertiana -Parasiten kann sämtliche Erythrozyten in allen Reifestadien befallen. Bevorzugt werden offenbar die ausgereiften roten Blutkörperchen, jedoch findet man gelegentlich auch Parasiten in kern- haltigen Erythrozyten. Die Veränderungen, welche die roten Blutkörperchen im Verlaufe einer Tertianainfektion erleiden, sind sehr charakteristische und unabhängig davon, ob geschlechtliche oder ungeschlechtliche Formen in die Zelle eingedrungen sind. Die infizierten Erythrozyten unterscheiden sich durch ihren blasseren Farbton von den nicht infizierten, eine Erscheinung, die offenbar auf den Abbau des Hämoglobins durch den Parasiten zurückzuführen ist. Mit zunehmendem Wachstum des Parasiten setzt eine Vergrößerung der Zelle ein und die Verteilung des restlichen Hämoglobins auf ein größeres Volumen mag zu der Abblassung der Zelle nicht unwesentlich beitragen. Die Destruktion des Hämoglobins wird schon im Anfangsstadium der Entwicklung des Parasiten im roten Blutkörperchen sichtbar. Sie ist gekennzeichnet durch eine feine, gleichmäßige Rottüpfelung der ganzen Zelle, die nach ihrem Entdecker als Schüffner Tüpfelung bezeichnet ist (siehe Abb. 6 u. 7). Die Pünktchen sind anfangs gleichmäßig rund und in regelmäßiger Verteilung über das ganze Blutkörperchen ausgestreut. Ihre intensiv rote Farbe erinnert an die Chromatin - färbung. Die zwischen den Pünktchen gelegenen Zellteile heben sich durch ihre blassere Farbe von der Schuf fnertüpfelung deutlich ab. Mit zunehmen- dem Wachstum des Parasiten werden die einzelnen Tüpfelchen größer, ihre Färbung intensiver. Sie umgeben ihn als feiner getüpfelter Saum. Kommt der Erythrozyt zum Zerfall, können Blutkörperchenreste mit dieser Tüpfelung in guten Ausstrichen gefunden werden. Die Bedeutung der Schüffner- Tüpfelung bei der Tertianainfektion ist bis heute strittig. Wichtig ist, daß sie fast ausschließlich der Tertiana zukommt. Am nächstliegenden ist die Ansicht, daß es sich bei der eigenartigen Tüpfelung um eine Dekomposition der Zelle, also eine Art Entmischungsvorgang handelt, bei welchem bestimmte 4* 52 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Protoplasmabestandteile zur Ausfällung kommen. Daß diese Strukturände- rungen der Zelle durch den Stoffwechsel des Parasiten bedingt sind, scheint gleichfalls sichergestellt. Teile des Parasiten sind jedenfalls in diesen Gebilden nicht zur Darstellung gebracht. Auch daß es sich dabei um eine besondere Form der Basophilie handelt, wie Klieneberger meinte, ist jetzt allgemein abgelehnt. Neben der Schüffner-Tüpfelung erkennt man an guten Objektträger- ausstrichen, die völlig lufttrocken gemacht und ohne jede weitere Fixierung mit Giemsalösung gefärbt sind, eine grobe, durch die intensivere Färbung stärker hervortretende Körnelung, die von den Autoren nach der Anordnung diplo- kokken- oder streptokokkenähnlich geschildert wird. Sie ist nur in solchen Erythrozyten enthalten, wrelche Plasmodien beherbergen, und welche sich zwischen den blassen oder blaßroten Blutscheiben stärker tingiert herausheben. Mit zunehmender Reifung des Plasmodiums nimmt die Tüpfelung an Intensität zu und die Körner verändern ihre Gestalt und werden jetzt der typischen „Perniziosaf leckung" sehr ähnlich (siehe Abb. 8 u. 9). Jetzt sind nach Walter - höfer die Einschlüsse regellos nach Gestalt und Lage, manchmal fadenförmig, in Übergängen vom feinsten Fädchen, das geißelartig in der Nähe des Parasiten gelegen ist, bis zum dicken, vielfach gewundenen Faden. Diese zuerst von dem Holländer Brug beschriebene Tertianaf leckung kommt nicht nur bei der Malaria in Java, sondern auch bei typischen Tertianafällen, wie sie von den Kriegs- schauplätzen in Mazedonien und Flandern in die Heimatlazarette eingewiesen wurden, zur Beobachtung (Walterhöfer). Sie ist aber erst deutlich wahrzu- nehmen, wenn das Hämoglobin durch Wasserverdünnung der Färbelösung mehr oder weniger weitgehend aus den roten Blutkörperchen entfernt ist. Mit diesen Bemerkungen soll nicht gesagt sein, daß diese Brug sehe Fleckung mit der Perniziosafleckung der Malaria tropica identisch ist, im Gegenteil läßt sich eher behaupten, daß das Hämoglobin bei der Tertiana im allgemeinen eine intensive Abblassung erfährt, während die von Tropika infizierten roten Blutkörperchen einen stärkeren Farbenton erkennen lassen. Die Einwirkung auf die Wirtzelle ist also bei beiden Malariaarten — offenbar durch die Besonder- heiten ihres Zellstoffwechsels — eine verschiedenartige. Die für Tertiana so charakteristische Schüffnertüpfelung wird bei der Perniziosa nie gefunden. Aber auch nichtinfizierte Blutkörperchen zeigen anämische Veränderungen degenerativer und regenerativer Natur, welche es wahrscheinlich machen, daß bei der Malariainfektion Toxine entstehen, welche vergiftende Wirkungen auf das Knochenmark und das zirkulierende Blut haben. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, solche Toxine im Serum von Malariakranken nach- zuweisen. Mannaberg hat Kranken im Anfall Blut entnommen und dasselbe in Mengen von 1,0 resp. 0,7 cem gesunden Menschen eingespritzt. Es kam dabei zu keinen Temperatur- steigerungen. Ähnliche Versuche mit größeren Mengen Serum wurden von Gualdi und Montesano und Celli unternommen. Letzterer ging so weit, einem Kinde 260 cem Serum von einem Malariakranken intravenös zu injizieren, mit dem gleichen negativen Erfolg. Auch aus getrockneten roten Blutkörperchen konnte Celli keine wirksamen pyrogenetischen Substanzen gewinnen. Trotz dieser negativen Erfolge wird heute nicht mehr an der Bildung von Malariatoxinen gezweifelt. Eine Schädigung des roten Blutes durch eine einmalige Injektion solcher Toxine ist nicht zu erwarten. Der Wirkungsmodus der Malariatoxine ist voraussichtlich nur durch eine chronische Applikation der hypothetischen Körper nach- zuahmen. Das rote Blutbild kann bei Malariakranken ein sehr mannigfaltiges Aus- sehen zeigen, weil sich offenbar die durch den Parasiten direkt gesetzten Schä- digungen an den roten Blutkörperchen mit denjenigen kombinieren, welche wir bei jeder sekundären Anämie zu finden gewohnt sind. So sind in frühen und späten Stadien dieser Erkrankung Normoblasten und Erythroblasten im Blute zu finden. In seltenen Fällen können diese Formen, die als Zeichen einer gesteigerten Krythropoese zu deuten sind, infiziert Sekundäre Anämien bei Malaria. 53 werden. Auch Megaloblasten sind bei den schweren Formen der Malaria- anämien gefunden worden. Neben diesem Zeichen regenerativer Tätigkeit der erythropoetischen Gewebe werden die nicht selten zu findenden Mikrozyten und die mannigfachen Formen der Poikilozyten wohl mit Recht als das Zeichen degenerativer Veränderungen angesprochen. Die Hämoglobinfüllung der ein- zelnen Zellen ist durchaus ungleichmäßig. Neben den oligochromatischen, blaß aussehenden Erythrozyten werden Blutkörperchenschatten gefunden, die fast völlig hämoglobinfrei erscheinen. Der Färbeindex ist um so kleiner, je zahl- reicher diese blassen Zellen im Blute sich finden, was einerseits von der Masse der Parasiten, andererseits von der Dauer der Infektion abhängig ist. Ein zahlenmäßiges Verhältnis zwischen der Zerstörung der roten Blutkörperchen und der Anzahl der Parasiten besteht jedoch nicht. Das zeigt sich besonders bei den chronischen Fällen von Malaria, bei welchen häufig schwerste anämische Blutveränderungen gefunden werden zu einer Zeit, in der man Mühe hat über- haupt Parasiten aufzufinden. Über die Zahl der roten Blutkörperchen, welche dem einzelnen Anfall zum Opfer fallen, ist man durchaus im unklaren. Werden die Zählungen unmittelbar nach dem Anfalle vorgenommen, so hat man mit den starken Veränderungen der Blutkonzentration zu rechnen, welche durch die Wasserverluste während der Fieberattake herbeigeführt werden. Eigene zahl- reiche Wägungen, die ich in einem großen Malarialazarett der Westfront vor und unmittelbar nach den Attacken durchführte, lehrte mich, daß im aus- geprägten Anfalle Wasserverluste zwischen 1—2 kg zur Regel gehören. Diese werden zum Teil auf Kosten des Blutwassers vor sich gehen und die Zählung der roten Blutkörperchen daher zu falschen Resultaten führen können. Die im Stadium der Apyrexie durchgeführten Zählungen haben bei Perniziosa Verluste von 1 Million roter Blutkörperchen im Verlaufe von drei Tagen auf- gedeckt (Türk). Andere sahen in 2— 4 Tagen Verluste von 1 — l1^ Millionen Roter, Kelsch sogar einen Verlust von 2 Millionen Roter in 4 Tagen. Im allgemeinen sind bei Erstinfektion die Verluste an roten Blut- körperchen wesentlich schwerer als bei Rezidiven. Andererseits werden die ersten großen Verluste rascher wieder ausgeglichen als die bei chronischer Malaria nach Rezidiven beobachteten. Warum gerade die Neu- erkrankungen zu besonders schweren Schädigungen im Blute führen, ist bisher nicht vollkommen geklärt. Hypothesen darüber sind genug gemacht. Bei Neuerkrankungen geschieht die Infektion der roten Blutkörperchen durch die kurzlebigen Schizonten, die durch ihren lebhafteren Stoffwechsel offenbar weit intensiver schädigen als die während der Rezidive dominierenden lang- lebigen Gameten. Auch wirken sehr wahrscheinlich die Stoffwechselprodukte der Schizonten intensiver als die der Gameten. Daß die Reparation des Blutes bei den Rezidiven träger und unvollständiger abläuft, ist offenbar auf die chronische Schädigung und toxische Lähmung des erythropoetischen Appa- rats zurückzuführen, welche die blutbereitenden Organe zu einem raschen Ersatz der zugrundegegangenen roten Blutkörperchen unfähig macht. Daß der Blutzerfall bei den Rezidiven ein weniger intensiver ist, wird unter anderem auch auf eine relative Immunität des Organismus einschließlich der roten Blutkörperchen zurückgeführt. Chronische Malaria und Malariakachexie. Die große Schwierigkeit einer wirksamen Malariabehandlung im einzelnen Falle zeigt sich in dem Auftreten von Rückfällen, welches auch durch eine sachverständige Chininbehandlung der Ersterkrankung nicht vermieden werden kann. Nach eigenen ausgedehnten Erfahrungen sind gerade die Rezidive der Therapie schwer zugänglich und können dadurch zu chronischen Blutschädigungen Anlaß geben. 54 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. &£}?■:£ w Abb. 6. Tertiana- Schizonten. (Nach Schilling.) *** C\-: Abb. 7. Tertiana- Gameten. (Nach Schilling.) Sekundäre Anämien bei Malaria. 55 \ 4 €' Abb. 8. Große Tropica-Ringe mit Maurer- Kleine und mittlere Tropica-Ringe; scher Perniciosa-Fleckung. beginnende Teilung (Nach Schilling.) (Nach Schilling.) e Xsi 1P '-.;vv &* - Abb. 9. Tropica- Gameten (Halbmonde). (Nach Schilling.) 56 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Diese Rückfälle treten häufig nach monatelanger Latenzzeit — bei dem Material, das von unseren Kriegsschauplätzen stammte, mit Vorliebe im Frühling — ein. Als äußere Ursachen für dieses Wiederauftreten der Malariaattacken werden sehr verschiedene Momente angegeben. Bei unseren Truppen beobachteten wir dieselben nicht selten nach langen Eisenbahntransporten, nach anstrengenden Märschen, nach interkurrenten leichteren Infektionen. So sah ich z. B. in einem hochgelegenen Lazarett in den Vogesen (Hohwald) nach Auftreten einer leichten Grippeepidemie bei Fällen, welche monatelang fieberfrei gewesen waren, das Malariafieber wieder aufflackern. Offenbar wirken hier interkurrente Infektionen, ähnlich wie die verschiedenen provokatorischen Maßnahmen zur Feststellung einer latenten Malaria: Adrenalininjektion (Schittenhelm und Schlecht), intramuskuläre Milch- oder Seruminjektionen, Nukleohexyl (Munck) oder wie die mehr mechanischen Faktoren, die zu einer Hyperämisierung der Milz Anlaß geben sollen (kalte Duschen der Milzgegend, Klopfmassage der Milzgegend, Quarzlampenbestrahlung). Auch operative und andere Traumen können eine latente Malaria in eine manifeste umwandeln. Gerade die im Kriege sehr reichlich gemachten Erfahrungen, daß die verschiedenen Formen der Schutzimpfungen die ruhende Malaria wieder neu beleben, lassen es durchaus plausibel erscheinen, daß irgend eine interkurrente andersartige Infek- tion (Typhus, Grippe) eine latente Malaria wieder neu aufflackern läßt. Sehr häufig treten die ersten Rezidive, nachdem die Malaria ihren Winterschlaf gehalten hat, in den ersten sonnigen Tagen des Frühlings ein, so daß man an Beziehungen zwischen der Sonnenbestrahlung und der Wiedererweckung der ruhenden Plasmodien gedacht hat (K iß kalt). Eine Eigentümlichkeit dieser Rezidive ist, daß sie in manchen Fällen in Serien von fünf bis sechs Attacken auftreten, denen dann eine monatelange Rezidivfreiheit folgt (Serienrezidive). Häufig scheint dieses Auftreten der Serienrezidive beim einzelnen Falle an einen bestimmten Zyklus gebunden, der sich auch durch eine sachgemäße Chinin- behandlung nicht durchbrechen läßt. Hier soll noch einer Beobachtung gedacht werden, die ich in zahlreichen, vom mazedo- nischen Kriegsschauplatz stammenden und dort von geschulten Kräften nach der Erst- infektion gut beobachteten Fällen machte. Es wurde von den Ärzten in den Spezial- lazaretten mit Sicherheit eine Tropikainfektion, und zwar, wie ich mich ausdrücklich versicherte, nur Tropikainfektion, also keine Mischinfektion, festgestellt. Viele dieser Fälle zeigten bei ihren Frühjahrsrezidiven nach fieberfrei überstandenem Winter typische Tertianaplasmodien, ohne auch bei langem Durchsuchen vieler Präparate Tropikaparasiten erkennen zu lassen. Auch von anderer Seite sind diese Beobachtungen gemacht worden und haben zu weitgehenden Schlüssen bezüglich einer inneren Verwandt- schaft der verschiedenen Parasitenformen Anlaß gegeben. Es scheint mir aber weder bei meinen eigenen noch bei fremden Beobachtungen dieser Art das Vorliegen einer pri- mären Doppelinfektion mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen; es ist sehr wohl möglich, daß bei der ersten Infektion die Tropika weit überwogen hat und das Auf- kommen der gleichzeitig eingetretenen Tertianainfektion verhindert hat. Der Tertiana infekt ist gewissermaßen primär latent geblieben und hat nur zur Ausbildung zäherer Dauerformen Anlaß gegeben; während die Tropikainfektion zur Abheilung gekommen ist, tritt bei den Frühjahrsrezidiven die Tertianainfektion zum erstenmal sichtbar in die Erscheinung. Die hier vorgetragene Auffassung würde die verschiedenen Beobachtungen von Tertianarezidiven nach Tropikaerstinfektionen mit der klassischen Lehre von der .Mehrheit der Malariaparasiten in Einklang bringen. Die Rückfälle der Tertiana werden nach der heute allgemein ange- nommenen Auffassung Schaudinns durch Rückbildung der weiblichen Gameten zu Schizonten und Vermehrung dieser Schizonten durch agame Entwicklung erklärt. Die Gameten zeigen im allgemeinen langsamere Entwicklung und können in Milz und Knochenmark ,, überwintern", ohne bei ihrem Träger klinische Erscheinungen zu machen. Ihre Rückverwandlung in Schizonten wird vielleielit durch Vorgänge immunisatorischer Art monatelang gehemmt, bis der Wirtskörper in seiner immunisatorischen Hemmungskraft durch inter- Sekundäre Anämien bei chronischer Malaria und Malariakachexie. 57 kurrente Ereignisse der oben geschilderten Art (körperliche Anstrengungen, Sekundärinfektionen) vorübergehnd gelähmt wird. Die Schädigung des Blutes und der blutbereitenden Organe durch den Malariainfekt kann mehr oder weniger rasch zum Bilde der Malariakachexie führen. Es ist verständlich, daß eine vielfache Reinfektion die gleiche Endwirkung haben kann, wie die häufige Wiederholung von Rückfällen oder Serienrezidiven. Ebenso kann eine schwere Erstinfektion, wenn sie ungenügend oder gar nicht behandelt wird, bei disponierten Individuen das Bild der Malariakachexie erzeugen. Der Zustand der chronischen Malaria kann ohne scharfe Übergänge in den der Kachexie hinüberführen. Nach schwersten Infektionen, bei denen die spezifische Therapie schließlich das Verschwinden der Parasiten aus dem Blute erreichte, kann die Kachexie unter dem Bilde einer hochgradigen post- malarischen Anämie fortbestehen: Die regeneratorischen Kräfte des erythro- poetischen Apparates sind so weitgehend gelähmt, daß sie sich nicht wieder erholen können, der Kranke verfällt unter dem Bilde chronischen Siechtums. Manche Autoren sind geneigt, in solchen Fällen für den letalen Ausgang irgend eine sekundäre Schädigung verantwortlich zu machen, z. B. quantitativ oder qualitativ unzureichende Ernährung (Hungerödeme, Beri-Beri). Wegen der bei den Kachektikern so häufigen schleimig-blutigen Durchfälle mit nicht selten reiswasserähnlichen diarrhoischen Entleerungen hat man an Sekundärinfektionen mit Dysenterie oder Amöbenruhr auch in den Fällen gedacht, in welchen sich die Erreger nicht nachweisen ließen. Nach eigenen Beobachtungen bin ich, wie andere Autoren, sicher überzeugt, daß es eine dysenterieähnliche Form der reinen, nicht komplizierten Malaria gibt, welche durch Verstopfung der feinen Darmgefäße mit nachfolgenden Schleimhautnekrosen bedingt ist. Das Blutbild bei Malariakachexie läßt auch bei Abwesenheit von Parasiten alle Symptome der hochgradigen Anämie erkennen. Das Verständnis für die Blut Veränderungen wird erleichtert, wenn man sich stets gegenwärtig hält, daß gerade bei den zur Kachexie führenden Formen schwere Schädigungen der Erythropoese, die schließbch zur vollkommenen Aplasie führen, eintreten können. Neben kernhaltigen roten Blutkörperchen werden gelegentlich Megalo- blasten beobachtet, an den Blutkörperchen finden sich alle im allgemeinen Teil beschriebenen anämischen Veränderungen, Poikilozytose, Anisozytose. Ein häufiger Befund ist die basophile Tüpfelung. Auch Jollysche Körperchen und Cabotsche Ringe treten im Blute auf. Das spezifische Gewicht des Blutes sinkt ab, unter Umständen bis 1030, das Blut kann mehr als 90% Wasser enthalten. Auch der Eiweißgehalt des Plasmas ist reduziert. Die Gerinnungs- fähigkeit ist herabgesetzt, was für chirurgische Eingriffe von besonderer Be- deutung ist. Es steht damit in guter Übereinstimmung, daß die Blutplättchen bei den kachektischen Formen meist vermindert sind. Die Veränderungen des weißen Blutbildes sind bei der chronischen Malaria neben den anamnestischen Angaben oft der einzige Anhaltspunkt für das Fortbestehen der latenten Infektion. Besonders hervorzuheben ist die bei chronischer Malaria ausgesprochene Mononukleose und Lymphozytose. Über die Einzelheiten des weißen Blutbildes siehe den Abschnitt Symptomatische Leukozytosen. Hervorzuheben ist, daß bei chronischer Malaria die Leukozyten des Blutes nicht selten Pigment tragen. Theoretisch bemerkenswert erscheint vielleicht, daß das gleiche Pigment in den Endothelien der Kapillaren und größeren Gefäße gefunden wird, sich aber besonders stark in den Kupf ferschen Stern- zellen anreichert. Das klinische Bild der chronischen Malaria kann hier nicht eingehend beschrieben werden. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem gestörten 58 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Blutumsatz zeigt die leicht ikterische Verfärbung, die oft von einer graugelben Hautfarbe überdeckt wird und dann nur an den Konjunktiven hervortritt. Neben der gewaltigen Vergrößerung und Verhärtung der Milz ist mir die derbe und vergrößerte Leber aufgefallen, ich konnte fast regelmäßig in Fällen chroni- scher Malaria zur Zeit der Serienrezidive neben einem Anschwellen der Milz eine akute Vergrößerung der Leber, welche dann 1—2 cm unter dem Rippen- bogen deutlich palpabel wurde, feststellen. Nach Abklingen des Serienrezidivs geht auch diese Leberschwellung, wenn auch nicht vollkommen, wieder zurück. Dem Kliniker ist die relative Unempfindlichkeit der sich zur Zeit der Rezidive vergrößernden Leber auffällig. In nicht seltenen Fällen führt die chronische Malaria zum Bilde der Leberzirrhose. Auch bei der chronischen Malaria macht sich der gesteigerte Blutzerfail zur Zeit der Rezidive in der starken Vermehrung von Urobilin und Urobilinogen im Harn bemerkbar. Sehr schwere akute Blutverluste treten bei dem sog. Schwarzwasser- fieber durch einen plötzlichen massenhaften Zerfall roter Blutkörperchen und Ausscheidung des gelösten Hämoglobins durch die Nieren ein. Hämoglobin- gehalt und Zahl der roten Blutkörperchen können nach solchen Anfällen bis auf ein Fünftel und darunter absinken. Der massenhafte Zerfall von rotem Blut führt zu rasch eintretenden Schwellungen der Milz und der Leber. Beide Organe können infolge der akuten Kapselspannimg stark schmerzen. Die klini- schen Erscheinungen eines Anfalles von Schwarzwasserfieber sind im Wesen die gleichen wie die Anfälle von paroxysmaler Hämoglobinurie (siehe diese!). Literatur. Bierfreund: Arch. f. klin. Chirurg. Bd. 41. — Blumenthal: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 90. 1907. — Gualdi und Montesano: Zit. nach Ziemann, Malaria. Hand- buch der Tropenkrankheiten von Mense. 2. Aufl. Bd. 5, 2. Hälfte. Leipzig: J. A. Barth 1917. -- Hoppe- Seyler: Med. Klinik Bd. 48. 1914 und mündliche Mitteilungen. — Kelsch: Zit. nach Ziemann, Malaria. Handbuch der Tropenkrankheiten von Mense. 2. Aufl. Bd. 5, 2. Hälfte. Leipzig: J. A. Barth 1917. — Kleinschmidt: Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 83, S. 97. — Limbeck: Lehrbuch. — Mannaberg: Zit. nach Ziemann, Malaria. Handbuch der Tropenkrankheiten von Mense. 2. Aufl. Bd. 5, 2. Hälfte, S. 167. — Mircoli: Gazz. d. osp. e d. clin. 1904. — Naegeli, aus der Au: Inaug.-Diss. Zürich 1906. — Naegeli: Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. 1923. 4. vermehrte Auflage. - Nocht und Mayer: Die Malaria. Springer: 1918. — Romberg: Zeitschr. f. Tuberkul. Bd. 34, S. 191. — Roth: Med. Klinik Bd. 44. 1910. - Tarchetti: Gazz. d. osp. e d. clin. 1904. Nr. 165. - Walterhöfer: Dtsch. med. Wochenschr. 1918. Nr. 39. — Ausführliches Literaturverzeichnis bei Ziemann, Handbuch der Tropenkrankheiten von Mense. 2. Aufl. Leipzig: J. A. Barth 1917. 8. Splenogene Anämien. Unter den sekundären Anämien muß eine Gruppe von Erkrankungen Er- wähnung finden, deren gemeinsame Charakteristika in dem Vorkommen einer Milzvergrößerung bei gleichzeitigem Auftreten anämischer Erscheinungen gegeben sind. Die Beziehungen, welche zwischen beiden Erscheinungen be- stehen, sind bis heute durchaus nicht klargestellt. Für uns handelt es sich um die Frage: Gibt es sichere experimentelle oder klinische Anhalts- punkte dafür, daß eine primäre Erkrankung der Milz sekundär direkt durch Schädigung des Blutes oder indirekt durch Schädigung des blutbereitenden Apparates zu einer anämischen Veränderung des Blutes führt? Es ist nicht beabsichtigt, eine ausführliche Darstellung aller derjenigen anämischen Zustände zu geben, bei denen regelmäßig oder gelegentlich ein Milztumor gefunden wird. Eppinger hat im Rahmen seines bekannten Buches eine ausführliche Schilderung der Wechselbeziehungen zwischen Milz, Leber und Knochenmark und der aus ihren Störungen sich ergebenden Veränderungen des Blutes gebracht. Ich will mich daher auf Splenogene Anämien. 59 einige grundsätzliche Erörterungen der ätiologischen Bedeutung der Milz — im Rahmen der sekundären Anämien — beschränken. Von vielen neueren Autoren wird der Milz die physiologische Aufgabe der Blutkörperchenzerstörung zugesprochen. Sie soll gewissermaßen unter dem Blutkörperchenmaterial eine Auswahl treffen, das Verbrauchte aus der Bahn ausschalten und durch eine Art Vorverdauung die vollkommene Ver- nichtung der Baumaterialien des roten Blutkörperchens in der Leber vorbereiten. Vergleichende Untersuchungen der roten Blutkörperchen in Milzarterie und Milzvene zeigen eine verminderte Resistenz der aus der Vene stammenden Blutkörperchen gegen osmotische Störungen. Der Abbau der roten Blut- körperchen in der Milz wird durch Erythrophagen eingeleitet und geht bis zur Zerstörung des Hämoglobins weiter. Dabei soll im wesentlichen die Eisenkomponente aus dem Molekül herausgeschlagen, der eisenfreie Rest der Leber zugeführt werden. Die Milz kann als Ort der Eisenspeicherung im Organismus angesehen werden, denn unter sonst gleichen Bedingungen scheidet ein Mensch, dem die Milz entfernt ist, täglich mehr Eisen aus als ein unter den gleichen Verhältnissen lebender Gesunder. Das Eisenspeicherungs- vermögen der Milz beschränkt sich im wesentlichen auf das im intermediären Eisenstoffwechsel frei werdende Fe, während ihr Eisengehalt von der alimentären Eisenzufuhr weitgehend unabhängig ist. Eine Splenektomie hatte bei Hunden eine vermehrte Eisenabgabe zur Folge, was gleichfalls auf eine den intermediären Eisenstoffwechsel regulierende Funktion hinweist. Theoretisch können Anämien splenogen bedingt sein 1. durch eine Steige- rung ihrer hämolytischen Funktion, 2. durch eine Störung ihrer den Eisenstoff- wechsel regulierenden Funktion und 3. durch Bildung atypischer Blut- resp. Knochenmarksgifte. Sichtet man nach diesen Gesichtspunkten das vorliegende klinische Material, so ist Naegeli unbedingt darin recht zu geben, daß der Be- griff der Anaemia splenica (Griesinger, v. Strümpell) sensu strictori sich schwer verteidigen läßt. Je kritischer wir den einzelnen mit Milz Vergrößerung verlaufenden Anämien zu Leibe gehen, um so seltener läßt sich erweisen, daß die Milz die causa peccans ist oder daß in ihr ein hypothetisches Hämotoxin gebildet wird. Eine große Reihe der früher als Anaemia splenica beschriebenen Fälle ist offenbar der perniziösen Anämie zuzurechnen, die sehr häufig mit einem sehr erheblichen Milztumor einhergeht. Eine breite Diskussion entspann sich über den von Banti beschriebenen Symptomenkomplex. Banti versucht drei Stadien des von ihm als Morbus sui generis beschriebenen Leidens aufzustellen : einem sich über Jahre hinziehenden anämischen Stadium, in welchem die Untersuchung einen mehr oder weniger großen, glatten Milztumor aufdeckt und gelegentlich Temperatursteigerungen fest- gestellt werden, folgt ein mehrmonatelanges Übergangsstadium, welches unter gastroenterostinalen Erscheinungen mit leichtem Ikterus abläuft. Im End - Stadium nimmt der Ikterus an Intensität zu, es bildet sich hochgradiger Ikterus aus, gelegentlich wird die harte Leber tastbar, die Anämie erreicht rasch gefährliche Grade, besonders da offenbar unter der Einwirkung der Leberzirrhose schwere Magenblutungen aus den erweiterten Venen, seltener Darmblutungen das Leiden komplizieren. Dieses Stadium endet nach 1/9 — 1 Jahre tödlich. Die Veränderungen des Blutes sind wenig charakteristisch. Sie gleichen in ihren Hauptzügen den bei sekundärer Anämie gefundenen. Nach Banti finden sich keine Normoblasten, selten polychromatisch veränderte Blutkörperchen. Myelozyten fehlen. Zum charakteristischen Bilde gehöre eine Leukopenie, mit Abnahme der Neutrophilen und relativer Monozytose. Eine absolute Ver- mehrung der Lymphozyten wird nie gefunden. Die Verteidigung der noso- logischen Stellung zieht sich immer mehr auf die pathologischen Befunde 60 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. zurück. Die Leber zeigt im Endstadium eine typische Zirrhose. Sie soll in der ersten Periode keine Abweichungen aufweisen, in der zweiten zeigen sich die ersten Zeichen einer beginnenden Endophlebitis der Pfortader und ihrer Aste. In der Milz ist die Fibroadenie der Follikel, die von der Arterie aus beginnt, das Typische. Sie zeigt sich als eine rings um die Arteria centralis gelegene Faseransammlung. Das Zentrum des Follikels kann bis zu einem Drittel und mehr des ganzen Durchmessers fibrös entartet sein. Dieses die Fibroadenie kennzeichnende Bindegewebe ist nicht selten hyalin entartet. Gegen die Peri- pherie wird das Netzwerk dem normalen Milzret ikulum ähnlich. Eppinger weist darauf hin, daß in dem Anfangsstadium die typische Entartung der Malpighischen Follikel in all ihren Abstufungen zu finden sei. Von Seiten der pathologischen Anatomen wird dagegen betont, daß es nicht mit Sicherheit möglich sei, die histologischen Milzbefunde bei dem Bantischen Symptomenkomplex von denen bei einfacher Leberzirrhose zu differenzieren. Von manchen Autoren wird unter den anatomischen Befunden die chronische Entzündung der Pfortader und ihrer Äste in den Vordergrund gestellt und angenommen, daß die Milzvergrößerung sekundären Charakter trage. Ein neuer Gesichtspunkt wurde durch Umber in die Diskussion der Ätio- logie des Bantischen Symptomenkomplexes gebracht. Er konnte zeigen, daß bei dem Bantischen Symptomenkomplex Abweichungen im Stickstoff- wechsel eintreten, die in der Richtung einer negativen Bilanz liegen. Diese negative N-Bilanz wird von Umber auf einen toxischen Eiweißzerfall bezogen. Diese Beobachtung, die Umber an mehreren Fällen machte, und die für die Auffassung von der Lehre der splenogenen Anämien von prinzipieller Bedeutung ist, konnte nicht von allen Autoren bestätigt werden. Müller, Luce, Grosser und Schaub konnten keinen erhöhten Eiweiß - zerfall feststellen. Für die Umbersche Auffassung spricht seine Feststellung, daß eine vorher negative Stickstoffbilanz nach der Milzexstirpation in eine positive umschlägt. Bei den widerstreitenden Resultaten ist zu berücksichtigen, daß bei den oft geringen Ausschlägen genaueste Analysen der zugeführten Nahrung zu verlangen sind, die nicht in allen Fällen mit negativem Resultat durchgeführt wurden. Weiterhin ist zu bedenken, daß schon die Leberzirrhose an sich einen Einfluß auf den Eiweißumsatz hat. Bei atrophischer Leberzirrhose wurden von Ascoli, von Bierens, de Haan und von Fawitzki negative Stickstoffbilanzen festgestellt, von andern dagegen auch gelegentlich positive Bilanzen gesehen. Eine weitere Schwierigkeit, hier zu einem sicheren Urteil zu kommen, liegt darin, daß jede Krankheit, die mit einer Neigung zu Aszites - bildung einhergeht, eine exakte N-Bilanz verschleiert, da Zerfallsprodukte von Eiweiß in den Aszites entleert werden können und damit dem Nachweis im Harn sich entziehen. Da nun ein geringer Aszites sehr wohl der klinischen Untersuchung ent- gehen kann, könnten manche Fälle, bei denen tatsächlich ein erhöhter Eiweiß- zerfall vorliegt; bei der Analyse ein Stickstoffgleichgewicht, sogar eine positive N-Bilanz aufweisen. Soviel scheint sicher — davon konnte ich mich bei den Fällen, die ich auf der Umberschen Abteilung beobachtete, selbst überzeugen — die Kranken mit Splenomegalie und Anämie sind selbst bei guter Ernährung auch in dem Frühstadium ihrer Erkrankung stets mager. Das wesentliche, was uns in dem Xn-ummenhange interessiert, ist die Frage, ob wirklich die Milz der Ausgangs - punkt der Schädigungen sowohl für das Blut als auch für den Eiweiß- stoff Wechsel darstellt . Ich glaube, daß nach den bisher vorliegenden Resultaten ein Bicheres für alle Fälle zutreffendes Urteil nicht abgegeben werden kann. Änderungen der Stickstoffbilanz können nach jedem größeren operativen Ein- griff, wie mich eigene mit Grauhan durchgeführte Untersuchungen lehrten, Karzinom -Anämie. 61 eintreten. Meist liegen sie in der Richtung einer negativen Bilanz. In der Re- konvaleszenz kann es selbst dann zum Ansatz von Eiweiß kommen, wenn der Kaloriengehalt des Organismus bei weitem noch nicht gedeckt ist, eine Tat- sache, die gleichfalls Berücksichtigung verdient, wenn man den Eiweißumsatz vor und nach einer größeren Operation beurteilen will. Die Auffassung, daß von der Milz ein hämolytisches Gift gebildet wird, welches einerseits durch gesteigerte Blutzerstörung zu Anämie und durch Schädigung der Eiweißver- hältnisse des Körpers zu negativer N-Bilanz führt, erscheint daher noch nicht vollkommen gesichert. Auch die übrigen ähnlichen Auffassungen, daß eine in der Milz lokalisierte Noxe schädigend auf die Knochenmarkstätigkeit einer- seits und andererseits auf das Leberparenchym wirke, haben bis jetzt nur hypo- thetischen Charakter. Die blutkörperchenzerstörende Tätigkeit der Milz im Bantischen Symptomenkomplex hat man aus der gesteigerten Urobilinaus- scheidung schließen wollen, doch ist diese nicht so regelmäßig, besonders in den Anfangsstadien nicht immer zu finden. In den Endstadien aber, wenn bereits eine Leberzirrhose ausgebildet ist, kann die Steigerung der Urobilin- ausscheidung nicht mehr im Sinne einer gesteigerten Blutmauserung gedeutet werden. Die korrelativen Beziehungen zwischen Milz und Knochenmark sind noch durchaus undurchsichtig. Es scheint mir bis heute nicht gerechtfertigt, in dem Sinne von einer splenogenen Anämie zu sprechen, daß man eine gesteigerte Milzfunktion, die im hemmenden Sinne auf das Knochenmark wirken soll, für die Erlahmung der Erythropoese verantwortlich macht. Im ganzen genommen bietet das unter der Bezeichnung ,,Bantischer Sym- ptomenkomplex" zusammengetragene Material keine sicheren Stützen für den Begriff der splenogenen Anämie. Auch die Anaemia splenica der alten Autoren ist ein Begriff, der sich offenbar mit Verbesserung der Diagnose immer mehr auflöst. Bis jetzt ist es keinem Autor gelungen, eine nosologische Einheit zu beschreiben, welche sich differentialdiagnostisch scharf von den vielen Krankheiten mit sekundärer Anämie und Milztumor unterscheidet und der man als einer eigenartigen Er- krankung den Namen Anämia splenica beilegen könnte. Literatur. Ascoli: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 71, S. 387. 1901. — Banti: Klin.-therapeut. Wochenschr. 1912. S. 156. — Bierens: Zit. nach Malys Jahresberichten Bd. 27, S. 583. 1897. — Bürger und Grauhan: Über postoperativen Eiweißzerfall 1. 2. u. 3. Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. Bd. 27, H. 1/2. 1922 und Bd. 35, H. 1/3. 1923. - Eppinger: Die hepato-linealen Erkrankungen. Enzyklopädie der klinischen Medizin. Berlin: Julius Springer 1920. Ausführliche Literatur S. 548. — Fawitzki: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 45, S. 429. 1889. - Griesinger: Arch. f. physiol. Heilk. Bd. 1. 1859. - Grosser und Schaub: Münch. med. Wochenschr. 1912. Nr. 2. — de Haan: Zit. nach Malys Jahres- berichten Bd. 27, S. 583. 1897. - Luce: Med. Klinik 1910. Nr. 14/15. - Müller: Münch. med. Wochenschr. 1909. Nr. 45, S. 2316. — Naegeli: Schweiz. Korresp.- Blatt 1904. S. 279. - Strümpel: Arch. f. Heük. Bd. 17, S. 547. 1876 und Bd. 18, S. 437. 1877. - Umber: Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 55. 1904; Münch. med. Wochenschr. 1912. S. 1478. 9. Karzinom- Anämie. Zu den sekundären Anämien, welche sich schwer einer Gruppe einordnen lassen, gehören die Karzinom -Anämien. Hier gehen Schädigungen des Marks und solche des zirkulierenden Blutes nebeneinander her. Es scheint mir nicht gerechtfertigt, die Karzinomanämien allein den myelotoxischen zuzurechnen. Die Bemühungen, im Blute von Krebskranken Stoffe nachzuweisen, welche in irgend einer Art schädigend auf die Erythrozyten einwirken, sind alt. Schon Anfang der 90er Jahre hat Maragliano angegeben, daß das Serum von Krebs- trägern die Blutkörperchen der anderen Menschen, unter Umständen auch sogar 62 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. die eigenen in vitro zerstöre. Ähnliche Befunde hat As coli mitgeteilt. Die Hypothese der hämolytischen Kraft des Krebsserums gewann an Boden, als von Bard, Kuli mann, Mickeli und Donati gezeigt wurde, daß das Blut aus Tumoren oder besser noch Extrakte maligner Geschwülste eine energische hämolytische Kraft gegenüber Tier- und Menschenblutzellen aufweisen. Man nahm an, daß diese Auto- resp. Isolysine aus den Tumoren in die Blutbahn resorbiert würden und dann ihre zerstörenden Fähigkeiten auf die Blutkörper- chen ausübten. Kelling teilte dann mit, daß die schon normalerweise im Blutserum des Menschen vorhandenen Lysine gegen die Erythrozyten gewisser Tierarten im Serum von Krebspatienten vermehrt seien. Er wollte diese von ihm gefundene Tatsache der gesteigerten Heterolyse des Serums der Krebsträger für die Dia- gnose verwenden. Die Methode fand bald Ablehnung durch v. Dungern. G. W. Crile baute auf dem veränderten Verhalten des Serums von Krebs- trägern eine diagnostische Methode auf. Nach seinen Feststellungen sollten 82°/0 aller Fälle von malignen Tumoren Isolyse aufweisen, eine Behauptung, die dann von Richartz einer Nachprüfung unterzogen wurde. Er findet bei Gesunden Isolyse nur ganz ausnahmsweise, bei karzinomatösen und tuber- kulösen in mindestens 38 bzw. 52°/0 aller Fälle. Er fand die Isolyse aber auch bei akuten Infektionskrankheiten (Typhus, Sepsis und Pneumonie). Aber gerade bei den klinisch schwersten Bildern wurde die Isolyse häufiger vermißt als bei den leichteren Bildern. Gräfe und Graham sind dann der Frage weiter nachgegangen und fanden bei ca. 30°/0 der untersuchten Menschen Isolysine, ein Resultat, das in ähnlicher Weise vorher von Moß auch gefunden wurde. Ein Unterschied im Auftreten von Isolysinen zwischen Gesunden und Kranken der verschiedensten Art konnten Gräfe und Graham nicht aufdecken. Sie sprechen daher derartigen Isolysinuntersuchungen jede klinisch-diagnostische Bedeutung ab. In eigenen Untersuchungen (1) über Iso- und Autohämolysine im menschlichen Blutserum fand ich bei verschiedensten Krankheiten solche blutkörperchenzerstörenden Substanzen. Ich hatte aber nach meinen Unter- suchungen den Eindruck, daß die bei Karzinomkranken, Tuberkulösen und Syphilitikern gefundenen Isolysine wesentlich wirksamer waren, als die gelegent- lich auch bei Gesunden nachweisbaren. Eine diagnostische Verwendbarkeit dieser Befunde muß ich nach meinen eigenen Untersuchungen gleichfalls ab- lehnen. Ich glaube aber, daß trotz der Feststellungen von Gräfe und Graham über das anscheinend regellose Vorkommen dieser Lysine den nach anderer Autoren und meiner Ansicht gehäuften Vorkommen solcher Isolysine bei Krebs- trägern doch eine gewisse biologische Bedeutung zukommt. Ich fand (1) unter 44 Karzinomkranken 17 mal solche Isolysine, und zwar waren unter 21 Magenkarzinomen 12 solche mit kräftig wirksamen Isolysinen. Die Verteilung der Isolysine auf die verschiedenen Erkrankungsgruppen gestaltete sich folgendermaßen: Diagnose Zahl der Hämolyse Fälle stark 1 schwach 43 16 5 182 11 4 25 4 3 3 3 — 69 10 6 In Prozenten der Gesamtzahl Karzinom Lues (nur solche mit Tuberkulose . . . . Progressive Anämie Varia + + Wassermann) 48,8% 8,2% 28,0% 23,2% Autolysine wurden nicht in einem einzigen Karzinomfall gefunden, im Gegenteil ergab sich das unerwartete Verhalten, daß Karzinomblutkörper nicht bloß gegen das eigene, sondern auch sehr häufig gegen fremde hämolytisch Karzinom-Anämie. 63 wirksame Karzinomsera resistent waren. Gräfe und Graham ordneten die von ihnen gefundenen Isolysine in ein Schema ein, das sie in folgender Weise fanden: Sie suchten zwei Blutsorten auf, die sich wechselseitig hämolysierten, d. h. so, daß das Blutserum des einen Menschen (I) die Blutkörperchen (A) des anderen Menschen (II) lösten, dessen Serum (B) seinerseits die Fähigkeit besaß, die Blutkörperchen (B) des ersten Individuums (I) zur Auflösung zu bringen. Unglücklicherweise wählten sie als Testobjekte einen Karzinomkranken, dessen Serum (a) die Fähigkeit hatte, die Blutkörperchen eines Normalen (A) zu lösen und als zweites Testobjekt das Serum (ß) eines Gesunden, welches die Fähigkeit hatte, die roten Blutkörperchen eines Karzinomkranken (B) zu lösen. Alle Sera, welche die normalen Blutkörperchen (A) lösten, nannten sie a-Sera, alle Sera, welche die Blutkörperchen des Karzinomkranken (B) lösten, /^-Sera. Nach meinen Feststellungen (1) der häufigen Resistenz roter Blut- körperchen Karzinomkranker gegenüber den hämolytisch wirksamen Seren anderer Karzinomträger sind danach die Chancen, viele Karzinomsera mit (i- Struktur zu finden, von vornherein schlechtere. Vielleicht erklärt sich so der auffällig niedrige Prozentsatz von hämolytisch wirksamen Seren unter den Karzinomträgern von Gräfe und Graham. Über die Natur der beim Karzinomträger und anderen gesunden Menschen auftretenden Lysine hat man sich die verschiedensten Vorstellungen gemacht. Entweder kann es sich um chemisch definierbare Substanzen mit hämolytischer Fähigkeit nach dem Typus der Ölsäure oder anderer Fettsäuren handeln, oder es können Substanzen mit Ambozeptorencharakter nach dem Typus der Immun- hämolysine sein und schließlich hat man auch daran gedacht, daß die beobach- teten Hämolysen lediglich darauf zurückzuführen sind, daß die betreffenden Blutkörperchen gegen Substanzen, die schon in jedem normalen Serum vor- kommen, besonders empfindlich sind. Nach den Untersuchungen von Gräfe und Graham und den meinen (1) sind die bei Karzinomträgern gefundenen Lysine komplexer Natur, d. h. sie lassen sich wie die echten Immunhämolysine durch Erhitzen auf 55 Grad inaktivieren und durch späteren Zusatz von Menschen- oder Meerschweinchenserum wieder reaktivieren. Über die Art der Entstehung der beschriebenen Isolysine läßt sich nichts Bestimmtes aussagen. Ob es sich dabei um echte Immunitäts Vorgänge handelt, etwa im Sinne einer Reaktion des Organismus auf den durch toxische Geschwulstderivate bedingten Unter- gang seiner Erythrozyten, lasse ich dahingestellt sein. Eine generelle Ent- scheidung über die Natur der Karzinomhämolysine ist auch aus dem Grunde nicht zu fällen, weil nach eigenen Befunden bei sicherer Abwesenheit von Kom- plement sich gelegentlich eine starke hämolytische Kraft des Karzinomserums demonstrieren ließ. Es bleibt danach die Möglichkeit offen, daß neben immuni- satorischen Vorgängen hämolytische Produkte aus dem zerfallenen Karzinom direkt in die Blutbahn gelangen und dort ihre deletären Wirkungen auf die roten Blutkörperchen ausüben. Beachtenswert scheint jedenfalls die Tatsache, daß gerade dann, wenn die Zerfallsprozesse besonders lebhaft sind, wie beim Magenkarzinom, auch die hämolytische Fähigkeit des Serums besonders stark ausgebildet ist, viel stärker als z. B. bei Uterus- und Mammakarzinom. Es liegt nahe, nach Parallelen zwischen den gefundenen Hämolysinen und dem Grade der Anämie zu suchen. Solche sind, das kann ich mit voller Be- stimmtheit sagen, nicht vorhanden. Man findet Patienten mit kräftig hämo- lytisch wirksamen Seren und normalem Hämoglobingehalt. Roeßing hat bei darauf gerichteten Versuchen keine Zeichen von Blutzerfall im Serum finden können. Auffällig ist jedoch andererseits die Tatsache, daß gerade die Karzinome des Verdauungstraktus, welche wir als häufigste Hämolysinbildner kennen lernten, auch zu den schwersten Anämien zu führen pflegen. 64 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Im Vordergrunde stehen bei der Genese der Tumoranämien die Schädi- gungen des Marks. Angefangen von der toxischen Lähmung der Erythro - poese bis zur vollkommenen Zerstörung des Marks durch Tumormetastasen (siehe Abb. S. 13 u. 14) finden sich alle Grade mehr oder weniger gehemmter Knochenmarkstätigkeit. Die chemische Natur der Myelotoxine ist uns bis heute vollkommen unbekannt. Sicher scheint nur, daß ein gesteigerter Zer- fall von Tumorgewebe, besonders dann, wenn Sekundärinfektionen hinzu- treten, mit fortschreitender Kachexie auch zu vermehrter Knochenmarks- schädigung führt. Wie allen Autoren ist auch mir aufgefallen (1), daß bei Karzinomen des Ösophagus und der Kardia eine Anämie anscheinend voll- kommen ausbleiben kann, ja, daß man bei diesen Zuständen normale und sogar übernormale Werte für Hämoglobin und rote Blutkörperchen finden kann. Diese Tatsache hat an sich nichts Wunderbares. Zunächst ist daran zu denken, daß Speiseröhren- und Kardia-Karzinome wegen der behinderten Nahrungsaufnahme sehr frühzeitig diagnostiziert werden, daß außer der Nahrungsaufnahme die Flüssigkeitszufuhr stark eingeschränkt wird. Es kommt aus diesem Grunde zu einer weitgehenden Eindickung des Blutes mit einer relativen Vermehrung der roten Blutkörperchen in der Volum- einheit, welche beginnende Blutschädigung am Gesamtblut bestand kaschieren kann. Die Tatsache der Bluteindickung wird erhärtet durch die Feststellung der Erhöhung des Trockenrückstandes des Blutes bei Speiseröhrenkrebs, auf die wohl als erster v. Noorden hingewiesen hat, welcher anstatt eines normalen Trockenrückstandes von 21 bis 22°/0 solche von 26,5 bis 27,3 feststellte. Dabei können nicht nur das Serum, sondern auch die Blutkörperchen beteiligt sein. So fand ich (1) z. B. den Trockenrückstand von 1000 g feuchter Blutkörperchen: bei Polyglobulie 285,49, bei Carcinoma oesophagi .... 339,41. Abgesehen von den geschilderten Fällen mit erschwerter Flüssigkeits- aufnahme finden sich bei Kranken, welche durch Lokalisation des Tumors im Larynx dyspnoisch geworden sind, hochnormale, gelegentlich sogar vermehrte Werte für Hämoglobin und rote Blutkörperchen (Labbe). Über den Grad der sekundären Anämie in den verschiedenen Stadien der Karzinomentwicklung und bei den verschiedenen Lokalisationen des Tumors läßt sich allgemein Gültiges nicht sagen. Nur insofern besteht eine gewisse Regelmäßigkeit, als mit zunehmender Größe des Tumors die Anämie wächst, besonders wenn der Tumor im Magen- Darm traktus lokalisiert ist. Daß ein rasch zerfallender Tumor im allgemeinen deletärer auf die Blutbildung wirkt, ist nach dem oben Gesagten verständlich. Gesellen sich zu den toxischen Mo- menten Blutverluste durch Arrosion von kleineren oder größeren Gefäßen, wie das bei den Karzinomen des Magen- Darmtraktus die Regel ist, so wird dadurch die Ausbildung der Anämie beschleunigt. Unter meinem eigenen Material (1) von Magenkarzinomen sind mehrere Fälle mit 19 resp. 20% Hämoglobin. Die Zahlen der Roten kann bis auf 1 Million und darunter absinken, doch ist diese extreme Erythropenie selten zu beobachten. Gewöhnlich führt die allgemeine Kachexie und die schwere Schädigung der Nahrungsaufnahme und der Resorption früher zum Tode als diese hohen Grade der Anämie erreicht werden. Das Blutbild bei der sekundären Anämie der Krebsträger zeigt nichts ausschließlich für das Karzinom Charakteristisches. Wie bei anderen sekundären Anämien kommt es zu mannigfachen Änderungen der Gestalt und Färbbarkeit der roten Blutkörperchen. Poikilozytose, Poly- chromasie, Tüpfelung der roten Zellen sind besonders bei den schweren Anämien fafli regelmäßige Befunde. Nichl scheu werden Normoblasten gefunden. Kleine Karzinom- Anämie. 65 blasse Zellen mit geringem Hämoglobingehalt sind nach den Angaben aller Autoren häufig. Die mangelhafte Hämoglobinfüllung und der daraus resultierende niedrige Färbeindex können gelegentlich differentialdiagnostisch gegenüber der Blutungs- anämie der Ulkuskranken von Wert sein. Erfolgreiche Operationen führen zu rascher Besserung des Blutbildes, doch kommen auch ohne operative Ein- griffe bei guter Pflege und Hebung des Ernährungszustandes nicht selten geringe Besserungen des Blutbefundes vor, welche bei zweifelhafter Diagnose gelegent- lich zu Täuschungen Anlaß gaben. Bei Knochenmarkskarzinose sind wohl infolge des anfänglichen Reizes durch den sich dort ausbildenden Tumor hoheErythroblastenwerte eine häufige Erscheinung, welche für die Diagnose des Knochenmarkskarzinoms von Wert sein kann. Doch können in solchen Fällen auch dann, wenn zwischen den Tumorknoten Inseln roten Marks reichlich verteilt sind, kernhaltige rote Blutkörper im peripheren Blut vollkommen fehlen. Die Blutplättchen sind nach Hayems Angaben bei Karzinomen immer vermehrt. Das Verhalten der weißen Blutkörperchen bei den Karzinom- Anämien hat oft insofern eine semiotische Bedeutung, als eine neutrophile Leukozytose mit großer Regelmäßigkeit bei Karzinomträgern gefunden wird. Die Ursache für diese Leukozytose ist das aus dem zerfallenen Tumor her- stammende Eiweißmaterial, das offenbar von dem Eiweiß der gesunden Zellen chemisch different ist und wie eine parenterale Eiweißinjektion wirkt. Inter- essant sind in diesem Zusammenhang die hohen Werte der Eosinophilen, welche bei Karzinomträgern von verschiedenen Seiten beobachtet wurden. So fanden Käppis bei einem Fall von Lungensarkom Werte von 38,2 %, Csaki bei einem Kolontumor 30 % und S tri so wer sogar 45,7 °/o bei einer vom Uterus ausgehenden Karzinomatose. S che 1 long beobachtete an unserer Klinik bei Karzinom, das offenbar vom Gallen- blasenhals seinen Ausgang genommen hatte, und zu ausgedehnten Metastasenbildungen in der Leber führte, folgende Werte: Leukozyten Neutrophile Gesamtzahl /o 24. 11. 16 800 76,6 26. 11. 22 900 72,0 28. IL 22 800 70,0 1. 12. 25 400 65,0 3. 12. — 72 0 Mononukleäre und Übergangsformen /o 11,6 180 18,3 27,6 21,6 6,3 8,6 6.6 4,3 5,0 5,3 1,3 4,3 3,0 06 Zweimal wurden 0,6 °/0 neutrophile Myelozyten gezählt. In der Umgebung von Krebsknoten finden sich bei histologischen Untersuchungen die eosinophilen Zellen besonders zahlreich. Mir selbst ist die große Zahl der eosinophilen Zellen in der Umgebung von Muskel- metastasen des verimpf baren Hühnersarkoms von Peyton Rous aufgefallen. Ich brachte diese Erscheinung anfänglich mit dem reichlichen Zugrundegehen von Muskelsubstanz in Verbindung, mußte mich aber später davon überzeugen, daß auch in der Umgebung von Metastasen in andere Gewebe hinein solche Nester von eosinophilen Zellen sich fanden. Bei erheblichen Leukozytosen kommt es nicht selten zum vermehrten Auf- treten von Myelozyten bei Karzinomkranken. So wurden von Kurpjuweit in einem Falle 17°/0 Myelozyten gefunden. Am ehesten trifft man diese hohen Zahlen von Myelozyten bei Knochenmarkskarzinosen. Blutkranklioitcn. II. 5 fiß M. Bürger: Sekundäre Anämie. Chlorose. Die Farbe des Serums ist, wenn nicht eine Beteiligung der Leber vor- liegt, blaß, im Gegensatz zu der Serumfarbe bei perniziöser Anämie, deren dunkle, oft mehr ins grünliche spielende Farbennuance für diese Erkrankung pathognomonisch ist. Der Eiweißgehalt des Serums der Karzinomkranken ist, wie das im allgemeinen Teil bereits ausgeführt wurde, in der Regel vermindert. Die differentialdiagnostische Bewertung des Blutbefundes bei Krebsträgern gegenüber sekundären Anämien aus anderer Ursache ist oft ver- sucht worden. Gegenüber der perniziösen Anämie kann die Vermehrung der Leukozyten, die bei Karzinom eine fast regelmäßige Erscheinung ist, mit Vorteil verwertet werden, zumal die perniziöse Anämie in der Regel mit einer Ver- minderung der Weißen einherzugehen pflegt. Auch das Verhalten der Thrombo- zyten kann die Diagnose fördern, da, wie bemerkt, beim Karzinom in der Regel eine Vermehrung, bei der perniziösen Anämie dagegen eher eine Verminderung zu finden ist. Schwieriger ist schon die Abgrenzung der Karzinomanämie gegen- über den Anämien bei Ulcus ventriculi. Ein stark erniedrigter Färbeindex ist immer eher für eine Karzinomanämie als für die posthämorrhagischen Anämien bei Ulcus ventriculi zu verwenden, da bei letzterem die regeneratorischen Leistungen des Knochenmarks intakt sind und meistens ein vollwertiges Erythro- zytenmaterial liefern. Früher hat man dem Ausbleiben der Verdauungsleuko- zytose speziell bei Magenkarzinom gegenüber dem Ulcus ventriculi, bei welchem sie vorhanden ist, großen Wert beigemessen. Doch zeigen neuere Untersuchungen, daß das Verhalten der Leukozyten in der Verdauungsperiode ein so regelloses ist, daß man daraus ein diagnostisches Kriterium nicht ableiten kann. Literatur. Ascoli: Münch. med. Wochenschr. 1901. Nr. 31. — Bard: La semaine medicale. 1901. Nr. 25. — Bürger (1): Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. Bd. 10. — Bürger (2): Zeitschr. f. Krebsforsch. Bd. 14, H. 3. — Crile: Medical Record Bd. 73, Nr. 23. 1908. - Csaki: Wien. klin. Wochenschr. 1921. Nr. 9, S. 97. — v. Dungern und Hirschfeld: Münch. med. Wochenschr. 1910. Nr. 14; Zeitschr. f. Immunitätsforsch, u. exp. Therapie, Orig.-Bd. 4, S. 531 und Bd. 6, S. 283. 1910. — Gräfe und Graham: Münch. med. Wochen- schrift 1911. Nr. 43 u. 44. — Hayem: Arch. gen. de med. 1904. p. 2463; Med. mod. 1897. p. 161; Presse med. 1898. Nr. 71. — Käppis: Münch. med. Wochenschr. 1907. Nr. 18. — Kelling: Arch. f. klin. Chirurg. Bd. 80. S. 1. 1906. — Kulimann: Zeitschr. f. klin. Med. 1904. — Kurpjuweit: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 77. 1903; Dtsch. med. Wochenschr. 1899. Nr. 37. — Labbe: Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 1903 Januar; Journ. des pract. 31.5.1902. — Maragliano: Zit. nach Richartz, Dtsch. med. Wochenschr. 1909. Nr. 31; Berl. klin. Wochenschr. 1892. Nr. 31. - Mickeli und Donati: Rif. med. 1903. Nr. 38. - Moß: Bull, of Johns Hopkins hosp. Vol. 31, Nr. 228. Baltimore 1910. Richartz: Dtsch. med. Wochenschr. 1909. Nr. 31. — Roessing: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 139, S. 310. 1922. - Schellong: Münch. med. Wochenschr. 1922. Nr. 15, S. 553 u. 554. — Strisower: Wien. klin. Wochenschr. 1913. Nr. 1, S. 16. 10. Anämie der Frühgeborenen. Die Frage, ob zu früh geborene Kinder infolge der unvollkommenen Aus- bildung des hämatopoetischen Apparates eine mangelhafte Beschaffenheit des Blutes erkennen lassen, ist mehrfach diskutiert worden. Gundobin hat wohl als erster darauf hingewiesen, daß bei verzögerter Entwicklung der Frühgeburten sicli eine Anämie einstellt, welche durch eine Verminderung der Gesamtzahl und dc> Hämoglobingehaltes der Erythrozyten charakterisiert ist, während umgekehrt die Zahl der Leukozyten erhöht sein soll. Auch Bidone e Gardini fanden, dal.» hei anvollendeter Gravidität Hämoglobingehalt und Zahl der Brythrozyterj bei Mutter- und Kind gi ringer seien als bei vollendeter Schwanger- schaft. Eingehende Untersuchungen über das Frühgeborenenblul bat de Vi- carÜS angestellt. Sein Material, das sich aus 35 frühgeborenen Findelkindern Anämie der Frühgeborenen. 67 zusammensetzte, bestand z. T. aus gesunden, z. T. aus infizierten Individuen. Die Ernährung während der Untersuchungszeit bestand bei allen Kindern aus Brustmilch. Die Zahl der roten Blutkörperchen schwankte um 5 Millionen herum, der niedrigste gefundene Wert war 3,2 Millionen bei einem ödematösen Kinde, der höchste 8,5 Millionen bei einem Kinde mit angeborenem Herzfehler. Er wies vor allem auf das häufige Vorkommen von Polychromatophilie und Anisozytose hin. Dreimal beobachtete er auch Poikilozytose. Die kernhaltigen roten Blutkörperchen — fast ausschließlich Normoblasten — waren der Zahl nach umgekehrt proportional der Schwangerschaftsdauer. Als höchsten Wert fand er 3450 Erythroblasten in 1 cmm. 7 — 8 Tage, spätestens 14 Tage nach der Geburt verschwinden sie. Je höher die Zahl der kernhaltigen roten Blut- körperchen und je länger ihre Anwesenheit im Blute ist, um so schlechter soll die Aussicht für die Lebensdauer des Kindes sein. Nach einer Untersuchung von Kunkel ist bei den Frühgeborenen bald nach der Geburt der Hämoglobin- gehalt und die Zahl der Roten noch relativ normal. Von der 4. Lebens- woche ab beginnt eine beträchtliche Verminderung des Hämoglobins, die im 3. bis 4. Lebensmonat am stärksten ausgeprägt ist, während die Zahl der roten Blutkörperchen nur wenig vermindert ist. Auch von diesem Autor wurden bei unkomplizierten Fällen Anisozytosen und Poikilozytose gesehen, während die weißen Blutkörperchen sich im wesentlichen normal verhielten. Diese meist im dritten Lebensmonat auftretende Anämie ist eine nahezu physiologische Erscheinung bei den Frühgeborenen, welche, wenn keine interkurrenten Erkrankungen dazu kommen, langsam in Heilung ausgeht. Die geschilderten Verhältnisse werden durch eine Tabelle, welche aus Unter- suchungen von Lichtenstein zusammengestellt ist, am besten illustriert: Alter des Kindes Durch- schnitt Hb o/0 Max. Hb% Min. Hb°/0 Zahl der Fälle Durch- schnitt Mill. Max. Mill. Min. Mill. Zahl der Fälle 1 Tag 96,7 110 86 10 6,1 6,8 5,7 5 3 Tage 90,7 100 83 10 5,8 6,1 5,6 5 10-12 Tage 85,8 99 78 10 5,4 6,0 5,0 5 3—4 Wochen 78,0 — — 5 4,82 — — 7 2 Monate 62,7 — _ 11 3,62 — — 14 3 Monate 50,0 — — 4 2 95 — — 10 4 Monate 51,0 — — 3 3,07 — — 5 5 Monate 50,0 — — 3 3,73 — — 3 6 Monate 50,0 — — 2 3,74 — — 1 Auch diese Tabelle läßt erkennen, daß die höheren Grade der Anämie erst mehrere Monate nach der zu früh erfolgten Geburt einsetzen. Eine wertvolle Untersuchung über den Blutstatus der Frühgeburten stammt von Lotte Lande. Ihre Untersuchungen erstrecken sich auf 70 Frühgeburten. Von diesen wurden geboren : im 6. Schwangerschaftsmonat ... 8 Kinder „7. „ ... 29 „ „8. „ ... 33 Das Geburtsgewicht schwankte zwischen 830 und 2000 g. In der Neugeborenenperiode, und zwar in der ersten Lebenswoche, be- wegte sich der Hämoglobingehalt zwischen 100 und 140 °/0. Die Zahl der roten Blutkörperchen zwischen 3,8 Millionen in Min. und 6,7 Millionen im Max. Im Gegensatz zu anderen Autoren konnte Lande eine Abhängigkeit der Menge und des Hämoglobingehaltes der roten Blutzellen von der Schwangerschafts- dauer nicht feststellen. Die Menge der Erythroblasten ist der Reife des Kindes 68 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. umgekehrt proportional. Es wurden 5700—7000 kernhaltige Zellen bei 6 Früh- geborenen gefunden, die im 6. bis 7. Schwangerschaftsmonat mit einem Gewicht von 830 bis 1250 g zur Welt gekommen waren. Unter den kernhaltigen domi- nieren weitaus die Normoblasten. Megaloblasten wurden nur vereinzelt ge- funden. Mit zunehmender Dauer des extrauterinen Lebens vermindern sich die Erythroblasten rasch. Schon nach dem Verlauf einer Woche können die unreifen roten Elemente vollkommen aus dem Blut verschwunden sein. Jedenfalls ist jenseits der Neugeborenenperiode das Vorkommen kernhaltiger roter Blutzellen eine Seltenheit. Von den weißen Elementen ist ein häufigeres Vorkommen von Myeloblasten und Myelozyten und eine größere Menge nicht ganz ausgereifter Leukozytenformen die Regel. Die Menge der Blutplättchen entspricht den Durch- schnittswerten bei reifen Neugeborenen. Von allen Autoren, die darauf achteten, wird übereinstimmend angegeben, daß die Beantwortung leukozytärer Reize bei den Frühgeborenen nicht so prompt erfolgt wie bei normalen Kindern. Die klinischen Erscheinungen der Frühgeborenenanämie sind im wesentlichen durch die Blässe der Haut der Kinder gekennzeichnet. Diese Blässe tritt oft schon am Ende des ersten Lebensmonates auf und schließt sich unmittelbar an den Ikterus an, welcher bei den Frühgeburten konstant ge- funden wird (Kunkel, Lande). Der Grad der Blässe entspricht im allgemeinen der Stärke der pathologischen Blutveränderungen. Einige Kinder zeigen einen gelblich -wachsartigen Farbton der Haut, welche leicht gedunsen erscheint. Die häufig vorhandenen Venenerweiterungen zeichnen sich als bläuliche Ver- zweigungen scharf von dem blassen Grundton ab. Mit der Besserung der Anämie im 4.-6. Lebensmonat nimmt die Haut eine rosigere Farbe an, das pasteuse Aussehen tritt zurück. Von einigen Autoren, besonders Lichtenstein, wird eine leichte Vergrößerung der Milz beobachtet, die von Lande nur ausnahms- weise gesehen wird. Bei einigen Kindern trat eine auffallende Schlafsucht hervor. Unter den ätiologischen Faktoren, welche zu der Frühgeburtenanämie führen, wird von allen Seiten der angeborene Eisenmangel besonders hervorgehoben. Es ist bekannt, daß im Körper des Fötus in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten doppelt soviel Eisen gespeichert wird als in den sechs vorausgehenden. Wenn der Eisenvorrat für die Ätiologie der Frühgeborenen- anämie entscheidend ist, so müßte demnach die Anämie unter sonst gleichen Bedingungen um so stärker entwickelt sein, je früher das Kind geboren wird. In der Neugeburtsperiode wurden bezüglich des Blutbefundes von Lande zwischen 6 — 7- und 8 -Monatskindern keine Unterschiede gefunden. Vom 3. bis 5. Monat dagegen zeigen die 8 -Monatskinder relativ höhere Werte für Hämo- globin und Erythrozyten als die früher geborenen. Diese Tatsache scheint darauf hinzuweisen, daß der kleinere Eisenvorrat der unreifsten Kinder nach der Geburt früher aufgezehrt ist und bei ihnen daher die Früh- <2<'l>urtenanämie stärker in Erscheinung tritt. Neben der Hypothese des Eisenmangels wird die einer Insuffizienz des gesamten hämatopoetischen Apparates diskutiert. Systematische Untersuchungen am Knochenmark ergaben keine Anhaltspunkte für eine mangelhafte Erythropoese. Dagegen scheint die Ausbildung des Granulozytensystems hinter der Norm zurückbleiben, eine Tatsache, die von Lande als Ursache für die mangelhafte leukozytäre und entzündliche Reaktionsfähigkeit unreifer Kinder auf bakterielle und toxische Reize angeschuldigt wird. Wie weit der Mangel an frischer Luft und Sonnenschein bei den in der Cou- vcusc großgezogenen Kindern für die Anämie verantwortlich zu machen ist (Pfaundler), ist nicht mit Sicherheil entschieden. Daß alimentäre Einflüsse eine ausschlaggebende Rolle spielen, wird von Kunkel, Lichtenstein und Lande mit guten Gründen abgelehnt. Ausschließlich mit Mutter- odei Chlorose. 69 Ammenmilch großgezogene Kinder zeigten oft hochgradigere Anämien, als solche die mit künstlicher Nahrung gespeist waren. Literatur. Bidone e Gardini: Ref. Fol. haematol. Bd. 1, S. 541. 1904. - Pfaundler: Zit. nach Feer, Lehrbuch der Kinderkrankheiten. Fischer: Jena. 8. Aufl. 1923. — Gundo- bin: Jahrb. f. Kinderheilk. Bd. 35, S. 187. 1893. - Kunkel: Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 13, S. 101, 295. 1916. — Lande, Lotte: Zeitschr. f. Kinderheilk. Bd. 32, S. 295. 1919, _ Lichtenstein: Svenska läkaresällskapets handl. Vol. 43, p. 2. 1917. — de Vica- riis: Rev. mensuelle de maladie de l'enfant. Tom. 24, p. 145 u. 206. 1906. III. Chlorose. „In der Geschichte der Chlorose waltet noch viel Dunkel, da wir ein primäres Leiden der Blutdrüsen mit Bestimmtheit nicht nachweisen können. Die ana- tomischen Erfahrungen deuten darauf hin, daß die chloroti- sche Störung schon sehr früh- zeitig angelegt wird." Diese 1871 niedergeschriebenen Sätze finden sich in der Zellularpatho- logie von Rudolf Virchow. Es sind seitdem 50 Jahre ver- gangen, und immer noch muß Gesamtzahl der Kranken in Tausenden Jahre oon 1895- 1923 IT) «3 ts. «O ^ O fc JN J5 -» «5 «O £. <*> O) CS V C\ O") ■* ^ O) r 1 & 52 W uo 36 32 28 2s h V & » Zfl 1,9 1fi 1,7 1,6 1,5 1,3 1,2 1,1 1,0 0/P 0,8 0,7 0,6 0A Oft 0,3 0,2 0,1 0% Abb. 11. Chlorosefrequenz im Allgemeinen Kranken- haus Hamburg- St. Georg. absolute Zahlen der Chlorosezugänge. - Chlorose in % der Gesamtzahl der Kranken. ein ehrlicher Autor das Kapitel Chlorose mit Fug und Recht mit dem gleichen Bekenntnis einleiten: „Es waltet noch viel Dunkel in der Geschichte der Chlorose." 1851 hat Magnus Hus auf der Versammlung skandinavischer Naturforscher in Stockholm folgende Mitteilungen über die Chlorose gemacht : „Im Laufe der letzten 20—25 Jahre hat sich unter der heranwachsenden Jugend der schwedischen Landbevölkerung eine neue Krankheitsform immer mehr eingebürgert, es ist dies die Bleichsucht. Dieses Leiden kam wohl auch früher schon in den höheren Klassen, deren Kinder eine bessere Erziehung genossen, und zwar besonders bei dem weiblichen Teil derselben, sowie auch 70 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. unter der ärmeren Bevölkerung der Städte vor, war aber bis vor etwa drei Jahrzehnten bei den Bewohnern ländlicher Gegenden ganz unbekannt geblieben." Während Hus bei seinen Umfragen in Schweden in den 50er Jahren die Chlorose als eine neue Krankheitsform auftreten sah, hat man sich im Jahre 1921 auf dem 10. nordischen Kongreß für innere Medizin zu Helsingfors über das Phänomen der abnehmenden Chlorosefrequenz eingehend unter- halten. Neben Schaumann, der auf diese Tatsache nachdrücklich hinwies, bestätigen auch Madsen und Tallqvist den Bückgang der Chlorose- häufigkeit in den nordischen Ländern. Auch Cabot berichtet über die Häufig- keit der Chlorose in Massachusets General Hospital in Boston für die Periode 1898 bis 1906 eine erhebliche Abnahme der Chlorosezugänge, welche die anliegende Kurve Nr. 1 demonstrieren soll, auf der leider die Gesamtfrequenz des Kranken- hauses nicht mit angegeben ist. Ähnliche Beobachtungen sind auch in England (Gulland und Godall) und in Österreich (Pallitzer) gemacht. Die eigenen Bemühungen, ein größeres statistisches Material über die Fre- quenz der Chlorose zusammenzubringen, muß ich als gescheitert ansehen. Bei meinen Umfragen stieß ich immer wieder auf die gleiche Bemerkung, daß in dem letzten Jahrzehnt die Chlorose eine sehr seltene Krankheit geworden sei, und daß man die größere Häufigkeit in früheren Jahren darauf zurückführt, daß an die Diagnose ,, Chlor ose" nicht der kritische Maßstab angelegt wurde, den wir heute nach dem Ausbau der Hämatologie und der verfeinerten Dif- ferentialdiagnose der Blutkrankheiten anzulegen pflegen. Die in Kurve 2 wiedergegebene Chlorosefrequenz umfaßt ein Material von 1842 Fällen. Nach Mitteilung von Prof. Deneke, dem ich dieses Material ver- danke, hat sich während der Beobachtungszeit in der Untersuchungsmethodik und klinischen Beurteilung der Chlorose nichts geändert. Auch diese Statistik lehrt, daß die Chlorose längstens in den Krankenhäusern eine seltene Krankheit geworden ist. Die Vermutung, daß die weite Verbreitung der Eisenpräparate unter dem Publikum zu dem Rückgang der in ärztliche Beobachtung gelangenden Chlorosefälle Schuld trage, kann ich nicht für stichhaltig halten. Die in Frage kommenden Patientinnen scheuen das Aufsuchen des Arztes oder der Ambu- latorien nicht in dem Maße, daß die Bleichsucht auch in stark frequentierten Ambulanzen kaum noch gesehen wird. In Deutschland wird aber schon durch das Krankenkassenwesen verhütet, daß die Selbstversorgung mit Arznei unter Umgehung des Arztes einen größeren Umfang annimmt. Für die deutschen Verhältnisse ist demnach die Annahme unwahrscheinlich, daß die Abnahme der Chlorosefrequenz lediglich eine scheinbare sei und die Bleichsüchtigen sich durch die überall erhältlichen Eisenpräparate in der Mehrzahl selbst kurierten. Solange weiteres einwandfreies statistisches Material, das sich auf klinisch nach allen Richtungen gut durchuntersuchte Kranke stützt, fehlt, kann über die geographische Verbreitung und das zeitliche Vorkommen der Chlorose nichts Sicheres ausgesagt werden. Es soll an dieser Stelle lediglich der Eindruck registriert werden, den alle Ärzte, die ein größeres Krankenmaterial übersehen, in den letzten Jahren übereinstimmend gewonnen haben, der sich am kürzesten zusammenfassen läßt in die Antwort, die Cabot bei seiner Umfrage bei den amerikanischen Ärzten immer wieder bekam: „We do not see chlorosis now as we used to do ten years ago." Über die Ursachen der abnehmenden Chlorosefrequenz ist Sicheres nicht bekannt geworden. Man hat alle möglichen Faktoren dafür ins Feld geführt, so sollen Änderungen klimatischer Einflüsse, die Besserung der hygienischen Verhältnisse.. Änderungen der Kleidung, z. B. Fortlassen des Korsetts (Deneke) Geschichte der Chlorose. 71 Allgemeines Krankenhaus St. Georg, Hamburg. Zahl der an Chlorose, Anämie und perniziöser Anämie behandelten Personen. Chlorose (Bleichsucht) Gesamtzahl der aufgenommenen Kranken Anämie Perniziöse Jahr Zahl %0 der Gesamt- Anämie aufnahme 1895 9 592 92 9,6 18 8 1896 10 434 87 8,3 26 12 1897 11 143 118 10,6 13 12 1898 10 646 138 12,6 7 6 1899 11214 141 12,6 20 8 1900 12 045 176 14,6 16 10 1901 12 438 201 16,2 10 8 1902 11281 148 13,1 21 6 1903 12 185 162 13,3 11 5 1904 12 776 142 11,1 20 7 1905 12 585 49 3,9 24 6 1906 13 220 71 5,4 11 4 1907 12 980 37 2,9 15 5 1908 14 546 42 2,9 9 3 1909 16 891 28 1,7 28 7 1910 18 368 25 1,4 50 10 1911 20 576 24 1,2 29 10 1912 • 21744 31 1,4 12 10 1913 21 839 21 0,96 17 4 1914 20 646 15 0,72 15 5 1915 17 176 16 0,93 11 6 1916 15 853 9 0,56 21 11 1917 15 611 13 0,83 8 7 1918 16 468 11 0,67 10 6 1919 15 620 l) 15 0,96 !) 12 9 1920 18 319 8 0,44 16 15 1921 19 891 7 0,35 22 19 1922 20 248 12 0,59 14 26 1923 20 272 l) 3 0,15 2) 9 29 Summe 446 607 1842 dafür verantwortlich sein. Madsen nimmt zu atmosphärischen und telluri- schen Einflüssen seine Zuflucht. Schon diese wenigen Andeutungen mögen genügen, um zu zeigen, daß man die wirkliche Ursache der Abnahme der Chlorosefrequenz nicht kennt. Einen von den erwähnten Faktoren können wir für Deutschland und Österreich mit Sicherheit ausschließen, das ist die durchgreifende Besserung der hygienischen Verhältnisse. Sowohl die Ernäh- rungsbedingungen, wie auch die der Wohnung sind seit Beginn des Krieges in diesen Ländern schlechtere geworden, trotzdem ist der Rückgang der Chlorosefrequenz dadurch nicht aufgehalten worden. Als wesentlichstes Moment für den Rückgang der als ,, Chlorose" geführten Fälle möchte auch ich die Verfeinerung der hämatologischen Diagnostik hinstellen. Sie führt mit Notwendigkeit zu einer immer weiter gehenden Auslese unter all den Patienten, die in früheren Zeiten als bleichsüchtig angesprochen wurden, bei denen wohl manche Symptome, die auch der echten Chlorose zukommen, vorhanden gewesen sein mögen, aber der diese Krankheit als Chlorose stig- matisierende Blutbefund eben fehlt. Ich glaube aber nicht, daß damit alles a) Änderung des Rechnungsjahres. Fehlende Vi Jahreszahl 4652. 2) Fehlen der Zeit vom 1.4.-31. 12. 72 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. erklärt ist. Tatsächlich wird auch von sorgfältigen Untersuchern betont, daß reine Chlorosefälle, die in früheren Jahren immer in einzelnen Exemplaren zur Beobachtung kamen, jetzt eine derartige Seltenheit geworden sind, daß es auch bei sorgfältigem Suchen semesterlang nicht gelingt, für Unterrichtszwecke geeignetes Demonstrationsmaterial von Chlorosekranken zu gewinnen. Schon diese einleitenden Bemerkungen weisen auf die Schwierigkeit einer sicheren Begrenzung und Definition des Chlorosebegriffs hin. Es ist zunächst zu fragen : Ist die Chlorose überhaupt ein einheitliches wohl abgegrenztes Krank- heitsbild, oder ist die Gesamtheit ihrer Symptome lediglich der Ausdruck einer in einem bestimmten Entwicklungsalter des weiblichen Individuums besonders hervortretenden Konstitutionsanomalie? Für diese letztere Auffassung lassen sich viele Tatsachen anführen. Trifft sie zu, so hat es volle Berechtigung, die Chlorose als endogene sekundäre Anämie auf konstitutioneller Grundlage zu definieren. Da die Kon- stitutionsanomalien angeboren sind, würde demnach auch die Chlorose in Latenz für die ganze Dauer des Lebens bestehen und exogenen Faktoren nur insofern eine ätiologische Bedeutung zugemessen werden können, als sie das Hervortreten der alarmierenden Symptome begünstigen. Auch Vir chow ist der Ansicht, daß die chlorotische Disposition für die ganze Dauer des Lebens besteht, daß sie zwar vorübergehend entweder spontan oder durch zweckmäßige Behandlung und diätetische Pflege latent gemacht werden kann. Bekanntlich gründet er diese seine Auffassung einer kongenitalen Anlagestörung auf ana- tomische Befunde. So sollen nach ihm gewöhnlich die Aorta und die größeren Arterien, häufig das Herz und der Sexualapparat mangelhaft gebildet sein. Theorie der Chlorose. Unter den Theorien der Chlorose hat diejenige von v. Noorden sich gegenüber allen früheren und späteren bisher behauptet. Nach ihm ist die Chlorose in einer funktionellen Schwäche der blut- bildenden Organe, die sowohl angeboren als erworben vorkommt, begründet. Da der weibliche Organismus alle vier Wochen nicht unerhebliche Mengen Blut durch die Sexualapparate abgibt (nach Hoppe -Seyler normal 26—52 ccm), müssen unter physiologischen Bedingungen Vorkehrungen getroffen sein, die den Blutverlust schnell und vollständig wieder ersetzen. Nach v. Noorden gehen die Anregungen zur Blutneubildung von den Geschlechtsorganen selbst aus, welche durch Erzeugung chemischer Stoffe zu gesteigerter Blutbildung stimulieren. Bei Wegfall oder bei Abschwächung dieser von den Keimdrüsen ausgehenden Erregungen kommt es zur Chlorose, d. h. zu einer Insuffizienz der Blutneubildung, die durch spezifische Vorgänge im Genitalapparat ver- anlaßt wird. Es darf nicht verschwiegen werden, daß Versuche, dieser Hypothese eine experimentelle Stütze zu geben, bisher keinen Erfolg hatten. Weibliche Tiere, die zu Beginn der Geschlechtsreife kastriert wurden, zeigten zwar eine vorüber- gehende Verminderung des Hämoglobingehalts und der Erythrozyten, ein echter chlorotischer Zustand ließ sich jedoch nicht erzeugen (Monari, Breuer und von Seiler und Adler). Es ist aber bei solchen Versuchen zu bedenken, daß ein wichtiges Moment nicht realisiert ist, welches für das Auftreten von Chlorose vielleicht dominante Bedeutung hat: Das sind die regelmäßigen menstruellen Blutverluste bei gleichzeitiger Insuffizienz der Hämatopoese, welche bei Tieren nicht stattfinden. Röthlin stellte Untersuchungen an über den Einfluß von Corpus luteum Extrakten auf die Erythropoese bei künst- lich anämiflierten Kaninchen; er konnte einen Zusammenhang zwischen den Wirkungen des Corpus luteum und der Erythropoese nicht feststellen. Weiterhin ist zu betonen, daß man nicht selten (ielegenheit hat, junge Mädchen und Frauen mit typischer Unterentwicklung des Genitales, sehr kleinem Theorie der Chlorose. 73 Uterus und infantilen Ovarien, welche wegen menstrueller Störungen die Hilfe des Gynäkologen suchen, mit vollkommen normalem Bluibefund zu sehen. Auch bei den relativ seltenen Fällen von Eunuchoidismus des Weibes, welche auf eine mangelhafte Entwicklung des Geschlechtsapparates und der sekundären Geschlechtscharaktere beruht, wird im allgemeinen das Blutbild normal gefunden. Gelegentlich sieht man eine relative Vermehrung der Lympho- zyten, sowie eine mehr oder weniger ausgesprochene Mononukleose, von einem typisch chloro tischen Blutbild ist aber auch hier nicht die Rede. Es ist verständlich, daß man bei den innigen Wechselbeziehungen, welche zwischen der Schilddrüse und dem Genitalapparat bestehen, bei chlorotischen Individuen auch nach Störungen der Thyreoidea gefahndet hat. Gerade in der Pubertätszeit, in welcher die Symptome der Chlorose zuerst hervor- treten, werden relativ häufig Schilddrüsenschwellungen beobachtet. Schon lange ist es den Klinikern bekannt, daß bei chlorotischen Mädchen Symptome der Basedowschen Erkrankung auftreten können (Wunderlich). Unter diesen werden die häufige Anschwellung der Schilddrüse, eine mehr oder weniger ausgesprochene Tachykardie, eine Neigung zu Schweißen, nicht selten ein leichter Tremor besonders hervorgehoben. Die Augensymptome der Basedowschen Er- krankung treten dagegen bei Chlorotischen nur selten auf. Ein Kardinalsymptom in der Basedowschen Erkrankung, die auf den gesteigerten Stoffwechsel hin- weisende Abmagerung, scheint regelmäßig zu fehlen, v. Noorden und v. Jagic fanden unter 255 Fällen von Chlorose 34 Kranke mit Basedowsymptomen. In einer Zusammenstellung von Otten werden unter 700 Fällen mit typischer Chlorose 30 Kranke mit Basedowsymptomen aufgeführt. Eine befriedigende Erklärung dieser Tatsachen ist bisher nicht gefunden. Beim typischen Morbus Basedow wird die Zahl der roten Blutkörperchen und ihre Hämoglobinfüllung im allgemeinen normal gefunden. Zondek weist sogar darauf hin, daß gelegentlich eine abnorme Vermehrung der Erythrozyten beim Morbus Basedow vorkommt und daß es auch bei normalen Individuen durch Darreichung von Thyreoidin (0,1—0,2 g) gelingt, eine Vermehrung der roten Blut- körperchen von 1/2— 1 Million zu erzielen. Nach ihm sollen von der Schild- drüse auf die blutbildenden Stätten stimulierende Einflüsse ausgehen. Bezüg- lich des weißen Blutbildes ist vielfach darauf hingewiesen worden, daß die von Kocher zuerst betonte Lymphozytose der Basedowkranken in der bei Chlo- rotischen nicht seltenen relativen Vermehrung der Lymphozyten im Blute ihre Analogie findet (Pollitzer). Demgegenüber ist aber hervorzuheben, daß bei der klassischen Chlorose die Lymphozyten vermindert sind. Besonders Naegeli betont, daß die Lymphopenie der Chlorotischen eine ganz gesetzmäßige Erscheinung sei, die als Hypofunktion des lymphatischen Apparates gedeutet werden muß. Somit macht eine vergleichende Betrachtung des Blutbefundes bei Chlorose und Morbus Basedow den inneren Zusammenhang dieser beiden Krankheiten nicht gerade wahrscheinlich. Trotz alledem möchte ich glauben, daß den Störungen der Schilddrüsen- funktion im Krankheitsbilde der Chlorose eine nicht unwesentliche Rolle zukommt und betonen, daß nicht jede Schilddrüsenschwellung gleichbedeutend ist mit einer Steigerung sämtlicher Funktionen dieses Organs. Kennen wir doch auch Fälle von typischem Morbus Basedowii mit ausgesprochenen Symptomen von Myxödem. Vielleicht ist der Zusammenhang von Chlorose und Funktions- störungen der Schilddrüse eher in einer Minderleistung des Organs zu suchen, indem gewisse stimulatorische Einflüsse, die normalerweise von der Thyreoidea auf den hämatopoetischen Apparat ausgeübt werden, in der kritischen Periode der Pubertät nicht ausreichen, um die Mehrleistungen, die nach dem Einsetzen der Regel von den blutbereitenden Organen gefordert werden, zu garantieren. 74 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Damit übereinstimmend wird gerade bei Unterfunktion der Schilddrüse, welche zum Myxödem führt, eine ziemlich hochgradige Anämie mit starker Verminde- rung der roten Blutkörperchen gefunden. Falta fand z. B. beim Myxödem eine Herabsetzung der roten auf 3,5 Millionen. Mansfeld und Asher- Spiro sahen nach tierexperimentellen Anämien und Schilddrüsenexstirpationen eine sehr viel langsamere Regeneration des Blutes als unter normalen Verhältnissen. Unverricht bemerkt, daß nach Injektion von Glyzerinextrakten aus Kalb- oder Hammelschilddrüsen bei normalen Tieren die Zahlen für die roten Blut- körperchen um 15°/0 und mehr erhöht werden, das gleiche wird nach Ver- fütterung gefunden. In Schnitten durch das Knochenmark wird als Folge der Thyreoidinmedikation eine stärkere Blutfülle und vermehrte Zellteilung fest- gestellt. Auch Tierversuche von Mansfeld und Neuschloß scheinen darzutun, daß das Fehlen der Schilddrüsenfunktion bei anämischen Tieren den stimu- lierenden Einfluß verminderter Sauerstoffspannung oder therapeutischer Arsen- dosen aufhebt. Unverricht sah bereits 1/2 Stunde nach Einnahme des Thyreo - idinpulvers eine Vermehrung der Erythrozytenzahlen und des Blutfarbstoffs. Die Höchstzahl war nach U/g Stunden erreicht (bis 1,5 Millionen Vermehrung), um dann langsam wieder abzusinken. Die Autoren nehmen an, daß auch bei Sauerstoffmangel oder Arsenmedikation der unmittelbar wirksame Antrieb für das Knochenmark die unter diesen Umständen vermehrt gelieferten Schild- drüsenhormone darstellen. Über die geographische Verbreitung der Chlorose läßt sich auf Grund der neueren Literatur nur das eine aussagen, daß die Frequenz der Krankheit in allen Ländern, in denen man darauf geachtet hat, im Abnehmen begriffen ist. In diesem Sinne äußert sich Cabot, der amerikanische Kliniker, ebenso wie die englischen Forscher Gull and und Godall. Das gleiche berichtet Pallitzer aus der Ortnerschen Klinik in Wien. Schaumann hat sich aus- führlich über die abnehmende Chlorosefrequenz und ihre etwaigen Ursachen verbreitet und legt das Material seiner Klinik in Helsingfors vor. Soweit ich von deutschen Klinikern Nachrichten erhalten konnte, wurde mir immer nur das eine wiederholt, daß die Chlorose im letzten Jahrzehnt eine seltene Krank- heit geworden sei und das zur Verfügung stehende Material für eine statistische Verarbeitung nicht ausreiche. Soviel scheint mir sicher, daß aus allen Erörte- rungen über die geographische Verbreitung der Chlorose neue Gesichtspunkte für Ätiologie und Pathogenese der Erkrankung sich nicht gewinnen lassen. Unter den sozialen Faktoren, die als prädisponierende Ursachen an- geschuldigt wurden, sind an erster Stelle ungünstige Wohnungs- und Ernäh- rungsverhältnisse zu nennen, v. Noorden weist darauf hin, daß der Mangel an frischer Luft bei Tag und Nacht in den Schlaf- und Arbeitsräumen der besitz- losen Klassen, aus denen die chlorotischen jungen Mädchen in der Mehrzahl herstammen, die Regel sei. Gerade der Mangel an Licht und frischer Luft soll die Ausbildung anämischer Verhältnisse begünstigen. Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, daß die Chlorose auch unter der ländlichen Bevölke- rung und in den Kreisen wohlhabender Städter ihre Opfer findet. Verhältnisse, unter denen die angeschuldigten Faktoren sicher keine Rolle spielen. Das gleiche läßt sich auch von den ungünstigen Ernährungsverhältnissen, die unter den determinierenden Usachen von den Autoren besonders unter- strichen werden, behaupten. Es mag zugegeben werden, daß junge Mädchen, die aus den günstigen ländlichen Verhältnissen in den Stadtdienst kommen und oft in den Familien von Kleinbürgern, bei denen die Nahrungsmenge und -qualität ungenügend ist, Anstellung finden, bei starker körperlicher Beanspruchung Gewichtseinbußen erleiden, die für- (U>n noch in der Entwicklung begriffenen Korper besonders schädlich sind. Auch daß unter diesen Umständen mit der Verbreitung der Chlorose. 75 Ausbildung des Gesamtorganismus auch die Blutbildung eine Hemmung er- fahren kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber alle diese Ernährungs- faktoren, die in älteren Darstellungen der Chlorose einen breiten Raum ein- nahmen, haben an Bedeutung erheblich eingebüßt, seitdem an den Völkern Mitteleuropas durch die Blockade ein Ernährungsexperiment im großen an- gestellt ist, dessen deletäre Folgen zur Genüge bekannt sind. Es sind typische Hungerkrankheiten (epidemisches Ödem, Hungerosteopathien, Skorbut) be- sonders in der Industriebevölkerung zur Beobachtung gelangt. Die Chlorose - frequenz hat aber trotz dieser Ernährungsschädigungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht keine Steigerung, sondern, wie mehrfach bemerkt, eine Abnahme zutage treten lassen. Damit kann eine mangelhafte oder un- zweckmäßige Ernährung aus der Reihe der ätiologischen Chlorosefaktoren ausgeschaltet werden. Die fortschreitende Erkenntnis von der Unwirksamkeit äußerer Faktoren für die Entstehung der Chlorose drängt immer mehr zu der Annahme, daß diese Krankheit vererbt wird und ihre letzte „Ursache" in einer besonderen chlorotischen Konstitution zu suchen ist. Ob dabei die Minderentwicklung oder fehlerhafte Ausbildung eines einzelnen Organs (des Ovariums) im Vorder- grunde steht, oder ob es sich um Korrelationsstörungen im Gesamtsystem der inkretororischen Organe handelt, läßt sich nach dem vorliegenden Tat- sachenmaterial nicht mit völliger Sicherheit entscheiden. Die gangbarste Hypo- these, welche bereits Erwähnung fand, stützt sich auf die häufig gefundene Minderentwicklung des Keimdrüsenapparats, und zwar wird hier die sogenannte „interstitielle Drüse" vor allem angeschuldigt. Die Chlorose ist eine ausgesprochen geschlechtsbegrenzte Krankheit, sie kommt ausschließlich beim weiblichen Geschlechte vor. Die wenigen in der Literatur mitgeteilten Fälle von Chlorose bei Männern haben keine allge- meine Anerkennung gefunden. Das gilt auch für die neueren Mitteilungen (G. Holler). Die für die Chlorose charakteristischen Erscheinungen kommen in den Ent- wicklungsjahren zur Ausbildung. Bei der Beurteilung der statistischen Zusammen- fassungen über das von der Chlorose bevorzugte Lebensalter ist zu berück- sichtigen, daß von solchen Statistiken sehr häufig gerade die ersten für die Auffassung vom Wesen der Erkrankung bedeutsamen Attacken nicht erfaßt werden. Die Kranken kommen selten im ersten Anfall bereits zum Arzt, sondern häufig erst in den späteren Anfällen. Mit zunehmender Reife des Organismus werden die Anforderungen, welche an den Körper gestellt werden, immer größere und die Diskrepanz zwischen ihnen und der Leistungsfähigkeit des chlorotischen Individuums ist es häufig, welche die Kranken zum Arzt treibt. In der Regel erkranken die Individuen erstmalig zwischen dem 15. und 20. Lebensjahre an Chlorose. Bei älteren sogenannten Erster krankungsf allen deckt eine sorgfältige Anamnese nicht selten eine bereits in früheren Jahren durchgemachte chloro tische Erkrankung auf. Die Frage, ob es echte sogenannte Spätchlorosen gibt, ist lange diskutiert worden. Ihre Entscheidung ist nicht leicht, da es sich häufig um Frauen handelt, welche Unregelmäßigkeiten der Menstruation aufgewiesen haben und bei denen die Anamnese leicht den Verdacht aufkommen läßt, daß es sich um mehr oder weniger verschleierte sekundäre Anämien handelt. Naegeli glaubt, auf Grund jahrelanger Beobachtungen die Existenz echter Spätchlorosen erwiesen zu haben. Er legt auch in diesen Fällen besonderen Wert auf die Anamnese und auf hereditäre Momente und schließlich auf die therapeutischen Erfolge hoher Eisendosen, welche ein bleibendes Verschwinden der Anämie erzwingen können. Zu denken ist schließlich daran, daß gerade in der Zeit der Menopause, 76 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. in welcher die Ovarialfunktionen eine weitgehende Einschränkung erfahren, eine chlorotische Konstitution sich noch einmal geltend machen kann, besonders dann, wenn sonst leicht ausgleichbare Blutverluste (z. B. geringe Myomblutungen) an das Knochenmark höhere Anforderungen stellen. Zahlenmäßig betrachtet, stellen diese Fälle sogenannter Spätchlorose sicher ein sehr kleines Kontingent unter den überhaupt beobachteten Fällen typischer Bleichsucht dar. Über Chlorose beim Kinde sind besonders von französischen Autoren zahlreiche Mitteilungen gemacht worden. Neuere von B ich ler und Rist. Nach ihnen soll die Chlorose des Kindesalters Individuen beiderlei Geschlechts vom 12. Monat bis zum dritten Lebensjahr befallen. Es soll eine Oligosiderämie infolge zu lang fortgesetzter einseitiger Milchernährung die Ursache dieser infantilen Chlorose sein. Das physiologische Eisendepot der Leber reicht nicht aus, um bei der einseitigen Milchnahrung den Eisenbedarf des wachsenden Organismus zu decken. Wie im Kapitel der sekundären Anämien eingehend erörtert wird, gehören diese Fälle in die Reihen der sekundären Anämien und haben mit der typischen Chlorose trotz des Bestehens vieler gemeinsamer Züge, besonders des Blutbildes, streng genommen nichts zu tun. Literatur. Adler: Arch. f. Gynäkol. Bd. 95, S. 349. 1911. — Bichler: Anemie atype chlorotique chez l'enfant. Arch. de med. des enfants. Tom. 16, p. 196. 1913. — Breuer und Seiller: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 50, S. 169. 1903. - Gulland and Godall: The Blood 1912. — Holler: Zit. nach Kongreß -Zentralblatt Bd. 27, S. 168. — Monari: La clorosi. Modena 1900. — Pallitzer: Zit. nach Schau man. Acta med. scandinav. — Rist: La Chlorose des jeunes filles et 1 olisosideremie. Bull. med. Tom. 27, p. 315. 1913. — Röth- lin: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 193, S. 102. 1921. — Schau man: Acta med. scandinav. Vol. 3, p. 246. 1921. — Unverricht: Klin. Wochenschr. 2. Jg., S. 166. — Virchow, R.: Die Zellularpathologie. 4. Aufl., 12. Kap., S. 268. 1. Allgemeines Krankheitsbild der Chlorose. Bei der typischen Chlorose zeigt die Untersuchung sofort das charakteristische Kolorit der Haut. Die bleiche, weiße, selten, nur in den schwersten Fällen, ins Grüne spielende Farbe der Bedeckung, das Alabasterweiß der Brust wird von allen Beobachtern vermerkt. Bei der Beurteilung der Hautfarbe darf man sich nicht täuschen lassen durch eine plötzliche, häufig unter psychischen Ein- flüssen einsetzende Rötung der Wangen, die einen Ausdruck des lebhaften Vasomotorenspiels, welches diese Kranken auszeichnet, darstellt. Die Blässe betrifft auch die sichtbaren Schleimhäute der Konjunktiven und der Lippen. Die Skleren zeigen ein Porzellan weiß nicht selten mit einem Stich ins Bläuliche. Türk weist auf die blasse Farbe der Zunge besonders hin, die viel weniger vasomotorischen Einflüssen ausgesetzt ist als die Körperdecke. Ikterus fehlt stets. Gerade durch das Fehlen einer leichten Gelbfärbung unterscheidet sich die Chlorose von der perniziösen Anämie, bei welcher der Erfahrene diese be- sondere Farbennuance fast nie vermißt. Die bleichsüchtigen Mädchen werden von der Sonne auffällig wenig gebräunt. Diese geringe Neigung zur Pigmentierung ist ein wesentlicher Zug im Krankheitsbild der Chlorose. Die Mehrzahl der chlorotischen Individuen macht einen wohlgenährten Eindruck, z. T. mag das darauf beruhen, daß die wasserreiche Haut einen guten Turgor aufweist. In schwereren Fällen kommt es besonders an den Knöcheln, seltener an den Lidern zur Ausbildung von leichten Ödemen. Hautblutungen fehlen stets. Auch über Blutungen an den Schleimhäuten ist, soweit ich sehe, nichts bekannt geworden. Unter den subjektiven Erscheinungen tritt anfangs die leichte Er- müdbarkeit der Patienten besonders hervor. Arbeiten, die in gesunden Tagen Allgemeines Krankheitsbild der Chlorose. 77 ohne Mühe verrichtet wurden, werden jetzt nur unter Aufbietung der ganzen Willenskraft durchgeführt. Leichte körperliche Tätigkeit bedeutet für die bleich- süchtigen Mädchen oft schon eine Anstrengung. Sie klagen über Schwindelgefühl, Schwarzsehen, Ohrensausen, Ohnmächten. Das Schlafbedürfnis ist gesteigert. Fast stets deckt eine sorgfältige Anamnese Unregelmäßigkeiten oder ein verspätetes Auftreten der Menstruation auf. Der Blutverlust ist während der Menses geringer, häufig erhält man die Angabe, daß das Menstruationsblut wässeriger sei als in gesunden Tagen. Nicht selten bleibt die Menstruation überhaupt aus, während sie vorher regelmäßig war, ein Ereignis, welches oft der erste Anlaß ist, ärztliche Hilfe zu suchen. Stärkere Regelblutungen ge- hören durchaus zu den Ausnahmen. Die Erscheinungen* von Seiten des Verdauungsapparates sind sehr wenig präzise. Eine Reihe der Kranken wird appetitlos oder zeigt zum wenigsten eine Abneigung gegen die gewohnte, vielleicht etwas einförmige Kost. Nicht selten wird besonders von älteren Klinikern hervorgehoben, daß nach der Nahrungs- aufnahme Unbehagen, Druckgefühl in der Magengegend auftreten, daß über Gefühl der Völle und über Sodbrennen geklagt wird. Es ist nicht unangebracht, diesen Angaben gegenüber zurückhaltend zu sein, insofern sich nicht selten dahinter ein chronisches Magengeschwür verbirgt. Besonders wenn man sich stets vor Augen hält, daß es ein allein für die Chlorose beweisendes Blut- bild nicht gibt. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß manche als bleichsüchtig angesprochene Kranke mit derartigen unbestimmten Symptomen von seiten des Magens in Wirklichkeit eine Ulkus- kranke gewesen ist und auch darin eine der Ursachen der größeren Chlorose- frequenz der früheren Jahrzehnte zu suchen. Ich glaube das um so mehr, als in der älteren Literatur über starke Abmagerung in bestimmten Fällen von Chlorose zahlreiche Mitteilungen vorliegen, wir aber im allgemeinen gerade die Wohlbeleibtheit als ein wesentliches Zeichen im Symptomenbild der Chlorose angesehen haben. Neben Unregelmäßigkeiten des Appetits werden Absonder- lichkeiten der Geschmacksrichtung geklagt, einige Patienten haben das Bedürfnis nach stark sauren Speisen und Getränken, nach Essig und Zitronensaft, andere wieder fühlen sich wieder nur beschwerdefrei, wenn sie regelmäßig größere Mengen kohlensauren Natrons zu sich nehmen. Auch über Unregelmäßig- keiten der Stuhlentleerung wird geklagt, doch meint v. Noorden, der dieser Frage seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, daß ,,die Chlorotischen nicht in erheblich höherem Maße als ihre Altersgenossinnen zur Stuhlträgheit neigen". Die Erscheinungen von seiten des Zirkulationsapparats stehen in vorderster Linie unter den Klagen der Chlorotischen. Das Wärmebedürfnis ist erhöht. Die Kranken haben ständig ,, kalte Hände und Füße", klagen über Ab- gestorbensein der Finger (Doigt mort). Besonders quälend tritt das Frostgefühl auf, wenn die Kranken in schlecht oder ungeheizten Räumen sich aufhalten. Die lebhafte vasomotorische Reaktion führt zu einer unzureichenden Durchblutung der Haut, deren Blässe dann noch um einige Grade zunimmt und die sich dann eiskalt anfühlt. Häufig klagen die Kranken darüber, daß sie im ungeheizten Schlafzimmer, auch wenn sie durch wollene Decken reichlich gegen Abkühlung geschützt sind, im Bette nicht warm werden und keinen Schlaf finden könnten. Die Erscheinungen von seiten des Herzens werden beherrscht von dem Gefühl des Herzklopfens, der beschleunigten und gesteigerten Herztätigkeit. Diese Symptome sind aber durchaus nicht immer abhängig von erhöhten körperlichen Anforderungen, sondern mehr als bei gesunden Mädchen gleichen Alters auf psychische Momente zurückzuführen. Die Lebhaftigkeit des Vasomotoren- spiels zeichnet die chlorotischen Mädchen besonders aus. 78 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Den Symptomen von Seiten des Nervensystems hat eine Reihe der älteren Autoren, unter ihnen vor allen Gra witz , eine besondere Bedeutung beigemessen. Neben psychischen Anomalien, die sich in einem raschen Umschlag der Stimmung, in Konzentrationsunfähigkeit, Unlust zu geistiger Betätigung äußern, sollen neuralgische Beschwerden, Hyperästhesien, Interkostalneuralgien für eine Gruppe von Chlorotischen charakteristisch sein. Es ist aber besonders von Naegeli, meiner Ansicht und Erfahrung nach mit Recht, betont worden, daß diese neu- rotischen Stigmata durchaus nicht für die Chlorose charakteristisch sind und daß die Auffassung, daß diese nervösen Symptome für das Krankheitsbild der Chlorose geradezu führende seien, als abwegig abzulehnen. Es mag zugegeben werden, daß die Klagen über Kopfschmerzen bei den Chlorotischen häufiger sind als bei anderen Kranken gleichen Alters und Geschlechts, und gerade der immerwährende dumpfe, nicht lokalisierbare Schmerz ist vielleicht organisch begründet durch die Erhöhung des Lumbaidrucks, auf welche Quincke zuerst aufmerksam gemacht hat. Im übrigen ist die Psyche normal. 2. Spezieller Untersuchungsbefund. Das Blut. Die Gesamtblutmenge ist' bei der Chlorose nicht wesentlich vermehrt. Es sind zwar mit verschiedenen älteren Methoden solche Vermehrungen gefunden worden. So fand L. Smith mit der Inhalationsmethode (Einatmung einer bestimmten Menge CO- Gas und anschließende Bestimmung des Sättigungsgrades des Hämoglobins mit CO) in Fällen von Chlorose mit einer Hämoglobinverminderung unter 50% im Durchschnitt eine Blutmenge, welche 10,8 °/0 des Körpergewichts entsprach. Als Normalwert der Blut- menge wird nach dieser Methode 5% gefunden. Plesch gibt mit der gleichen Methode 7,7 — 10,8% des Körpergewichts für Chlorosen an. Griesbach dagegen findet mit der Kongorot-Methode Werte, welche innerhalb der physiologischen Grenzen liegen. Ich glaube mit Naegeli, daß die älteren Bestimmungen auf methodischen Fehlern beruhen und daß die neue und überaus einfache kolorimetrische Bestimmung die zuverlässigerem und gleich- zeitig verständlicheren Werte liefert. Es ist ja in der Tat schwer zu begreifen, daß bei bleich- süchtigen Individuen, die alle klinische Zeichen einer Blutarmut aufweisen, tatsächlich eine Vermehrung des Hämoglobins vorhanden sein soll. Das spezifische Gewicht des Gesamtblutes ist vermindert, was auf die Verarmung an Hämoglobin und roten Blutkörperchen zurückzuführen ist. Hammerschlag ging soweit, bei der Chlorose eine konstante Relation zwischen Hämoglobingehalt und spezifischem Gewicht anzunehmen, indem einem be- stimmten Hämoglobingehalt bei verschiedenen Kranken dasselbe spezifische Gewicht entspricht, v. Noorden empfiehlt wenigstens für die Chlorose die Verwendung der Hammerschlagschen Tabelle, die ich hier anfüge. Spez. Gewicht Hämoglobin 1033-1035 25-30% 1035-1038 30-35% 1038-1040 35-40% 1040-1045 40-45% 1045-1048 45-55% 1048-1050 55-65% 1050-1053 65-70% 1053-1055 70-75%} 1055-1057 75-85% 1057-1060 85-95% Eine solche feste Relation kann natürlich nur dann bestehen, wenn das Serum einen normalen Gehalt an Eiweißkörpern und denjenigen Produkten, die den Trockenrückstand ausmachen, aufweist. Das ist aber nicht immer der Fall. Ich führe aus einer größeren Reihe mit Beumer durchgeführter chemischer Blutuntersuchungen folgenden typischen Fall von Chlorose, der Das Blut bei Chlorose. 79 unter intensiver Eisenmedikation überraschend schnell und günstig beeinflußt wurde, an. Ein 22jähriges junges Mädchen mit blaßgrünlichem Teint, anämischen Herzgeräuschen und wasserreichem Unterhautzellgewebe; 3,6 Mill. rote Blutkörperchen, Hämoglobin 30%, Färbeindex 0,41; 3200 Leukozyten, starke Poikilozytose und Anisozytose. Serumvolumen 813 Blutkörperchenvolumen 187 also ein gegen die Norm verminderter Volumenquotient. Für 1000 g Trocken- Wasser Eiweiß Extrakt Lezithin Freies Cholesterin- gewicht Cholesterin e.ster Blutkörperchen 266.467 733,533 241,301 5.203 3,504 0,933 Serum . . . 80 738 919,217 60 587 8 585 1,489 0,394 0,616 Die Tabelle zeigt, daß der Trockenrückstand und der Eiweißgehalt des Serums gegenüber der Norm reduziert sind. Auf diese Verminderung des Serums an Eiweiß hat später auch Naegeli hingewiesen. Die Verminderung des Serums an Trockenrückstand und Eiweißgehalt ist in schweren Fällen von der Nahrungszufuhr unabhängig und wie auch in unserem Falle ohne Zusammenhang mit der Ausbildung von Ödemen. Die Farbe des Serums ist blaß und wässerig im Gegensatz zu der oft dunkelgelbgrünen , stark dikroten Färbung des Serums bei perniziöser Anämie, auf welche wir gleich- falls in unseren Untersuchungen hingewiesen haben. Das Mischungsverhältnis zwischen Albuminen und Globulinen ist vollkommen normal (Naegeli). Setzt man die Zahl der roten Blutkörperchen in Beziehung zu ihrem Volumen, so zeigt sich, daß das Volumen der roten Blutkörperchen gegenüber der Norm reduziert ist. Da die Gesamtblutmenge nicht vermindert ist, so resultiert daraus eine Vermehrung des Plasmas, eine Polyplasmie. Das spezifische Gewicht des Blutserums liegt normalerweise zwischen 1028 und 1032. Bei der Chlorose wurden häufig Werte an der unteren Grenze dieser Norm gefunden, 1028,1 (Bequerel und Rodier). Hammerschlags Werte gingen nie unter 1027 herunter. Die relativ geringen Werte für das spezifische Gewicht des Serums sind die einfache Folge seiner Eiweißarmut. Die Gefrierpunktserniedrigung wird normal gefunden — 0,55°— 0,56°C. Auch die elektrische Leitfähigkeit ist normal. Cholesterin und Cholesterinester wurden nach eigenen Bestimmungen in normalen Mengenverhältnissen gefunden. Die Gesamtmenge der ätherlöslichen Bestandteile des Serums war in einem schweren Falle erhöht (8,5 g statt 5,0 pro 1000 normal). Die roten Blutkörperchen. Das Gewicht der Erythrozyten ist bei der Chlorose vermindert. Die Analyse der feuchten Substanz der roten Blutkörperchen gibt die Erklärung dafür. I)ie Blutkörperchen der Chlorotischen sind arm an Trockensubstanz und dementsprechend reich an Wasser (Erben und eigene Untersuchungen mit Beumer; siehe Tabelle!). Während normalerweise für die Trockensubstanz von 1000 g feuchten roten Blutkörperchen Werte von 300 g gefunden werden, fanden wir nur 266 g. Der Stickstoffgehalt und der daraus berechnete Eiweißgehalt der roten Blutkörperchen ist gleichfalls vermindert (v. Jaksch, Koßler, Hoke, Beumer und Bürger). Der hohe Wassergehalt der roten Blutkörperchen entspricht offenbar dem der übrigen Gewebe. Der Lezithingehalt der Blutkörperchen wurde in einem Falle von uns relativ hoch gefunden, der Cholesteringehalt relativ normal. Morphologie der roten Blutkörperchen. Ein für Chlorose absolut charakteristisches Blutbild gibt es nicht. Auch die auf Duncan zurück- gehende Anschauung, daß die Hämoglobinarmut des einzelnen roten Blut- körperchens bei unveränderter Gesamtzahl derselben: die Oligochromämie und 80 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. die starke Herabsetzimg des Färbeindex das Wesentliche der chlorotischen Blutveränderung ausmache, hat sich in der Folge nicht halten lassen. Jedem Kliniker sind Fälle von sekundärer Anämie ohne die sonstigen Zeichen der Chlorose bekannt, bei denen die Zahl der roten Blutkörperchen wenig oder gar nicht verändert ist, ihr Hämoglobingehalt aber weitgehend vermindert gefunden wird. Schon nach einem kräftigen Aderlaß kann die Zahl der roten Blutkörperchen wieder hergestellt sein zu einer Zeit, in welcher die Hämoglobinfüllung der Einzelzelle noch erheblich hinter der Norm zurück- bleibt. Ähnliches wird nach Blutungsanämien, Ulcus ventriculi, Hämorrhoidal- blutungen gefunden. Auch bei sekundären Anämien, die sich mehr chronisch entwickeln (nach Tuberkulose, Lues, bei Karzinomkachexie) können häma- tologische Befunde erhoben werden, welche bei normalen Blutkörperchen- zahlen eine starke Herabsetzung des Färbeindex erkennen lassen. Die größere Häufigkeit der Chlorose, wie sie in früheren Jahren gefunden wurde, wird nicht zuletzt darauf beruhen, daß latente Tuberkulosen und Ulcera ventriculi mit den damaligen diagnostischen Methoden nicht immer erfaßt wurden und die bei diesen Zuständen gefundene Oligochromämie mangels anderer Ursachen als Folge einer Chlorose falsch gedeutet wurde. Erst in den frühesten Anfangsstadien der Chlorose, bei denen die klinischen Symptome voll ausgeprägt sind, hat man gelegentlich noch normale Hämo- globin- und Erythrozytenwerte gesehen (Morawitz). Im allgemeinen muß man solchen Angaben gegenüber große Skepsis walten lassen. Naegeli lehnt es überhaupt ab, daß beginnende Chlorosen mit normalen Hämoglobin- und Erythrozytenzahlen vorkommen. Eine sorgfältige und zytologische Unter- suchung des Blutes wird in solchen Fällen in der Regel doch Veränderungen der Form und Größe der Erythrozyten und vielleicht eine ungleichmäßige Hämoglobinfüllung der einzelnen Zellen aufdecken. Für die überwiegende Mehrzahl der typischen Chlorosefälle gilt der Satz, daß der Färbeindex erniedrigt ist, also eine Oligochromämie auch schon in den Anfangsstadien nachweisbar ist. Mit zunehmender Schwere des Falles sinkt der Färbeindex ab. Otten fand unter 700 von ihm zusammengestellten Fällen des Eppendorfer Materials einen solchen mit 20°/0 Hämoglobin und 3,04 Mill. Roten, woraus sich ein Färbe- index von 0,33 errechnen läßt. Ich gebe aus seiner Zusammenstellung folgende Hämoglobin werte nach der Häufigkeit ihres Vorkommens wieder: Hämoglobin Zahl der Fälle 10-20°/0 der Norm 13 = 1,86% der Gesamtzahl 21-30°/0 „ „ 86 = 12,29% „ 31-40°/0 „ „ 153 = 21,86% „ 41-50% „ „ 170 = 24,29% „ 51-60°/0 „ „ 142 = 20,30% „ 61-70% „ „ 75 = 10,7 % „ 71 und mehr 61 = 8,7 % „ Aus dieser Zusammenstellung erhellt, daß in der Mehrzahl der das Kranken- haus aufsuchenden Bleichsüchtigen der Hämoglobingehalt 50% und weniger betrug. Während in leichten und mittelschweren Fällen die Zahl der Roten bei stark reduziertem Hämoglobin zwischen 4 und 5 Millionen schwankt, sinkt bei den schweren Formen der Chlorose der Wert für die roten Blutkörperchen auf -2 Millionen und darunter ab. Werte unter 1,5 Millionen gehören zu dvn seltenen Ausnahmen. Aber auch in den Fällen mit ausgesprochener Oligo- zythämie ist der1 Hämoglobingehalt gegenüber der Norm immer noch stärker reduziert als die Blutkörperchen, so daß auch in diesen schwersten Fällen von Chlorose der Färbeindex im Gegensatz zur perniziösen Anämie sein- tief liegt. Das Blut bei Chlorose. 81 Aus dem bisher Erörterten ergibt sich, daß auch die Zahl der roten Blut- körperchen wie bei anderen sekundären Anämien erheblichen Schwankungen unterworfen ist, daß aber weitgehend unabhängig von ihrer Zahl der in der Zirku- lation befindliche Hämoglobin Vorrat regelmäßig stark vermindert ist. Zu keiner Zeit und in keinem Stadium des Krankheitsverlaufs kommt ein erhöhter Färbeindex vor. Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, daß nicht bloß das Gesamt- volumen der zelligen Elemente des Blutes gegenüber der Norm vermindert ist, sondern daß auch die Errechnung des Einzelvolumens der roten Zelle eine Verkleinerung ergibt. Es besteht demnach eine Mikrozytose. Neben der Oligochromämie ist diese Mikrozytose einer der konstantesten Befunde im chlorotischen Blutbilde. Die mikroskopische Betrachtung läßt in der Regel erhebliche Größen- unterschiede der einzelnen Zellen erkennen. Die meisten Zellen erscheinen kleiner als in der Norm, jedoch kommen auch übergroße Zellen sicher vor. Diese Mikrozyten sind gar nicht so selten im Blutbilde der typischen Chlorose aufzufinden. Türk bestreitet zwar das Vorkommen echter Makrozyten, gibt aber das Erscheinen ,, mäßig vergrößerter Zellen" zu. Naegeli begegnete oft Makrozyten mit großer Delle und leichter Polychromasie, jedoch nur bei gleich- zeitiger Anwesenheit anderer regeneratorischer Zeichen. Diese Widersprüche sind zum Teil durch eine verschiedene Definition des Begriffs ,, echter Makrozyt" zu deuten. Neben der sehr häufigen Anisozytose findet sich stets eine leichte Unregel- mäßigkeit der Formen der Einzelzelle. Diese Beobachtung entspricht auch meinen eigenen Erfahrungen, ich möchte ihr aber nicht allzu großen diagnosti- schen Wert beimessen, es ist sehr fraglich, ob diese Formunregelmäßigkeiten schon im lebenden zirkulierenden Bute vorhanden sind, oder ob sie nicht lediglich der Ausdruck einer erhöhten „Deformierbarkeit" der kranken Zellen sind und erst bei Herstellung des Präparates zustande kommen. Vitalfärbungen sind zur Beurteilung regeneratorischer Vorgänge von großem Werte; therapeutisch gut beeinflußte Fälle zeigen eine große Menge vitalgranulierter Zellen, so daß die Häufigkeit der Vitalgranulationen geradezu als Symptom der regeneratorischen Leistungsfähigkeit des hämatopoetischen Apparats angesehen werden darf. An dem in gewöhnlicher Weise gefärbten Trockenpräparat fällt dem Geübten sofort die hochgradige Blässe der Einzelzelle auf. Der gefärbte Randsaum ist äußerst schmal, die ungefärbte zentrale Delle erscheint dadurch unverhältnis- mäßig groß. In leichteren Fällen ist die Färbbarkeit der Erythrozyten ungleich- mäßig, indem neben zahlreichen gut gefärbten sich weniger gut und schlecht gefärbte finden. Bei sehr stark erniedrigtem Färbeindex ist das ganze Zell- material mehr oder weniger schlecht tingierbar, aber auch in diesen Stadien ist die Ungleichheit der Färbbarkeit immer noch deutlich. Eine weitere Färbungsanomalie, die im chlorotischen Blutbild nicht selten gesehen wird, ist die Polychromatophilie. Sie wird entgegen der ursprüng- lichen Ehrlichschen Annahme, der sie als ein Degenerationszeichen deutete, jetzt allgemein mit regeneratorischen Vorgängen in Zusammenhang gebracht. Man findet sie daher sehr selten als alleinige färberische Veränderung neben der Hämoglobinarmut der Zellen, sondern in der Regel vergesellschaftet mit dem Vorkommen von basophil punktierten Erythrozyten und Normo- blasten. Diese kernhaltigen roten Zellen werden in schweren Fällen von Chlorose regelmäßig gefunden. Ihre Zahl ist abhängig von der Art und Wirksam- keit der therapeutischen Maßnahmen. Eine intensive Eisentherapie treibt Blutkrankheiten. II. 6 82 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. sie in großer Menge ins zirkulierende Blut. Das von früheren Autoren behauptete Vorkommen von Megaloblasten (Jacob y unter Ehrlich, Arneth) wird von Naegeli, der mit besonderer Sorgfalt danach suchte, bestimmt abgelehnt. In meinen eigenen Fällen habe ich sie stets vermißt. Neben dem Vorkommen von Normoblasten ist das Auftreten von Kern- trümmern und -resten in den schweren Fällen keine Seltenheit. Blutplättchen. Die Thrombozyten wurden von allen Autoren, die darauf achteten, stark vermehrt gefunden. Systematische Untersuchungen mit neueren Methoden fehlen noch. Grawitz findet bei wenig Krankheiten eine so starke Vermehrung der Thrombozyten wie gerade bei der Chlorose. Muir findet als Normalwerte bei gesunden Personen, wie auch die neueren Autoren, 200000 — 300000 Plättchen im Kubikmillimeter. Bei Chlorose lagen die Werte zwischen 350000 und 400000. Dasselbe sehen Hanot und Matthieu. Die farblosen Blutkörperchen. Die Angaben über das zahlenmäßige Verhalten der weißen Blutkörperchen bei der Chlorose sind sehr wechselnde. Ihre Gesamtmenge zeigt nach den übereinstimmenden Mitteilungen von v. Noorden, Gräber, Strauß und Rohnstein keine wesentlichen Abwei- chungen von der Norm. Gelegentlich sieht man jedoch Steigerungen der Leuko- zytenzahl auf 10—12000, ohne daß dies wie Grawitz meint, jedesmal auf komplizierende Zustände hinzuweisen braucht. Bei Fällen von reiner Chlorose können solche Leukozytosen auf eine spontan oder durch therapeutische Stimu- lantien hervorgerufene Mehrleistung des Knochenmarks hin eintreten. Für diese Auffassung spricht auch die Erfahrung von Naegeli und anderen, daß zu Zeiten solcher Reizleukozytosen einige Myelozyten und Metamyelo- zyten neben den schon beschriebenen Veränderungen des roten Blutbilds (Normoblastose, Polychromasie, Vermehrung der Vitalgranulationen) auftreten. Das relative Verhältnis der einzelnen Formen der weißen Zellen ist bei den schweren Fällen von Chlorose gestört. Während sich unter den älteren Angaben eine Vermehrung der Lymphozytenprozente vereinzelt findet (Ein- horn: bis52°/0> Gräber: bis 61%) wiesen Strauß und Rohnstein für schwere Fälle von Chlorose auffällig niedrige Prozentzahlen' für die Lymphozyten nach. Naegeli legt auf diese Lymphozytenverminderung besonderen Wert. Für ihn ist die Lymphopenie der Chlorotischen eine fast gesetzmäßige Er- scheinung und ein Ausdruck für die Hypofunktion des lymphatischen Apparates. Die Lymphopenie klingt mit der Besserung des roten Blutbildes allmählich wieder ab. Wegen der hohen symptomatischen Bedeutung der Lymphopenie gebe ich eine von Naegelis Beobachtungen hier wieder: 21 jährige Kranke mit einer nach Anamnese und klinischem Befund klassischen Chlorose. Datum Hämoglobin Rote Färbeindex Leukozyten Lymphozyten in °7 111 /o Blutkörperchen in % 12. 5. 1917 28 2,88 Mill. 0,5 6311 14,5 18. 5. 1917 43 3,54 „ 0.54 6600 13.9 30. 5. 1917 69 4,58 „ 0,66 7288 18,6 13. 6. 1917 73 4,50 „ 0,77 — 19,5 14. 12. 1917 87 5,18 „ 0,85 5710 17,7 Diese und andere Beobachtungen zeigen, daß in den verschiedenen Stadien der Chlorose das Verhalten der Lymphozyten ein wechselndes ist. Eine echte Lymphozytose ist von den neueren Autoren nie mehr angegeben worden. Ihr Fehlen wird geradezu als Argument für die Abwesenheit von infektiösen und toxischen Ursachen oder Hilfsursachen gewertet (Naegeli). Für die Monozyten und Eosinophilen sind gesetzmäßige Abweichungen vom Normalen nicht gefunden worden. Der Atmungsapparat bei Chlorose. 83 Für die leichten Fälle betont Türk die besondere Häufigkeit hoher Mast- zellenwerte bis zu 2 und 21/2°/0. In schweren Fällen ist die Granulozytose seltener. Literatur. Arneth: Dtsch. med. Wochenschr. 1906. Nr. 17. — Bequerel und Rodier: Unter- suchungen über die Zusammensetzung des Blutes im gesunden und im kranken Zustande. Deutsch von Eisenmann. Erlangen 1845 und 1847. — Beumer und Bürger: 1. c. — Dun- can: Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. 55, Abt. II, S. 516. 1867. — Einhorn: Über das Verhalten der Lymphozyten zu den weißen Blutkörperchen. Inaug.-Diss. Berlin 1884. — Erben: Über die chemische Zusammensetzung des chlorotischen Blutes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 47, H. 3u.4. — Gräber: Zur klinischen Diagnostik der Blutkrankheiten. Leipzig 1888. — Griesbach: Dtsch. med. Wochenschr. 1921. S. 1259 und persönliche Mitteilungen. — Hammerschlag: Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 21. 1892. — Hanot und Matthieu: Arch. gen. Tom. 30 p. 676. 1877. - Hoke: Zeitschr. f. Heilk. N. F. Bd. 2. 1901. — Jakobi: Inaug.-Diss. Berlin 1887. — v. Jaksch: Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 24. 1894. — Koßler: Zentralbl. f. inn. Med. 1897. — Morawitz: Münch. med. Wochenschr. 1910. Nr. 27. — Muir: Journ. of anat. a. physiol. Vol. 25. 1891. — Naegeli: Zit. nach Froh maier: Fol. haematol. Bd. 20 S. 115. 1915. — v. Noorden: Die Bleichsucht. Wien 1897. — Otten: Jahrbücher der Hamburger Staatskrankenanstalt. Bd. 10. 1905. - Plesch: Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 63. 1907 und Bd. 93. 1922. — Smith, L.: Transact. of the Kathol. Soz. London Vol. 2. 1900. — Strauß und Rohnstein: Blutzusammen- setzung bei Anämien. Berlin 1901. Der Atmungsapparat. Viele Chlorotische kommen wegen ihres Gefühls von Luftmangel und Beklemmung bei der geringsten körperlichen Anstrengung zum erstenmal in ärztliche Beobachtung. Eine sorgfältige Untersuchung des Atmungsapparats deckt keine objektiven Veränderungen an den Lungen als Ursache für die Arbeitsdyspnoe auf. In alten Berichten über die Chlorose (H. Schulze) wird von der Häufigkeit eines chronischen Bronchialkatarrhs bei Chlorosen gesprochen und eine schlechte Ernährung der Kapillaren mit einer ver- mehrten Transsudaten in die Bronchien für die katarrhalischen Erschei- nungen verantwortlich gemacht. Es scheint, daß man früher häufiger beginnende Spitzentuberkulosen mit Chlorosen verwechselt hat. Tatsächlich kann ein tuberkulöser Prozeß von geringer anatomischer Ausbreitung bereits eine sekundäre Anämie erzeugen, die bei unrichtiger klinischer Bewertung der Lungen Veränderungen zu der Fehldiagnose der Chlorose führt. Eine sichere Differentialdiagnose ist in solchen Fällen sowohl in therapeutischer wie in prognostischer Beziehung von größter Tragweite. Wenn auch ein gegenseitiges Abhänigkeitsverhältnis von Chlorose und Tuberkulose von allen neueren Autoren abgelehnt wird, so können doch, worauf Hajem mit Recht hinweist, bei jungen Mädchen mit latenter Tuberkulose Chlorosen, die von diesem Infekt voll- kommen unabhängig sind, zur Ausbildung gelangen. Die Atmungsfrequenz ist nicht nur bei körperlichen Anstrengungen, sondern häufig auch bei Bettruhe deutlich erhöht (v. Noorden). Röntgenuntersuchungen der Lungen haben bei Chlorotischen einen ungewöhnlich hohen Stand des Zwerchfells ergeben, woraus eine Verflachung der Atmung abzuleiten ist. Die oberflächliche Atmung der Chlorotischen bedingt eine schlechte Entfaltung der Lungen, die Lungenränder retrahieren sich, es kommt zu Rand- atelektasen. Durch eine systematisch durchgeführte Atemgymnastik kann ein tieferer Stand der Lungenränder erzwungen werden, woraus geschlossen werden muß, daß dem Hochstand des Zwerchfells und der Retraktion der Lungenränder lediglich symptomatische Bedeutung zukommt. Über die Ventilationsgröße bei Chlorotischen fehlen systematische Unter- suchungen. 6* 84 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Literatur. Havem: Du sang et de ses alterations anatomiques. Paris 1889; Sem. med. 1895. p. 179 und 1896. p. 116. — v. Noorden und v. Jagic: Die Bleichsucht. Wien 1912. — Schulze, H.: Über Chlorose. Inaug.-Diss. Berlin 1868. Störungen am Zirkulationsapparat. Über die Störungen am Zirkulationsapparat wurde im allgemeinen Teil eine ausführliche Darstellung gegeben. Wie bei allen sekundären Anämien, so kommen auch bei der Chlorose sowohl an den Gefäßen wie am Herzen Ver- änderungen vor, welche einerseits auf die veränderte Blutzusammensetzung und bezüglich der auskultatorischen Phänomene auf die Retraktion der Lungen- ränder zurückzuführen sind. Die Untersuchungen des Zirkulationsapparates bei der Chlorose ergeben bezüglich der Herzgröße im allgemeinen negative Resultate. Dort wo die Herz- größe auf orthodiagraphischem Wege bestimmt wurde, zeigte sie sich im Ver- gleich mit den Normal werten nach Dietlen regelrecht (dagegen Otten, Rolly und Kühnel). Von älteren Autoren, z. B. Gautier, war in einigen Fällen von Chlorose eine Hypertrophie des Herzens gefunden worden. Man hatte diese Hypertrophie erklärt mit einer erhöhten Arbeitsleistung, welche der funktionell geschwächte Herzmuskel auch bei normalen Anforderungen zu leisten habe. Diese Auffassung hat keine Bestätigung gefunden. Die Herzdämpfung ist, wie auch v. Noorden betont, mit großer Zurück- haltung für die Diagnose Herzerweiterung zu verwerten. Die absolute Herz- dämpfung findet man besonders bei bettlägerigen Patientinnen, oft nach rechts bis zur Mitte des Sternums reichend, gelegentlich sogar bis zum rechten Sternal- rand oder darüber hinaus. Die Verbreiterung der absoluten Herzdämpfung ist aber nicht auf eine Vergrößerung resp. Dilatation des Herzens, sondern auf veränderte Lagebeziehung der Lunge zum Herzen zurückzuführen. Genauere Untersuchungen des Standes der Lungengrenzen zeigen, daß deren untere Grenze höher als normal steht, die Lungen also offenbar kleiner geworden sind. Die Lungenränder bedecken infolge dieser Verkleinerung das Herz weniger als in der Norm. Die Retraktion der Lungenränder gibt eine breitere Fläche des Herzens frei und führt auf diese Weise zu einer Verbreiterung der absoluten Dämpfung. Die Erklärung für diese Verkleinerung der Lungen ist in funktionellen Momenten zu suchen, v. Noorden betont die flachere Atmung der Chlorotischen, welche zu einer schlechten Ausdehnung der Lunge führen. Die ausgiebige tiefe Atmung kann innerhalb weniger Tage das Lungenvolumen derart vergrößern, daß der Normalstand der Lungengrenzen wieder erreicht wird und die Herzdämpfung auf ihre normale Größe zurückgeführt wird. Für die Beurteilung der Herz- größe bei Chlorotischen ist ein Befund von Grumnach von besonderer Be- deutung. Er fand bei 4 Chlorotischen einen ungewöhnlich hohen Stand des Zwerchfells. Durch diesen abnormen Zwerchfellstand erleidet das Herz eine Verlagerung, es steht mehr horizontal als in der Norm. Diese Querlagerung des Herzens mag die älteren Autoren, welche über die Herzgröße bei Chlorose sich geäußert haben, nicht selten getäuscht und zu der Auffassung geführt haben, daß eine Dilatation und Hypertrophie des rechten Vorhofs vorliege. Auch die Verlagerung des Spitzenstoßes nach außen ist auf diesen Hochstand des Zwerchfells zurückzuführen , und hat im Verein mit der Retraktion der Lungenränder eine Hypertrophie des linken Ventrikels annehmen lassen. Von wenigen Ausnahmen zweifelloser echter Herzdilatation abgesehen (Otten). sind in der großen Mehrzahl der Fälle normale Größe des Herzens der Chlorotischen gefunden. Störungen am Zirkulationsapparat bei Chlorose. 85 Die Leistungsfähigkeit des Herzens der Chlorotischen ist selten in nach- weisbarer Weise gestört. Die Klagen über starkes häufiges Herzklopfen, die fast alle Chlorotischen vorbringen, sind nicht nur auf subjektive Eindrücke zurückzuführen, sondern sind sehr häufig der Ausdruck einer erregten Herztätigkeit. Diese Art des Herzklopfens tritt in der Regel bei mehr oder weniger leichten körperlichen Anstrengungen hervor. Muskelbewegungen, die für einen gesunden Menschen kaum eine Anstrengung bedeuten, und nicht als solche empfunden werden, werden von Chlorotischen häufig mit starkem Herz- klopfen beantwortet. Die Frequenz der Herzaktion nimmt dabei zu und über- dauert die Anstrengung nicht selten mehrere Minuten. Der Puls kann dabei vollkommen gleich und regelmäßig bleiben. Der Puls ist groß, gut gefüllt, und nicht selten wie beim fiebernden Menschen deutlich dikrot. Diese Form der Herzpalpitation wird den Kranken nicht zu jeder Zeit bewußt. Bei abge- lenkter Aufmerksamkeit können sie die erregte Herztätigkeit vollkommen ver- gessen, während sie bei aufmerksamer Selbstbeobachtung sofort über das quälende Gefühl des Herzklopfens, auch nach geringeren Anstrengungen, klagen. Diese lebhaftere und beschleunigte Herztätigkeit nach geringen körperlichen An- strengungen ist als ein kompensatorischer Vorgang zu deuten. Die für den gesteigerten Sauerstoffbedarf der arbeitenden Gewebe nötigen Mengen Sauerstoff werden durch einen beschleunigten Blutumlauf an die Gewebe herangetragen und diese Steigerung der Umlaufsgeschwindigkeit durch eine Zunahme der Herzfrequenz vielleicht auch durch Vergrößerung des Schlagvolumens bewerk- stelligt. Bei allen Formen der Anämie einschließlich der Chlorose treten in einer großer Zahl der Fälle Geräusche über den venösen Gefäßen auf. Am häufigsten werden diese Geräusche über den Jugularvenen nachgewiesen. Gelegentlich sind sie auch über den Kruralvenen hörbar. Die Geräusche haben einen eigentümlichen sausenden, blasenden, seltener brummenden Charakter. Sie werden als Nonnengeräusch oder Nonnensausen von den Franzosen als ,,bruit de diable" beschrieben. Am leichtesten nachweisbar sind sie, wenn man bei aufrechter Körperhaltung das Stethoskop an der Grenze zwischen Sternal- und Klavikularportion des M. sternocleidomastoideus ohne Druck aufsetzt. Man hört neben den Tönen der Karotis an dieser Stelle das laut sausende, seltener musikalisch pfeifende Geräusch, an welchem man leicht gewisse rhyth- mische Verstärkungen erkennen kann. Diese Verstärkungen sind abhängig einmal von der Atmung, anderseits von der Herzaktion. Am auffälligsten und für den Charakter des Geräusches als Venengeräusch bestimmend ist die inspiratorische Verstärkung. Daneben ist oft ein systolisches und diastoli- sches Lauterwerden deutlich festzustellen. Im Stehen wird das Geräusch im allgemeinen häufiger und lauter gehört als im Liegen. Beim Drehen des Kopfes nach der entgegengesetzten Seite wird das Geräusch gleichfalls lauter. Druck auf die Vene mittels des Stethoskops pflegt das Geräusch anfänglich zu ver- stärken, bei stärkerem Druck verschwindet es. Ist das Nonnensausen nur schwach ausgeprägt, hört man gelegentlich nur im Inspirium oder während der Herzsystole oder Diastole das Geräusch. Es gewinnt dadurch einen dis- kontinuierlichen Charakter, was zu Verwechselungen mit respiratorischen oder kardialen Geräuschen Anlaß geben kann. Besonders der diastolische Anteil der Venengeräusche kann durch Fortleitung über dem Herzen akzidentelle diastolische Geräusche vortäuschen. Ist das Geräusch sehr stark entwickelt, so fühlt die auf den Bulbus aufgelegte Hand ein eigentümliches Schwirren („Sandlaufen"). Für die Erklärung des Venensausens sind zwei Momente ange- führt worden. Da am Bulbus das Blut aus einem engeren in ein weiteres Gefäß abströmt, müssen hier wegen der daraus resultierenden Saugwirkung transversale 86 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Schwingungen im Bereich des erweiterten Gefäßabschnittes eintreten. Da diese anatomischen Verhältnisse aber bei gesunden und anämischen Individuen im allgemeinen die gleichen sind, genügt diese Erklärung nicht. Der wesent- liche Faktor wird wie bei den akzidentellen Herzgeräuschen auch bei den Venen- geräuschen die erhöhte Stromgeschwindigkeit des Blutes sein, welche ich bei direkter Beobachtung mit Hilfe des Kapillar mikroskops an anämischen Menschen nachweisen konnte. Diese gesteigerte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes ist neben dem vergrößerten Schlagvolumen der Anämischen vor allem auf die verringerte Viskosität des anämischen Blutes zurückzuführen. Daß das Nonnensausen bei aufrechter Körperhaltung lauter hörbar ist als in horizontaler Lage, steht mit dieser Annahme in guter Übereinstimmung. Durch den Einfluß der Schwere wird der Blutstrom in der Jugularis offenbar beschleunigt. Die Erfahrung, daß das Nonnengeräusch rechts häufiger und deutlicher hörbar ist als links, wird auf anatomische Verhältnisse zurückgeführt: Die V. jugularis dextra ist nahezu die geradlinige Fortsetzung der rechten Anonyma, die linke Jugularis dagegen mündet unter stumpfem Winkel in die linke Anonyma ein, woraus eine Verminderung der Stromgeschwindigkeit in der linken Vene resultiert. Die Drehung des Kopfes nach der entgegengesetzten Seite wirkt im Sinne einer leichten Venenkompression. Die inspiratorische Verstärkung ist aus der Beschleunigung, welche der venöse Blutstrom in der Einatmungsphase erleidet, leicht erklärlich. Auch während der Herzsystole und Diastole kommen solche Strombeschleunigungen zustande. Die diagnostische Bedeutung der Venen- geräusche ist nicht sehr erheblich. Sie sind durchaus nicht bei allen anämischen Individuen regelmäßig zu finden und kommen außer bei anämischen auch bei anderen Zuständen vor (M. Basedow). Sahli verwendet die Existenz von Nonnengeräuschen mit Nutzen zur Beurteilung der akzidentellen Natur gleich- zeitig vorhandener Herzgeräusche. Wie bereits bemerkt, sind bei der Chlorose die Zeichen einer besonderen Er- regbarkeit des Vasomotorenapparates sehr häufig festzustellen. Der rasche Wechsel zwischen der eigentümlich blassen Hautfarbe und dem jähen Erröten ist für die Bleichsüchtigen geradezu charakteristisch. So wird auch das Wechsel- spiel zwischen dem oft geklagten Kältegefühl und einer rasch ,, auf steigenden Hitze" verständlich. Seltener kommt es zu Gefäßkrämpfen in den feinsten präkapillaren und kapillaren Gefäßabschnitten. Die Sensationen dabei steigern sich von einem unangenehmen quälenden Kältegefühl, vor allem in Händen und Füßen zu lebhaften Schmerzen mit dem Gefühl des Abgestorbenseins. Dieses Absterben der Finger, die Asphyxie locale, stellt sich auf die geringsten peripheren Kältereize ein und kann auch bei vollkommener Ausschaltung jeden Kältereizes wochen- und monatelang sich immer wiederholen. Es ent- wickeln sich also Bilder, die mit dem ersten Stadium der Raynaudschen Krank- heit viel Ähnlichkeit haben. Solche Zustände können mit den entgegengesetzten einer vermehrten Blutfüllung, die gleichfalls mit heftigen Schmerzen einher- gehen können (Erythromelalgie), abwechseln. Mit dieser gesteigerten Empfind- lichkeit des Vasomotorenapparats hängt offenbar eng zusammen die Neigung der Chlorotischen zur Bildung von Frostbeulen. Hier hat die verschlechterte Durchblutung des Gewebes zu Ernährungsstörungen geführt, als deren anatomi- scher Ausdruck die Pernionen anzusehen sind. Eine weitere bei Chlorose häufige Erscheinung an den Gefäßen ist die Neigung zur Thrombenbildung. Auf die Häufigkeit oder das Vorkommen von Venenthrombose bei Chlorose ist von Trousseau im Jahre 1860 hingewiesen worden; seit dieser Zeit mehrten sich die Publikationen über die chlorotische Venenthrombose ziemlich rasch. Das Vorkommen der Thrombose ist im allgemeinen bei der Chlorose nicht sehr häufig. Nach einer Störungen am Zirkulationsapparat bei Chlorose. 87 Zusammenstellung von Quenstedt waren bis zum Jahre 1902 91 Fälle von Venenthrombose bei Chlorose publiziert. Die Symptome der Venenthrombose sind bei der Chlorose die gleichen wie bei Thrombosen aus anderen Ursachen. Es treten manchmal sehr starke Schmerzen auf, die sich ungefähr auf das Gebiet einer Vene beschränken. Ist die Thrombose an den unteren Extremitäten ausgebildet, so vermögen die Patienten nicht mehr aufzutreten, ja im Bett kaum ihre Lage zu wechseln, weil bei den geringsten Bewegungen sofort ein intensiver Schmerz einzusetzen pflegt. Die Sinusthrombose kündigt sich durch den heftigen Kopfschmerz, der medi- kamentös schwer zu bekämpfen ist, an. Die zunehmende Steigerung des Liquor - drucks führt auf dem Weg des Vagus zur Puls verlangsamung, während bei anderen Ortes lokalisierten Thrombosen eher eine Pulsbeschleunigung gefunden wird. Weiter kommt es bei der Sinusthrombose zur Stauungspapille, die zu- sammen mit der Somnolenz, Übelkeit, dem Erbrechen als Zeichen gesteigerten intrakraniellen Drucks aufzufassen ist. Sobald die Thrombose zu einer voll- kommenen Verlegung der Vene geführt hat, kommt es in dem Verteilungs- gebiet der Vene zur Ausbildung eines Ödems. Das Ödem kann so fest werden, daß es zu einer erheblichen Spannung der dar üb erliegenden Hautpartien kommt, die dadurch ein glattes und glänzendes Aussehen gewinnen. Es wird dann unmöglich, durch diese gespannte Haut die thrombosierten Stränge zu tasten, zumal jede Berührung, auch die leiseste heftige Schmerzen verursacht. Sind tiefer liegende Venen verschlossen, so erweitern sich infolge stärkerer Inanspruchnahme die oberflächlich gelegenen, wodurch die Venenzeichnung der Haut auf der erkrankten Seite wesentlich deutlicher wird. Es ist verständlich, da 3 die Ausbildung eines solchen kollateralen Kreislaufs immer erst nach längerem Bestände der Thrombose in Erscheinung tritt. Zu dieser Zeit pflegt das Ödem abzunehmen und jetzt werden durch die weichere Haut die thrombosierten Venen palpabel. Sind tiefer liegende Venen befallen, so kann das Ödem der Haut vollständig ausbleiben. Es gelingt dann nur durch tief wirkenden Druck, den charakteristischen Schmerz auszulösen. Solche Fälle mit tiefliegender Thrombose sind insofern von besonderer Bedeutung, als sie leicht übersehen werden können und der Patient durch zu frühes Aufstehen oder gar durch Verordnungen von Massage, Spazierengehen oder Turnen der Gefahr einer Pulmonalembolie ausgesetzt wird. Es finden sich in der Literatur verschiedene Fälle schwerster Chlorose, welche durch dieses unglückliche Ereignis zum Exitus kamen. Neben der Schwellung, Schmerzhaftigkeit und Tastbarkeit der throm- bosierten Stränge ist als weiteres diagnostisches Hilfsmittel eine leichte Er- höhung der Körpertemperatur festgestellt worden. Das Fieber über- schreitet selten 39°. Die Temperaturerhöhung hält nur wenige Tage an, um mit dem Zurückgehen der Ödeme wieder zur Norm zurückzukehren. Nach einer Statistik von Otten über 91 Fälle von reiner Thrombose ver- teilen sich die Lokalisationen der Thrombose folgendermaßen: 1. Art. cerebri media (Fossa Sylvii) 2 Fälle. 2. Art. axillaris 1 Fall. 3. Art. pulmonalis 4. Rechte Herzkammer 5. Vena cava inferior 6. Venen der oberen Extremität 7. Sinus cerebralis 22 Fälle. 8. Sinus cerebralis und Venen der unteren Extremität . . 1 Fall. 9. Venen der oberen und unteren Extremität 10. Venen der unteren Extremität 60 Fälle. In dieser Zusammenstellung fällt die Häufigkeit der Sinusthrombose und die Bevorzugung der Venen der unteren Extremitäten auf. Daß die Venen 88 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. der unteren Extremitäten am häufigsten befallen werden, ist eine allen Venenthrombosen gemeinsame Erscheinung, welche mit den besonderen Zirku- lationsverhältnissen in diesem Venengebiet in Verbindung gebracht wird. Von verschiedenen Autoren wird eine gewisse Bevorzugung im Befallensein des linken Beines hervorgehoben, welche mit der besonderen Topographie der beiderseitigen Venen in Zusammenhang gebracht wird. Die V. iliaca com. sin. mündet nämlich unter einem Winkel von 135° in die V. cava inferior ein, während die V. iliaca dextra sich fast geradlinig in die V. cava fortsetzt. Durch dieses Verhalten soll ein Stromhindernis für das aus der linken Schenkelvene kommende Blut gegeben sein. Die besondere Häufigkeit der Sinusthrombose in den Statisti- ken wird wohl mit Recht darauf bezogen, daß diese im allgemeinen tödlich ver- laufenen Fälle häufiger publiziert werden als die prognostisch wesentlich günsti- geren Thrombosen in anderen Venengebieten. Die Entstehungsursache bei der spontanen Thrombose bei Chlorose sind bis heute nicht vollkommen auf- geklärt, v. Noorden neigt zu der Auffassung einer Mitbeteiligung von Mikro- organismen bei der chlorotischen Thrombose und führt für diese Auffassung vor allem das fast nie fehlende Fieber ins Feld. Ihm selbst gelang aber bei der Punktion einer thrombosierten V. saphena der Nachweis von Bakterien nicht. Andere Momente, die für die Ausbildung der Thrombosen verantwort- lich gemacht wurden, sind die Verlangsamung des Blutstroms und Alteration der Gefäßwand selbst. Für eine Strom verlangsamung bei Chlorose fehlen sichere Anhaltspunkte, wir glauben aus oben angeführten Gründen eher an eine Beschleunigung. Die Alteration der Gefäßwand ist wohl zuerst von Virchow beschrieben worden, der in der Aorta eigentümliche Wellen oder gitterförmige Erhabenheiten feststellte. Eichhorst erklärt die Venenthrombose als durch Verfettung der Endothelien auf der Intima mit nachfolgender Thrombenbildung entstanden. Aber besonders darauf gerichtete histologische Untersuchungen konnten lokale Veränderungen in der Wand der Venen nicht aufdecken (Gut- heil, v. Recklinghausen). Auf weitere Hypothesen einzugehen, erübrigt sich zumal über die ihnen zugrundeliegenden Befunde keine Einigkeit besteht. Nur eine Beobachtung verdient hervorgehoben zu werden: die Thrombozytose. Von verschiedenen Seiten (Hajem, Litten, Grawitz) ist auf die starke Ver- mehrung der Blutplättchen hingewiesen worden. Da wir die hervorragende Rolle der Thrombozyten für die Thrombenbildung kennen, ist es naheliegend, die Neigung der Chlorotischen zur Chlorose mit dieser Vermehrung der Blut- plättchen in Beziehung zu bringen. Eine Beschleunigung der extravasalen Blutgerinnung, die auch behauptet wurde, konnte von Litten und v. Noorden allerdings nicht bestätigt werden. Es muß somit die letztere Neigung der Chlorotischen zur Thrombose bis heute als unaufgeklärt gelten. Das Verhalten des Magen- Darm kanals bei Chlorose. Die bei Chlorotischen gefundenen Symptome von Seiten des Magendarm - kanals sind sehr mannigfaltig. Es ist mir zweifelhaft, ob ein innerer Zusammen- hang mit dem Grundleiden sich erweisen läßt. In älteren Darstellungen wird die Gastroptose besonders hervorgehoben. Speziell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen an der v. Leubeschen Klinik zeigten jedoch, daß nur in einem Viertel der Fälle eine Gastroptose sich nachweisen läßt (Rostoski). Eine echte Dilatation des Magens kommt nicht vor. Die sekretorischen Funktionen des Magens sind in einer großen Reihe von Fällen unverändert, in einer Gruppe anderer Falle besteht Hyperehlor- hydrie. Nur ausnahmsweise kommen Verminderungen der Salzsäureausscheidung Das Verhalten des Magen-Darmkanals bei Chlorose. 89 vor. Es muß zudem betont werden, daß, wie mir eigene Untersuchungen im Felde zeigten, die Säuresekretion bei erregbaren Menschen starke Abhängig- keit von psychischen Einflüssen hat, und daß bei dem psychisch labilen chlo- rotischen jungen Mädchen gelegentlich die Tatsache der Untersuchung allein Veränderungen der Säureproduktion zur Folge haben kann, ohne daß man aus dem gefundenen Resultat irgendwelche inneren Beziehungeu zur Chlorose ableiten könnte. Die subjektiven Beschwerden der Chlor o tischen, welche mit Störungen der Magen - Darmfunktion Beziehung gebracht werden, sind sehr zahlreich. Da wo ein leichtes Druckgefühl oder lebhafte Schmerzen nach dem Essen geklagt werden, sollte man immer, ehe man sich zu der Diagnose Chlorose entschließt, an ein latentes Ulcus ventriculi, resp. duodeni denken. Es gibt jedenfalls zu denken, daß mit Verbesserung der Untersuchungstechnik die Zahl der Kranken, welche an einem Ulcus ventriculi resp. duodeni leiden, wenigstens in meinem Beobachtungsbereich dauernd im Wachsen begriffen ist, während umgekehrt die Fälle mit echter Chlorose immer spärlicher werden, in den letzten Jahren geradezu eine Seltenheit darstellen. Die Ungleichmäßigkeit des Appetits, die Neigung, saure und stark gewürzte Speisen zu bevorzugen, welche abwechseln mit Perioden gänzlicher Appetit- losigkeit, wird gleichfalls dem Symptomenkomplex der Chlorose zugerechnet. Da wo sorgfältige Untersuchungen über die sekretorischen und motorischen Leistungen des Magens durchgeführt wurden, zeigte sich dieser in der Regel ungestört. Das gleiche gilt auch für Verdauung und Resorption im Magendarmkanal. Die einzige Abweichung, von der oft die Rede ist, ist die erschwerte Stuhlent- leerung. Die Tatsache der Stuhlträgheit bei Chlorotischen hat zu der Hypothese der intestinalen Autointoxikation geführt; besonders darauf gerichtete Unter- suchungen, bei welchen Bestimmungen der Ätherschwefelsäure des Harns durchgeführt wurden, ergaben meist Zahlen, welche im Bereich der physiologisch vorkommenden Schwankungen liegen. Eine Steigerung der Eiweißfäulnis als Ursache der Chlorose anzusehen, liegt nach den bekannt gewordenen Unter- suchungen kein Grund vor (Rethers, v. Noorden). Mit der häufigen Obsti- pation steht die Beobachtung stärkerer Schleimproduktion des Dickdarms im Zusammenhang. Die lange im Dickdarm lagernden wasserarmen harten Kot- massen reizen den Dickdarm zu stärkerer Schleimproduktion. Das Resultat dieser Mehrproduktion ist dann nicht selten, daß die harten Kotballen in Schleim gehüllt entleert werden, in anderen Fällen überdauert der Reizzustand der Schleimhaut die Anhäufung der Kotmassen im Dickdarm, die Patientinnen entleeren unter diesen Umständen schleimige Massen ohne Skybala. Solche Ent- leerungen können mit Schmerzen verbunden sein (Colica mucosa). Es ver- dient hervorgehoben zu werden, daß alle diese Erscheinungen ohne entzünd- liche Veränderungen der Dickdarmschleimhaut ablaufen, und daß es nicht berech- tigt ist, in solchen Fällen eine Colitis mucosa zu diagnostizieren (v. Noorden). Über Veränderungen an den großen Verdauungsdrüsen, Leber, Pankreas ist nichts bekannt geworden. Eine breite Diskussion hat sich über das Verhalten der Milz bei den Chlo- rotischen entwickelt. Zur Entscheidung der Frage nach der Milz Vergrößerung müßten zunächst alle Fälle mit Komplikationen ausscheiden, ferner ist zu betonen, daß die bloße Tastbarkeit des unteren Milzpols nichts aussagt über die wahre Größe des Organs, bei einer Erkrankung bei welcher eine Verlage- rung der Bauchorgane als Begleitsymptom so häufig gefunden wurde. In neueren Obduktionsprotokollen fehlen Angaben über Milztumoren. Die Ergebnisse klinischer Untersuchungen sind wechselnd. Während Türk die Frage, 90 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. ob Vergrößerung oder Splenoptose vorliegt, offen läßt, ist nach Naegelis und meinen eigenen Erfahrungen eine sichere Milzvergrößerung in unkomplizierten Fällen nicht vorhanden, v. Noorden betont ausdrücklich, daß er in 45°/0 der Fälle seiner Privatpraxis die Milz in Inspirationsstellung des Thorax am Rande des Rippenbogens tasten konnte. Aber auch er läßt die Frage ob echte Vergrößerung oder Ptose, offen. So viel scheint mir jedensfalls sicher, daß die Veränderungen der Milz bei Chlorose ihrem Wesen und ihrer Bedeutung nach nicht in Parallele gestellt werden können mit den Vergrößerungen und Veränderungen dieses Organs, wie wir sie bei anderen Formen der Anämie, z. B. bei perniziöser Anämie, zu finden gewohnt sind. Literatur. v. Noorden: 1. c. — Rethers: Inaug.-Diss. Berlin 1891. — Rostoski: Münch. med. Wochenschr. 1900. Nr. 49. — Quenstedt, Venenthrombose bei Chlorose. Diss. Tübingen 1902. Sinnesorgane und Nervensystem. In seltenen Fällen wird über quälende störende Gehörsempfindungen, Ohren- sausen, Klingen in den Ohren geklagt. Eine objektive Untersuchung kann dabei weder eine Abschwächung des Hörvermögens noch andere krankhafte Veränderungen am äußeren oder inneren Ohr aufdecken. Die Erscheinungen, welche sich an dem empfindlichen nervösen Apparate zeigen, sind den Ohn- machtsempfindungen in Parallele zu setzen, welche bei schwer anämischen Individuen auftreten, besonders wenn sie sich plötzlich aus der horizontalen Lage in die senkrechte Körperhaltung aufrichten. Unter den Erscheinungen von Seiten des Auges werden am häufigsten Flimmern vor den Augen, Schwarzsehen, Augenschmerzen nach angestrengtem Lesen geklagt. Die Erscheinungen schließen sich häufiger an Ohnmachtsanfälle und sind durch eine mangelhafte Blutversorgung des empfindlichen Sehorgans zu erklären. Eine genauere spezialärztliche Untersuchung deckt in einigen Fällen das Bestehen einer Hemeralopie und einer konzentrischen Gesichtsfeld- einengung auf. Die ophthalmoskopische Untersuchung läßt sofort die blaß gefärbten Ge- fäße der Retina erkennen, die an der Grenze der Papille abzubrechen scheinen. Die schwach gefärbte Blutsäule wird von dem weißlichen Licht, das die Papille zurückgibt, z. T. durchstrahlt, besonders wenn der Hämoglobingehalt unter 40°/0 absinkt (Heine). Die an den peripheren Gefäßgebieten zu beobachtenden Erscheinungen des Kapillarpulses und des sogenannten penetrierenden Venen- pulses sind häufig auch an den Netzhautgefäßen zu beobachten. An den Netz- hautarterien sieht man spontane Pulsation und Bewegungen an den Krümmungs- stellen, auch die Netzhautvenen lassen pulsatorische Bewegungen erkennen. Bei schweren Chlorosen ist der ganze Hintergrund blasser als normal und wenig getrübt. Es treten mehr oder weniger zahlreiche Blutpünktchen verschiedener Größe auf, daneben gelblichweiße Exsudatflecken, so daß das Bild der nephri- tischen Neuroretmitis vorgetäuscht wird (Eversbusch). Am Sehnervenkopf werden gelegentlich entzündliche Veränderungen, Neuritis optici, gesehen. Die von einigen Autoren beobachtete typische Stauungspapille darf man wohl in Zusammenhang bringen mit den bereits von Quincke gefundenen Erscheinungen des gesteigerten Hirndrucks bei Chlorotischen. Es sind ferner bei Chlorose gelegentlich Skleritis, Keratitis, Zyklitis, Iridochorioiditis, entzündliches Glaukom beobachtet worden, ohne daß mir ein kausaler Zu- sammenhang mit dem Grundleiden sichergestellt zu sein scheint. Von den Erscheinungen am Nervensystem sind neuralgische Beschwerden im allgemeinen selten. Relativ am häufigsten wird der Trigeminus befallen. Sinnesorgane, Nervensystem. Pathologisch-anatomische Befunde bei Chlorose. 91 Die ursächlichen Beziehungen zu dem Grundleiden hat man ex juvantibus geschlossen, indem eine rationell durchgeführte Eisentherapie die Neuralgie häufig in auffallend kurzer Zeit besserte. Unter den nervösen Beschwerden an erster Stelle stehen fraglos die Kopf- schmerzen der Chlorotischen. Die Beschwerden steigern sich bis zur Uner- träglichkeit, besonders in den Fällen hochgradiger Blutarmut, bei denen nicht selten die Neigung zur Ödembildung hervortritt. Bei den leichteren Kopf- schmerzen ist, wie Quincke betont, der Lumbaidruck nicht gesteigert. Bei sehr heftigen Kopfschmerzen, wie sie in Anfällen, die sich oft über eine Reihe von Tagen erstrecken, auftreten, ist er dagegen deutlich gesteigert (Quincke). Otten fand unter 107 Punktionen bei Chlorotischen 89 mal den Druck auf 200—400 mm gegen 100—150 mm normal erhöht. In solchen Fällen folgt der Lumbalpunktion ein Nachlaß der Beschwerden, der manchmal nur einen halben bis einen Tag vorhält. Man geht wohl nicht fehl, diese Steigerung des Lumbai- drucks mit einer vermehrten Liquorproduktion zu erklären, welche eine Teil- erscheinung der allgemeinen Ödembereitschaft der Chlorotischen darstellt. Literatur. Quincke: Zur Pathologie der Meningen. Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. 40. 1910. Pathologisch-anatomische Befunde. Es liegt im Wesen der Krankheit, welche medikamentös so leicht beein- flußbar ist, daß wir über anatomische Erfahrungen nur in sehr geringem Umfange verfügen. Die älteren Daten sind insofern unzulänglich, als im all- gemeinen die voraufgehende klinische und hämatologische Untersuchung die Diagnose nicht ausreichend sichern. Virchow findet bei der Chlorose die Aorta und die größeren Arterien, häufig das Herz und den Sexualapparat mangelhaft gebildet und schließt daraus auf eine kongenitale oder doch in früher Jugend erworbene Disposition. Obduktionsberichte, welche die von Virchow angegebenen Stigmata bestätigen sind relativ spärliche (Bollinger, Kockel). Bei den Klinikern ist die Auffassung, daß die Enge des Aortensystems die anatomische Ursache der Chlorose sei, sehr bald auf Widerspruch gestoßen. Schon die Tatsache, daß der anatomische Zustand im Laufe des Lebens sich nicht wesentlich ändert, während die Symptome der Chlorose zum mindesten therapeutisch ausgezeichnet beeinflußbar sind, muß die Lehre von der Gefäß enge als ätiologische Ursache der Chlorose erschüttern. Der am meisten auffällige anatomische Befund, welcher als direkte Todes- ursache bei der Chlorose angesprochen werden kann, ist die Sinusthrombose. Wohl bei keiner anderen Krankheit werden so viele autochthone Sinusthrom- bosen bei jugendlichen Individuen beobachtet wie bei der Chlorose (Quenstedt). Seit Trousseau zum erstenmal eine Thrombose bei einer Chlorose beobachtet hat, ist die Frage, welche ätiologischen Momente für diese Erscheinung anzu- schuldigen sind, nicht wieder aus der Diskussion verschwunden. Man hat an Alterationen der Gefäßwände gedacht. Virchow hat eigentümliche Wellen und gitterförmige Erhabenheiten der Intima der Aorta beschrieben. Andere Autoren, die danach suchten, haben irgendwelche stärkeren Veränderungen an der Wand der thrombosierten Gefäße nicht finden können (Gut heil, v. Recklinghausen). Der einzige gesicherte Befund, welcher bei der Ent- stehung der Thrombosen der Chlorotischen mit einigem Recht angeschuldigt werden kann, ist die starke Vermehrung der Thrombozyten. Die Mitwirkung der Blutplättchen bei der Thrombenbildung darf als gesicherte Tatsache gelten. Der feinere Mechanismus der Thrombenbildung bei der Chlorose ist bis heute nicht geklärt. Im übrigen sind die Befunde im wesentlichen negativ. Es mag 92 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. hervorgehoben werden, daß Birch- Hirschfeld bei zwei Fällen von Chlorose, welche durch Embolie der Arteria pulmonalis tödlich endigten, die sonst bei Anämischen fast regelmäßige fettige Degeneration des Herzmuskels, der Leber und der Nieren vermißte. Daß die Hypoplasie des Genitalapparats keine ausreichende ätiologische Erklärung für die Chlorose abgibt, lehrt schon die klinische Erfahrung. Ich habe in den letzten Jahren alle mir zugänglichen Fälle mit Infantilismus und Hypoplasie des Genitalapparates bezüglich ihres Blutstatus genauestens unter- sucht und nie irgendwelche Anhaltspunkte für eine beginnende oder aus- gebildete Chlorose finden können. Literatur. Birch - Hirschfeld: Verhandl. d. 11. Kongr. f. inn. Med. 1892. S. 15. — Bollinger: Münch. med. Wochenschr. 1887. S.296. — Gutheil: Über Sinusthrombose bei Erwachsenen. Inaug.-Diss. Freiburg 1892. — Kockel: Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 52, S. 557. 1894. - v. Recklinghausen: Handbuch der allgemeinen Pathologie des Kreislaufs. 1883. — Virchow: Über Chlorose und die damit zusammenhängenden Anomalien im Gefäßapparat. Berlin 1872. 3. Die Therapie der sekundären Anämien und der Chlorose. Die Therapie der sekundären Anämien und der Chlorose kann unter einem einheitlichen Gesichtspunkt aus dem Grunde nicht abgehandelt werden, weil die Ätiologie die zu einer Verschlechterung des Blutes führt, eine ganz ver- schiedene ist. In erster Linie ist es stets die Aufgabe rationellen ärztlichen Handelns, die Causa peccans zu suchen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß bei Malariaanämie, Wurmanämien, Anämien nach Tuberkulose, Karzinom, Lues usw. die Behandlung der Anämie erst dann von Erfolg sein kann, wenn das anämisierende Prinzip entfernt ist. Besteht die schädigende Ursache fort, so bedeutet jede Anämiebehandlung nur ein Kurieren an den Symptomen. Es liegt aber im Wesen vieler von uns abgehandelter Formen der sympto- matischen Anämien, daß wir des Grundleidens nicht Herr werden können und daß in bestimmten Stadien der Erkrankung die Verschlechterung des Blutstatus dem Krankheitsbilde so überwiegend das Gepräge gibt, daß wir auch in solchen Fällen durch geeignete Maßnahmen, wenn auch nur vorüber- gehend, den Zustand des Blutes zu bessern versuchen und dadurch dem Kranken, wenigstens symptomatisch, helfen. Solche Überlegungen gelten vor allem für Zustände, bei denen das Grundleiden unheilbar ist, resp. geworden ist (inope- rable Karzinome, fortgeschrittene Tuberkulosen). Eine andere Reihe von Aufgaben erwächst dem Arzte dann, wenn die zur Anämie führende Schädlichkeit entfernt werden konnte, die Regeneration des Blutes aber ausbleibt, resp. so träge verläuft, daß daraus eine wesentliche Verzögerung der Rekonvaleszenz resultiert. In solchen Fällen kann eine energi- sche Behandlung der sekundären Anämie auch insofern viel Gutes leisten, als der Kranke, wenn das Grundleiden rezidiviert, mit ganz anderen Abwehrkräften in die neu aufflackernde Krankheit eintritt, z. B. bei rezidivierenden Ulkus- blutungen. Die Chlorose nimmt unter den sekundären Anämien wegen ihrer geradezu spezifischen und raschen Beeinflußbarkeit durch Eisen eine besondere Stelle ein. In gewisser Weise wird die Art des Vorgehens fernerhin bestimmt durch den Grad der Anämie. Bei akuten Blutungsanämien nach traumatischen oder chirurgischen Verletzungen, bei geplatzter Tubargravidität, bei hämorrhagi- schen Diathesen würde der Versuch medikamentöser oder diätetischer Ein- wirkung aus dem Grunde verfehlt sein, weil der Kranke unter Umständen Substitutionstherapie. 93 an den Folgen des Blutverlustes zugrunde geht, lange bevor die genannten Faktoren zur Wirkung kommen können. Unter Berücksichtigung dieser Ge- sichtspunkte können wir in der Therapie der sekundären Anämien drei wesens- verschiedene Formen der Behandlung unterscheiden 1. die Substitutionstherapie, 2. die Stimulationstherapie, 3. die diätetische Therapie. Die Substitutionstherapie. Unter Substitutionstherapie verstehen wir die Transfusionstherapie. Die Transfusion artgleichen Blutes hat eine lange Ge- schichte. Sie ist ebenso oft als gefährlich und unwirksam völlig verdammt, wie als lebensrettend hochgepriesen. Die Ursache dieser verschiedenartigen Beurteilung und der wechselnden Erfolge ist in der Hauptsache das ungleiche technische Vorgehen. Ich bin der festen Überzeugung, daß eine zu rechter Zeit mit einwandfreier Technik und einwandfreiem Material durchgeführte Transfusion lebensrettend wirken kann. Die wechselvollen Effekte, welche bei der Blutübertragung von Mensch zu Mensch beobachtet wurden, sind einerseits eine Folge der verschiedenen Art der Spenderblutgewinnung, anderseits eine solche der biologischen Reaktion, welche zwischen Spender- blut und Empfängerblut eintritt. Schließlich bringt die verschiedene tech- nische Art der Blutübertragung verschiedenartige Alterationen des Spender- bluts mit sich. Generell kann man jede Transfusion als eine Art Transplantation lebenden Gewebes betrachten. Es lassen sich daher gegen die Übertragung artfremden Blutes alle die Erfahrungen und wohlbegründeten Einwände anführen, welche Biologen und Histologen gegen die Heterotransplantation gemacht haben. Bekanntlich sind auch Versuche, Gewebe von einem Individuum auf ein anderes der gleichen Art zu übertragen, bisher nicht von dauerndem Erfolge gekrönt worden (Enderlen und Borst). Es sind auf diesem Gebiete aber für die hier zur Diskussion stehenden Fragen bereits bedeutungsvolle Beobach- tungen gemacht worden: Man sah bei Transplantationen, welche nach ausge- dehnten Hautverbrennungen nötig wurden, daß das Material, welches von Blutsverwandten stammte, in gesetzmäßiger Weise länger haftet als solches, das von Nichtverwandten herrührt (Perthes, Konjetzny). Diese wichtigen Erfahrungen lassen es angezeigt erscheinen, in Fällen, in denen eine Trans- fusion überhaupt indiziert ist, das Blut von nahen Verwandten (Eltern, Kindern oder Geschwistern) als Material zu bevorzugen. Auf die Einzelheiten der Technik soll hier nicht eingegangen werden. Be- kanntlich unterscheidet man zwischen dem Verfahren der direkten und in- direkten Transfusion. Das direkte Verfahren, d. h. die Verbindung einer Arterie des Spenders mit einer Vene des Empfängers, welche einen gefährlichen und technisch schwierigen chirurgischen Eingriff bedeutet, kommt für den Internisten nicht in Frage. Neuerdings ist das Verfahren der direkten Über- tragung technisch dadurch vereinfacht, daß man mit Hilfe einer Pumpe und entsprechender Ventilvorrichtungen das Blut aus der Vene des Empfängers ansaugt und dann nach Umstellung der Ventile in die Vene des Empfängers den Pumpeninhalt entleert. Dieses von Ölecker in Deutschland eingeführte Verfahren macht im allgemeinen die Freilegung der Venen des Spenders und Empfängers nötig, da Glaskanülen in dieselben eingebunden werden müssen. Wir haben uns aber an der Kieler Klinik davon überzeugt, daß auch durch perkutanes Einstoßen möglichst weiter metallischer Hohlkanülen in die Venen eine Blutüberführung mit Hilfe der Ölecker sehen Apparatur möglich ist, ohne daß die Venen freigelegt zu werden brauchen. Selbstverständlich muß rasch gearbeitet werden und das ganze System vorher mit einer gerinnungshemmenden 94 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Flüssigkeit (Natrium citricum-Lösung) benetzt werden. Die Gefahr der Gerinnsel- bildungen ist bei dieser Art des Vorgehens nie ganz ausgeschlossen. Handelt es sich aber um akute lebensbedrohende Blutverluste oder Blutvergiftungen (Kohlenoxyd), so wird man die Möglichkeit, ein kleines Gerinnsel in die Lunge hineinzutreiben, in Kauf nehmen, wenn man der Überzeugung ist, daß die Blut- übertragung in dem gegebenen Fall das Leben rettet. Ein neuer sehr einfacher Transfusionsapparat ist neuerdings von Beck angegeben worden, dessen Beschreibung und Abbildung ich hier wiedergebe. Die Transfusion wird mit einfacher Venenpunktion mit 1,6 mm dicken Kanülen ausgeführt. Der Apparat beruht auf dem Prinzip der ventillosen Schlauchpumpe. Durch drei exzentrisch rotierende Rollen wird ein in eine Trommel zu ein Drittel eingelegter kräftiger Gummischlauch nach einer Rich- tung ausgepreßt. Vermöge der Elastizität des Gummischlauches entfaltet sich Abb. 12. Transfusionsapparat. das Lumen des Schlauches hinter den Rollen sofort wieder und übt dadurch eine der Elastizität der Wand des Schlauches entsprechende Saugwirkung aus. Dieser Schlauch setzt sich nach dem Empfänger zu mittels eines Zwischen- stückes (Z) fort in einen dünnen Verbindungsschlauch, der am anderen Ende ein konisches Ansatzstück trägt, auf das die Punktionskanüle aufgesetzt ist. Nach der Spenderseite zu ist der eigentliche Pumpschlauch mit einem Vier- wegehahn (H) verbunden. Der Weg führt weiter durch den Hahn zu einem Verbindungsschlauch mit der Spender kanüle. Die beiden anderen Ansätze des Vierwegehahnes sind mit einem zweiten, dem ersten gegenüber in die Trommel eingelegten Pumpschlauch und einem gewöhnlichen Gummischlauch verbunden, die beide in ein Gefäß mit steriler physiologischer Kochsalzlösung tauchen. Vermöge dieser zweiten, gleichzeitig funktionierenden Schlauchpumpe und des Vierwegehahnes kann die Transfusion jederzeit unterbrochen und nach beliebiger Zeit wieder fortgesetzt werden. Durch einfache Umstellung des Vierwegehahnes wird gleichzeitig sowohl zum Empfänger wie zum Spender Kochsalzlösung durch die Schläuche durchgespült, worauf man die Transfusion beliebig lange Substitutionstherapie. 95 unterbrechen kann. Will man die Transfusion wieder fortsetzen, so hat man nur den Hahn wieder umzustellen und an der Kurbel (K) weiter zu drehen. Bei jeder Kurbelumdrehung wird eine bestimmte, vorher genau zu messende Menge übergeleitet. Man hat also nur die Umdrehungen zu zählen. Das Blut ist während der Überleitung etwa eine Sekunde außerhalb der Gefäßbahn, eine Gerinnung ist also ausgeschlossen. Die eigentliche Technik geht ohne weiteres aus der Abbildung hervor. Sie ist äußerst einfach. Die Vorbereitungen be- stehen im Auskochen der Gummischläuche, des Vierwegehahnes, der Kanülen und des Kochsalzgefäßes. Die Abbildung zeigt sämtliche für die Transfusion eventuell nötigen Hilfsmittel. Fremde Hilfe kann damit vollständig entbehrt werden. Die Menge, die übergeleitet werden kann, ist unbeschränkt. Persönlich bin ich stets ausgekommen mit dem Verfahren der Übertragung defibrinierten Blutes und habe trotz jahrelanger Anwendung desselben nie eine bedrohliche Schädigung meiner Patienten erlebt. Geringe Temperatur- steigerungen werden sich bei keiner Art des Vorgehens der Blutübertragung von Mensch zu Mensch vermeiden lassen. Sie klingen erfahrungsgemäß inner- halb der ersten 12—24 Stunden nach der Transfusion wieder ab. Die Frage, ob das übertragene Spenderblut die Funktion als Sauerstoffträger wenigstens für kurze Zeit übernehmen kann, glaube ich nach eigenen Stoffwechselunter- suchungen, in welchen die Nahrungszufuhr und Ausfuhr bei gleichzeitiger Bestimmung des Stickstoffs verfolgt wurde, bejahen zu sollen. Es kommt nicht entfernt der mit dem Blute übertragene Stickstoff in den Ausscheidungen der nächsten Tage wieder zum Vorschein. Ich habe immer wieder betont, daß durch rasch aufeinander folgende große Transfusionen eine Substitutionstherapie getrieben wird, die zugleich eine Schonung des Knochenmarkes bedeutet. Darin ist mir unter anderem Opitz mit gutem Erfolge auf dem Gebiete der Kinder- anämien gefolgt. Auch der klinische Eindruck, den man nach akuten Blutungsanämien und Übertragung größerer Mengen Verwandtenbluts gewinnt, drängt unbedingt zu der Auffassung, daß das übertragene Blut die Aufgabe des Sauerstofftrans- ports übernommen hat. Es ist vorauszusehen, daß das nicht körpereigene Blut eine wesentlich kürzere Lebensdauer im Organismus des Empfängers haben wird als ein eigenes. Die akute Gefahr kann aber trotzdem bei plötzlichen Blutverlusten oder Blockierung des Hämoglobins durch Kohlenoxyd und andere Gifte durch eine Transfusion fraglos gebannt werden. Unter den sekundären Anämien ist das Indikationsbereich der Transfusions- behandlung auf die eben besprochenen Formen beschränkt. Die chronisch ver- laufenden sekundären Anämien werden durch Transfusionen bestenfalls im Sinne der Reizkörper therapie beeinflußt, welche sich in einfacherer Weise und mit geringerem Aufgebot an Material durch intramuskuläre Injektionen von verwandtem oder nicht verwandtem Blut ersetzen lassen. Außer durch Beeinträchtigung des Sauerstofftransports ist das Leben bei den akuten Anämien allein durch die Volumverminderung des Blutes gefährdet. Durch eine schlechte Füllung des Gesamtgefäßgebietes wird eine wirksame Förderleistung des Herzens in Frage gestellt. In solchen Fällen kann die intravenöse Injektion einer Blutersatzflüssigkeit allein schon lebens- rettend wirken. An solche Blutersatzflüssigkeiten sind verschiedene Forde- rungen zu stellen, die früher nicht immer erfüllt wurden. Auf die physikalisch- chemischen Grundlagen der Lösungen, die für die intravenösen Injektionen geeignet sind, gehe ich hier nicht ein. Ein Hauptnachteil der sogenannten physio- logischen Kochsalzlösungen ist geringe Viskosität, derentwegen sie sehr rasch die Blutbahn wieder verläßt. Lehmann gibt eine Blutersatzflüssigkeit von folgender Zusammensetzung als zweckmäßig an: 96 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. NaCl 8,0 KCl 0,2 CaCl2 0,2 MgCl2 0,1 NaHC03 1,2 Gummi arabicum 70,0 Aqu. dest. ad 1000,0. Durch den Zusatz von Gummiarabikum zu den Blutersatzflüssigkeiten soll die Iso Viskosität gewährleistet werden. Die Infusion solcher Lösungen nach starken Blutverlusten bessert unmittelbar die gesamten Kreislauf Ver- hältnisse und kann dadurch allein den sonst ausbleibenden Verblutungstod verhüten. Die Stimulationstherapie. Unter den pharmakologischen Mitteln, welche zur Behandlung der Anämien zur Anwendung kommen, stehen die Eisen- und Arsenpräparate an erster Stelle. Die alten Vorstellungen, welche man sich seit der Entdeckung Menghinis, daß sich das Eisen als charakteristischer Bestandteil im Blute findet, über die Wirksamkeit desselben bei allen denjenigen Krankheiten, bei denen es notorisch vermindert ist, gebildet hat, sind viel- fachen Wandlungen unterworfen gewesen. Eine Anämie durch Eisenmangel in der Nahrung kommt praktisch bei der gemischten Kost des Menschen nicht vor. Das organisch gebundene Eisen in Fleisch, Eiern und grünen Gemüsen reicht sowohl für den wachsenden Organismus, wie für den Rekonvales- zenten nach großen Blutverlusten vollkommen aus, um seinen Bedarf zu decken. Das therapeutisch verwendete Eisen ist somit sicherlich nicht deshalb wirksam, weil der Organismus an Eisen Mangel gelitten hat, sondern aus anderen Gründen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Eisenpräparate bei normalem Blutbefund und ungestörter Funktion des hämatopoetischen Apparats offenbar nur eine geringe Wirkung ausüben, während sie bei Störungen der Blutbildung eine energische stimulatorische Wirkung ent- falten. Die Domäne des Eisens sind die verschiedenen Formen der sekundären hypochromen Anämien. Man denkt daran, daß das Eisen die Hämoglobin- synthese fördert und das Knochenmark zu einer vermehrten hämatopoetischen Leistung anstachelt. Lange Zeit galt das Dogma von der Unresorbierbarkeit der anorganischen Eisenverbindungen. Sowohl durch direkte mikroskopische Untersuchung der Darmschleimhaut wurde gezeigt, daß anorganisches Eisen vor allem von den Zotten des Dünndarms aufgenommen wird (Quincke, Gaule), wie durch Untersuchung der Duktuslymphe auf Eisen nach Eingabe von 0,06°/0iger Eisen- chloridlösung. Schließlich hat man Einnahmen und Ausgaben durch Niere und Darm nach vorheriger Eiseneingabe bei Menschen und Tieren geprüft und auf diese Weise die Tatsache der Resorption festgestellt (Hof mann). Bei künstlich eisenarm ernährten jungen Tieren hatten stets diejenigen, welchen Eisenpräparate zur Nahrung zugesetzt wurde, wesentlich mehr Hämoglobin als die Kontrolltiere (Abderhalden). Eisenzusätze zu einer Kost, welche ausreichenden Eisengehalt besitzt, zeigen einen verschiedenen Einfluß. Orga- nische Eisenpräparate (Hämatin und Hämoglobin), geben keine deutlichen Ausschläge, während anorganische Eisensalze die Hämoglobinbildimg und die Gewichtszunahme der Tiere wenigstens vorübergehend steigern. Nach den experimentellen Erfahrungen ist es daher wenig rationell, kompli- zierte und daher meist teure organische Eisen Verbindungen zu geben. Am gebräuchlichsten ist die Therapie mit Ferrum reductum in Pillen zu 0,1 bis 0,2 g mehrmals täglich. Alle Autoren sind sich darin einig, daß man bei Be- handlung aller sekundären Anämien mit großen Dosen vorgehen soll, besonders Stimulationstherapie. 97 AI der hat sich dafür eingesetzt und sagt, daß Eisengaben bis 3 g täglich nichts Ungewöhnliches seien, und daß man selbst bis zu 8 g pro die gegangen sei. Den einfachen sauer reagierenden Eisensalzen werden ätzende Wirkungen auf die Schleimhaut des Magens zugeschrieben, woraus Appetitlosigkeit, Verdauungs- störungen usw. resultieren sollen. Durch Zusatz von Alkalien kann die saure Reaktion abgestumpft und die adstringierende Wirkung der Eisensalze ge- mildert werden, weshalb die Blaudschen Pillen (Pilulae ferri carbonici) besser vertragen werden. Eine schonende Eisentherapie läßt sich ferner mit Prä- paraten durchführen, in denen das Eisen in kolloider Form enthalten ist. Morawitz gruppiert die Eisenpräparate in solche, die Eisen in leicht ab- spaltbarer und solche, die es in schwer abspaltbarer Form enthalten. Zur ersten Gruppe wird das metallische Eisen, anorganische und organische Eisenoxydul- und Eisenoxydsalze und schließlich gewisse Eisenalbuminat- und -peptonatver- bindungen gerechnet. Von dieser Gruppe wird am meisten das Ferrum reduct. empfohlen und für Patienten, die weder Pulver noch Pillen nehmen können, der Liquor ferri album. Für Kinder empfiehlt Morawitz Tinct. ferri compos. Attenstädt. Die Präparate der zweiten Gruppe enthalten das Eisen in ähn- licher Bindung wie eisenhaltige Nahrungsmittel nach dem Prototyp des Hämo- globins. Für schnelle kräftige Eisen Wirkung sind sie unbrauchbar. Abgesehen von der klinischen Besserung und der Änderung des Blutbefundes zeigt auch die vermehrte Sauerstoffzehrung der roten Blutkörperchen nach Eisenmedikation die Wirksamkeit dieses Pharmakons. Nach den bereits er- wähnten Untersuchungen von Morawitz, Douglas, Harrop, Roessingh (1), Denecke zeigen die roten Blutkörperchen bei verschiedenen Formen der menschlichen Anämie in vitro im Gegensatz zu den normalen einen deutlichen Sauerstoff verbrauch. Diese Sauerstoffzehrung des Blutes kann durch Eisen- gebrauch erheblich in die Höhe getrieben werden [Roessingh (2)]. Ich gebe einige seiner Zahlen hier wieder: Das Eisen wurde in Form des Idosans ver- abreicht . Diagnose Tägl. Fe Tage Vor Fe- Gebrauch Nach Fe- Gebrauch Nr. Hgb 7o RBK. Mill. 02-Zehrung /o Hgb % RBK. Mill. 02-Zehrung /o 1 2 3 4 5 6 Nepliritis Purpura haemorrhagica Tumor malignum . . Perniziöse Anämie . . Anämie Anämie 2,25 2,25 2,25 2,25 2,25 2,25 14 18 18 21 25 23 42 70 55 48 50 54 1,86 3,6 3,8 1,37 4,4 4,4 keine keine 12,67 keine keine 11,7 52 85 50 45 62 88 2,2 3.85 4,4 1,53 5,04 4,25 46,23 57,72 22,40 10,09 52,13 27,25. Diese erhebliche Steigerung der Sauerstoffzehrung nach Eisenmedikation ist auf die Ausschwemmung kernhaltiger roter Blutkörperchen ins periphere Blut zurückzuführen. Naegeli weist darauf hin, daß bei Chlorose schon am zweiten und dritten Tage der Eisenmedikation starke Umwälzungen des Blut- bildes im Sinne einer Hyperfunktion des Knochenmarkes nachweisbar werden. Nach diesen Erfahrungen ist das Eisen in allen Fällen typischer Chlorose das wirksamste Mittel. Versager werden nur durch Unterdosierung hervor- gerufen. Aber auch bei anderen Formen der sekundären Anämie erzielt man mit dem Eisen oft überraschende Erfolge. Bei Karzinomanämien werden so rasche Besserungen des Blutbildes erreicht, daß man an der Richtigkeit der Blutkrankheiten. II. 7 98 M. Bürger: Sekundäre Anämie, Chlorose. Diagnose irre werden kann. Es ist daher rationell, bei allen Formen der sekun- dären Anämie, bevor man zu Versuchen mit anderen Mitteln greift, die Be- handlung mit einer intensiven Eisenmedikation einzuleiten. Die Arsenbehandlung ist eher eine Domäne der hyperchromen Anämie. Wir erwarten von ihr eine Stimulierung der Zellbildung. Aber auch bei sekundären Anämien ist das Arsen seit Jahren eines der gebräuchlichsten Mittel. Die meist verwendeten Präparate sind folgende: Arsazetin 0,05 3—4 mal täglich subkutan. Liq. kalii arsenicosi als Fowlersche Tropfen. Acidum arsenicosum 0,001 bis 0,01 ; zu Injektionen Solarson. Im allgemeinen fängt man mit kleinen Dosen an und steigert die Menge allmählich. Vor zu großen Arsendosen, wie sie Neisser für die Behandlung der perniziösen Anämie empfohlen hat (er beginnt mit 20 oder auch 40 mg Acidum arsenicosum und steigert die täglichen Dosen auf 60, 80, 100, 120, 130, 140, 150 mg), möchte ich bei der Behandlung der sekundären Anämie warnen. Nach Morawitz sind organische Arsen Verbindungen für gewisse Zwecke den anorganischen weit überlegen. Die Abspaltung der wirksamen Arsenionen geschieht bei ihnen nur langsam ; ihre Überlegenheit wird dadurch verständlich, daß manche organische Arsen Verbindungen infolge ihrer anderen Löslichkeit in Zellen eindringen können, die anorganische Arsensalze schlecht oder gar nicht aufnehmen. Anorganische Arsenpräparate sollen im allgemeinen peroral, organische parenteral gegeben werden. Ob eine kombinierte Eisenarsentherapie im Einzelfalle mehr leistet als Eisen oder Arsen allein, läßt sich generell nicht entscheiden. Da, wo man mit Eisen oder Arsen nicht zum Ziele kommt, ist ein Versuch mit kombinierter Therapie gerechtfertigt. In der Praxis wird vielfach Gebrauch gemacht von eisen -arsenhaltigen Wässern, von denen hier als bekannteste folgende erwähnt seien: Levico, Roncegno, Val Sinestra und die Dürkheimer Maxquelle. Diätetische Therapie. Die Ernährung muß bei der Behandlung der sekun- dären Anämien zunächst natürlich auf den Zustand des Magen- Darmkanals und auf die Ursache der Anämie Rücksicht nehmen. Eine Anämie, welche durch ein Magenkarzinom bedingt ist, ist diätetisch anders zu behandeln als eine Blut- armut bei einer Lungen- resp. Darmtuberkulose. Hier lassen sich keine all- gemeinen Regeln aufstellen. Handelt es sich um Achylien, so wird man durch häufig wiederholte kleine Mahlzeiten, die sich aus appetitanregenden Speisen zusammensetzen, oft mehr erreichen als durch sogenannte Schonungsdiät. Stets wird man dafür Sorge tragen, daß grüne Gemüse und frisches Obst in der Kost des anämischen Kranken nicht fehlen. Besteht ein Salzsäuremangel und Pepsinarmut des Magensekrets, wird man durch Salzsäuregaben und Ver- ordnung der Azidolpepsintabletten in manchen Fällen Gutes erreichen können. Für eine regelmäßige Entleerung des Darms ist Sorge zu tragen. Auf jeden Fall ist die Diät kalorisch ausreichend zu gestalten. Da wo größere Verluste durch reichlichere Darmentleerungen zu befürchten sind, durch entsprechende Zulagen einer leicht resorbierbaren brennwertreichen Kost einer Einbuße von Körpersubstanz vorzubeugen. Morawitz betont, worauf übrigens früher schon Grawitz bei seinen Kost- vorschriften für die anämischen Kranken seines Westender Krankenhauses stets hinwies, daß Fleisch die Blutbildung anregt. In Versuchen an Menschen und Tieren zeigten Morawitz und Kühl, daß unter der Wirkung der Fleisch- nahrung der Blutumsatz des Normalen in recht erheblichem Grade beschleunigt wird. Neubildung und Untergang verlaufen in schnellerem Tempo. Unter den Verdauungsprodukten des tierischen Eiweißes werden hormonartige Körper Diätetische Therapie. 99 vermutet, die die Blutbildung anregen, was an der vermehrten Sauerstoffzehrung des Blutes gemessen wird. Gleichzeitig ist aber die Blutmauserung gesteigert, was durch die vermehrte Urobilinausscheidung angezeigt wird. Diese Tatsache wird als Ausdruck einer Gegenregulation gedeutet, insofern der vermehrten Blutneubildung sofort ein gesteigerter Zerfall folgt. Im Anschluß an ihre Er- fahrungen weisen die Autoren darauf hin, daß nicht das im Hämoglobin und allen Hämoglobinpräparaten enthaltene Eisen allein, sondern auch andere Gruppen des Hämoglobinmoleküls die wirksamen Faktoren abgeben können. Eine besondere Stellung in der diätetischen Behandlung der sekundären Anämien nimmt die Chlorose ein. Bei bestehender Hyperazidität werden die Beschwerden am besten dadurch bekämpft, daß alle scharf gewürzten Speisen, Alkohol, starker Kaffee aus dem Nahrungsregim gestrichen werden. Dagegen kann man reichlichen Gebrauch von Milch, Fett in emulgierter und nicht emul- gierter Form und Eiern resp. Eierspeisen machen. Das oft überspannte Ver- langen nach reichlicher Salzzufuhr ist zu bekämpfen, ebenso wie manche anderen Launen und Gelüste nach bestimmtem Reizmitteln, Essig, Zitronen usw. Auf jeden Fall soll auch die Ernährung der Chlorotischen kalorisch ausgiebig sein und womöglich zu einem Gewichtszuwachs führen. Durch eine klug gewählte Kost, die sich der Lage des Einzelfalles anzupassen hat, wird die pharmako- therapeutische Beeinflussung wirksam unterstützt. Literatur. Abderhalden: Zeitschr. f. Biol. Bd. 39. 1900. — Alder: Schweiz, med. Wochenschr. 1923. Nr. 16. - Beck: Klin. Wochenschr. Jg. 3. Nr. 44. S. 1999. - Benecke: Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. Bd. 36. 1923. — Bürger: Über Verwandtenbluttransfusion. Therap. Halbmonatsh. 1921. H. 13, 14, 15. - Douglas: Journ. of physiol. Vol. 39. 1909/10. - Enderlen und Borst: Dtsch. Zeitschr. f. Chirurg. Bd. 99, H. 1 u. 2. — Gaule: Dtsch. med. Wochenschr. Bd. 22, Nr. 19 u. 24. 1896. — Harrop: Arch. of internal med. Vol. 23. 1919. — Hofmann: Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 151. 1898. — Konjetzny: Persönliche Mitteilung. — Lehmann: Dtsch. med. W^ochenschr. 1923. S. 872. — Morawitz: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 60. 1908. — Derselbe: Dtsch. med. Wochenschr. Bd. 50. Nr. 37. S. 1238. — Morawitz und Kühl: Klinische Wochenschr. Bd. 4, Nr. 1, S. 6. 1925. - Neisser: Therapie d. Gegenw. 1922. S. 201. — Opitz: Monatsschr. f. Kinderheilk. Orig. Bd. 24. H. 2. — Perthes: Die Bedeutung der Gewebsverpflanzung für die Chirurgie. Württemb. med. Korresp.- Blatt 1911. — Quincke: Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 37. 1896. — Roessingh (1): Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 138. 1922. - Roessingh (2): Klin. Wochenschr. Bd. 3, Nr. 16. 1924. 7* Die perniziöse Anämie. Von 0. Schauman und F. Saltzman-Helsingfors. Mit 28 Abbildungen. Einleitung. Was versteht man unter „perniziöser Anämie" ? Wir müssen leider gestehen, daß eine kurzgefaßte, klare und erschöpfende Antwort ausgeschlossen ist, und müssen im wesentlichen auf den Gesamtinhalt der folgenden Darstellung hinweisen. Hierin liegt ein Zugeständnis mangelnden Wissens. Die eigentliche Ursache der Krankheit ist uns unbekannt. Ob die perniziöse Aaiämie als eine bestimmt abgegrenzte Krankheit, eine Gruppe untereinander mehr oder weniger verwandter Krankheiten oder gar nur als ein charakteristischer Symptomen- komplex, bzw. eine einheitliche Organläsion aufzufassen ist, darüber hat man sich nicht einigen können. Kein Wunder also, daß die Grenzen der perniziösen Anämie, wie sie von verschiedenen Forschern gezogen werden, nicht immer übereinstimmen, und daß die Ansichten in gewissen Klassifizierungs- und Nomenklaturfragen auseinandergehen . Schon aus Addisons (1855), aber besonders aus Biermers (1868 und 1871) Beschreibungen der klinischen Symptomatologie der perniziösen Vorwort. Im Jahre 1912 übernahm Schauman das Kapitel über die perniziöse Anämie in der vorliegenden Enzyklopädie. Der Weltkrieg unterbrach jedoch für mehrere Jahre unsere Verbindungen mit Deutschland und Schauman setzte seine Arbeit, wie es schien, nur langsam fort. Als er im Februar 1922 plötzlich an einer Herzlähmung ver- schied, lag leider nur ein Teil der Arbeit und auch dieser unabgeschlossen, im Manuskript vor. Doch enthielt dasselbe schon an sich so vieles von Interesse und behandelte mehrere der Fragen, auf deren Erforschung der größere Teil der wissenschaftlichen Betätigung Schau mans gerichtet war, so eingehend, daß es in höchstem Grade wünschenswert erschien, die Arbeit zu vollenden. Ich zögerte daher nicht, den Auftrag zu übernehmen, das Werk meines hochgeschätzten Lehrers zu Ende zu führen. In der folgenden Schilderung der perniziösen Anämie gründen sich die die Seiten 103 — 195 umfassenden Kapitel zum größten Teil auf Schaumans Manuskript. Manche Änderungen und zahlreiche Zusätze haben sich jedoch erforderlich erwiesen durch Schaumans spätere Veröffentlichungen und durch andere Arbeiten der neuesten Literatur, sowie durch eine Anzahl kleinerer Beobachtungen, die während der letzten Jahre in unserer Klinik gemacht worden sind. In den meisten Fällen habe ich nicht besonders hervorgehoben, wenn ein Zusatz von meiner Hand stammt. Das Übrige, nämlich die Einleitung, die Beschreibung der Blutveränderungen und die folgenden Kapitel, sind vollständig von mir geschrieben. Bei der Schilderung der Blutveränderungen sind mir von großem Nutzen die ein- gehenden, aber noch nicht veröffentlichten Untersuchungen gewesen, die Dr. 0. Mustelin als Assistent in unserer Klinik ausgeführt und deren Resultate er mir freundlichst mit- geteilt hat. Die Orijzinalzeirlmuniien zu den Tafelfiiniren hat mir Mustelin zur Verfügung gestellt. '.'.''. : • « - . v : : Hclsingfors, m BToTembef 1928. •' *el in einem frühen Stadium der Krankheit, „vielleicht bevor irgendeiii anderes Symptom noch erschienen war". Symptomatologie: Frühsymptome. 165 In einem meiner Fälle, der einen jungen Mann mit kryptogenetischer Anämie betraf, war es ganze 10 Jahre dem Ausbruch der eigentlichen anämischen Symptome voraus- gegangen und hatte den Kranken zeitweilig dermaßen belästigt, daß er lediglich deswegen ärztlicherseits behandelt worden war. Auch in anderen Fällen ist Ähnliches vorgekommen. So in dem schon im vorigen von mir erwähnten Fall, wo ich eine kryptogenetische perniziöse Anämie bei einem Hämoglobingehalt von 83% diagnostizieren konnte. Hier bestand das Gefühl des Wundseins seit etwa 3 Jahren und bezog sich nicht nur auf die Zunge, sondern, wie es gelegentlich der Fall ist, auch auf den Gaumen, den Schlund und die Speiseröhre. Die Kranke, eine 55 jährige Frau, war von diesem Symptom periodenweise in so hohem Grade gequält worden, daß sie einzig deswegen, nicht aber wegen Müdigkeit oder sonstiger anämischer Symptome um ärztliche Hilfe nachsuchte. In der Mehrzahl der Fälle dürfte das Übel jedoch nicht so schwer sein. Ja, recht häufig erscheint es so geünde und tritt mit so langen Zwischenzeiten auf, daß die Kranken sich seiner erst bei eingehender Nachfrage erinnern können. Auch von einer Anzahl anderer Forscher (Gulland und Goodall, Türk, Lazarus, Matthes, Zabel, Stern) wird der wunde Mund (sore mouth) als ein Frühsymptom betrachtet. Nicht immer entsprechen diesem Gefühl des Wundseins deutliche objektive Veränderungen. Im allgemeinen sieht man jedoch auf der Zunge, meistens an der Spitze und den Seitenrändern, eine mehr oder weniger starke Röte, mitunter aber beobachtet man auch auf einem großen Teil der übrigen Oberfläche eine Röte, die dann gewöhnlich eine fleckige Verbreitung zeigt. Gelegentlich kann auch die Schleimhaut des Mundes und Gaumens Sitz einer derartigen Röte sein. Auch kleine bläschenartige Gebilde und sogar aphthen- ähnliche Effloreszenzen kommen in gewissen Fällen vor. Ausnahmsweise können auch wirkliche Geschwüre, wie H. Müller, öabot u. a. hervor- heben, wahrgenommen werden. Die Zunge kann außerdem zuweilen das Bild einer Glossitis dissecans mit Fissuren und Zahneindrücken bieten (Stern). Hunt er will diese Veränderungen mit der von ihm vermuteten, die Anämie erzeugenden Infektion in Verbindung bringen und hat im Innern der Zunge Streptokokken nachweisen können. Dieser Befund ist indessen nicht bestätigt worden. Matthes z. B. hebt ausdrücklich hervor, daß es ihm nicht gelungen ist, die Hunterschen Streptokokken zu finden, und zu einem ähnlichen Ergebnis ist I. Wallgren bei seinen Untersuchungen im hiesigen pathologischen Institut gekommen. Jedenfalls kann man die Anämie als solche nicht für das Zustande- kommen der in Rede stehenden Stomatitis Verantwortlich machen, denn diese scheint nicht selten bereits vor der Anämie aufzutreten, und eine ganz ähnliche Stomatitis ist, wie G. Becker betont, auch bei einfacher Bothriozephalus- Krankheit ohne Anämie anzutreffen. Wenn man Von der jetzt geschilderten Erscheinung absieht, sind, soviel man nach den anamnestischen Angaben urteilen kann, die Symptome im früheren Stadium der Erkrankung ganz dieselben wie bei einer einfachen Anämie. Die Kranken fangen an, von einer vorher unbekannten Müdigkeit belästigt zu werden. Der Appetit nimmt ab, und Verdauungsstörungen verschiedener Art stellen sich ein. Einige leiden an Durchfall, andere an Ver- stopfung, wieder andere abwechselnd an Durchfall und Verstopfung. Auch Übelkeit und andere dyspeptische Beschwerden kommen häufig vor. Bald fällt es den Kranken und ihrer Umgebung auf, daß die Gesichtsfarbe blasser geworden ist. Die Kräfte verfallen mehr und mehr. Ohrensausen, Schwindel und Kopfschmerzen treten auf. Bei jeder etwas mehr anstrengenden Bewegung bekommen sie leicht Herzklopfen und Atemnot. Dann und wann werden auch Ödeme beobachtet. Während bei den einfachen Anämien die Symptome im allgemeinen nur eine mäßige Höhe erreichen, zeigen sie bei der perniziösen Anämie eine unver- 166 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. kennbare Neigung, stufenweise an Stärke zuzunehmen. AuchFieber- sy mptome stellen sich öfters ein. Und so kommt es, daß die überhand nehmende Mattigkeit oder irgendein anderes in den Vordergrund tretendes Symptom die Kranken schließlich zwingen, ihre Beschäftigung aufzugeben und das Bett zu hüten. Es ist selbstverständlich, daß die Anämie zu diesem Zeitpunkt in verschie- denen Fällen Verschieden weit gediehen ist. Aber man muß sich oft wundern, wie lange die Kranken trotz ihrer hochgradigen Anämie sich in einigen Fällen aufrecht halten und körperlich recht anstrengende Arbeit verrichten können. So gibt es unter meinen Kranken einen Mann, der bei seiner Ankunft in der Klinik nur 621 000 rote Blutkörperchen hatte und 5 Tage vorher seinen Obliegen- heiten als Maschinist einer Dampf säge nachgekommen war. Nicht ohne Fug sagt daher Haye m: ,,Un etat d'anemie deja tres considerable est donc conciliable aVec une vie assez active." Auf dieser Tatsache beruht es wohl auch, daß die Kranken im allgemeinen so spät ärztliche Hilfe suchen und daß man so selten Gelegenheit hat, die perniziöse Anämie in ihrem Anfangsstadium zu diagnostizieren. Ich habe im vorhergehenden bereits erwähnt, daß ich selbst die Diagnose in einem Falle bei einem Hämoglobingehalt von 83% gestellt habe und Gulland und Goodall in einem Fall bei 82°/o. Naegeli sah eine unzweideutige perniziöse Anämie im ersten Anfall mit 90%. Die höchste Blutkörperchenzahl in Cabots großer Kasuistik beträgt 3 500 000, und unter seinen Hunderten von Kranken beläuft sich beim ersten Besuch des Arztes die Anzahl nur in 20 Fällen auf 3 000 000—3 500 000. In den allermeisten Fällen ist die Anämie, wenn sich die Kranken zum ersten Male beim Arzt melden, viel hochgradiger. Und in vielen Fällen ist alsdann die Blutkörperchenzahl auf 1 000 000—1 500 000 und der Hämoglobingehalt 25—35% gesunken. Die folgende Darstellung bezieht sich nun Vorwiegend auf die Symptomatologie der voll entwickelten perniziösen Anämie. In einer großen Anzahl von Fällen, vielleicht sogar in der Mehrzahl, ist das Aussehen der Kranken so eigenartig, daß der etwas erfahrene Beobachter recht oft eine Augenblicksdiagnose machen kann. Es ist die Gesichtsfarbe, die hierbei gewöhnlich ausschlaggebend ist. Sie zeichnet sich durch eine eigen- tümliche wachsgelbe Blässe aus, die in Verbindung mit der häufig Vor- handenen Gedunsenheit des Gesichtes dem Kranken ein charakteristisches Gepräge verleiht. Gelegentlich ist der gelbe Ton so ausgesprochen, daß die Kranken Von ihrer Umgebung als gelbsüchtig betrachtet werden. Ja, es kommen sogar Fälle vor, wo die gelbe Farbe dermaßen in den Vordergrund tritt, daß ärztlicherseits das Vorhandensein eines Ikterus catarrhalis, eines Lebertumors usw. angenommen wird. Sowohl in der älteren wie in der neueren Literatur sind übrigens recht viele Fälle von perniziöser Anämie beschrieben worden, wo die gelbe Farbe so hochgradig war, daß man von einem wahren Ikterus reden konnte (Laache, Ewald, Fr. Müller, Grawitz, Dieballa u. a.). Indessen fehlt diese wachsgelbe Blässe in einer ganzen Reihe von Fällen. J tiß Farbe ist < lann graugelb, grauweiß oder infolge reichlicher Pigmentanhäufung ins Braune stechend. Nur selten sieht man die reinweiße Blässe, die bei schweren Nierenleiden so häufig angetroffen wird. Worauf es beruht, daß die wachs - gelbe Farbe in einigen Fällen vorhanden ist, in anderen nicht, läßt sich kaum mit voller Gewißheit entscheiden, aber soviel scheint sicher, daß kein ganz bestimmter Parallelismus /wischen der Schwere der Anämie und dem Vor- kommen der wachsgelben Farbe besteht. Denn es gibt wenig entwickelte Fälle, wo man diese Farbe sieht, und weit gediehene, wo man sie Vermißt. So ließ Symptomatologie: Haut, Ödeme. 167 sich der gelbe Farbenton in dem schon erwähnten Fall, wo der Hämoglobin- gehalt 83% betrug, ganz deutlich erkennen, obgleich Von einer eigentlichen Blässe keine Rede war, und anderseits habe ich recht häuf ig in wirklich schweren Fällen gar keinen Stich ins Gelbliche entdecken können. Da die gelbe Farbe wohl darauf zurückgeführt werden muß, daß sich im Blutserum wegen des erhöhten Blut körperchenzerf alles Gallenfarbstoff in vermehrter Menge findet, liegt es am nächsten anzunehmen, daß die Anwesen- heit bäw. Abwesenheit des gelben Farbentons durch den jeweiligen Stand der Blutkörperchenzerstörung bestimmt wird. Eine Stütze gewährt dieser Ansicht gewissermaßen die Tatsache, daß der gelbe Ton nach eingeleiteter erfolgreicher Behandlung (z. B. durch Wurmab- treibung) recht schnell verschwindet. Allerdings kann man einwenden, daß es nicht an Fällen mangelt, wo die gelbe Farbe zurücktritt, wo aber trotzdem eine deutliche Verbesserung auf sich warten läßt oder ganz ausbleibt. Unter solchen Umständen ist aber mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die Ursache der Verzögerten oder ausgebliebenen Verbesserung weniger in dem erhöhten Blutkörperchenzerfall als in der unzulänglichen Reaktionsfähigkeit der blut- bildenden Organe zu suchen ist. Auch die Conjunctivae sclerae können oft mehr oder weniger deutlich gelb erscheinen. Sonst aber macht sich an den sichtbaren Schleimhäuten eine auffallende Blässe geltend. In den schwersten Fällen zeigen die Lippen, das Zahnfleisch, der Schlund und die Conjunctivae kaum einen Stich ins Rötliche. Dieselbe Blässe wie im Gesicht gewahrt man auch auf der Haut anderer Körperstellen, obwohl der gelbe Ton im allgemeinen nicht so ausgeprägt erscheint wie im Gesicht. Von der addisonähnlichen Färbung der Haut und ihrer mutmaßlichen Bedeutung war schon im Vorhergehenden die Rede (vgl. S. 159 und 160). Auch Vitiligo und Leukodermose können in Vereinzelten Fällen vorkommen (Ca bot, Decastello). tTbrigens ist die Haut oft ziemlich trocken und glanzlos. Doch kommen Schweißausbrüche namentlich bei körperlichen Anstrengungen nicht selten Vor. Die Elastizität ist aber erhalten. Bemerkenswertere Drüsenanschwellungen oder Exantheme werden nicht angetroffen. Auch nur Furunkel oder akne- artige Ausschläge habe ich bei an diesem Leiden erkrankten Personen selten gesehen. Ödeme werden häufig beobachtet. Selbst fand ich solche in etwa der Hälfte meiner Fälle. Bei der kryptogenetischen Anämie Vielleicht etwas öfter als bei der Bot hriozephalus -Anämie. Ca bot wiederum gibt an, daß er Ödeme in 64% seiner Fälle Von kryptogenetischer Anämie gesehen habe, was ja recht gut mit meiner Erfahrung stimmt. Oben wurde bereits auf die Gedunsenheit des Gesichts hingewiesen. Meistens handelt es sich außerdem um leichte Ödeme an den Füßen und Unterschenkeln oder an den Händen. Nur selten kommt es zur Entwicklung hochgradiger verbreiteter Anschwellungen. Ich erinnere mich unter meinen Kranken der letzten Art eines Falles kryptogenetischer perniziöser Anämie, in dem sich die Kranke trotz der ungemein großen Ödeme sowie des trostlosen Zustandes im übrigen erholte und noch fast 8 Jahre am Leben blieb. Daß Ödeme bereits im Frühstadium der Krankheit erscheinen, wird angegeben, dürfte aber nicht besonders gewöhnlich sein. Auch Blutungen in der Haut kommen Vor. Sie gehören jedoch nach meiner Erfahrung nicht zu den allzu häufig auftretenden Erscheinungen. Ich habe sie in kaum 20% meiner Fälle angetroffen, während sie Ca bot noch seltener beobachtet zu haben scheint. Am öftesten sieht man am Rumpf und an den 168 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Gliedmaßen kleine, etwa Stecknadelkopf- bis linsengroße Petechien in größerer oder kleinerer Anzahl. Seltener kommen größere Blutungen vor, und nur aus- nahmsweise werden erheblichere flächenhafte Blutunterlaufungen (H. Müller) beobachtet. Die Horngebilde der Haut werden ebenfalls mitunter angegriffen. Eichhorst hebt hervor, daß die Haare des Kopfes spröde und trocken werden und in einigen Fällen zum großen Teil ausfallen. Selbst habe ich in einzelnen Fällen in den Achselhöhlen gar keine Haarbekleidung gefunden. Weniger oft werden Veränderungen an den Nägeln angetroffen. Diese können dick, glanzlos und brüchig erscheinen. Das Fettpolster ist in Vielen Fällen gut, in manchen sogar reichlich entwickelt, in anderen Fällen liegt aber eine mehr oder weniger hochgradige Abmagerung vor. Cabot fand, daß in 728 ( = 61%) seiner Fälle kein nennens- werter Gewichtsverlust Vorlag, während ein solcher in 454 (= 39%) nach- gewiesen war. Bei Zusammenstellung meines eigenen diesbezüglichen Materials bin ich zu folgenden Ergebnissen gekommen. Es stehen 219 Fälle zur Verfügung, in denen das Körpergewicht bei der Krankenhaus- auf nähme verzeichnet worden ist. Die nebenstehende Tabelle gibt über die hierher gehörenden Verhältnisse nähere Auskunft. Wenn man nun annimmt, daß für Männer ein Gewicht unter 66 kg und für Frauen ein solches unter 56 kg auf Unterernährung hin- deutet, so wären demnach 65 (= 68%) von den Männern und 82 ( = 64%) von den Frauen unterernährt gewesen. Daß Fälle Von deutlicher Über- ernährung Vorgekommen sind, zeigt die Tabelle unzweideutig. Ein kachektisches Aussehen kommt, wenn überhaupt, ungemein selten vor. Was die Ursache des in Vielen Fällen Verhältnismäßig guten Ernährungs - zustandes ist, dem schon die älteren Verfasser ihre besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben, läßt sich nicht ohne weiteres entscheiden. Lazarus denkt hierbei an den „geringen St off Verbrauch der Kranken, welche in ihrer Mattig- keit jede überflüssige Bewegung scheuen". Aber man muß in Betracht ziehen, daß auch Kranke, die noch in Bewegung sind und dabei verhältnismäßig wenig essen, nicht selten ein gut entwickeltes Fettpolster darbieten. Nach Isaac und Handrich wäre auch zu erwägen, ,,ob nicht ganz allgemein der schwer Anämische vorwiegend Kohlenhydrate zur Verbrennung heranzieht, weil letztere weniger Sauerstoff als die Fette gebrauchen". Kraus äußert : ,,Wenn anämische Kranke im Laufe des Leidens eine Zunahme des Fettpolsters zeigen, so findet dieselbe eine ausreichende Erklärung in dem hier auch sonst gelegentlich zu beobachtenden Zunehmen der Regenerations- energie im Gesamtorganismus." Die bis jetzt vorliegenden Untersuchungen über den respiratorischen Gas Wechsel bei der perniziösen Anämie haben keine endgültige Antwort auf diese Frage gegeben. Nach den Versuchen von Kraus sowie Von Thiele und Nehring sollten die Oxydationsprozesse sich mit etwa gleicher Stärke wie bei Gesunden Vollziehen. Aber es fehlt bei diesen Versuchen, die sich nur auf ganz Vereinzelte Fälle beziehen, jeder Vergleich gegenüber den Verhält- nissen unter normalen Umständen, und solche sind, wie mehrere Verfasser mit Kecht betonen (Magnus - Levy, Riethers, Loewy), doch unbedingt Tabelle. Körpergewicht Männer Frauen in kg 36-45 3 29 46—55 18 53 56—65 44 35 66—75 24 9 76—85 2 2 91 128 Symptomatologie : Stoffwechsel. 169 notwendig, weil unter normalen Verhältnissen der respiratorische Gaswechsel bei verschiedenen Menschen recht Verschieden sein kann, selbst wenn keine Verschiedenheiten in bezug auf Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Länge vorliegen. Dazu kommt noch, daß Eberstadt jüngst bei experimentellen toxischen Anämien eine Herabsetzung der Verbrennung festgestellt haben will. Unter diesen Umständen schien es mir angezeigt, eine Untersuchung in dieser Beziehung an unserem Helsingforser Krankenmaterial vorzunehmen. Sie wurde mit freundlicher Erlaubnis von Prof. R. Tigerstedt in der Respi- rationskammer des hiesigen physiologischen Instituts von seiner Assistentin Fräulein Olin ausgeführt. Die Patienten wurden aus der Klinik auf Bahren nach dem physiologischen Institut gebracht und hier in ein in der Respirations- kammer stehendes Bett übergeführt. Jeder Versuch dauerte 2, ausnahmsweise 1 Stunde, und die Kohlensäureproduktion wurde in einstündigen Perioden bestimmt. Die Patienten wurden ermahnt, während der Versuche vollständige Muskelruhe einzuhalten. Die Ergebnisse sind in folgender Tabelle zusammen- gestellt. Stoffwechsel bei liegenden an perniziöser Anämie Erkrankten. Totale C- Aus- 1» Diagnose o CO 'S w | scheidung in g -Ausscheidu: ro Kilogram und Stunde <ü fcn H Datum -8 s 4 q ■ o 11 Kalori ro Kilog und Sti _4 C» >» >> 61 >» 40,3 28 0,950 4,00 4,30 4,14 0,103 1,13 21. 3. 1917 ?» >j >> 53 >> 49,6 30 1,094 5,67 4,41 5,05 0,102 1,12 11. 3. 1914 • > » » >> 30 m. 68,7 31 1,110 5,90 7,40 6,65 0,097 1,07 f 24. 1. 1916 >» 5 > >» 36 w. 50,1 39 1,450 6,20 5,90 6,05 0,121 1,33 i) 1.3.1916 >> >> >» 36 „ 53,1 48 1,530 6,80 6,20 6,50 0,122 1,34 ( 29. 5. 1916 > j »> ;> 36 fi 60,5 75 3,053 6,46 5,65 6,05 0,100 1,10 4. 4. 1917 >» > i >» 69 »» 67,8 40 1,610 5,55 4,77 5,16 0,076 0,84 30. 5. 1917 >> »» >> 39 m. 46,4 45 1,500 4,90 5,04 4,97 0,107 1,18 15. 2. 1915 »> 5> »» 36 w. 38,8 50 1,670 6,60 — 6,60 0,170 1,87 15. 3. 1915 »» »> »> 48 »> 41,0 56 2,425 6,00 5,90 5,95 0,145 1,60 16. 5. 1916 An. pern. bothrioc. 26 m. 55,9 32 1,158 6,51 7,53 7,02 0,126 1,39 n | 20. 4. 1916 ' \ 30. 5. 1916 »» 5» 1» 47 >> 52,8 33 1,250 6,42 6,74 6,58 0,125 1,37 I » >» >» 47 » » 57,9 83 2,300 6,79 6,13 6,47 0,112 1,23 u / 15. 2. 1915 > \ 26. 3. 1915 >1 »> 5 > 20 w. 53,9 37 1,200 4,60 — 4,60 0,085 0,94 > > > J > * 20 >> 56,7 85 4,450 5,00 5,60 5,30 0,093 1,02 n \ 24. 1. 1916 »♦ >> >» 36 m. 64,4 37 1,400 8,80 8,10 8,45 0,131 1,44 > \ 2. 3. 1916 »» >» > > 36 >> 68,4 77 2,900 8,90 8,30 8,60 1,026 1,39 21. 7. 1917 « > »» >> 32 »» 53,6 40 1,500 6,05 5,82 5,94 0,111 1,22 1.4. 1917 ?» >> >» 17 >» 51,6 43 1,600 5,95 5,09 5,52 0,107 1,18 Es Versteht sich von selbst, daß die Patienten während der Versuche in der Regel keine absolute Muskelruhe beobachteten und daß die gefundenen Werte daher nicht als wirkliche Minima betrachtet werden können. Pagegen können sie gut mit den Werten verglichen werden, zu denen Becker und Hämäläinen im hiesigen physiologischen Institut mit genau derselben Ver- suchsanordnung bei der Untersuchung gesunder Personen gelangt sind. Sie J) Die durch Klammern zusammengefaßten Reihen beziehen sich auf ein und denselben Kranken. 170 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. fanden bei Männern eine Kohlensäureproduktion, entsprechend 1,11 bis 1,68 oder im Mittel 1,32 Kalorien pro Kilogramm und Stunde, bei Frauen 1,0 bis 1,45 oder im Mittel 1,24. Diese Zahlen stimmen ja der Hauptsache nach mit den von uns bei den Anämikern erhaltenen Werten so ziemüch überein. Es ist also jedenfalls bemerkenswert, daß die Verbrennungsvorgänge des Organismus trotz der hochgradigen Herabsetzung des Färbst offgehalt es und der Blutkörperchenzahl so Vollständig sein können. Und man fragt sich, wie so etwas möglich ist. Es stehen dem Organismus zu diesem Zweck Verschiedene Ausgleichs Vorgänge zur Verfügung. Die Herztätigkeit wird beschleunigt. Die Atemfrequenz steigt und vielleicht auch das Schlagvolumen des Herzens (Kraus, Plesch), sowie die Stromgeschwindigkeit (Weizsäcker). Außerdem wird der Sauerstoff im Blute Anämischer besser ausgenützt als in der Norm (Mohr, Morawitz und Römer). So kann bei schweren Anämien der Sauer- stoffgehalt des Blutes bis auf 15°/o sinken, während das Armvenenblut eines gesunden Menschen noch zu 60 — 65% mit Sauerstoff gesättigt ist. Von Bohr wurde außerdem die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß das Säuerst offbindungs Vermögen des Hämoglobins im anämischen Blute eine Steigerung erfahren könnte. Indessen haben Untersuchungen Von Butter - field, Masing u. a. ergeben, daß die alte Lehre von der UnVeränderlichkeit des Hämoglobins noch immer aufrecht zu erhalten ist. Ob die von Morawitz nachgewiesene erhöhte Sauerstoffzehrung bei den jugendlichen roten Blutkörperchen in diesem Zusammenhang irgendeine Be- deutung habe, lasse ich dahingestellt. Die Eiweißzersetzung bei der perniziösen Anämie ist schon vor Jahren zum Gegenstand fleißiger Untersuchungen gemacht worden (H. Müller, Eichhorst, Laache, Quincke, Ferrand). Später sind auf diesem Gebiete Moraszewski, Bloch, Strauß und vor allem Rosenqvist tätig gewesen. Der letztgenannte Forscher ist zu dem Resultat gelangt, daß bei der vorliegenden Krankheit Zeiten von vermehrtem Eiweißzerfall mit solchen von deutlichem Stickstoffansatz wechseln. Bei der Bothriozephalus -Anämie konnte Rosenqvist durch seine sorgfältigen und umfassenden Untersuchungen feststellen, daß es bereits vor der Abtreibung des Parasiten und auch ohne irgendeine sonstige differente Behandlung nicht nur zu Stickstoffgleichgewicht, sondern auch häufig zu einem bedeutenden Stickstoff - ansatz kommt. Und mit Recht schließt Rosenqvist aus dieser Beobachtung, daß der Eiweißzerfall nicht auf die Anämie als solche, sondern vielmehr auf eine Giftwirkung zu beziehen ist. Außerdem fand er, daß die Eiweißverluste häufig zu erheblich sind, um aus- schließlich durch die Blutkörperchenzerstörung erklärt Werden zu können, Weshalb er annimmt, daß außer dem Blute auch andere Gewebe durch das Gift geschädigt Werden. Bemerkenswert ist noch, daß der Blutbefund in gewissen Fällen, trotz einem bestehenden erhöhten Eiweißzerfall, verbessert werden kann und daß sich überhaupt keine bestimmte Übereinstimmung zwischen der Stickstoffbilanz und den Veränderungen der Blut- beschaffenheit nachweisen läßt. Ähnliche Beobachtungen wie bei der Bothriozephalus- Anämie machte Rosenqvist auch bei der kryptogenetischen Form der perniziösen Anämie. Im Gegensatz zu mehreren seiner Vorgänger hat er auch bei dieser Krankheit Zeiten von Eiweißansatz und Eiweiß- verlust gesehen. Nach Strauß, der die hierher gehörende Literatur in v. Noordens Stoff Wechselpathologie zusammengestellt hat, könnten indessen die von Rosenqvist und einigen anderen Forschern nachgewiesenen Schwankungen in der Stickstoffausscheidung bei den Fällen kryptogenetischer perniziöser Anämie auch auf anderem Wege erklärt werden. Man müsse hierbei in Betracht ziehen, daß die in Rede stehenden Unregelmäßigkeiten in der St i< kstoffausscheidung sich auf zeitweilige Funktionsstörungen in dem Verdauungs- apparat und in der Niere zurückführen ließen. Besonders bei der Aufstellung täglicher Stackstoffbilanzen, wie sie Rosenqvist benutzt habe, müsse hierauf Bedacht genommen werden. Xiui Iwtt ebber Rosenqi ist nicht nur Tagesbilanzen ausgerechnet, sondern auch die Gesamtergebnisse -«inet verschiedenen, recht langen Versuchsreihen mitberücksichtigt. In im. in Fall wurden nicht Weniger als fünf Versuche ausgeführt. In drei von ihnen war di<- gesamte Bilanz ne<_r;itiv und in zweien positiv. Im ganzen wurden acht Versuche gemacht.. Und in 5 fiel die durohschnil t liehe tägliche Stickstoffbilanz negativ aus. Es scheint Symptomatologie: Körpertemperatur. 171 demnach nicht unberechtigt, mit Rosenqvist zu schließen, daß auch bei der krypto- genetischen perniziösen Anämie zeitweise ein pathologisch gesteigerter Eiweißzerfall stattfindet. Daß so viele Forscher bei ihren Stoffwechselversuchen an perniziös -anämi- schen Personen einen Stickstoffansatz erzielt haben, kann vielleicht teilweise auch darauf beruhen, daß für diese Versuche vorzugsweise solche Fälle gewählt worden sind, die zur Zeit der Untersuchung keine allzu schweren Symptome dargeboten und sich somit gewissermaßen in einem Remissionsstadium befunden haben. Bei einer Krankheit, die einen so wechselvollen Verlauf darbietet wie die perniziöse Anämie, muß man ja übrigens von vornherein darauf gefaßt sein, daß die Ergebnisse verschiedener Untersucher sich recht verschieden gestalten werden, selbst wenn die Versuchstechnik: nicht mit Fehlern behaftet erscheint. Es darf zuletzt nicht unerwähnt bleiben, daß nach Rosenqvist ein erhöhter Eiweißansatz bestehen kann, trotzdem die gewöhnliche Ausrechnung eine positive Bilanz ergibt. In solchen Fällen müssen die eiweißsammelnden Kräfte des Organismus den an sich abnorm gesteigerten eiweißzerstörenden über- legen sein. Die Körpertemperatur ist in der überwiegenden Anzahl der Fälle ge- steigert. Gulland und Goodall geben an, daß Fieber in 2/3 aller Fälle von perniziöser Anämie vorkommt. Ca bot beobachtete eine Temperaturerhöhung in etwa 79%, und ich selbst konnte bei Zusammenstellung von 312 Fällen perni- ziöser Anämie, worunter 115 ohne und 197 mit Bothriozephalus, eine Tempe- raturerhöhung in 267 = 85,6 °/0 nachweisen. Irgendeinen Unterschied zwischen den Temperaturverhält nissen bei der Bothriozephalus-Anämie und der krypto- genetischen Anämie habe ich dabei nicht finden können. Selbstverständlich sind die angeführten Ziffern Minima. Denn es ist ja nicht ausgeschlossen, vielmehr sogar wahrscheinlich, daß in einem Teil der- jenigen Fälle, wo während der Beobachtungszeit kein Fieber zu erkennen war, der Kranke in einer früheren Periode des Leidens eine Temperatursteigerung hat darbieten können. Zu einer solchen Vermutung wird man durch die Tat- sache geführt, daß bei der perniziösen Anämie das Fieber, gleichwie mehrere andere Symptome, periodisch aufzutreten pflegt. Die Dauer der Fieberperiode und der freien Zwischenzeit ist in den ver- schiedenen Fällen sehr verschieden. Auch ohne daß es sich um eine wirkliche Remission im Krankheits verlauf handelt, können sich die Intervalle über Wochen und Monate erstrecken. In einigen Fällen zeigt das Fieber einen remittierenden Typus, bietet aber meistens keinen bestimmten Charakter dar. Überhaupt ist die Höhe eine mäßige. Häufig handelt es sich sogar nur um schnell vorübergehende subfebrile Steige- rungen. Die höchste Temperatur bei den verschiedenen mit Fieber behafteten Kranken lag in 97 Fällen z wischt m 37,5 und 38,0° „ 100 „ 55 38,1 „ 39,0° » 56 55 39,1 „ 40,0° „ 14 „ 55 40,1 „ 41,9° Summe 267 Fälle. Ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Höhe des Fiebers und derjenigen der Anämie besteht nicht. Gewöhnlich sind aber die höheren Temperatursteigerungen mit einer Ver- schlimmerung des Allgemeinzustandes und der Blutbeschaffenheit verbunden. In einem Fall sah ich eine Fieberbewegung, während der die Temperatur bis 172 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. auf 40,1 ° stieg und die Kranke in einem komatösen Zustand mit tiefer, beschleu- nigter Atmung lag. In diesem Fall trat ein fast krisenartiger Umschwung zum Besseren ein. Ähnliches hat auch Naegeli beobachtet. I. April 16 27. '905. 2.8. 29. 30. Mai 1. 2. 3. •4. 5. 6. 7. v 8. M)° r*'* ¥0" c~ J \ . i I I 39* \ j 1 38" % V J 1 p SS* ii kj Abb. 1. 11. ¥1o w° 39° 38° 37° 36° 35° 3V° 33" 32° 31° 30° Z9° März 191t. 3. V. 5. 6. 7. 8. * m n fg. 13. K \ L V \ § \ 1* § £ \ ii V ii j 1 ! Abb. 2. III. •40° 39° 38' 31" 36° 35° Auqusi n y12. 189¥. 13. 11. 15. ■K. 17 18. 19. 20. n 22. 23. 2V. 25 26. 27. 28. 29. \ \ \ 3 %99=h 3 0S0Lh=>3 N %\ 9-h 0D09hfC=3 < «^ j . N < > C * s S <> S < 3 s s < § s 3 s 3 ^ ^ < 8 > & 1 ^>00D0fi9L=3 fc < ^ s <. > &* % 8 < • 53 5 S* ^c > fc <> § < oi < *•" r «ö < > es > * g* ? ^ { fc. 0. Abb. 3. Die allerhöchste Temperatur 41,9° beobachtete ich in einem Fall 4 Tage vor dem Tode. Ks muß ferner bemerkt werden, daß das Fieber in den tödlich verlaufenden Fällen mitunter bis zum Eintritt des Todes andauert (Kurve I), anderseits Symptomatologie : Körpertemperatur. 173 aber, daß die Temperatur nicht selten einige Zeit vor dem Tode unter die Norm sinken kann. Selbst konnte ich in einem Fall 71/2 Stunden vor dem tödlichen Ausgang im Mastdarm eine Temperatur von 30,5° C feststellen, in einem anderen 2V2 Stunden vor dem Tode 29° ebenfalls im Mastdarm (Kurve II), während H. Müller in einem Fall die Temperatur in der Achselhöhle beim Eintritt des Todes bis auf 24,8° sinken sah. V. 37c September 1903. Oktober 13 1t. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 2t. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 1. 2. :^c Abb. 5. Via. März 1903. 2t. 25. 26. 7.7. 7.8. ?.q 3(1. 31. April tr 2. 3. t. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 1t. 15. 16. 17. 18. 19. t — \ \t f \ f ~y \f ■ — s ,A X \ , s/C \ V Nf I 1 \ K" *| £ Abb. 6a. VIb. April 1903, M, 20. 21. 22. 23. 2t. 25. 26. 27. 28. 29. 30^ 1. 3. t. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 1t. 15. 16. 17. / \ 1 t / \, r\ | J i Abb. 6 b. Juli 192 2. 3. f t. 5. 6 7. 8. 9. 10. V. 12. 13. n VII. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 2t. 25. 26. 27. 28. 29. 30. t. £ ä«ä 1 J SS i / / kjl; J \ llft: / / ;^ ii < ■v/1 II V/Il ^ k4^ kj^ ^J , Juni 191V. 6. 7. 8. 9. 10. fl. Abb. 9. X. 13. 1f. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 2t. 25. %- b- %_ ^ l_ —±-A ^-^ -r^ ^-^-A —r *V~V ^A/A^^/^^V^ Abb. 10. XI. Juni 1896. 3 t. 5. 6. 7. 8. 9. 10. H. 12. 13. W. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 2t. 25. I \ I . — I ~> Abb. 11. die zuweilen sogar einige Wochen nach der Wurmkur einsetzen, sind wohl meistens sehr unbeträchtlich (Kurve IV und auch V). Aber in vereinzelten Fällen (Kurve, Via, b und VII) habe ich nach der Abtreibungskur zwei ver- schiedene Fieberperioden, beide mit hohen Temperaturen beobachtet, ausnahms- weise sogar mehrere, aber solchenfalls zum Teil mit niedrigerer Temperatur. Wenn es sich um erheblichere Temperaturerhöhungen handelt, ist der Allgemeinzustand bei diesen nach der Abtreibungskur auftretenden Fieber- Symptomatologie: Körpertemperatur. 175 anfallen meistens schwer angegriffen, und die Blut beschaff enheit kann sich dabei deutlich verschlechtern. Der schließliche Ausgang kann sich unter solchen Umständen verschieden- artig gestalten. Er ist jedenfalls nicht immer als günstig zu bezeichnen, wie folgende zwei Beispiele lehren. In einem Fall mit zwei recht schweren Fieberanfällen nach der Wurmkur wurde die Kranke allerdings von ihrer Bot hriozephalus -Anämie hergestellt, bekam aber 12 Jahre später eine schwere idiopathische Anämie (E. = 600 000). In einem anderen Fall wiederum, wo mehrere Fieberperioden vorkamen, trat der Tod 70 Tage nach der Wurmkur ein. Es scheint demnach, als ob die Fälle, wo das Fieber noch längere Zeit nach der Wurmkur auftritt, in prognostischer Beziehung mit Vorsicht beurteilt werden müßten. Man begegnet auch einzelnen Fällen, wo die Temperaturerhöhung sich erst nach der Wurmkur einstellt. Und anderseits solchen, wo das vorhandene Fieber gerade vor der Wurmkur verschwindet (Kurve VIII und IX). Schließ- lich gibt es eine große Reihe von Fällen, wo sich eine nennenswerte Steigerung der Temperatur weder vor noch nach der Kur erkennen läßt (Kurve X), oder wo sich ein leichtes Fieber vor wie nach der Kur ohne größere Schwankungen vorfand (Kurve XI). Man bekommt mithin den Eindruck, daß die Abtreibung des Parasiten keinen bestimmten unmittelbaren Einfluß auf die Temperaturverhältnisse ausübt. Wenn der Kranke sich zur Zeit der Abtreibungskur in der Mitte einer fieber- freien Periode befindet, tritt im direkten Anschluß an die Kur keine Veränderung in den Temperatur Verhältnissen ein. Anders aber, wenn zur selben Zeit eine Fieberperiode besteht. Dann fällt oder steigt die Temperatur, je nachdem sie zur Zeit der Verabreichung des Wurmmittels ihren Höhepunkt schon erreicht hat oder noch in Zunahme begriffen ist. Es wäre mit anderen Worten der relabierende Charakter des Fiebers, der für das Verhalten der Temperatur nach der Wurmkur maßgebend ist. Wie das Zustandekommen des Fiebers bei der perniziösen Anämie zu erklären ist, darüber ist man noch immer im unsichern. K. Ziegler glaubt, daß „das Fieber nicht zum Typus der perniziösen Anämie gehört" und „seine Entstehung der verminderten Widerstandskraft der Gewebe und dadurch bedingten leichteren Invasion durch Infektionserreger verdankt". Da wir indessen keinen sicheren Anhalt für die Annahme des Vorhandenseins von infektiösen Ursachen haben, müssen wir unsere Blicke zunächst auf das vermutete Anämiegift richten. Rosenqvist will dabei die Temperatursteigerung in direkten Zusammenhang mit diesem Gifte stellen, andere Forscher (vgl. Morawitz) aber vermuten, daß man die Ursache des Fiebers in dem vom Gifte herbeigeführten erhöhten Blutkörperchenzerfall suchen müsse. Zugunsten der letztangeführten Ansicht läßt sich die Erkenntnis heranziehen, daß die Stromata der Blutkörperchen fiebererzeugende Stoffe enthalten. Anderseits muß aber hervorgehoben werden, daß die Anämie nicht selten an Intensität zunimmt, obgleich die Temperatur keine Erhöhung zeigt Und überdies eine Temperatur- erhöhung bei der perniziösen Anämie nicht immer mit einer positiven Urobilin- bzw. Uro- bilinogenreaktion zusammenfällt, was natürlich für die vorliegende Frage nicht ganz belang- los ist, sofern einer solchen Reaktion überhaupt irgendeine Bedeutung als Zeichen eines gesteigerten Blutkörperchenzerfalls zugemessen Werden kann. Auch ist hier auf die Tat- sache hinzuweisen, daß bei der Bothriozephalus- Anämie gelindere Temperaturerhöhungen vorkommen können zu einer Zeit, wo die Blutregeneration bereits seit langem im Gang ist und man schwerlich mehr mit dem Vorhandensein irgendeiner gesteigerten Blut- körperchenzerstörung rechnen kann. Dazu kommt noch, daß nach Rosenqvist die Eiweißzersetzung bei den ohne Fieber verlaufenden Fällen keineswegs geringer erscheint als bei den mit Temperatursteigerung einhergehenden. Es fragt sich deshalb, ob die Temperatursteigerung, ohne daß man auf die vermehrte Blutkörperchenzerstörung zurückgreift, erklärt werden kann? 176 0. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Auf diese Frage läßt sich wohl keine endgültige Antwort geben, aber bemerkens- wert ist jedenfalls die Tatsache, daß man auch bei der Chlorose, dem Morbus Basedowii und anderen nicht infektiösen Leiden zuweilen eine Temperatur - Steigerung sieht, trotzdem keine erhöhte Blutkörperchenzerstörung vorliegt. Unerklärt bleibt hierbei unter allen Umständen, daß das Fieber so oft peri- odisch auftritt. Man muß vielleicht zur Erklärung dieser Erscheinung die Möglichkeit immunisatorischer Vorgänge in Betracht ziehen. Für die Annahme, daß das Gift zeitweise im Körper nicht vorhanden wäre, gibt es keine triftigen Gründe. Anatomische Veränderungen in den Atmungsorganen kommen bei Leuten, die an perniziöser Anämie leiden, nicht häufig vor. Bereits im obigen wurde erwähnt, daß sich die Krankheit gelegentlich mit Lungentuberkulose vergesellschaften kann. Auch Zeichen einer einfachen Bronchitis beobachtet man dann und wann. Pagegen habe ich bei Kranken mit perniziöser Anämie nur in vereinzelten Fällen eine pneumonische Infiltration gesehen, und diese hat meistens tödüch geendet. Noch seltener habe ich eine seröse Pleuritis wahrgenommen. Daß man bei erheblicheren Ödemen zuweilen Transsudate in den Pleurahöhlen finden kann, liegt auf der Hand. Eichhorst hat in einigen Fällen einen hämorrhagischen Hydrothorax beobachtet. Auch bei Abwesenheit aller Krankheiten in den Atmungsorganen klagen die Patienten häufig über Kurzatmigkeit. Meistens macht sich diese beim Treppensteigen oder anderen, etwas größeren körperlichen Anstrengungen geltend, aber auch bei ganz gewöhnlicher Bewegung auf ebenem Boden und in den schweren Fällen sogar bei Bettruhe stellt sich Atemnot gar nicht selten ein. Wenn die Herabsetzung des Hämoglobingehaltes die höchsten Stufen erreicht, können die Atembeschwerden trotz vollständiger Ruhe zu einer sehr beträchtlichen Höhe steigen. Die Atemfrequenz kann unter solchen Umständen erhöht oder ziemlich normal sein, aber die Inspirationen sind dabei vertieft, und zwar mitunter in überaus hohem Grade. Da mit dieser vertieften Atmung oft ein mehr oder weniger ausgeprägter Sopor verbunden ist, handelt es sich in solchen Fällen um einen Zustand, welcher der ,, großen Atmung" im Coma diabeticum sehr ähnlich ist. Aber auch, wenn es nicht zu diesen außergewöhnlich tiefen Einatmungen kommt, die schon Von H. Müller, Senator u. a. erwähnt worden sind, scheint es, als ob die Einatmung manchmal etwas tiefer als unter physiologischen Ver- hältnissen wäre. Wenigstens gibt es dafür Beispiele in den Beobachtungen von Kraus und anderen Forschern, die das Volumen für den einzelnen Atemzug bestimmt haben. Eine Zusammenstellung von 74 meiner Fälle zeigt, daß die höchste Atem- frequenz lag: in 5 Fällen unter 20 ,,39 „ zwischen 20—30 ,, 25 „ „ 30—40 ,, 5 ,, über 40. Die niedigste Atemfrequenz kam bei einem 42jährigen Manne mit Bothriozephalus- An&mie vor. In diesem Fall wurde die Atmung kurz vor dem Tode tief und schnarchend, und ihre Frequenz sank bis auf 12. während die Temperatur auf 30,5° (im Mastdarm) sowie die Pulszahl auf 64 herabging. Also ein recht eigenartiger Parallelismus zwischen Atem- frequenz. Temperatur und Pulszahl. I)i< allerhöchste Atemfrequenz in meiner Kasuistik beläuft sich auf 54. Es war in einem Fall von schwerer Bothriozejphalus-An&mie (E. = 675 000) bei einer 21jährigen Arbeiterin, die trotz vorhandener Orthopnoe und einem sonst überaus angegriffenen Zustand nach der Wurmabtreibung genas. Auch in einem zweiten Fall von schwerer Bothriozephalus- Anamie trat Genesung ein, obgleich die Atemfrequenz über 40 betrug. In den übrigen Symptomatologie: Atmungsorgane, Kreislauf organe. 177 drei Fällen, wo die Atemfrequenz 40 überstieg, war dagegen der Ausgang tödlich. Von diesen beziehen sich zwei auf eine kryptogenetische (der eine mit kruppöser Pneumonie verbunden) und einer auf eine Bothriozephalus -Anämie. Überhaupt habe ich den Eindruck gewonnen, daß ,,die große Atmung" bei der perniziösen Anämie als ein Signum mali ominis gestempelt werden muß. Nur ganz ausnahmsweise habe ich gesehen, daß Kranke, die diese Atem- störung darboten, sich erholten. Eine hochgradig beschleunigte Atmung ohne besonders starke Vertiefung der Inspiration scheint dagegen nicht so verhängnis- voll zu sein. Selbstredend ist die Beschleunigung der Atemfrequenz auf die Herab- setzung des Hämoglobingehaltes und zum Teil wohl auch auf die verminderte Herzkraft zurückzuführen. Daß beim Zustandekommen der großen Atmung außerdem eine „Vergiftung" etwa infolge von besonderen Stoff Wechselstörungen oder aber irgendein anderes Moment, vielleicht Hirnödem bzw. erhöhter Lumbai- druck, mitwirke, ist nicht unwahrscheinlich. Wie häufig die große Atmung bei den Kranken gewesen ist, kann ich leider nicht zahlenmäßig angeben, aber als eine besondere Seltenheit möchte ich sie keinesfalls bezeichnen. Es ist deshalb etwas überraschend, daß Hof bauer keinen Fall von perniziöser Anämie mit dieser Atemstörung beobachtet zu haben scheint, trotzdem er seine Aufmerksamkeit besonders darauf gerichtet hat. In einem Fall beschreibt er allerdings eigentümliche Veränderungen der Atmung, die sowohl bei gewöhnlicher Inspektion wie bei graphischer Aufnahme sich erkennen ließen, aber diese waren offenbar anderer Art. Einerseits kamen nämlich ziemlich lange dauernde Atemstillstände vor, anderseits verliefen die dazwischen gelegenen Atemzüge bei abnormer Tiefe rasch. Nicht nur bei der klinischen Untersuchung, sondern auch bei der Obduktion fanden sich keinerlei Veränderungen, welche diese Störungen verständlich machten. Auf Grund tierexperimenteller Untersuchungen glaubt Hofbauer, daß die in Rede stehenden Atemstörungen „nicht die Folge der Anämie als solcher, sondern lediglich durch die konko- mittierende Erniedrigung des Blutdruckes bedingt" seien. Anläßlich dieser Ansicht Hofbauers über die Ursache der eben geschilderten Atem- störung kann ich nicht umhin zu bemerken, daß ich vor kurzem in meiner Klinik eine Kranke behandelt habe, die keine solchen Atemstillstände, wie sie Hofbauer beschreibt, darbot, obschon die Anämie sehr ausgeprägt war Und der Blutdruck in den letzten Tagen vor dem Tode bis auf 60 mm Hg sank. In diesem Fall bestand nur eine beschleunigte und zugleich vertiefte Atmung. Es scheint mithin, als ob zur Erzeugung des Hofbauerschen Atemtypus ein hochgradig herabgesetzter Hämoglobingehalt bei niedrigem Blutdrück nicht genügen würde. Übrigens hebt Hofbauer hervor, daß sich bei sehr ausgesprochenen Anämien oftmals vollkommen normaler Verlauf der Atemkurve vorfindet. Kreislauforgane. Außer den häufig auftretenden Atembeschwerden, die eben erwähnt wurden, kommt bei der perniziösen Anämie und gemeiniglich in Verbindung mit ihnen ein mehr oder weniger belästigendes Herzklopfen vor. Dies kann sowohl durch körperliche Anstrengung als durch psychische Erregung hervorgerufen werden und gehört bei der vorliegenden Krankheit, wie viele der übrigen Symptome von Seiten der Kreislauf organe, zu den gewöhnlichsten Erscheinungen. In den schwersten Fällen ist der Herzspitzenstoß außerhalb der Mamillar- linie, meistens im 5. Zwischenrippenraum, zu sehen und zu tasten, und man bemerkt außerdem dann und wann auch in den höher gelegenen Int erst itien eine deutliche Pulsat ion. In manchen Fällen lassen sich auch in den Halsgefäßen und gelegentlich sogar im Jugulum sowie im Epigastrium pulsatorische Bewegungen erkennen. Es kann nicht befremden, daß sich in Fällen, wo solche ausgedehnte Pul- sationen beobachtet werden, auch eine Verbreiterung der Herzdämpfung Blutkrankheiten. II. 12 178 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. nachweisen läßt. Aber auch in Fällen, wo keine derartigen Pulsat ionen vor- handen sind, ist die Herzdämpfung zuweilen größer als in der Norm. Häufig findet man die rechte Grenze mehr verschoben. Die Erweiterung des Herzens kann, wie ich das auch selbst gesehen habe, in den schwersten Fällen so hochgradig werden, daß eine relative Trikuspidal- insuffizienz mit positivem Venenpuls an der Jugularis in die Erscheinung tritt (Eichhorst, Byrom - Bramwell). Da in solchen Fällen auch Zeichen einer Mitralinsuffizienz bestehen, kann der Verdacht des Vorhandenseins eines endokarditischen Mitralfehlers wachgerufen werden. Aber wie v. Leube mit Recht betont, erscheint bei den schweren Anämien die relative Trikuspidal- insuffizienz etwa gleichzeitig mit der relativen Mitralinsuffizienz, „nicht erst, nachdem es, wie bei der endokarditischen Form der Mitralinsuffizienz, zu schweren Kompensationsstörungen und hochgradiger venöser Stauung gekommen ist". Daher vermißt man bei der relativen Trikuspidalinsuffizienz in Fällen von schwerer Anämie ausgesprochene Zyanose und beträchtlichere Ödeme. Ca bot hat in 18% seiner Fälle eine deutliche Vergrößerung des Herzens nachgewiesen und F. Kraus noch viel öfter, denn in 30 seiner 47 Fälle ergab die Perkussion eine Vergrößerung des Herzens, und in mehr als der Hälfte dieser Fälle stellte sie sich als sehr „manifest" heraus. Die in längeren Zeit abständen wiederholte Untersuchung zeigte ihm, wie bereits Eichhorst gefunden hatte, daß das Herz sich im Verlaufe der Krankheit fortschreitend vergrößerte. In einer Reihe von Fällen konnte F. Kraus außerdem durch Röntgen- untersuchung feststellen, daß das Herz bei der perniziösen Anämie, nament- lich in den schwersten Fällen, eine deutliche mitrale Konfiguration darbot. Selbst habe ich die Richtigkeit dieser Beobachtung in vielen Fällen bestätigen können. Lehrreich für mich war in dieser Beziehung besonders ein Fall, wo sich eine sehr erhebliche Vergrößerung des Herzens vorfand und der Röntgenologe auf Grund der ausgesprochenen mitralen Konfiguration des Herzens das Vor- handensein eines endokarditischen Mitralfehlers vermutete. Es handelte sich um eine kryptogenetische perniziöse Anämie (H. = 12%, E. = 631 000, L. = 2300). Die relative Herzdämpfung links fast bis an die vordere Axillarlinie, rechts zwei Querfinger außerhalb der rechten Sternallinie. Über der ganzen Herzgegend ein nicht besonders lautes systolisches Geräusch. Der zweite Pulmonalton verstärkt, Blut- druck Riva-Rocci 130 mm Hg (A. brach, dextra). Die klinische Diagnose lautete: Anaemia perniciosa, Dilatatio et hypertrophia cordis, und bei der Sektion wurde diese Diagnose vollauf bestätigt. Endokarditische Klappenveränderungen gab es keine. Weit häufiger als Größen Veränderungen werden Geräusche am Herzen beobachtet. Solche ließen sich in 76% meiner Fälle oder in 218 von 287 Fällen vernehmen. Auch Cabot gibt an, daß Geräusche in 76% aller von ihm geprüften 1123 Fälle, fremder und eigener, vorhanden waren. Die Übereinstimmung ist schlagend, aber es sei bemerkt, daß er in sä mt liehen seiner eigenen 342 Fälle Geräusche nachzuweisen vermochte. Er glaubt, daß eine verschiedene Genauig- keit bei der Untersuchung die Schuld dieser verschiedenen Ergebnisse sei. Das ist sicherlich richtig. Und ich glaube, daß auch die von mir eben angegebene Prozent- zahl zu niedrig ist, muß aber doch darauf bestehen, daß es unzweifelhaft Fälle gibt, wo trotz der sorgfältigsten Untersuchung keine Geräusche zu hören sind. Das Geräusch ist bis auf einige Ausnahmen systolischer Natur. Es ich meistens als blasend oder sausend bezeichnen. Verhältnismäßig selten hört man Geräusche, die einen rauheren Charakter besitzen. Die Stärke ist '" Verschiedenen Fallen sehr verschieden. Zuweilen ist das Geräusch so leise, daß man es eben vernehmen kann, zuweilen so laut, daß es nahe liegt, auf einen organischen Klappenfehler zu schließen. Oft hört man das Geräusch stärker, «renn Her Kranke bei der Untersuchung liegt, als wenn er steht oder sitzt. Symptomatologie: Kreislauf organe. 179 Daß die Stärke in wenigen Stunden und Tagen wechseln kann, soll nicht bestritten werden, aber soviel ich gefunden habe, ist diese Erscheinung nicht so gewöhnlich, wie vielfach behauptet worden ist. Der systolische Ton läßt sich mitunter neben dem Geräusch hören, wird aber oft vollständig durch dieses ersetzt. Auch in bezug auf den Sitz des systolischen Geräusches weisen die einzelnen Fälle große Verschiedenheiten auf. In 156 = 71,5% meiner Fälle war es fast über dem ganzen Herzen zu hören, in den übrigen 62 = 28,5% nur an gewissen Ostien. Im letzten Fall beobachtete man es bei 24 Kranken an der Basis, bei 14 an der Pulmonalis, bei 22 an der Spitze und bei 2 am Sternum. Wenn es über mehrere Ostien hörbar war, erschien es in 43 dieser Fälle etwa gleich laut über den verschiedenen Ostien, in den übrigen 113 aber erwies es sich an einem gewissen Ostium am stärksten. Genauer bestimmt war es bei 44 Kranken am lautesten an der Basis, bei 28 an der Pulmonalis, bei 29 an der Spitze und bei 12 am unteren Teil des Brustbeins. Es sei bemerkt, daß Ca bot das Geräusch häufiger an der Spitze als an der Pulmonalis gefunden hat. Die systolischen Geräusche bei der perniziösen Anämie sind wohl in einigen Fällen auf die Erweiterung des Herzens und somit auf eine relative Insuf- fizienz zurückzuführen. Öfter aber dürften sie nichts mit einer Störung im Klappenmechanismus zu tun haben und sind mithin als rein akzidentell zu betrachten. Worauf es beruht, daß Geräusche in einem Teil der Fälle fehlen, läßt sich nicht ohne weiteres entscheiden. Die Blutbeschaffenheit allein kann nicht ausschlaggebend sein. Denn ich habe Geräusche vermißt sowohl in den schwersten Fällen (in einem z. B., wo sich die Blutkörperchenzahl nur auf 395000 belief), wie auch in solchen, wo die Anämie als eine mäßige zu bezeichnen ist. Man muß deswegen die übrigen Faktoren, die beim Zustandekommen des endokardialen Geräusches mitwirken können, hierbei heranziehen. Vor allem ist vielleicht an die Geschwindigkeit der Blut Strömung zu denken. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß hierbei auch andere Möglichkeiten in Betracht kommen müssen. Ein diastolisches Geräusch ist, wie bereits angedeutet, eine seltene Erscheinung bei der perniziösen Anämie. Cabot hat ein solches in 9 von 857 Fällen beobachtet. Selbst habe ich lediglich in 2 meiner Fälle das Vor- handensein eines derartigen Geräusches feststellen können. Es war in beiden Fällen im dritten Zwischenrippenraume, etwa in der Parasternallinie, zu hören. Und neben diesem diastolischen Geräusch ließ sich über dem ganzen Herzen ein lautes systolisches Geräusch vernehmen. Der eine Kranke hatte etwa 600 000, der andere etwa 800 000 rote Blutkörperchen. Nach Türk werden die diastolischen Geräusche namentlich an der Herzbasis und an der Trikuspidalis wahrgenommen. Nach Eichhorst sind sie in ihrer Lokalisat ion sehr wechselnd. Bei der Sektion meiner zwei Fälle konnten keine Veränderungen in den Klappen entdeckt werden. Die gleiche Erfahrung haben auch andere Forscher mehrfach gemacht in Fällen, wo diastolische Geräusche bei der perniziösen Anämie nachgewiesen worden sind. Über die Entstehung des diastolischen Geräusches bei unserer Krankheit ist vorläufig nichts Sicheres bekannt. D. Gerhardt gibt an, daß ein protodiastolisches Geräusch an oder nahe bei der Herzspitze ohne das Bestehen einer Mitralstenose bei den stark dilatierten Herzen schwerer Anämien (relative Klappenstenose) vorkommen kann. Auch über das Auftreten eines präsystolischen Geräusches wird berichtet. Ein solches wurde in 14 Fällen von Cabot gefunden und war an der Spitze am besten hörbar. In 2 Fällen ergab die Sektion keine Klappenveränderungen. In den übrigen Fällen blieb die Natur des Geräusches dunkel. 12* 180 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Ich möchte hier erwähnen, daß auch ich in einem Falle perniziöser Anämie ein prä- systolisches Geräusch an der Spitze wahrgenommen habe. Es war deutlich rollend, und auch sonst bestanden die gewöhnlichen Zeichen einer Mitralstenose. Die Kranke, eine 38jährige Dienstmagd, litt außerdem an Epilepsie, die sowohl mit großen wie mit kleinen Anfällen einherging. In der Familie war hochgradiger Alkoholismus, Geisteskrankheit und Tuberkulose vorgekommen, und überdies war ein Bruder im Alter von 31 Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach an perniziöser Anämie gestorben. Im Hinblick auf alle diese Tatsachen habe ich mich gefragt, ob es sich in meinem Fall und möglicherweise in einem Teil der Cabotschen um eine kon- genitale Mitralstenose oder die sog. Duroziersche Krankheit handeln könnte. Hervorgehoben sei, daß Durozier selbst einen Fall von Epilepsie bei kongeni- taler Mitralstenose erwähnt und daß nach Pawlinow dieses Leiden in bezug auf seinen Ursprung der Chlorose und, sofern ich ihn recht verstanden habe, auch der perniziösen Anämie nahestehen würde, indem alle diese Krankheiten als die Folge einer mangelhaften Entwicklung zu erachten wären. Per zweite Pulmonalton erscheint bei der perniziösen Anämie zuweilen verstärkt. Insbesondere ist das der Fall, wenn eine relative Mitralinsuffizienz vorhanden ist. Aber auch sonst kann eine Akzentuierung des erwähnten Tones beobachtet werden. In solchen Fällen ist es möglich, daß die fragliche Erschei- nung auf konstitutionelle Eigentümlichkeiten zurückzuführen ist, denn man beobachtet sie gar nicht selten z. B. bei Leuten mit asthenischem Habitus, und ein solcher wird ja bei Personen mit perniziöser Anämie nicht selten gesehen. Auch eine Spaltung des zweiten Tones kommt dann und wann vor. Die Karotiden findet man in den schweren Fällen manchmal lebhaft hüpfend. An den peripheren Arterien, wie brachialis, cruralis und zuweilen auch radialis, kann man in gewissen Fällen bei gelindem Druck mit dem Stethoskop einen kurzen, mit der Herzsystole gleichzeitigen Ton feststellen. Ein anhaltendes Sausen über der Jugularis fehlt verhältnismäßig selten. Im allgemeinen tritt diese Erscheinung nur deutlich hervor, wenn die Kranken bei der Untersuchung sitzen oder stehen. In einigen Fällen ist das Geräusch bloß auf der rechten Seite zu vernehmen, in anderen viel stärker auf dieser Seite als auf der linken. Ein entgegengesetztes Verhalten bemerkt man nur selten. Recht oft macht sich das Nonnengeräusch dem aufgelegten Finger als ein feines Schwirren bemerkbar. Negativer Venenpuls ist eine häufige Erscheinung (Türk), und wie im vorhergehenden bereits erwähnt wurde, kann man gelegentlich auch positiven Venenpuls an der Jugularis wahrnehmen. Venenthrombosen sind, soviel ich weiß, bei der perniziösen Anämie äußerst selten angetroffen worden. Nur bei E. Bloch finde ich zwei hierher gehörige Fälle erwähnt. Die Herztätigkeit ist im allgemeinen regelmäßig. Wenn sich Arrhythmien Vorfinden, muß mit dem Vorhandensein komplizierender Leiden gerechnet werden. Dabei können natürlich sowohl nervöse wie organische Krankheiten in Betracht kommen. In einem meiner Fälle war eine ausgeprägte Sklerose der Koronararterien vorhanden, in einem anderen handelte es sich offenbar um nervöse Störungen. Der Blutdruck ist häufig erniedrigt. Werte von 60 — 80 mm Hg für den systolischen Druck bei Anwendung von Riva - Roccis Apparat sind nach Ca bot nichts Ungewöhnliches. Auch ich selbst habe ähnliche Zahlen- werte, besonders einige Tage vor dem Tode, feststellen können, in der Mehrzahl der Fälle jedoch Werte gefunden, die zwischen 90 und 100 liegen. Die höchste Zahl, die ich in Fällen, welche nicht mit Arteriosklerose Verbunden waren, beobachtel habe, belauft sich auf 135. Es war das 3 Tage vor dem Tode in Symptomatologie: Kreislauf organe, Verdauungsorgane. 181 einem sehr schweren Fall, wo sich bei der Sektion eine erhebliche Dilatation und eine recht bedeutende Hypertrophie des Herzens erkennen ließen, ohne daß irgendeine greifbare Ursache der Hypertrophie zu entdecken war. Gewöhnlich ist die Herztätigkeit auch bei völliger Ruhe mehr oder weniger beschleunigt. In den meisten meiner Fälle wechselte die Zahl der Pulsschläge zwischen 90 und 100. Kurz vor dem Tode steigt die Frequenz oft bis 140 und vielleicht noch höher. Allein es kommt gelegentlich auch vor, daß sie beträcht- lich sinkt. So habe ich in einem Fall 1/2 Stunde vor dem Tode eine Pulszahl von 36 feststellen können, während H. Müller einen Fall erwähnt, wo die Frequenz am letzten Lebenstage auf 30 gesunken war. Die Größe der einzelnen Pulsschläge ist in den verschiedenen Fällen sehr verschieden und hängt selbstredend von der jeweiligen Entwicklungsstufe der Krankheit ab. Nicht selten ist der Puls recht ausgesprochen celer. Auch Doppelschlägig- keit des Pulses kann beobachtet werden (Eichhorst, Byrom - Bramwellu. a.). Die Verdauungsorgane werden bei der perniziösen Anämie fast regel- mäßig in Mitleidenschaft gezogen. Im vorhergehenden wurde schon darauf hingewiesen, daß die Kranken sehr häufig über ein zeitweise auftretendes Gefühl von Wundsein der Zunge und der Schleimhaut des Mundes, zuweilen auch des Gaumens und der Speise- röhre klagen. Von der anatomischen Grundlage und der diagnostischen Bedeutung dieses Symptoms war ebenfalls bereits die Rede. Hier mag nur erwähnt werden, daß das Übel gegen jede Behandlung eine große Hartnäckigkeit zeigt und dadurch, daß es die Nahrungsaufnahme beschränkt, nicht ganz belanglos ist. In vereinzelten Fällen ist gesteigerter Speichelfluß verzeichnet worden. Übrigens ist die Zunge in der Regel rein. Mitunter erscheint sie mehr oder weniger gefurcht, Lingua plicata, meistens aber zeigt sie eine glatte, fast spiegelnde Oberfläche, was offenbar damit in Zusammenhang steht, daß die Zungenpapillen so wenig hervortreten. Bei der perniziösen Bothriozephalus-Anämie pflegt die Zunge nach der Wurmabtreibung und eingetretener Genesung ihr gewöhnliches Aussehen wieder anzunehmen. Dann und wann ist das Zahnfleisch geschwollen und leicht blutend. Die Zähne sind in den meisten Fällen schlecht. Auch bei jugendlichen Kranken findet man gar nicht selten die Zähne zum großen Teil ausgefallen. Hunt er erbückt in den kariösen Zähnen die Quelle des infektiösen Vorganges, welcher nach seiner Ansicht der perniziösen Anämie zugrunde liegt. Mir scheint es wahrscheinlicher, daß wir es hier mit einer Teilerscheinung jener Konsti- tutionsanomalie zu tun haben, die bei Personen mit perniziöser Anämie gewöhn- lich angetroffen wird. Der Appetit hegt in der Mehrzahl der Fälle danieder. Mitunter besteht ein ausgeprägter Widerwille nur gegen bestimmte Speisen, z. B. Fleisch, mitunter können die Kranken überhaupt fast keine Nahrung zu sich nehmen. In Vereinzelten Fällen Vertragen sie nicht einmal den bloßen Anblick des Essens. Man darf sich jedoch nicht Vorstellen, daß der Appetit im Laufe der Krank- heit keinen Wandlungen unterworfen sei. Das ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil zeigt er wie viele andere Erscheinungen zuweilen ein recht launisches Verhalten. Ja, es kommt sogar Vor, daß der Appetitmangel mit wahrem Heiß- hunger abwechseln kann, und zwar auch dann, wenn es sich nicht um eine Verbesserung des sonstigen Zustandes handelt. Daß auch der Durst Vermehrt ist, beobachtet man gar nicht selten (Byro m- Bramwell, Eichhorst, eigene Erfahrungen). 182 0. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Ein Gefühl von Druck und Vollsein unter der Brust, Schmerzen daselbst, Aufstoßen und Erbrechen sind gleichfalls Symptome, die uns sehr häufig bei der perniziösen Anämie begegnen. In einigen Fällen beherrschen sie das Krank- heit sbild dermaßen, daß der weniger geübte Beobachter leicht in Versuchung gerät, das Vorhandensein eines selbständigen Magenleidens anzunehmen. Überhaupt tritt das Erbrechen erst in den späteren Krankheitsstadien auf, ist aber dann häufig genug ein schweres und hartnäckiges Symptom. Es stellt sich teils im Anschluß an die Mahlzeiten, teils bei nüchternem Magen ein. Im ersten Fall besteht das Erbrochene meistens aus sehr wenig veränderten Speiseresten, im letzten Fall aus einer gallig gefärbten dünnen Flüssigkeit. Blut ist in dem Erbrochenen nur ausnahmsweise beobachtet worden. In 2 Fällen Von H. Müller, wo blutiges Erbrechen bestand, war die Magenwand unver- sehrt; und nicht einmal Blutaustritte in die Magenschleimhaut ließen sich nachweisen. In einem meiner Fälle, wo die Kranke angeblich eine kaffeesatz- ähnliche Masse erbrochen hatte, soll ein Arzt die Anwesenheit eines Magen- krebses angenommen haben. Auch Barclay beobachtete in einem Fall kurz vor dem Tode des Kranken Erbrechen dunkler Massen. Die Funktionsprüfung des Magens ergibt bemerkenswerte Aufschlüsse. Ich denke dabei insbesondere an die Tatsache, daß sich in den meisten Fällen eine sekretorische Insuffizienz des Magens erkennen läßt. In 94 Von meinen Fällen wurde die Magenabsonderung untersucht. In 83 Fällen wurde freie Salzsäure vermißt, und dabei handelte es sich meistens um einen vollständigen Salzsäuremangel. Nur in einer Minderzahl der Fälle waren die Werte für die Gesamt azidität dermaßen hoch, daß man Anlaß gehabt hätte, an das Vorhandensein von gebundener Salzsäure zu glauben. Es ist das ein Verhalten, das auch Von anderen Forschern festgestellt worden ist. Zum Vergleich sei erwähnt, daß Rosenqvist 19 Fälle von Bothriozephalus- Anämie auf die Salzsäuremenge des Mageninhaltes geprüft hat. Die Reaktion auf freie Salzsäure war in 12 Fällen negativ und in 7 positiv. Es muß jedoch besonders hervorgehoben werden, daß in 4 der zuletzt ange- führten Fälle die Untersuchung erst ausgeführt wurde, nachdem sich der Kranke Vollständig oder wenigstens in bedeutendem Maße erholt hatte. Diese Fälle müssen selbstredend bei einer Untersuchung über die SekretionsVerhältnisse des Magens bei der Bot hriozephalus -Anämie auf der Höhe der Erkrankung ohne weiteres ausgeschieden werden. Denn wenn bei der Bot hriozephalus -Anämie Genesung eintritt, kann, wie ich das wiederholt bemerkt habe, die Salzsäure- absonderung wieder in Fluß kommen, trotzdem auf der Höhe der Erkrankung ein vollständiger Salzsäuremangel zu erkennen war. Indessen hat z. B. H. Strauß bei seiner Zusammenstellung diese Fälle mitgezählt, und deshalb sind die Von ihm angeführten Zahlen recht irreführend. Von 57 von mir zusammengestellten Fällen, die alle auf der Höhe der Krank- heit untersucht wurden, zeigten 10 = 17,5% freie Salzsäure im Mageninhalt. Über das Verhalten der Magensaftsekretion bei der kryptogeneti- schen perniziösen Anämie findet sich in der Literatur eine große Zahl Von Einzelbeobachtungen. Die meisten berichten über Fälle von Salzsäure- mangel, aber es Bind auch Fälle mitgeteilt worden, wo freie Salzsäure vor- handen war (vgl. S. 141-5). An größeren Beobachtungsreihen herrscht noch großer Mangel. H. Strauß hat unter 8 Pillen zweimal freie Salzsäure gefunden. Cabot meldet, daß unter 79 Fällen, wo er die Magenaafteekretion untersucht hat, sich nur in einem Fall Salzsäure in etwas erheb- liohei Menge vorfand. Gulland und Goodall wiederum haben unter ihren zahlreichen Kranken QU] 3 Falle gesehen, wo die Salzsäuremenge etwa normal erschien, und Plehn hebt hervor, dafl er in jedem einzelnen seiner 55 Fälle Achylie bei Fehlen von Milchsäure teilt bat. Unter l- Fällen habe ich nur in einem freie HCl nachweisen können. Symptomatologie: Verdauungsorgane. 183 Jedenfalls ergeben die bisherigen Untersuchungen, daß es auch Fälle kryptogenetischer perniziöser Anämie gibt, wo sich freie Salzsäure im Mageninhalt nachweisen läßt. Auch bei der kryptogenetischen perniziösen Anämie soll bei vorübergehender Besserung eine Steigerung der Salzsäureabsonderung noch möglich sein (Bloch), dies gilt aber nur für Fälle, wo sie nicht vollständig erloschen ist. Es ist beachtenswert, daß trotz dem Salzsäuremangel Symptome einer Dyspepsie Von den Kranken manchmal nicht angegeben werden. In einem Fall will EwaldMilchsäure nachgewiesen haben. Sonst sind aber organische Säuren bei der perniziösen Anämie im Mageninhalt nicht gefunden worden. Ab und zu kommt es freilich vor, daß man bei Verwendung der Uffelmannschen Reagenz eine Gelbfärbung bekommt, die sich in nichts von der beim Vorhandensein von Milchsäure gewöhnlichen unterscheidet. Allein da man dies namentlich in Fällen beobachtet, wo der Mageninhalt eine völlig neutrale Reaktion zeigt, kann es sich nicht gern um Milchsäure handeln. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, daß es Zuckerarten sind, die die fragliche Farbe veranlassen. Bei Abwesenheit aller Säuren im Mageninhalt müssen ja die Verhält- nisse sich für eine ergiebige Ptyalindigestion der Amylacea sehr günstig gestalten. Die motorische Tätigkeit des Magens dürfte bei unserer Krankheit überaus selten herabgesetzt sein. In der Regel ist sie gut erhalten oder sogar gesteigert. Selbst habe ich wiederholt feststellen können, daß man bereits etwa 1/2 Stunde nach dem Probefrühstück aushebern muß, um überhaupt etwas herausbekommen zu können. Denn schon 3/4 — 1 Stunde nach dem Probefrühstück findet man in Vielen Fällen bei vorgenommener Spülung keine Brotreste mehr im Magen. Auch andere Forscher (Naegeli, Türk) betonen das Vorkommen einer Hyper- motilität bei der perniziösen Anämie. Bei Verdacht auf Magenkrebs kann diese Erscheinung in differentialdiagnostischer Hinsicht von einem gewissen Gewicht sein. Vielleicht muß man die erhöhte Motilität des Magens Verantwortlich machen für die festen Kontraktionen des Pylorus, die zuweilen bei perniziöser Anämie getastet worden sind und sehr leicht mit einer wahren Geschwulst Verwechselt werden können (H. Müller, Quincke, Nauer, A. Lazarus, Naegeli, D. Gerhardt). Eine Senkung des Magens wird dann und wann beobachtet. Eine größere Auftreibung durch Gase oder Flüssigkeit gehört nicht zu cion gewöhnlichen Symptomen. Eine ausgesprochene Druckempfindlichkeit ist selten. Die Darmtätigkeit ist bis auf einige Ausnahmen mehr oder weniger gestört. In einigen Fällen hat man es mit Verstopfung zu tun, in anderen mit längere oder kürzere Zeit andauernden Durchfällen. Recht oft beobachtet man auch abwechselnd Verstopfung und Durchfall. Namentlich bei Nach- schüben tritt schwerer Durchfall häufig auf, und mitunter kann ein solcher unstillbarer Art dem Tode unmittelbar vorausgehen. Es soll auch nicht uner- wähnt bleiben, daß es Kranke gibt, die vom ersten Anfang ihres Leidens an Durchfälle gehabt haben wollen. Eine Ursache der Durchfallsattacken ist meistens nicht zu erkennen. Worauf sie aber schließlich beruhen, ist schwer zu sagen. Daß immer nur die Achylie an sich sie verschuldete, scheint keineswegs sicher, wenigstens würde dadurch nicht erklärt werden, daß sie so oft anfallsweise auftreten, v. Noorden denkt an mangelnde Fettresorption. Aber vielleicht befindet sich der Durch- fall in direkter Abhängigkeit von der eigentlichen Krankheitsursache. Der Durchfall kann in gewissen Fällen mit Leibschmerzen verbunden sein. Und auch ohne nachweisbare Störungen in der Darmtätigkeit können solche gelegentlich auftreten. 184 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Der Stuhl erscheint oft auffallend stark gallig gefärbt, v. Noorden hat in einem Fall den Urobilin- und Eppinger und Charnas in 3 Fällen den Urobilinogengehalt bestimmt. Sie fanden hierbei viel größere Zahlen als in der Norm. Der erstgenannte Forscher 0,920 g Urobilin, die zwei zuletzt genannten abwechselnd zwischen 0;360 g und 0,780 g Urobilinogen gegen 0,130 g in der Norm. Später hat Eppinger in einer ganzen Reihe von Fällen die tägliche Farbstoffausscheidung durch den Stuhl quantitativ bestimmt und in sämt- lichen Fällen sehr hohe Werte gefunden, bis zu 1,14 g. Auch nach Tür k ist die Sterkobilin- (Urobilin-) Menge gesteigert, und zwar häufig in hohem Grade. Bei mikroskopischer Untersuchung sieht man keine größeren Mengen unver- dauter Nahrungsreste. Am häufigsten noch Muskelfasern, gewöhnlich ohne oder doch nur mit angedeuteter Querst reif ung (Türk). Eine zusammenfassende Betrachtung der Befunde, die bei Stoffwechsel- untersuchungen an Kranken mit perniziöser Anämie erhoben worden sind, lehrt indessen nach Strauß, daß die Stickstoffausfuhr im Kot in einigen Fällen über das gewöhnliche Maß gesteigert erscheint. Doch sei ,,die zur Resorption gelangte Stickstoffmenge in der weitaus überwiegenden Mehrzahl sämtlicher Fälle so groß, daß sie zur Ernährung der betreffenden Personen vollkommen ausreiche". Von einer Entstehung der perniziösen Anämie durch eine Ver- minderte Resorption der Nahrung, wie Von Eisenlohr, Martius u. a. Ver- mutet wurde, kann daher nach Strauß' Meinung keine Rede sein, zumal auch die in betreff der Fettausnutzung erhobenen Befunde keineswegs in diesem Sinne sprechen. Mitunter kommen jedoch wahre Fettstühle vor (v. Noorden, Isaac und Handrick). J. Müller hat in einem Fall kryptogenetischer perniziöser Anämie kleine eigenartige Kristalle gefunden. Am ehesten schienen sie mit den Charcot- Leydenschen Kristallen Verwandt zu sein. Doch unterschieden sie sich Von diesen in Vielen Hinsichten, Vor allem in bezug auf die Form. Hinsichtlich der Darmflora sei auf das vorige Kapitel (S. 148 — 150) hin- gewiesen. Blut, auch okkultes, wird in unkomplizierten Fällen regelmäßig vermißt. Bei der Bothriozephalus - Anämie werden, sofern der Kranke nicht schon, bevor er unter Beobachtung kam, eine Wurmkur vorgenommen hat, fast regelmäßig Wurmeier im Stuhle beobachtet. Man muß jedoch wissen, daß es nicht in jedem Fall gelingt, die Eier bei der ersten Untersuchung nach- zuweisen. Mehr als einmal habe ich erlebt, daß man ihr Vorhandensein erst nach wiederholten Untersuchungen feststellen konnte. Die Leber kann bei der perniziösen Anämie in wechselndem Grade Ver- größert sein. In betreff der Häufigkeit der Lebervergrößerung machen sich verschiedene Ansichten geltend. Ca bot fand eine solche in 35% seiner Fälle, während Türk meint, die Leber sei regelmäßig in geringem Grade vergrößert. Selbst habe ich gleichwie Gulland und Goodall die Erfahrung gemacht, daß die Lebervergrößerung zwar nicht ungewöhnlich ist, aber doch verhältnismäßig selten einen be- deutenden Umfang erreicht. Es wird das meistens in den weit entwickelten Fällen beobachtet, und dabei kann zugleich eine recht erhebliche Druckempfind- Lichkeil vorhanden sein. Daß ein mehr oder weniger deutlicher Ikterus öfters im Laufe der Krank- li.it wahrgenommen wird, habe ich schon früher erwähnt. Er steht offenbar in Zusammenhang mi1 der erhöhten Blutkörperchenzerstörung, denn bei Ver- Bchlimmerungen der Krankheit erscheint die gelbe Farbe häufig stärker. Der Farbetoffgehall der Galle dürfte meistens auf der Höhe der Krankheit hoch Bein (Medak and Pribram, Eppinger u. a.). Symptomatologie: Milz, Lymphdrüsen, Knochensystem, Schilddrüse. 185 Ob Steinbildungen in den Gallenwegen etwas mit der Anämie als solcher zu tun haben oder als Nebenbefunde zu betrachten sind, ist schwer zu sagen. In einem der 3 Fälle von Gallensteinkrankheit, die ich, bei Personen mit perniziöser Anämie gesehen habe, bestand das Steinleiden jahrelang, bevor die Anämie zum Ausbruch kam. Die Milz. Auch betreffs der Größenverhältnisse dieses Organs sind die Meinungen der Forscher geteilt. Nach Türk gehört eine ganz bescheidene Vergrößerung der Milz zu den häufigsten klinischen Erscheinungen der perniziösen Anämie. Ca bot wiederum hat eine geringe Vergrößerung in £7°/0 und eine beträchtliche in l°/0 seiner FäUe gefunden, während Lazarus sowie Gulland und Goodall meinen, daß die Milz in der großen Mehrzahl der Fälle nicht vergrößert erscheine. Ich selbst habe recht selten bei der klinischen Untersuchung eine deutliche Milz- vergrößerung nachweisen können und möchte ganz besonders betonen, daß ich, im Gegensatz zu Cabot, eine Milz, die sich mit ihrem unteren Rande bis in die Nabelhöhe erstreckt hätte, nie gewahrt habe. Ich bin demnach geneigt, mit Eichhorst und mehreren anderen Forschern zu glauben, daß eine erheb- liche Milzvergrößerung dem reinen Bilde der perniziösen Anämie fremd ist. - — Ich habe in meiner Klinik einen Fall beobachtet, der in diesem Zusammen- hang recht bemerkenswert erscheint. Es handelt sich um einen 32jährigen Mann, der vor 16 Jahren in der hiesigen medi- zinischen Klinik wegen einer perniziösen Bothriozephalus-Anämie behandelt wurde und Gegenstand eingehender Stoff Wechseluntersuchungen von Rosenqvist war. Er bot damals keine Milzvergrößerung dar. Als ich ihn nach seiner Aufnahme in meine Klinik untersuchte, fiel mir sogleich seine gelblich-blasse Hautfarbe auf, und ich dachte zuerst, daß er, trotz der langen Zwischenzeit, wieder von einer perniziösen Anämie befallen sei. Doch bei näherer Untersuchung wurde ich stutzig, denn es stellte sich heraus, daß er eine bis in die Nabelhöhe sich erstreckende Milz hatte. Und anamnestisch ließ sich erheben, daß diese seit 5 Jahren bestand. Ich glaubte nun, daß meine Ansicht betreffs der Nicht- zugehörigkeit einer beträchtlichen Milzvergrößerung zum Bilde der perniziösen Anämie unrichtig sei. Aber die weitere Untersuchung belehrte mich bald, daß wir es hier mit keiner perniziösen Anämie, sondern vielmehr mit einem Fall von Ikterus haemolyticus zu tun hatten. Denn die Resistenz der roten Blutkörperchen gegenüber isotonischen Salzlösungen war stark herabgesetzt. Auch bei der 9jährigen Tochter des Kranken, die ich zu unter- suchen Gelegenheit hatte, ließen sich unzweideutige Symptome derselben Krankheit er- kennen. Sie hatte eine palpatorisch nachweisbare Vergrößerung der Leber und der Milz und zudem noch eine ausgesprochene Herabsetzung der Resistenz der roten Blutkörperchen gegen isotonische Salzlösungen. Übrigens waren auch keine Würmeier in den Ab- führungen des Kranken aufzufinden. In den Fällen, wo die Milz getastet werden kann, zeigt sie sich derb (Eich- horst, Gulland und Goodall). Das lymphatische System bietet, wenigstens soviel man aus den Ergeb- nissen der klinischen Untersuchung schließen kann, in den reinen Fällen der perniziösen Anämie keine auffallenden Abweichungen von der Norm dar. Zwar können zuweilen die Tonsillen hyperplastisch und die zervikalen Drüsen, nament- lich bei jungen Kranken, etwas geschwollen angetroffen werden, aber diese Befunde sind nicht als direkte Krankheitsäußerungen, sondern vielmehr als konstitutionelle Erscheinungen zu erachten (Türk). Das Knochensystem läßt in vielen Fällen eine Druckempfindlichkeit von wechselnder Stärke erkennen. Am regelmäßigsten findet man diese Erschei- nung am Brustbein und meistens an seinem unteren Ende, weniger oft am Oberarm, am Schienbein und am Oberschenkel. Die Schilddrüse ist im Gegensatz zu dem, was bei der Chlorose der Fall ist, bei der perniziösen Anämie sehr selten vergrößert. Und das Zusammen- treffen dieser Krankheit und des Morbus Basedowii bei ein und derselben Person gehört zu den Ausnahmen. Solche Fälle sind von Neusser, Decastello, 186 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Billings, Gulland und Goodall beobachtet worden. Die zuletzt genannten Forscher wollen auch im Anschluß an Myxödem eine perniziöse Anämie gesehen haben. Jedenfalls ist ein Zusammentreffen der jetzt in Frage stehenden Krank- heiten so selten, daß man schwerlich an irgendeinen näheren genetischen Zusammenhang denken kann 1). Per Harn zeigt in bezug auf seine Menge ein recht bemerkenswertes Ver- halten. Auf der Höhe der Erkrankung ist sie in verschiedenen Fällen verschieden ; in einigen normal, in anderen herabgesetzt, in anderen wiederum Vermehrt. Nach eingetretener Verbesserung bemerkt man aber in der großen Mehrzahl der Fälle eine nicht ganz unbeträchtliche Vergrößerung der Harnmenge. Selbst habe ich in einer längeren Reihe von Fällen feststellen können, daß Mengen von 2500 — 3000 ccm in 24 Stunden nichts Ungewöhnüches sind. In vereinzelten Fällen ist die Menge sogar noch höher gestiegen. So z. B. war sie in einem zur Heilung gelangten Falle von Bothriozephalus-Anämie, wenn man das Mittel aus den Gesamtmengen für je 10 Tage nimmt: I II III IV V VI 895 2669 3710 3250 2720 3480 Es scheint ausgemacht, daß diese erhöhte Harnabsonderung nicht auf die Resorption etwa vorhandener Ödeme zurückzuführen ist. Denn die Diurese bleibt fortgesetzt noch lange gesteigert, nachdem alle äußerlich sichtbaren Ödeme aufgesogen sind, ja häufig nachdem die Blutbeschaffenheit schon zur Norm zurückgekehrt ist. Hiermit soll natürlich nicht verneint werden, daß die Verminderung der Harnmenge, die in einem Teil der Fälle auf der Höhe des Leidens beobachtet wird, mit Ödembildung in Zusammenhang stehen könnte, sei es, daß diese auf einer geschwächten Herztätigkeit, auf etwaigen Nierenveränderungen oder auf der ,,hydrämischen Blutbeschaffenheit" beruht. Es liegt übrigens auf der Hand, daß auch Erbrechen und Durchfall in einer Anzahl Fälle die erniedrigte Harnmenge erklären kann. Das spezifische Gewicht des Harns bietet auch gewisse Schwankungen dar. In den Fällen, wo der Harn Verhältnismäßig spärlich erscheint, ist es häufig sehr hoch. In den Fällen mit reichücherer Absonderung kann es zuweilen ziemüch normal, zuweilen aber herabgesetzt sein. Ich habe manchmal ein spezifisches Gewicht von 1,010 und darunter nachweisen können. Um des näheren zu zeigen, wie sich das spezifische Gewicht in seinem Verhältnis zu der Harnmenge gestaltet, führe ich einige Beispiele an. Die untenstehenden Werte sind auch hier die Mittel aus einzelnen während einer 10 - Tagesperiode gewonnenen Zahlen. ]) Unlängst hat Hansen einen Fall beschrieben, wo er das Erscheinen einer perniziösen Anämie gesehen hat bei einer Kranken, die wegen Morbus Basedowii mit Röntgenstrahlen behandelt worden war. Kerppola hat soeben im Anschluß an diese Heobachtung einen Fall mitgeteilt, in dem sich seiner Meinung nach eine perniziöse Anämie nach Strumektomie wegen Morbus Basedowii entwickelte. In einem zweiten, arsenrefrakt&ren Fall sah er eine Besserung nach Verabreichung von Thyreoidin eintreten. Er rennutet, daß die Hypof unktion der Schilddrüse in einem Teil der Fälle von perniziöser Anämie eine Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen könne. die erste Beobachtung ECerppolas läßt sich indessen einwenden, erstens, daß die Diagnose perniziöse Anämie nicht über jeden Zweifel erhaben sein dürfte, und zweitens, daß, gesetzt die Diagnose «rare richtig, die Krankheit, nach der Anamnese zu arteilen, sich vielleicht schon vor dei Operation gezeigt hatte und daß die während einer Remission rommene Operation somit nicht die Krankheit ausgelöst, sondern höchstens den Anstoß EU einem erneuten Anfall gegeben hatte. Sowieso dürfte die Frage noch nicht spruchreif Symptomatologie: Harn. 187 Fälle zur Heilung gelangter Bothriozephalus - Anämie: I II III IV V VI VII 1. Harnmenge . . 1650 1800 2290 2200 1782 — — Spez. Gewicht . 1,015 1,014 1,014 1,014 1,016 — — 2. Harnmenge . . 950 1120 1380 1580 1510 2070 2240 Spez. Gewicht . 1,023 1,025 1,023 1,023 1,022 1,015 1,017 Fall von kryptogenetischer perniziöser Anämie, wo eine gewisse Besserung eintrat: i ii in iv v vi vii vin Harnmenge ... 1105 1270 1360 1820 1740 1440 1705 1695 Spez. Gewicht . . 1,013 1,013 1,013 1,014 1,013 1,014 1,014 1,013 Sei es, daß diese Durchschnittswerte kein ganz genaues Bild von den vor- liegenden Verhältnissen geben, sie entbehren immerhin nicht jedweder Bedeutung. Auffallend ist u. a., daß das spezifische Gewicht in dem letzten Fall ziemlich niedrig ist und so konstant bleibt, obgleich die Harnmenge gewissen Schwankungen unterliegt. — Vielleicht deutet diese Erscheinung darauf hin, daß die Fähigkeit der Nieren, das Harnwasser zu konzentrieren, herabgesetzt ist. Die Gefrierpunktserniedrigung des Harns ist häufig geringer als bei gesunden Leuten. „Es besteht also oft Hyposthenurie und in einer nicht ganz geringen Anzahl von Fällen direkt molekulare Oligurie" (A. v. Ko- ranyi, H. Strauß, Christian). Dieses Verhalten scheint jedoch nicht nur für die perniziöse, sondern auch für andere Anämien zu gelten. Saltzman hat in unserer Klinik das Verhalten der perniziösen Anämie studiert und dabei ähnliche Beobachtungen wie die zuletzt erwähnten gemacht, hat aber gefunden, daß der Wasser- und der Konzentrationsversuch in der Remission oder nach der Heilung einer Bothriozephalus-Anämie einen der Hauptsache nach nor- malen Verlauf zeigen. Er meint, daß man bei der Beurteilung der Harnaus- scheidung auf der Höhe der Krankheit extrarenalen Einflüssen einen großen Platz einräumen müsse. Die Reaktion des Harns ist meistens sauer. Genauere Untersuchungen über die Harnazidität bei der perniziösen Anämie sind von R. Schmidt und H. Strauß ausgeführt worden. Die Farbe ist bisweilen ziemlich hell, häufig aber recht dunkel. Es muß besonders betont werden, daß auch in einigen jener Fälle, wo die Harnmenge erhöht ist, der Harn stärker gefärbt erscheint als in der Norm. Vielleicht liegt dies zum Teil daran, daß der Urobilingehalt oft gesteigert ist (Hayem, Hunter, Taylor, R. Schmidt, E. Grawitz, H. Strauß u. a.). Die meisten der bisherigen Untersuchungen des Harns auf Urobilin sind qualitativer Art. Nur Hoppe - Seyler und v. Noorden haben quantitative Bestimmungen vorgenommen. Der erstgenannte Forscher fand in einem Fall perniziöser Anämie für die Tagesmenge 0,107 g gegen 0,123 g im Mittel bei Gesunden, der zuletzt genannte wiederum in einem Fall 0,153 g pro die. Irgendwelche Schlüsse können aus diesen beiden Zahlen eigentlich nicht gezogen werden. Sie zeigen aber doch, daß sich die Verhältnisse nicht in allen Fällen gleichartig gestalten. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch an der Hand der bei den qualitativen Untersuchungen erzielten Resultate. Wenigstens geht meine Erfahrung dahin, daß man bei Prüfung Verschiedener Fälle in einigen eine stärkere, in anderen eine viel schwächere Reaktion bekommt. Ja, ich habe gleichwie Meyer und Heincke gefunden, daß man in nicht wenigen Fällen gar keine deutliche Urobilin- bzw. Urobilinogenreaktion nachweisen kann, trotzdem es sich um ausgeprägte Fälle der in Rede stehenden Krankheit handelt. 188 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß in diesen Fällen eine Urobilinurie nicht in einer früheren Periode des Leidens hätte vorkommen können. Denn ist man in der Lage, einen Fall während einer längeren Zeit täglich zu verfolgen, so bemerkt man, daß Zeiten Von positiver mit solchen Von negativer Reaktion wechseln können. Bei der perniziösen Bothriozephalus-Anämie ist es auffallend, wie die Uro- bilinreaktion nach der Wurmabtreibung allmählich schwächer wird und schließ- lich vollständig verschwindet. In einigen dieser Fälle kann jedoch die Reaktion noch positiv ausfallen zu einer Zeit, wo die Blutregeneration schon ziemlich weit fortgeschritten ist. Welche Bedeutung soll man nun der Urobilinurie zuschreiben? Gulland und Goodall meinen sogar, daß sie lediglich als eine zufällige Erscheinung betrachtet werden müsse, die ebensogut bei gesunden Personen auftreten könne wie bei Leuten, die an perniziöser Anämie leiden. Soviel ich gesehen habe, ist diese Ansicht nicht stichhaltig. Vielmehr habe ich den Ein- druck gewonnen, daß die Urobilinurie bei unserer Krankheit keine belang- lose Erscheinung darstellt, denn sie wird nach meiner und auch anderer (vgl. z. B. Schleip) Erfahrung vorwiegend zu Zeiten einer Verschlechterung der Blutbeschaffenheit beobachtet und steht wohl,- wie die meisten Forscher glauben, vorwiegend mit einem erhöhten Blutkörperchenzerfall in Zusammenhang. Erwähnt sei an dieser Stelle, daß Taylor in einem Fall von perniziöser Anämie eine größere Menge von Hämatoporphyrin, Meyer und Heincke dagegen keine erhöhte Ausscheidung dieses Stoffes nachweisen konnten. R. Schmidt beobachtete in einem Fall eine Hämoglobinurie, die eine Zeitlang bestand. Nur ausnahmsweise kommt eine Hämaturie vor. Laache und Reckzeh haben je einen derartigen Fall beschrieben, und ich selbst habe auch in einem Fall diese Erscheinung beobachtet. Eine Albuminurie wird bei unserer Krankheit in recht vielen Fällen angetroffen. Cabot hat sogar in 236 (= 46%) von 506 Fällen Eiweiß nach- weisen können, und vonPlehns 25 Kranke hatten alle bis auf 2 Eiweiß im Harn. Andere Forscher haben diesen Stoff viel seltener gefunden, ich selbst nur in etwa 20% meiner Fälle. Die Eiweißmenge ist in den allermeisten Fällen eine sehr geringe und häufig ist die Albuminurie schnell vorübergehender Art. In einigen Fällen werden Zyünder, hyaline oder granulierte, in spärlicher Menge gefunden, zu- weilen auch, wenn sich keine Albuminurie erkennen läßt. Man nahm früher an, daß diese Erscheinung schlechthin auf eine durch die Anämie hervorgerufene Schädigung der Nierenepithelien zurück- zuführen wäre. Aber in der letzten Zeit ist die Vermutung ausgesprochen worden, daß sie in tiefer liegenden, anatomischen Veränderungen des Nierengewebes wurzeln könnte. Wie in dem Abschnitt über die patho- logische Anatomie des näheren auseinandergesetzt werden wird, sollen solche überaus häufig vorkommen. Dabei können sie in verschiedenen Fällen ver- schiedener Natur sein (Gulland und Goodall). besonders bemerkenswert ist, daß Veränderungen interstitieller Art keine Selten heil darstellen. Ja, nach Paszkiewicz' Untersuchungen können solche BOgar in allen Fällen nachgewiesen werden. Es scheint jedoch mehr als zweifel- h'fi daß es Bioh hierbei um gewöhnliche „interstitielle Nephritiden" handeln würde. .Denn soviel man selten kann, hat Paszkiewicz die stärksten Ver- änderungen im Marke gefunden, während sie ja bei der Schrumpfniere in der Kinde auftreten. Außerdem werden bei der perniziösen Anämie die Blutdruck- Symptomatologie: Harn. 189 Steigerung und auch die typische Herzhypertrophie — diese belangvollen Begleit- erscheinungen der interstitiellen Nephritis — meistens vermißt. Es wäre deshalb sicherlich verfrüht, mit Gulland und Goodall anzu- nehmen, daß der komatöse Zustand, der uns so oft im Endstadium der Krankheit begegnet, etwas mit einer chronischen Urämie zu tun habe. Hiermit soll nicht in Abrede gestellt werden, daß in gewissen Fällen eine voll ausgebildete Nephritis bei der perniziösen Anämie angetroffen werden kann. Solche Fälle sind sowohl bei Lebzeiten wie nach dem Tode wahrge- nommen worden. Und es sind Fälle nicht nur ,, interstitieller", sondern auch ,, parenchymatöser" Art zur Beobachtung gelangt (Ewian, Labbe und Lortat - Jacob, Labbe und Salomon, Labbe und Joltrain, Roubier, Widal, Abraim und Brule, Bizarie, Schwarzkopf und Gassier). Es muß bemerkt werden, daß sich bei Plehns zur Sektion gelangten Fällen ausnahmslos eine mehr oder weniger ausgesprochene Nephritis vorfand. Ob alle diese mit Nephritis verbundenen Fälle die Anforderungen erfüllen, die wir jetzt an eine perniziöse Anämie stellen, läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls ist es mir nicht geläufig, daß die Nephritis, wie mehrere der jetzt angeführten Forscher geltend machen wollen (vgl. Schwarzkopf), die Ursache der perniziösen Anämie sein könnte. Mit größerem Recht läßt sie sich als eine Teilerscheinung derjenigen Konstitution ansprechen, die den Anämiekranken eigentümlich ist. Auch kann nicht ohne weiteres behauptet werden, daß die schon erörterte, in vielen Fällen vorkommende Polyurie durch die von Paszkiewicz fest- gestellten anatomischen Veränderungen eine befriedigende Erklärung erhalten könnte. Meines Erachtens ist es vielmehr nicht nur berechtigt, sondern sogar notwendig, auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß die Polyurie zere- bralen (hypophysären) Ursprungs wäre, eine Möglichkeit, deren auch Makarow gedenkt. Paß die Polyurie nicht einfach die Folge der anämischen Blutbeschaffenheit ist, erhellt daraus, daß sie nur in einem Teil der Fälle angetroffen wird, und außerdem auch daraus, daß sie bei Besserung des Zustandes nicht, wie Makarow meint, abnimmt, sondern nach meiner Erfahrung im Gegenteil in vielen Fällen merkbar größer wird. Leider war ich noch nicht in der Lage, des näheren zu erforschen, ob die Polyurie bei Personen, die vor längerer Zeit eine Bot hriozephalus -Anämie durchgemacht haben, bestehen geblieben ist. Wäre das der Fall, so müßte man wohl auch in dieser Erscheinung eine konstitutionelle Eigentümlichkeit erblicken, einerlei ob die Polyurie als die Folge anatomischer Nierenverände- rungen oder als ein zerebrales Symptom zu erachten ist. Jedenfalls haben wir es hier nicht mit einem für das Zustandekommen der Anämie unbedingt notwendigen Vorkommnis zu tun, sondern lediglich mit einer Erscheinung, die in einer Anzahl Fälle neben der eigentlichen anatomischen Grundlage der Krankheit auftritt, ganz so wie ich das früher in betreff der Achylie ausgeführt habe. Nukleoalbuminurie ist vereinzelt beobachtet worden (R. Schmidt). Albumosen haben Laache und v. Noorden nachgewiesen und Pepton R. Schmidt. Zucker wird nach den übereinstimmenden Angaben aller Forscher fast ausnahmslos im Harn vermißt. Nur Parkinson berichtet über einen Fall von perniziöser Anämie, der mit einem akut verlaufenden Diabetes mellitus endigte. Im Pankreas wurden keine Veränderungen angetroffen. Von der alimentären Glykosurie war schon früher die Rede. 190 O. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Leuzinähnliche Kugeln fanden H. Müller und Laache einige Male bei unserer Krankheit, und auch v. Noorden machte einmal eine gleichartige Beobachtung. Tyrosin wurde von Laache 3 mal und von v. Noorden 2 mal kurz vor dem Tode gefunden. Die Purinkörperausscheidung bei der perniziösen Anämie hat Rosen- qvist zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht. Er hat sowohl das Harnsäure-N wie das Gesamt-Purin-N geprüft und im Gegensatz zu den Forschern, die sich früher mit Harnsäurebestimmungen abgegeben hatten, dabei den meisten seiner Kranken eine purinfreie Kost ver- abreicht. Bei Innehaltung einer solchen Diät wurden von ihm 11 Personen mit perniziöser Bothrio- zephalus- Anämie und 3 mit kryptogenetischer perniziöser Anämie untei sucht. In einer großen Anzahl seiner Fälle von Bothriozephalus -Anämie war die Ausscheidung der endogenen Purinkörper zeitweise hochgradig gesteigert. Nach der Wurm- abtreibung zeigte sie sich im allgemeinen niedriger als zur Zeit der Wurmwirkung. Jedoch ließ sich in einigen Fällen nachweisen, daß zu Beginn der Blutregeneration die Purinstick- stoffzahlen im Gegensatz zu den sinkenden Gesamtstickstoff zahlen mächtig in die Höhe stiegen, um einige Tage auf dieser zu verbleiben und dann allmählich wieder abzuklingen. Überhaupt waren die PurinkörperWerte bei den einzelnen Personen im Laufe der Unter- suchung größeren Schwankungen unterworfen, als man sie bei Gesunden nach Verabreichung purinfreier Kost zu beobachten pflegt. In den meisten Fällen machte das HarnsäUre-N den größten Teil des Gesamt-Purin-N aus, aber in einigen betrug die Menge des Harn- säure-N nur die Hälfte oder noch weniger. In bezug auf den Purinstoffwechsel herrscht nach Rosenqvist zwischen der Bothriozephalus -Anämie und der kryptogenetischen Anämie völlige Übereinstimmung. Es liegt nahe anzunehmen, daß die erhöhte Purinkörperausscheidung in Zusammenhang mit dem regen Zellumsatz stehe, der die perniziöse Anämie auszeichnet. Da dieser Umsatz im selben Fall zu verschiedenen Zeiten und auch in verschiedenen Fällen individuell verschieden groß ist, kann es nicht wundernehmen, daß die Untersuchungen über die Purinkörperaus- scheidung so wechselnde Resultate ergeben haben. Kochsalz wird bei der perniziösen Anämie vom Körper bald in größerer, bald in geringerer Menge zurückbehalten. Abnorme Kochsalzabgaben scheinen eine Ausnahme zu bilden. Zu diesem Resultate kommt H. Strauß, wenn er die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen in ihrer Gesamtheit überblickt. Die Phosphorsäureausscheidung ist von einigen Forschern gesteigert, von anderen vermindert gefunden worden. Strauß meint, daß die Erhöhung der Phosphorsäureausscheidung kaum auf einen Untergang von Knochen- gewebe, sondern eher auf die Zerstörung stickstoffhaltiger — namentlich nuklein- haltiger — Stoffe zurückzuführen sei. Hierauf deutet wohl auch die von Rosen- qvist festgestellte Tatsache, daß die Phosphorsäureausscheidung gleichzeitig mit der Purinkörperausscheidung zu Beginn der Blutregeneration eine bemerkens- werte Steigerung erfährt. Die Kalkstoffausscheidung ist, soviel ich sehe, recht wenig untersucht worden, v. Moraczewski beobachtete bei perniziöser Anämie in den einzelnen Perioden bald Retention, bald Abgabe, bald Gleichgewicht. Jedoch im all- gemeinen einen Kalkverlust, was auch R. Schmidt in einem Fall gesehen hat. v. Steyskal und Erben fanden eine unbeträchtliche Retention. Eisen soll nach den Untersuchungsergebnissen mehrerer Forscher bei perniziöser Anämie oft in vermehrter Menge im Harn erscheinen (W. Hunter, Da maskin, Hopkins, Hueck u. a.). Aber nach Queckenstedt, der umfassende Untersuchungen über den Eisenstoffwechsel bei unserer Krankheit ausgeführt bat, wären die in Rede stehenden Resultate als nicht stichhaltig zu betrachten, weH meistens eine mangelhafte Methodik zur Anwendung gekommen Bei. Von Kennerknechl stamme der einzige, sehr erhöhte Wert, der mit zuverlässiger Methodik erhalten wurde. Aber dieses Ergebnis stehe Symptomatologie: Harn, Nervensystem. 191 gegenüber den vielen anderen und besonders den durchweg von ihm, Quecken- stedt selbst gefundenen, so vereinzelt da, daß man an einen Zufall denken müsse. Queckenstedts Untersuchungen haben ihn dementsprechend zu der Auffassung geführt, daß eine Steigerung der Eisenausscheidung bei der perniziösen Anämie nicht erwiesen ist. Auch meint er, daß aus der Bestimmung des Harneisens kein Aufschluß über die Größe des Blutzerfalls bei dieser Krank- heit zu gewinnen ist, da die Eisenausscheidung im Harn sich als weitgehend unabhängig vom Eisenstoffwechsel des Organismus gezeigt hat. Trotz der geringen Eisenausscheidung sei also bei der perniziösen Anämie gesteigerter Blut zerfall möglich. Das Verhältnis zwischen der Menge des Harnstoff - N und der- jenigen des Gesamt -N erscheint bei der perniziösen Anämie in einigen Fällen recht normal (Taylor, Voges, R. Schmidt, v. Steyskal und Erben), in anderen ist aber eine Verminderung dieses Wertes nachgewiesen worden (v. Noorden, Voges). Der Ammoniakstickstoff war in den untersuchten Fällen etwa in gewöhn- licher Menge vorhanden (R. Schmidt, v. Moraczewski, v. Steyskal und Erben u. a.). Der Oxyproteinsäurestickstoff ist leicht vermehrt (Erben). Pt omaine wurden von Taylor, Strauß, Bloch im Harn nicht mit Sicher- heit aufgefunden, während W. Hunter solche (Putresein und Kadaverin) nachgewiesen haben will. Indikan hat man recht häufig in vermehrter Menge beobachtet (H. Müller, Senator, H. Strauß u. a.). Selbst habe ich eine ausgesprochene Indikan- reaktion in den meisten Fällen von perniziöser Anämie feststellen können. Bei der Bothriozephalus -Anämie sah Eckert die Menge des Indikans nach der Wurmabtreibung abnehmen, und Grawitz gibt an, daß die Indikanausscheidung schwindet, sobald die Krankheit in Besserung übergeht. Nach meiner Erfahrung bleibt die Reaktion auch nach der Genesung der Kranken in vielen Fällen ebenso stark wie vor der Wurmkur. Die Ausscheidung des Gesamtschwefels ist von v. Moraczewski in mehreren Versuchen geprüft worden. Er fand bald einen geringen Verlust, bald einen geringen Ansatz von Schwefel. Die Bestimmung der Äther schwefelsaure menge hat sehr wechselnde Resultate ergeben. Man hat zuweilen niedrige oder normale, zuweilen erhöhte Zahlen festgestellt (A. Schmidt, v. Moraczewski, H. Strauß). Im selben Fall zeigten sich oft erhebliche Schwankungen. Die Diazoreaktion fällt nach den einstimmigen Erfahrungen mehrerer Forscher (Ehrlich, Schauman, Lazarus, Naegeli) immer negativ aus. Azetonkörper sind vereinzelt im Harn nachgewiesen worden (v. Noorden, v. Jaksch, eigene Erfahrung). Sie haben jedoch wohl nichts mit der Anämie als solcher zu tun, sondern sind von Hungerzuständen abhängig. Das Nervensystem ist bei der perniziösen Anämie regelmäßig in Mit- leidenschaft gezogen. Die hierbei auftretenden Erscheinungen sind sehr mannig- facher Art. Sie können zerebralen, spinalen oder peripheren Ursprungs sein. Zu den gewöhnlichsten gehören Ohrensausen und Schwindel. In den weit vorgeschrittenen Fällen kommt es zu wirklichen Ohnmachtsanwandlungen, die sich einzustellen pflegen, wenn der Kranke den Versuch macht, eine auf- rechte Stellung einzunehmen. Auch Schwere im Kopf, Schlagen und Klopfen im Kopf und sogar heftige Kopfschmerzen sind häufige Vorkommnisse. Mit- unter wird außerdem über Schmerzempfindungen und noch öfter über ein 192 0. Schau man und F. Salt z man: Die perniziöse Anämie. Gefühl von Taubsein in den Füßen und Beinen, weniger oft in den Händen und Armen geklagt. Zuweilen ist der Schlaf mehr oder weniger gestört. Bei manchen Kranken findet man Abweichungen von der Norm betreffs der psychischen Funktionen. In gewissen Fällen zeigen sie eine sehr grämliche und mürrische Laune. Alles, was mit ihnen vorgenommen wird, erregt ihre Mißbilligung. Sie sind ständig unzufrieden. Auch schwere Erregungszustände mit Halluzinationen und Delirien, selbst mit Tobsuchtsanfällen werden beob- achtet, diese jedoch meistens kurz vor dem Tode. In anderen Fällen wiederum sind die Kranken stumpf und teilnahmlos. Es macht sich dabei mitunter eine große Schwerfälligkeit und Trägheit beim Sprechen geltend. Aber dies scheint schlechthin darauf zu beruhen, daß der Kranke sich der Mühe, die Worte zu bilden, nicht unterziehen will (Gulland und Goodall). Recht oft sieht man, daß die Kranken, wenn der Hämoglobingehalt tief gesunken ist, in einen koma- tösen Zustand verfallen und in diesem zugrunde gehen. Äußerst selten kommt es vor, daß sie aus einem solchen Koma erwachen und sich sodann wieder erholen. Das war nur bei einem meiner Kranken der Fall. Im Vorhergehenden (S. 120) ist bereits darauf hingewiesen worden, daß die perniziöse Anämie auch von ausgesprochenen Neurosen und sogar von wirklichen Psychosen begleitet sein kann. Sie können bald vor dem Ausbruch, bald im Laufe der perniziösen Anämie erscheinen , ja bei der Bothrio- zephalus-Anämie können sie selbst nach der Heilung der Anämie auftreten. Gulland und Goodall erwähnen einen Fall, wo die Psychosen- und die Anämie- anfälle miteinander förmlich abwechselten. Es ist deshalb annehmbar, daß diese psychischen Störungen von der Anämie als solcher und zum Teil vielleicht auch von dem Gifte, das nach unserer jetzigen Vorstellung die Anämie aus- löst, unabhängig sind. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurzeln sie in einer ererbten Anlage, und diese ist lediglich als eine Teil- oder Begleiterscheinung der Körperverfassung, auf deren Boden die Anämie erwächst, zu erachten. Schon Eichhorst hat in seiner Monographie mehrere Fälle gesammelt, wo offenbar zerebrale Lähmungen verschiedener Stärke und Verbreitung beobachtet worden sind . Auch gibt es Fälle, wo Zuckungen sich mit Lähmungen vergesellschafteten, sowie Fälle, wo halbseitige Zuckungen ohne Lähmung auftraten. Schließlich können auch apathische Zustände und Gedächtnis- schwäche usw. Vorkommen. Als eine Eigentümlichkeit dieser Störungen ist hervorzuheben, daß sie sehr oft schnell vorübergehen. Wie das Zustande- kommen dieser vorübergehenden Nervenstörungen zu erklären ist, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Es ist möglich, daß in gewissen Fällen die bei der Sektion oft anzutreffenden Blutungen im Gehirn die Ursache bilden. Aber vielleicht ist auch an ein ungleichmäßig verteiltes Ödem des Gehirns und der Meningen oder aber an flächenhafte intermeningeale Blutungen zu denken. In einigen Fällen hat man bei der Sektion keine anatomischen Läsionen finden können. So berichtet Türk über einen Fall, wo das Bild einigermaßen einer akuten Urämie ähnelte und wo nach einem Anfall von Jackson-Epilepsie eine deutliche rechtsseitige Parese zürück- blieb. In diesem Fall konnten bei der Autopsie nicht einmal kapilläre Blutungen in größerer Zahl nachgewiesen werden. „Anderseits wird hervorgehoben, daß man eine Pachymeningitis haemorrhagica mit größeren und kleineren, frischen und älteren Blutextravasaten und PBeudomembranbildungen" gesehen hat, ohne daß bestimmte klinische Erscheinungen darauf hingewiesen hätten. Einige persönliche Erfahrungen mögen in diesem Zusammenhang in aller Kürze angeführt werden. in einem meiner F&lle von Bothriozcphalus-Anämie hatte der Kranke — ein 35jähriger Seemann, der Lues und Alkoholmißbrauch verneinte — einen Schlaganfall gehabt, der ■ich durch Viermal der Sprache und rechtsseitige Lähmung der Extremitäten äußerte, [n dieeem F WUreE die Symptome nach einigen Stunden verschwunden. Symptomatologie: Nervensystem. 193 Ganz anders lagen die Verhältnisse im folgenden Fall. Die Kranke — eine 36 jährige Arbeiterfrau — wurde am 15. 11. 1914 wegen einer hoch- gradigen kryptogenetischen perniziösen Anämie in die II. medizinische Klinik aufgenommen. Sie bekam am 14. 3. 1915 eine subkutane Einspritzung von 0,001 mg Adrenalin und erlag etwa 5 Stunden später einer großen Gehirnblutung. Der Blutdruck war kurz vor der Ein- spritzung 104 mm Hg (Riva-Rocci), stieg nach dieser bis auf 120 und sank bald wieder auf 110. Die Kranke hatte kurz vor dem Eintritt in die Klinik eine sehr schwere Nasenblutung gehabt, wegen der sie in der otiatrischen Klinik einer Nasentamponade unterzogen war. Sie war bei der Aufnahme außerordentlich angegriffen und hatte 500 000 rote Blutkörperchen bei einem Hämoglobingehalt von etwa 10% nach Haidane. Das Blut enthielt eine große Menge Megaloblasten sowie ziemlich viel Myelozyten und auch Myeloblasten. Der Zustand besserte sich allmählich, Und 2 Tage vor dem Tode war die Blutkörperchenzahl 1 520 000 und der Hämoglobingehalt 47. Die Sektion zeigte die bei der perniziösen Anämie gewöhn- lichen Veränderungen und in dem Gehirn eine Blutung. Besondere Aufmerksamkeit beanspruchen die auf einer sicheren anatomischen Grundlage ruhenden Symptome seitens des Bückenmarkes. Seit den ersten hierher gehörenden Mitteilungen von Leichtenstern haben mehrere Forscher Beiträge zur Kenntnis dieser Erscheinungen geliefert (Lichtheim, Minnich, Eisenlohr, V. Noorden, Nonne, Taylor, Petren, Faber und Bloch, Risien Russell, Rothmann, Matthes, Bödeker und Juliusberger u. a.). Den Ausgangspunkt der in Rede stehenden Unter- suchungen bildete die Beobachtung, daß tabesähnliche Erscheinungen bei der perniziösen Anämie auftreten können. Es wurden Parästhesien, Erlöschen der Patellarreflexe, reflektorische Pupillenstarre, lanzinierende Schmerzen, Ataxie, gelegentlich sogar Blasen- und Mastdarmstörungen wahrgenommen. Sodann begegnete man auch dem Bilde der spastischen Spinalparalyse (Leyden, Eisenlohr, Brasch). Und schließlich fand man, daß Übergänge von der einen in die andere Form Von Rückenmarksleiden Vorkommen können. So sind Fälle beschrieben worden, wo die Patellarreflexe zuerst gesteigert waren und später nicht mehr ausgelöst werden konnten , und anderseits , wo sie anfänglich erloschen und nach einiger Zeit wieder zu erzielen waren (Brasch). Auch können Symptome sowohl von Tabes wie von spastischer Spinalparalyse bei einer und derselben Person gleichzeitig beobachtet werden. Im letzten Falle handelt es sich demnach um eine kombinierte Systemerkrankung. Der Verlauf der Rückenmarkskrankheit ist in vielen Fällen ein recht schneller. Nach Dana tritt der Tod meistenteils nach 6 — 12 Monaten vom Beginn der Erkrankung ein. Doch finden sich auch Fälle, wo eine Dauer von sogar 3 Jahren verzeichnet worden ist. Überdies ist es sehr beachtenswert, daß weitgehende Remissionen (Henneberg u. a.), wie ja solche in bezug auf die Anämie selbst so oft beobachtet werden, auch betreffs der Rückenmarkssymptome keine sehr große Seltenheit darstellen. Es Verdient besonders erwähnt zu werden, daß die Angaben über die Häufigkeit der Rückenmarkserscheinungen bei den Verschiedenen Forschern recht Verschieden sind. Zu denen, die schwere Rückenmarkssymptome bei der perniziösen Anämie als ein keineswegs seltenes Vorkommnis hervorheben, zählt Cabot. Er hat unter seinen 1200 Fällen nicht weniger als 129 mit „important spinal Symptoms" gefunden. Von diesen waren 46 vom spastischen Typus und 75 vom tabetischen, während die Symptome in 2 Fällen in der früheren Periode des Leidens vom spastischen und in der späteren vom tabetischen Typus waren. In den übrigen 6 Fällen kamen Symptome vor, die auf eine diffuse Myelitis deuteten. Nun hat aber Cabot nicht besonders angegeben, wie viele Fälle von Rückenmarks- krankheit sich auf seine eigenen Anämiefälle beziehen und wie viele auf die 543 aus der Literatur gesammelten. Eine solche Angabe wäre indessen von großer Wichtigkeit gewesen, weil sich ja denken läßt, daß die große Häufigkeit der Rückenmarkserkrankungen in der Cabotschen Zusammenstellung auf einer unverhältnismäßig großen Anzahl dieser Krank- heiten unter den 543 fremden Fällen beruhen könnte. Jedoch scheint eine derartige Annahme Blutkrankheiten. II. 13 194 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. unbegründet, denn Ca bot fand in einer früher veröffentlichten Reihe von 110 Fällen, die er alle selbst beobachtet hatte, in 31 Symptome, die auf ein Rückenmarksleiden hin- wiesen. Anderseits verdient hervorgehoben zu werden, daß Türk unter seinen 80 Fällen nur zweimal ausgesprochene Symptome einer Rückenmarkskrankheit nachgewiesen hat. Und persönlich habe ich unter den vielen Fällen dieser Krankheit, die ich gesehen habe, nur in dreien unzweideutige spinale Störungen der obigen Art angetroffen. In einem der in Rede stehenden Fälle war außerdem Lues in der Anamnese vorhanden. Vereinzelte hierher gehörende Symptome, wie eine gewisse Herabsetzung der Sensibilität und Abschwächung der Patellarsehnenreflexe, habe ich in mehreren Fällen beobachtet, niemals aber einen so hohen Grad von allgemeiner Müskelschwäche, ,,daß die Glieder fast paretisch erschienen", wie Lazarus sich ausdrückt. Es muß in diesem Zusammenhang besonders hervorgehoben werden, daß sich keine völlige Übereinstimmung zwischen den klinischen und den anatomisch nachweisbaren Erscheinungen seitens des Rücken- markes Vorfindet. Bei einem ziemlich negativen klinischen Befund können recht ausgedehnte anatomische Veränderungen beobachtet werden, und ander- seits kann mitunter auch ein entgegengesetztes Verhalten vorkommen. Auch in einer anderen Hinsicht zeigen die Rückenmarkssymptome bei der perniziösen Anämie ein eigenartiges Verhalten. Sie lassen sich keineswegs, wie man vielleicht erwarten könnte, regelmäßig bloß in den allerschwersten Fällen erkennen. Im Gegenteil sieht man nicht selten, daß die Anämie, trotz ausgeprägter spinaler Erscheinungen, recht wenig ausgesprochen sein kann. Ja, in einer Reüie von Fällen hat man sogar feststellen können, daß die Anämie erst zum Ausbruch kam, nachdem die Rückenmarkssymptome bereits eine Zeitlang bestanden hatten (Leichtenstern, Faber und Bloch, Schleip, Byrom - Bramwell). Außerdem gibt es Beispiele dafür, daß die spinalen Störungen wesentlich an Stärke abnehmen können, obgleich die Anämie sich in stetem Fortschreiten befindet (Nonne), und umgekehrt, daß die Rückenmarkssymptome unveränder- lich bleiben, trotzdem die Anämie abnimmt oder schwindet (Eisenlohr, Nonne). Mit Recht hat man auf Grund der zuletzt geschilderten Beobachtungen den Schluß gezogen, daß die Anämie an sich nicht als die Ursache des Rückenmarksleidens gestempelt werden kann, sondern daß beide durch dieselbe Schädlichkeit herbeigeführt werden. Wenn aber mit der genannten Schädlichkeit einfach das vermutete Anämiegift gemeint wird, ist die Sache nicht ohne weiteres klar. Penn wie soll man bei dieser Ansicht erklären können, daß nur ein Bruchteil aller Von perniziöser Anämie befallenen Personen die Rückenmarkserkrankung bekommt ? Ich möchte glauben, daß ohne die Annahme einer ganz besonderen Krank- heit sbereitschaft seitens des Rückenmarkes eine Erklärung kaum möglich ist. Aber auch bei dieser Annahme ist es nicht ohne weiteres verständlich, wie die Anämie in gewissen Fällen zurückgehen kann, trotzdem die Rückenmarks- erkrankung fortschreitet und umgekehrt. Es scheint, als ob man zur Erklärung dieses merkwürdigen Verhaltens seine Zuflucht zur Annahme einer eigenartigen Organ im munität oder eher vielleicht zu einer Verschiedenen Ausgleichsfähigkeit der blutbildenden Organe und des Rückenmarks nehmen müßte. Wollte man die Anwesenheit zweier Verschiedenen Gifte, eines Blut- und eines Nervengiftes, Voraussetzen, so würde sich die Sache gewissermaßen einfacher gestalten. Wie dem auch sei, sind wir aber in diesem Falle nur auf Vermutungen angewiesen. b die bis jetzt vorliegenden Ergebnissederexperimentellen Untersuchungen gewahren ans keinen sicheren Anhalt zur Beurteilung dieser Frage, v. Voß versuchte mit Pyrodin Rückenmarksveränderungen bei Tieren hervorzurufen, kam aber zu einem recht negativen Resultat. Dagegei g i ges Sdinger und Halbing, Huber sowie Mosse und Rothmann, mit demselben Gifte babes&hnliohe Symptome herbeizuführen. Es muß Gesamtmenge des Blutes. 195 jedoch bemerkt werden, daß in Edingers und Halbings Versuchen die Rückenmarks- veränderungen sich nur zuwege bringen ließen, wenn die Tiere stark übermüdet wurden, während Mosse und Roth mann bei genügend langer Lebensdauer der Versuchstiere, trotzdem diese sich in Ruhe befanden, das Auftreten von Rückenmarkssymptomen fest- stellen konnten. Nach den letztgenannten Forschern ist es wahrscheinlicher, daß die sich ausbildende Anämie zu den Rückenmarksveränderungen führt, als daß die Pyrodinver- giftung an sich sie bedingt. Periphere Neuritiden werden bei der perniziösen Anämie nur ganz vereinzelt angetroffen, v. Noorden fand in einem Falle mit schweren Rücken- marksveränderungen, im Bereich der Nervi crurales und tibiales Zeichen von Degeneration ohne deutliche klinische Neuritis. Gulland und Goodall teilen ganz kurz mit, daß sie gelegentlich eine ,, Neuritis" beobachtet haben. Henry hat einen Fall beschrieben, wo eine durch eine Neuritis hervorgerufene Lähmung der Extensoren der Füße und Hände zu erkennen war. Die Kranke hatte 3 Wochen Arsenik bekommen, aber es läßt sich wohl schwerlich annehmen, daß hier eine Arsenneuritis vorlag, denn bei der Häufigkeit der Arsenmedikation müßte die Neuritis eine viel gewöhnlichere Erscheinung bei der perniziösen Anämie sein, als sie tatsächlich ist. Höchstens könnte das Arsen hier ein auslösendes Moment bei einer hoch- gradig disponierten Person gewesen sein. Es mag auch erwähnt werden, daß ich über einen Fall kryptogenetischer perniziöser Anämie verfüge, in dem die Kranke etwa 4 Jahre vor der Aufnahme in die Klinik wegen einer peripheren Fazialisparese in einem Krankenhaus behandelt worden war. In einem meiner Fälle von Bot hriozephalus -Anämie waren schubweise auftretende unfreiwillige Zuckungen im unteren Fazialisgebiet vorhanden. Sie hatten sich wenige Wochen vor der Aufnahme der Kranken in die Klinik eingestellt und hörten kurze Zeit nach der Wurmabtreibung auf. In einem anderen Falle von Bot hriozephalus -Anämie sollen, nach Aussage des Kranken, 3 Wochen lang in den Gliedmaßen eigentümliche krampfartige Zuckungen bestanden haben, über deren Beschaffenheit er keinen näheren Bescheid geben konnte. F. Das Blut. Wie es scheint, ist bei der perniziösen Anämie die Gesamtmenge des Blutes herabgesetzt, und zwar nicht selten in recht hohem Grade. Diesen Eindruck gewinnt man schon aus der Schwierigkeit, durch einen Stich in die Fingerspitze genügend Blut für die klinische Untersuchung zu erhalten, und bestätigt wird derselbe durch Pleschs Untersuchungen vermittels der CO- Inhalationsmethode. Etwas Ähnliches bezeugen die bei uns von Hisinger- Jägerskiöld ausgeführten Kapillaruntersuchungen. Er fand besonders in hochgradigen Fällen undicht stehende, schmale und schlecht gefüllte Kapillaren, und zwar ohne daß man mit einer Blutanhäufung an anderer Stelle zu rechnen hatte. Beachtenswert ist schließlich, daß auch die Beobachtungen am Sektions- tische den bestimmten Eindruck Verminderter totaler Blut menge hinterlassen. Wahrscheinlich ist die gesamte Blutmenge im Laufe der Krankheit starken Schwankungen unterworfen, was auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein wird. Dasselbe gilt von anderen Eigenschaften des Blutes, wie von seinem spezifischen Gewicht, von der Menge seiner Trockensubstanz, seinem Eiweiß- gehalt u. a. Hierüber stehen uns aber vorläufig keine erschöpfenden Angaben zur Verfügung. Das spezifische Gewicht des Gesamtblutes, das beim gesunden Mann ungefähr 1,058 (1,045—1,075) und beim Weibe etwas weniger beträgt, sinkt 13* 196 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. bei der perniziösen Anämie bis auf 1,027 (Lyonnet), ja sogar auf 1,021 (Strauß). In 3 Fällen perniziöser Bot hriozephalus- Anämie fand Schau man ein spezifisches Gewicht von 1,032 und 1,035 bei einem Hämoglobingehalt von 20 — 27. Hierzu wie auch zur Abnahme der Trockensubstanz (bis auf 50% des Normalwertes) (v. Jaksch, Grawitz, Erben) trägt in hohem Grade die Verringerung der Blutkörperchenzahl bei. Aber auch im Serum auftretende Erscheinungen wirken in dieser Richtung. So ist die molekulare Konzentration oft herab- gesetzt, wie aus den Gefrierpunktsbestimmungen hervorgeht (Strauß), und auch Bestimmungen der Trockensubstanz im Serum haben niedrige Werte gezeitigt. Anderseits fanden Hammerschlag, Grawitz und Dieballa das spezifische Gewicht des Serums auch in schweren Fällen normal oder nur wenig herabgesetzt. Per Eiweißgehalt des Blutes ist bei der perniziösen Anämie in der Regel bedeutend herabgesetzt. V. Jaksch fand in einem Falle 9,94 °/0 statt des Normalwertes von 22,62%. Dies scheint in erster Reihe mit der verringerten Blutkörperchenzahl zusammenzuhängen. So ist der Eiweißgehalt des Serums meistens normal, manchmal nur leicht herabgesetzt (Strauß, Naegeli) und derjenige der einzelnen roten Blutkörperchen sogar bis auf das lVgfache erhöht (Erben, v. Jaksch, Dunin). Erben fand außerdem das Verhältnis von Globulin zu Albumin zugunsten des letzteren verschoben. Viele haben die Beobachtung gemacht, daß beim Stich in die Fingerspitze die Blutung zwar oft spärlich ist, aber über die Norm hinaus anhält. Auch andere Beispiele protrahierter Blutungen sind angeführt worden (Lazarus). In seiner Monographie über die sog. Bot hriozephalus -Anämie erwähnt Schau - man, daß das Blut sehr dünnflüssig erschien und langsam koagulierte. Nach Morawitz ist die Gerinnbarkeit des Blutes herabgesetzt und die Menge des ausgeschiedenen Fibrins gering. Diese verzögerte Koagulation könnte auch eine natürliche Erklärung des auffallend seltenen Vorkommens von Venen- thrombosen bei perniziöser Anämie abgeben (Bloch). Hayem dagegen sagt, daß die Gerinnungsfähigkeit des Blutes normal bleibe. Bekanntlich legt Hayem großes Gewicht auf den Umstand, daß das Blut sich nur langsam oder auch gar nicht in Serum und Blutkuchen scheidet. Wir haben dieses Verhalten des Blutes in vielen Fällen nachweisen können, jedoch bei weitem nicht in allen, d. h. kaum in 30% der untersuchten Fälle. Es handelte sich dabei immer um weit vorgeschrittene Krankheit, aber mehrmals wurden später bedeutende Remissionen beobachtet. Die Bedeutung dieses Symptoms entzieht sich fürs erste unserer Beurteilung. Schließlich ist das Vorkommen von Bilirubin und Urobilinogen im Blutserum zu betonen. Das Serum hat meistens eine auffallend dunkle bernstein- •Idgelbe Farbe, die zur Blässe des Gesamtblutes in scheinbarem Gegensatz steht. Mit Recht wird dieser charakteristischen Serumfarbe, die bei den meisten anderen Anämien vermißt wird, von den Sachkundigen eine große diagnostische Bedeul ung beigemessen. I );is Gesaml blul nimmt nicht immer auf der Höhe der Erkrankung die blasse üeischwasser&hnliche Farbe an. Bei der Bot hriozephalus -Anämie hat Schau- tnan und vor ihm Reyher manchmal eine bräunliche und in sehr schweren m eine bernsteingelbe Färbung mit einem Stich ins Rötliche beobachtet. über ahnliche Erscheinungen bei der kryptogenetischen Form ist wiederholt atel worden. Verbleibt der Bluttropfen eine Weile auf dem Finger, so treten manchmal kleine Lnsetförmige, dunkler gefärbte Gebilde in demselben auf. Ob bei perniziöser Anämie Hä LOglobinämie überhaupt vorkommt, ist zweifelhaft (Hirschfeld, v. Stejsi Roth, Naegeli). Zum typischen Krankheitsbilde gehört Bie ente >d nicht. Eiweiß- und Hämoglobingehalt des Blutes. 197 Weit bedeutsamer als die beschriebenen Veränderungen der physikalischen und chemischen Eigenschaften des Blutes, und zwar besonders des Serums, sind die Veränderungen der Blutkörperchen nach Zahl und Beschaffenheit, oder mit anderen Worten das Blutbild im engeren Sinne. Dieses bildet tat- sächlich, trotz der abweichenden Meinung mancher Forscher, den zentralen Punkt in der Symptomatologie der perniziösen Anämie. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß der Begriff ,, perniziöse Anämie" schon vor der hämato- logischen Ära recht bestimmt und sogar überraschend richtig herausgebildet war. Das beweist eben nur, wie typisch das allgemeine klinische Bild der Krank- heit und wie groß die ihm bei der Beurteilung derselben zukommende Rolle ist. Die Bedeutung der morphologischen Blutveränderungen wird aber hierdurch in keiner Weise geschmälert. In den größeren, um die Zeit nach Biermer erschienenen Monographien (Müller, Eichhorst, Immermann) sind die Mitteilungen über Blut Veränderungen auffallend spärlich. Nach und nach wird ihnen ein größeres Interesse zuteil; man beobachtet die wechselnde Form der roten Blutkörperchen, die Poikilozytose (Quincke); man beachtet das reichliche Auftreten kleiner Erythrozyten, der Mikrozyten und mißt ihnen eine große Bedeutung zu (Eichhorst); man gibt acht auf die mangelhafte Geldrollenbildung. Noch bedeutsamer war Hayems Beobachtung, daß der Hämoglobingehalt gewöhnlich nicht im selben Maße herabgesetzt ist wie die Zahl der roten Blutkörperchen, daß folglich der Hämoglobin wert des einzelnen Blutkörperchens erhöht ist und man es also mit einer hyper- chromen Anämie zu tun hat. Diese Beobachtung wurde von Laache bestätigt, der seiner- seits einen wertvollen Beitrag auf diesem Gebiete lieferte, indem er die Megalozytose, d. h. das Vorkommen abnorm großer Erythrozyten, feststellte. Schließlich kam Ehrlich mit seinen grundlegenden Untersuchungen, die in methodischer Hinsicht bahnbrechend waren und in bezug auf die Perniziosa in dem Nachweis des megaloblastischen Blutbildes und der sog. megaloblastischen Degeneration des Knochenmarks gipfelten. Auf dem in dieser Weise gelegten Gründe hat die heutige Hämatologie Weiter gebaut. Der Hämoglobingehalt ist in der Regel herabgesetzt, wenngleich in verschiedenen Fällen und in verschiedenen Stadien der Krankheit in ver- schiedenem Grade. Auf der Höhe der Krankheit beträgt er gewöhnlich 20 bis 30% des normalen Wertes, sinkt aber manchmal bis unter 10%. Die extrem niedrigen Werte kommen meist zur Zeit jener Verschlimmerung des Zustandes vor, die dem Tode voranzugehen pflegt. Der augenblickliche Hämoglobin- gehalt allein läßt aber nicht immer sichere Schlüsse hinsichtlich der Schwere der Erkrankung zu. Dagegen haben wir in dessen wechselndem Steigen und Sinken einen recht empfindlichen Indikator eintretender Verschlimmerung oder Besserung des Zustandes. Daher sind auch fortlaufende Bestimmungen des Hämoglobingehaltes, die sogar in der außerklinischen Praxis sich leicht ausführen lassen, für die so wichtige Kontrolle des Krankheitsverlaufs äußerst wertvoll. Während das Hämoglobin beim gesunden Menschen so ziemlich gleich- mäßig auf die einzelnen Blutkörperchen verteilt ist, herrscht hierin bei der perniziösen Anämie eine auffallende Unregelmäßigkeit. Sowohl in ungefärbten wie in gefärbten Präparaten sieht man stark gefärbte sowie blassere Blutkörper- chen durcheinander. Diese Unregelmäßigkeit verhält sich einigermaßen, wenn auch keineswegs völlig parallel der wechselnden Größe der roten Blutkörperchen, so daß die Megalozyten meistens auffallend hämoglobinreich sind. Ein normaler Hämoglobingehalt schließt jedoch eine perniziöse Anämie keineswegs aus. Während der Remissionen zwischen zwei Anfällen der Krankheit hat man wiederholt normale, ja sogar übernormale Werte vor- gefunden, und, was noch mehr Beachtung verdient, es ist mehrmals gelungen, trotz normalen Hämoglobingehalts schon bei dem ersten Anfall die richtige Diagnose zu stellen. Zu den schon bekannten derartigen Fällen hat Schau man vor kurzem einen neuen, äußerst instruktiven Fall hinzugefügt. 198 O. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Bei einem an doppelseitiger exsudativer Pleuritis, vermutlich tuberkulösen Ursprungs, leidenden Patienten wurde Achylie wahrgenommen, was eine genaue Blutuntersüchung veranlaßte. Diese ergab: 93% Hämoglobin, 3 960 000 rote und 3660 weiße Blutkörperchen; Färbeindex = 1,17; deutliche Megalozyten. — Bei näherer Befragung ergab sich, daß der Kranke schon vor 5 Jahren etwa 1 Woche lang an Zungenbrennen gelitten und seitdem zu zwei verschiedenen Malen, zuletzt 1/2 Jahr vor der Untersuchung, Anfälle dieses Übels gehabt hatte. Die Zähne hatte er schon vor Jahren zum größten Teil verloren. — Im Harn wurde eine mäßige Menge Urobilin und im Blutserum eine sehr deutliche Gallenfarbstoff- reaktion nachgewiesen, keine Milzvergrößerung ; im Stuhl keine Wurmeier. — Im Laufe des folgenden Monats verschlimmerte sich die Blut beschaff enheit nach und nach dahin, daß der Hämoglobingehalt sich auf 59%. die Anzahl der roten Blutkörperchen auf 2 240 000 und die der weißen. auf 2000 belief; Färbeindex = 1,32; 4 Megalo- und 6 Normoblasten auf 1000. weiße Blutkörperchen. Unter dem Einfluß einer Arsenbehandlung verbesserte sich der allgemeine Zustand und ebenso das Blutbild. Der eben geschilderte Fall läßt eine sehr charakteristische und außerordent- lich wichtige Eigentümlichkeit des Hämoglobingehalts hervortreten, nämlich den erhöhten Färbeindex. Zwar ist herabgesetzter Hämoglobingehalt ein wichtiges Symptom der perniziösen Anämie, aber diesen hat sie mit allen wirklichen Anämien gemeinsam. Das Verhältnis zwischen dem Hämoglobin- gehalt und der Blutkörperchenzahl, das bei unserer Krankheit so gut wie immer und während der ganzen Dauer der Krankheit (vgl. Kurve XII) zugunsten des XII. 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 2 W5. 4 Z5/6 Z6./6 % Z04 % 21/12 34 '22 4 8./2 3/3 K/3 31./, 18/« 23$ 13/g Z> /6. M 1/8. "/8. *fy. H 84. 29-4 % *fcM ffä % 70 60 50 W 30 20 10 n Hb. % / ''' ■*■ \ \ ^- — \ > f. / F-"" \ k- • \ .'' \ \ ^ f \ / •* \ x S \ \\ Abb. 12. Färbst offgehalts verschoben zu sein pflegt, ist dagegen von großer differential- diagnostischer Bedeutung. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß sich der Färbe- index manchmal, und sogar auf der Höhe der Krankheit längere Zeit, ja konstant, etwas unter 1 halten kann (Türk, Schauman). Ein derartiges Verhalten bleibt aber jedenfalls eine Ausnahmeerscheinung. Daß Grawitz anderer Meinung war, wird wohl damit zusammenhängen, daß er die Grenzen der perni- ziösen Anämie anders zog, als üblich ist. Auch während der Remissionen ist ein herabgesetzter Färbeindex selten (Zadek, v. Willebrand, Lindbom), und Naegeli stellt sogar in Frage, ob er überhaupt anderswo vorkomme als bei beginnender Heilung in Fällen per- oiziöeer Anämie mit bekannter Ätiologie. Das Beltene Auftreten eines hohen Färbeindex bei anderen Krank- heiten machl dieses Symptom desto wertvoller für die perniziöse Anämie. Bei dieser bewegl er sich meistens zwischen 1,15 und 1,5, sinkt zuweilen bis aufe Normale, kann aber manchmal so hohe Werte wie 1,6 und 1,7 und darüber ei reichen. tndeesen teile ich die Auffassung Naegelis, daß man von einem leicht gesteigerten Farbeindex nicht zu viel Aufhebens machen darf, denn ein solcher isl bisweilen unter anderen Verhältnissen zu beachten. Nur ein Index über 1,3 i-i im Zusammenhang mit Bicheren Megalozyten beweisend (Naegeli). Färbeindex. Anzahl der roten Blutkörperchen. 199 Was den hohen Färbeindex bedingt, ist nicht mit Sicherheit festgestellt. Es läge nahe, seine Ursache in dem reichlichen Vorrat an Eisen im Organismus zu suchen, allein diese Erklärung ist in überzeugender Weise zurückgewiesen worden, u. a. vonSchauman. Er stellt sich vor, „daß nicht die Intensität der Siderosis, sondern in erster Linie die Natur (bzw. die Menge) des Krankheitsgiftes es ist, die für die Höhe des Hämoglobinwertes maßgebend sein sollte". Der Angriffspunkt des Giftes oder sagen wir lieber des die Krankheit bedingenden Agens wäre hier nicht die Peripherie, sondern das Knochenmark. Ein ähnlicher Gedanke scheint in Naegelis Ausspruch zu Hegen, daß ,,fast immer der Satz von der Unabhängigkeit des Färbeindex von peripher in der Zirkulation angreifenden Schädlichkeiten als zu Recht bestehend angenommen werden kann". „Der Färbeindex verrät uns", sagt Naegeli, ,,die Art und Weise der Blutbildung im Knochenmark". Mit Recht glaubt Naegeli in der Beobachtung, daß der Färbeindex parallel mit dem zunehmenden Blutkörperchenvolumen steigt, eine Stütze für seine Auffassung zu finden. Hiermit wird nicht geleugnet, daß der reiche Vorrat an Bausteinen des Hämoglobins, der bei perniziöser Anämie besteht, seinesteils die Entstehung eines hohen Färbeindex ermöglicht. Ich erlaube mir hier ausdrücklich auf die Notwendigkeit hinzuweisen, bei den Bestim- mungen des Färbeindex alle nötigen Vorsichtsmaßregeln hinsichtlich der Apparate und der normalen Vergleichs werte wie auch betreffs der technischen Ausführung genau zu beachten. Hiermit soll keineswegs in Frage gestellt werden, daß der geübte Beobachter schon im gewöhnlichen Nativ- oder Trockenpräparat aus der im Verhältnis zur Norm dunkleren Farbe der Erythrozyten auf einen erhöhten Index schließen kann. Sogar noch deutlicher pflegt der Unterschied im gefärbten Präparat hervorzutreten, da die hämo- globinreichen Blutkörperchen mit besonderer Begierde die Eosinfarbe aufnehmen. Jedenfalls aber ist hier besondere Vorsicht im Urteil geboten, da Ungleichmäßigkeiten in der Färbetechnik leicht Unterschiede im Hämoglobingehalt vortäuschen können. Zuver- lässige Resultate lassen sich natürlich bloß durch genaue quantitative Bestimmungen erzielen. Eine etwaige qualitative Veränderung des Blutfarbstoffes bei perniziöser Anämie hat man nicht mit Sicherheit feststellen können. Die roten Blutkörperchen haben bei der perniziösen Anämie außer den Veränderungen des Färbst offgehalts verschiedene andere Abweichungen von der Norm aufzuweisen. Ihre Anzahl pflegt vermindert zu sein, und zwar wie wir sahen, verhältnis- mäßig mehr als der Hämoglobingehalt. Die Blutkörperchenzahl geht folglich in der Regel bedeutend unter diejenige bei ebenso schweren einfachen Anämien und speziell bei der Chlorose herab. Gewöhnlich wenden sich die Kranken erst an den Arzt, wenn die Blutkörperchenzahl bereits weniger als 2 500 000 pro Kubikmillimet er beträgt. Werte unter 1000 000 kommen häufig vor, ja werden schließlich von den meisten Patienten erreicht. Die niedrigste Zahl in einem Fall, wo noch eine Besserung eintrat, nämlich 143000, ist von Quincke beobachtet worden; in einem tödlich verlaufenden Anfall hat Naegeli 138 000 gefunden. Kurz vor dem Tode hat man sogar einen so niedrigen Wert wie 110 000 angetroffen (Ziegler); es handelte sich aber um eine aplastische Anämie. In umstehenden Kurven ist die Anzahl der roten Blutkörperchen bei der Aufnahme der Kranken in das Krankenhaus graphisch dargestellt. Es geht aus den Kurven XIII und XIV hervor, daß über 90% der Fälle mit weniger als 21/2 Millionen Erythrozyten in Behandlung kamen und daß reichlich 3/4 der Fälle eine Erythrozytenzahl unter 2 Mill. aufwiesen. 200 O. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Eigentümlich ist der Unterschied zwischen der Kurve der Bothrio- zephalus-Anämie (Kurve XV) und der der kryptogenetischen Perni- ziosa (Kurve XVI). Über die Bedeutung dieses Unterschiedes würden sich bloß Vermutungen aussprechen lassen. Doch hat es den Anschein, als wiesen die Kurven auf einen akuteren Beginn der Botriozephalus-Anämie (einen stärkeren exogenen Faktor?) hin. Anzahl der Erythrozyten bei der Aufnahme der Kranken in das Krankenhaus. XIII. 120 110 ^00 %90 § $70 $50 kw %30 $20 10 0 Anzahl der Erythrozyten in Mil/ionen 0,5 1 1.5 2 2.5 3 /7 \\ 1 / ***''-■ 1 t / \ \ y' *^i ^^ XVI. Anzahl der Erythrozyten in 0,5 1 1,5 2 2,5 \^0 "V / / ^X / / fs'S xxV ^55*. Abb. 15. Botriozephalus-Anämie. Abb. 16. Kryptogenetische Anämie. — Männliche, weibliche, männliche + weibliche. Während der Remissionen kommt es selten zu einer Herstellung der nor- malen Blutkörperchenzahl, und zwar nicht einmal, wenn der Hämoglobingehalt die Norm erreicht oder etwa übersteigt. Ein großer Teil der roten Blutkörperchen zeigt von der Norm abweichende Formen, es kommen Birnen-, Keulen-, Amboß- u. a. Formen vor. Diese Poikilo- gehl oft parallel mit der Schwere der Anämie, sie kann aber einerseits ihweren Formen fast völlig ausbleiben, anderseits in leichten Formen oder Stadien der Krankheit verhältnismäßig ausgesprochen sein. Da sie, wenn auch weniger ausgeprägt, auch bei schwereren einfachen Anämien vorkommt, ist ihr keine größere diagnostische Bedeutung beizumessen. Dagegen isl auf die Größe der roten Blutkörperchen besonderes Gewiehl zu legen Größe der roten Blutkörperchen. 201 Heutigestags ist die Auffassung vorherrschend, daß die großen Erythrozyten, die sog. Megalozyten, für perniziöse Anämie besonders charakte- ristisch sind. Sie fehlen in der Tat äußerst selten, bei der Bothriozephalus- Anämie vielleicht etwas öfter als bei der kryptogenetischen Form (Schau man), und kommen oft massenhaft vor. Schon in gewöhnlichen Trockenpräparaten fallen sie sofort auf. Messungen bestätigen den ersten Eindruck und erweisen außerdem, daß, trotz dem so gut wie steten Vorhandensein Von Mikrozyten, die durchschnittliche Größe der Erythrozyten gesteigert ist. Zu demselben Ergebnis kommt man vermittels der Viskositätsuntersuchungen sowie bei 0 Q C5^ 0 O ^ er* «u o Q 9 i * o •• 0 a fQ Abb. 17 x). Nichtkombiniertes Gesichtsfeld mit Megalo-, Mikro- und Poikilozyten, zwei Erythroblasten, einem Myelozyten mit Azurgranula und einem Metamyelozyten. Benutzung der Zentrifugier- bzw. Hämokritmethode. Die Megalozyten werden wohl als während der Krankheit entstandene Zellen aufzufassen sein, die ihre Entstehung dem veränderten Regenerationstypus des Knochenmarks ver- danken. Die Definition des Megalozyten und seine Abgrenzung gegen andere rote Blutkörperchen unterliegen noch der Diskussion. Namentlich Naegelis Makro- zyt, als etwas Eigenartiges und vom Megalozyten prinzipiell Verschiedenes, hat wenigstens noch nicht vollständig durchgeschlagen. Türk wendet die Bezeichnungen Makro- und Megalozyt als ziemlich synonym an. Die Frage hängt damit zusammen, wie die Normo- und Megaloblasten aufzufassen sind und wie sie Voneinander unterschieden werden sollen, eine Frage, die weiter unten berührt werden wird. Unabhängig von dieser Frage überhaupt kann x) Die abgebildeten Präparate sind sämtlich mit May-Grünwald-Giemsa gefärbt. Die Abbildungen sind mit Leitz apochromat. Obj. 2 m/m, Abb. 17 mit komp. Ok. 4, alle übrigen mit komp. Ok. 8 gezeichnet worden. 202 0. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. man jedoch feststellen, daß bei der perniziösen Anämie zahlreiche rote Blut- körperchen vorkommen, die alle Anforderungen an einen Megalozyten erfüllen: große, hämoglobinreiche Zellen mit ,. geringer Deutlichkeit der Delle" und ,, plastischem Hervortreten in der Zählkammer'". Zwischen den extremen Formen und den normalen Erythrozyten finden sich alle Übergänge vor, und hier begegnet man vielen jener jugendlichen Zellformen, die sich u. a. oft durch Polychromat isches Protoplasma, Jollykörper. Chromatinstäubchen, basophile Punktierung auszeichnen und die mit Naegelis Makrozyten zusammenfallen. Das Vorkommen von Mikrozyten ist oben schon flüchtig gestreift worden. Sie werden selten völlig vermißt, kommen aber in sehr wechselnder Anzahl und oft in der Form von Schizo- bzw. Poikilozyten vor. Es dürfte sich meist Abb. 18. Jugendlicher (Pro-) Megaloblast mit typischem, allerdings zwei Nukleolen enthaltendem Kern und rein basophilem Plasma. Abb. 19. Typischer Megalo- blast mit ziemlich stark basophilem Plasma. Abb. 20. Megaloblast mit leicht basophilem Plasma. # Abb. 21. Typischer großer, orthochromatischer Megalo- blast (Gigantoblast) nebst einem hyperchromen Erythrozyten. Abb. 22. Erythroblast mit ,,Normoblastenkern" (Ma- kronormoblast nach der Terminologie Schaumans). Abb. 23. Erythroblast mit Rosettenkern und basophil punktiertem Plasma. um Folgen degenerativer Prozesse handeln. Für die Diagnose der perniziösen Anämie sind sie von untergeordneter Bedeutung, obwohl sie zu der Mannig- faltigkeit der Formen beitragen, die für das Blutbild bei dieser Krankheit so charakt erist isch ist . Wir kommen Bomit zu einem der wichtigsten Punkte im perniziös-anämischen Blutbilde, zu dem Auftreten kernhaltiger roter Blutkörperchen (vgl. Abb. 18-23). Über das Vorkommen dieser Zellen, der Normo- und Megaloblasten, gehen die bleichten vielfach auseinander. Teilweise dürfte dies darauf beruhen, Lie Verschiedenen Fora her beide Typen Verschieden definieren. Vor allem werden zu Lei I Loblasten die typischen, großen „jugend- lichen" Zellformen gerechn l harakteristische Megaloblastenkern ist tfroLi und im gefärbten Präp bnismäßig schwach gefärbt. ,, Dabei \s\ sowohl seine Kernmembran das Gitterwerk seines Chromat innetzes wirklich wie ein Netz >d >r Gitter, in dem nur einzelne unscharf Kernhaltige rote Blutkörperchen. 203 begrenzte Knotenpunkte etwas umfänglichere Chromatinanhäufungen von geringer Färbungsstärke darstellen" (Türk). Das Protoplasma, das oft mehr oder weniger stark basophil ist, ist manchmal gleichsam gefaltet. Nun meint Naegeli, daß mit steigendem Alter der Megaloblasten eine Verkleinerung und Pyknose des Kernes erfolge, so daß (namentlich bei kleineren Exemplaren) die Unterscheidung von Normoblasten mit älterem Kern nicht mehr sicher möglich sei. Die Größe der Zelle wäre also neben der Struktur ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Von anderen Forschern werden die großen Erythroblasten mit pyknotischem Kern und hämoglobinreichem Proto- plasma als große Normoblasten angesprochen. Dies tat z. B. Schauman. Nur die unreifen mit typischem Kern nannte er Megaloblasten. Einen ungefähr ähnlichen Standpunkt nimmt Türk ein. Ich muß gestehen, daß Naegeli für seine Einteilung sehr beachtenswerte Gründe anführt. Vom theoretischen Gesichtspunkt aus wäre es natürlich Von großer Bedeutung, definitiv feststellen zu können, in welchem Verhältnis die Megaloblasten zu den Normoblasten stehen und welcher Platz den Megalo- zyten im System eingeräumt werden muß, oder mit anderen Worten ermitteln zu können, ob Megaloblasten und Megalozyten einer- und Normoblasten und Normozyten bzw. Makrozyten anderseits grundsätzlich verschiedene Zell- formen sind, und sich über eine einheitliche morphologische Definition dieser Zellformen zu einigen. Für meine Person bin ich nicht gerüstet, in diesen Fragen Stellung zu nehmen. Da jedoch das Schaumansche Material, auf das sich die Vorliegende Darstellung stützt, nach der von Schauman angewandten Ein- teilung bearbeitet worden ist, habe ich derselben folgen zu müssen geglaubt. Es ist klar, daß sich das numerische Verhältnis der Megalo- und Normo- blasten verschieden gestaltet, je nachdem wie diese Zellen definiert werden. Naegeli findet bei der perniziösen Anämie mehr Megaloblasten als Normo- blasten. Bei uns haben wir immer ein umgekehrtes Verhältnis gefunden, d. h. mehr Normoblasten als Megaloblasten. In den Fällen, wo ich versucht habe, die Zellen nach Naegeli zu differenzieren, bin ich jedoch zu demselben Resultat gelangt wie er. Die kernführenden roten Blut-körperchen sind selten sehr zahl- reich. Nur bei den sog. Blutkrisen treten sie bekanntlich massenhaft auf; in einem von uns beobachteten Fall stieg deren Anzahl auf 7600 im Kubik- millimeter, in einem zweiten sogar auf 8362, darunter 190 typische Megalo- blasten. Doch fehlen Erythroblasten bei perniziöser Anämie sehr selten, und wenn man sich die Zeit nimmt, mehrere Präparate sorgfältig zu durchsuchen, so findet man auch in den meisten Fällen typische unreife Megaloblasten. Wie wir uns auch zu der zuletzt berührten prinzipiellen Frage stellen, bleibt es doch als unbestreitbare Tatsache bestehen, daß die typischen unreifen Megalo- blasten und die großen Zellformen, mögen sie kernführend sein oder nicht, die charakteristischsten und für die Diagnose bedeutungsvollsten Elemente im Blute bei der perniziösen Anämie sind. Einige Eigentümlichkeiten des Erythroblastenkerns, die uns bei der in Frage stehenden Krankheit begegnen, mögen hier Erwähnung finden. Nicht selten ist der mehr oder weniger pyknotische Kern rosetten- oder kleeblatt- artig geteilt (vgl. Abb. 23). Diese Fragmentierung führt bisweilen zur völligen Abschnürung einzelner Kernfragmente. Hin und wieder sieht man freie pyknotische Erythroblastenkerne im Blute. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte es sich hier meistens um Artefakte handeln: Die Kerne sind bei der Anfertigung des Präparats aus dem Zelleib herausgeschlüpft. — Jeder, der sich auch nur einigermaßen eingehend mit der Hämatologie der perniziösen Anämie beschäftigt hat, kann über das Vorkommen von Mitosen in den Erythroblasten 20t 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. berichten (vgl. Abb. 24). Auch wir haben solche gesehen, und zwar in Fällen sowohl mit als ohne Bothriozephalus. Immerhin handelt es sich um eine Seltenheit. Schon oben ist erwähnt worden, daß Megalozyten nicht ausschließ- lichbeider perniziösen Anämie vorkommen. Dasselbe gilt vielleicht auch von den Megaloblasten. Sichere eigene Beobachtungen stehen mir in dieser Beziehung leider nicht zur Verfügung. Türk (S. 591) meint aber, daß ,,das Blutbild all dieser Fälle niemals den morphologischen Charakter der Perniziosa hat, weder in bezug auf die kernlosen Erythrozyten, will sagen die Mikrozyten, noch auf die Morphologie der Erythroblasten, indem bei allen diesen Formen die früher beschriebenen eigenartigen Gigantoblasten fehlen". Naegeli findet wahre Megaloblasten außer beim Embryo nur bei perniziöser Anämie. Poch sind sie seiner Meinung nach „diagnostisch nicht allein aus- schlaggebend, aber, wenn vorhanden, doch sehr wichtig". Obgleich die soeben besprochene Einschränkung der diagnostischen Ver- wertbarkeit der Megalozyten und Megaloblasten mithin keine große praktische Bedeutung hat, können wir doch den Worten Schau mans beistimmen, ,,daß Abb. 24. Erythroblastenmitose. Abb. 25. Rotes Blutkörperchen mit basophiler Punktierung , Jollykörper und Cabotschem Ringkörper. die mikroskopische Untersuchung des Blutes, von wie großer Tragweite für die Diagnose der perniziösen Anämie sie in den allermeisten Fällen tatsächlich auch sein mag, doch irreführen kann, falls man seine Folgerungen ausschließ- lich auf die diesbezüglichen Resultate gründet". Doch betont Pappenheim in „Kraus-Brugsch" entschieden zu stark die Bedeutung des allgemein- klinischen Bildes auf Kosten des Blutbildes, das denn doch das wichtigste Symptom ist. Die noch extremere Auffassung von Grawitz wird heute kaum noch Anhänger haben. An den roten Blutkörperchen ist bei der perniziösen Anämie noch eine Reihe anderer Veränderungen zu beobachten, die viel dazu beitragen, dem hämolytischen Bilde das bekannte bunte Gepräge zu verleihen, ohne für die Perniziosa streng charakteristisch zu sein. Diese Erscheinungen sind: Die Polychromatophilie, die sich ja keineswegs auf die Erythroblasten be- schränkt, die basophile und die azurophile Punktierung, die Jolly- Keinz - Körperchen und die Cabotschen Ringkörper (Abb. 25). Sie kommen in den oben erwähnten Makrozyten Naegelis, aber auch in Mikro- zyten sowie in Megalozyten vor; die Polychromatophilie besonders in den großen, die basophile Punktierung mehr in den kleineren Zellen. Ehe wir die Behandlung der roten Blutkörperchen abschließen, haben wir noch zwei ihrer Eigenschaften zu erwähnen. Erstens Ls1 es die herabgesetzte Geldrollenbildung. Diese tritt besonders klar in den schweren Stadien i\vr Krankheit hervor. Obwohl sie in schwereren einfachen Anämien keineswegs Vermißl wird, ist sie da in der Regel weniger ausgesprochen als bei Her Perniziosa. Die Entstehung dieses Symptoms beruht zweifellos auf dem Zusammenwirken mehrerer ursächlicher Momente. Osmotische Resistenz der Blutkörperchen. 205 so der undichten Lage, der wechselnden Größe und der unregelmäßigen Form der Blutkörperchen, wie auch der physikalisch-chemischen Verhältnisse des Serums sowohl als der Blutkörperchen. Zweitens die Resistenz der Blutkörperchen. Viele Forscher haben bei der perniziösen Anämie herabgesetzte osmotische Resistenz nachgewiesen (Maragliano, Hamburger, öastellino, Veyrassat, Ehni und Alexejeff u. a.). Nicht selten wird aber auch von normaler Resistenz berichtet, und eine nicht geringe Anzahl Autoren hat sogar erhöhte Resistenz vorgefunden (Ribierre , Aubertin , Jakuszcewsky , Naegeli, Pappenheim und Daumann). Angesichts des wechselnden Verlaufs der perniziösen Anämie ist es gut denkbar, daß man je nach dem Stadium der Krankheit, in dem die Blutuntersuchung vorgenommen wird, verschiedene Resistenzwerte vorfindet. Unter Beachtung dieses Umstandes sagt Jakuszcewsky, daß ihm die ge- steigerte Resistenz besonders in Zeiten stärkerer hämolytischer Wirkungen auf das Blut hervorzutreten scheine. Der Mangel an Übereinstimmung in den Untersuchungsresultaten wird allerdings in nicht geringem Grade dem Umstand zuzuschreiben sein, daß das technische Verfahren ein verschiedenes war. Außerdem legten viele Verfasser der Minimumresistenz das größte Gewicht bei und zollten der Maximum- resistenz und der Resistenzbreite weniger Beachtung; schließlich spielt der Umstand mit herein, daß bei weitem nicht alle ihre Methodik durch Resistenz- untersuchungen beim gesunden Menschen geprüft haben. Zur näheren Be- leuchtung der Resistenz Verhältnisse bei perniziöser Anämie will ich die Resultate anführen, zu denen Appelberg bei seinen Untersuchungen in unserer Klinik gelangt ist. Da seine Arbeit nur in schwedischer Sprache vorliegt, muß mein Bericht ausführlicher sein, als es sonst nötig wäre. Sämtliche Proberöhren und Gefäße, deren er sich bediente, waren sterilisiert. Bei der Messung des Blutes gebrauchte er durchgehends eine und dieselbe Pipette. Das Blut wurde vermittels Venenpunktion in der Kubitalbeuge erhalten und unter Beachtung nötiger Vorsicht durch Umschütteln mit Glasperlen defibriniert; die roten Blutkörperchen wurden, wie üblich, wenigstens dreimal in physiologischer Kochsalzlösung gewaschen, bis die über- stehende Flüssigkeit wasserklar war. In jedes Proberöhrchen, das 2 ccm hypotonischer Kochsalzlösung enthielt (die Intervalle zwischen den Röhrchen betrügen 0,02%), wurde ein Tropfen 50%iger Blutkörperchenauf schwemmung zugesetzt, die Röhrchen vorsichtig umgeschüttelt, eine Weile stehen gelassen, dann für 18 — 20 Stunden in den Eisschrank gebracht, worauf schließlich das Resultat abgelesen wurde. Die Maximumresistenz wurde mikroskopisch kontrolliert. — Die Resistenzbestimmungen ergaben bei gesunden Individuen, 9 Männern und 7 Frauen, folgende Werte: die Minimumresistenz im Durchschnitt 0,48, individuelle Variationen 0,46 — 0,50, für beide Geschlechter gleich; die Maximumresistenz im Durchschnitt 0,26 für beide Geschlechter, individuelle Variationen 0,22 — 0,30 bei den Frauen, bei 8 Männern betrug der Wert 0,26, bei 1 Manne 0,28. Appelbergs Untersuchungen in 17 Fällen perniziöser Anämie, 8 ohne und 9 mit Bothriocephalus latus, zeigten folgende Resultate. Die Minimum- resistenz stimmte in den meisten Fällen so ziemlich mit den bei gesunden Per- sonen erhaltenen Weiten überein. Nur in 4 Fällen war sie deutlich herabgesetzt und bloß in einem Falle etwas erhöht. Die Maximumresistenz dagegen erwies sich in mehr als % der Fälle mehr oder weniger bedeutend erhöht und die Resi- stenzbreite, da eine normale Maximumresistenz in Fällen mit deutlich herab- gesetzter Minimumresistenz gefunden wurde, in der Regel gesteigert. In den Fällen kryptogenetischer Anämie waren die Abweichungen von der Norm durchschnittlich größer als in den Fällen mit Bothriozephalus. In diesen Fällen war die Anämie durchschnittlich etwas weniger hochgradig als in jenen. Die Fälle, in denen die Minimumresistenz deutlich herabgesetzt (0,57 — 0,60) war, befanden sich entweder in einem stabilen Stadium oder in der Besserung; unter den Fällen hinwieder, in denen die Maximumresistenz unzweideutig 206 0. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. gesteigert (unter 0.20) war, gab es sowohl solche, die in der Besserung, als auch solche, die in der Verschlimmerung begriffen waren. Eine gesteigerte Resistenz- breite schließlich wurde sowohl im stabilen Stadium als während der Besserung und während der Verschlimmerung im Blutstatus angetroffen. Im allgemeinen war die Resistenzbreite bei weit vorgeschrittener Anämie größer als in den leichteren Fällen ; doch waren Ausnahmen mit fast normaler Breite trotz weniger als 1 Mill. roter Blutkörperchen vorhanden. Die mittlere Resistenzbreite bei einer Blutkörperchenzahl unter 1,5 Mill. betrug 0,34, über 1,5 Mill. 0,25. Viel später und in weit geringerem Grade als das rote Blutbild ist das Ver- halten der weißen Blutkörperchen Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses geworden. Bei voll entwickeltem Krankheit sbüd finden wir in der Regel als ziemlich steten Befund eine Verminderung der Zahl der weißen Blutkörperchen verzeichnet. In Frühstadien (Türk , Naege li) und auf der Höhe der Remissionen können manchmal auch normale Werte angetroffen werden, und bekanntlich verlaufen die sog. Blutkrisen manchmal sogar mit Leukozytose. Sonst kann eine in vereinzelten Fällen auftretende Leukozytose in entzündlichen Kom- plikationen ihre Erklärung finden oder als agonales Symptom aufzufassen sein. Alles dies gilt sowohl von der perniziösen Bothriozephalus-Anämie wie auch von der kryptogenetischen Perniziosa. Doch geht aus den Untersuchungen Mus te lins hervor, daß die Leukopenie bei der Bothriozephalus -Anämie durchschnittlich nicht so extreme Werte erreicht wie bei der kryptogenetischen Form. In der folgenden Tabelle hat er seine Beobachtungen zusammengestellt. Bemerkenswert ist, daß die durch- schnittliehe Anzahl der weißen Blutkörperchen, wie es scheint, nicht den Schwankungen der Hämoglobinzahl folgt, daß sie aber bei der Bothriozephalus - Anämie nach Abtreibung des Parasiten steigt. Doch hat Mustelin in seinen Fällen keine ,, Leukozytose mäßigen Grades", wie sie Naege li nach der Abtreibung gesehen hat, nachweisen können. Anzahl der weißen Blutkörperchen in den verschiedenen Stadien der Anämie sowie bei der Bothriozephalus-Anämie vor und nach Abtreibung des Parasiten. Kryptogenetische Bothriozephalus-An- ämie vor der Ab- Bothriozephalus-An- ämie nach der Ab- Bothriozephalus- treibung des Parasiten treibung des Parasiten Hglb. a s a 3 — 0 Durchschnitt- d bL Durchschnitt- - s Durchschnitt- Durchschnitt- liche Anzahl ra s liche Anzahl liche Anzahl "3 3 liche Anzahl q-2 der weißen N 3 der weißen p-2 der weißen Sj=j der weißen Blutkörperchen 33 Blutkörperchen <Ü Blutkörperchen 52 B lutkö rp e rch en KJ S3 N N <20 9 3 741 2 3 350 2 3 350 20—29 25 3 726 3 4 120 — 3 4 120 30—39 39 3 410 6 4 787 — 6 4 787 40-^9 19 3 672 2 4 435 2 4 435 50—59 12 3 427 5 4 738 3 5 933 8 5 186 60—69 3 2 147 1 2 360 7 5 890 8 5 249 70—79 2 3 230 3 3 133 5 6 048 8 4 955 80— 1 3 660 - — 9 7 012 9 7 012 Die größte Anzahl weißer Blutkörperchen, die Mustelin gefunden hat, beträgt bei der kryptogenetischen Perniziosa 8780 (H. = 19%) und 11 170 (unmittelbar vor dem Tode), bei der Bothriozephalus-Anämie 8500 (H. = 83%; Verhalten der weißen Blutkörperchen. 207 vor der Wurmabtreibung) ; die kleinste Anzahl wiederum bei der kryptogeneti- schen 1020 (H. = 55° '/„) und bei der Bot hriozephalus -Anämie 2360 (H. = 68%). Ich kann nicht umhin, auf eine Fehlerquelle hinzuweisen, die sich bei der Zählung der weißen Blutkörperchen geltend macht. Bei der gewöhnlichen Kammerzählung werden meistens alle kernhaltigen Zellen, also nicht nur die Weißen, sondern auch die Erythroblasten mitgezählt. Bei der hohen Zahl, die diese Zellen bisweilen erreichen, könnte der Fehler sehr beträchtlich werden. Die folgende Tabelle veranschaulicht an 5 Beispielen diese Möglichkeit. Anzahl der kernhaltigen Darunter weiße Zellen im Kubikmillimeter Blutkörperchen 7 300 5 800 10 800 8 780 15 600 7 950 11920 3 560 6 800 2 820 Vielleicht ist die Frage erlaubt, ob nicht die hohen Leukozytenzahlen, die nicht selten bei den Blutkrisen verzeichnet worden sind, manchmal auf eine solche Mitzählung der Erythroblasten zurückzuführen wären. Die bei der Kammerzählung gewonnene Zahl muß selbstverständlich nach im gefärbten Trockenpräparat erfolgter Differentialzählung einer gebührenden Korrektion unterzogen werden. Es wurde jedoch schon früh (Ehrlich) die Beobachtung gemacht, daß sich die eben erwähnte Verminderung der Zahl nicht gleichmäßig auf alle Formen der weißen Blutkörperchen verteilt. Zugleich bemerkte man, daß in erster Reihe die neutrophilen, polymorphkernigen Zellen an Zahl abnehmen, was eine wenigstens relative Lymphozytose erzeugt. Diese Beobachtungen sind durch die spätere Forschung bestätigt worden. Die Prozentzahlen der neutrophilen Leukozyten und Lymphozyten werden von verschiedenen Forschern etwas verschieden angegeben, und bemerkenswert ist, daß einer und derselbe Forscher von Fall zu Fall keineswegs die gleichen Werte vorfindet, sondern daß diese sich im Gegenteil als höchst wechselnd erweisen. So z. B. kommt ein normales und sogar subnormales Lymphozytenprozent nicht selten vor. Dies hängt zum Teil mit dem wechselnden Verlauf der Krankheit zusammen. Bei eintretender Besserung hat man zuweilen eine Verschiebung der Prozentzahl zugunsten der Neutrophilen vorgefunden (Strauß und Rohnstein, Lazarus). Konstant ist diese Erscheinung nicht. Bloch und Hirschfeld führen als Resultat ihrer Erfahrung an, daß dieses „zwar bisweilen zutrifft, aber keines- wegs die Regel ist". Mit diesen Daten vor Augen muß man der Aussage Muste - lins beistimmen, daß die diagnostische Bedeutung der relativen Lymphozytose geringer ist, als man anzunehmen geneigt war, und daß dem Zahlenverhältnis der weißen Blutkörperchen untereinander in prognostischer Hinsicht keine größere Bedeutung beizumessen sei. In bezug auf die absolute Zahl gilt die Regel, daß diejenige der Neutro- philen sogar bei hoher Prozentzahl herabgesetzt ist. Hinsichtlich der Lymphozyten hat man den Eindruck, als halte die Mehrzahl der Forscher ihre Gesamtzahl für ziemlich normal. Lazarus sagt von den Lymphzellen, ,,daß sie in annähernd normaler Zahl produziert werden", und Naegeli meint, „daß eine wesentliche Verminderung der Lymphozyten bei der Intaktheit des lymphatischen Apparates gar nicht oder nur durch Komplikationen ent- steht". Diese Äußerungen erscheinen jedoch als zu kategorisch. Man bedenke, daß die Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen bei perniziöser Anämie nicht selten bis auf 2000—1500 — 1000 pro Kubikmillimeter, ja noch mehr sinkt, daß sie sich also dem Minimum der Lymphozyten allein bei einem gesunden Menschen 208 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. nähert oder sogar unter dasselbe herabgeht (Türk). In diesen Fällen muß also selbstverständlich auch bei sehr hoher Prozentzahl eine Abnahme der Anzahl vorliegen. Direkte Angaben über die Verringerung der Lymphozyt enzahl hat Ziegler geliefert. Bei genauer Prüfung der von Lazarus als Beispiel des weißen Blutbildes angegebenen Zahlen erhält man ein gleiches Resultat. In seinem ersten Fall, bei der ersten Rechnung, kommt man nämlich zu einer Anzahl von 525 und in dem zweiten, ebenfalls bei der ersten Rechnung, zu etwas über 200 Lymphozyten (Mustelin). In unserem Material hat Mustelin wieder- holt eine niedrige Lymphozytenzahl feststellen können, z. B. 369, 389, 651, 682 und 690. Daß nicht selten eine normale Anzahl Lymphozyten vorkommt, soll nicht bestritten werden, ja es wird manchmal sogar eine absolute Zunahme be- obachtet (Ziegler); zum charakteristischen Blutbild gehört das aber keineswegs. Über die gegenseitigen Zahlenverhältnisse der Neutrophilen und Lymphozyten bei perniziöser Bothriozephalus - Anämie liegen ver- hältnismäßig wenig Angaben vor (Schau man, Strauß und Rohnstein). Diesen gemäß wäre bei dieser Krankheitsform die Prozentzahl der Neutrophilen durchschnittlich etwas höher als bei der kryptogenetischen Form. Doch sind die vorliegenden Daten zu knapp, um bestimmte Schlußfolgerungen zuzulassen, und jedenfalls wäre es durchaus unberechtigt, hierin einen Ausdruck prinzipieller Verschiedenheit der beiden Formen perniziöser Anämie sehen zu wollen. |§P sm(i lauti em- stimmiger Aussagen von Naegeli, Türk, Sisto und Ziegler nur in geringer Anzahl vertreten und können unter gewissen Umständen völlig aus dem Blute verschwinden. Es scheint, als stehe ihre Zahl in einem gewissen Verhältnis zum Grade der Anämie, und zwar so, daß die Verringerung der Zahl in schweren Krankheitsstadien am größten, bei ausgesprochenen Remissionen dagegen weniger bedeutend ist. Manchmal scheinen auch morphologische Veränderungen der Monozyten vorzukommen, was besonders von dem Kern gilt, der nicht selten einen mehr oder weniger jugendlichen Charakter trägt. Zu dem typischen hämatologischen Bilde der perniziösen Anämie gehört noch die Armut an Blutplättchen. In diesem Punkt herrscht unter den Forschern völlige Übereinstimmung. In Anbetracht unserer mangelhaften Methodik wäre es vergeblich, die Menge der Blutplättchen in absoluten Zahlen angeben zu wollen. Meist ist ihre Zahl stark herabgesetzt, und manchmal sucht man vergebens nach ihnen. Ausnahmen scheinen jedoch vorzukommen (Bloch und Hirschfeld). Die Armut an Blutplättchen stimmt übrigens mit der herab- gesetzten Koagulationsfähigkeit bei der Perniziosa gut überein. Die obige Schilderung bezieht sich wesentlich auf das typische Blutbild während des Höhenstadiums der Erkrankung. Wiewohl die Veränderungen, die sich bei eintretender Verbesserung bzw. Verschlechterung des Zustandes einzu- stellen pflegen, und die Züge, durch die sich das Blutbild auf der Höhe der Remission auszeichnet, in dem Gesagten teilweise berührt worden sind, ver- dienen sie eine nähere Berücksichtigung im Zusammenhang mit einer kurzen Darstellung der Bilder, die man in den Frühstadien beobachtet, und derjenigen, welche man bisweilen in dem hoffnungslosen Endstadium sieht. Die perniziöse Anämie ist, wie wir wissen, in der Mehrzahl der Fälle und besonders wo eine sachgemäße Behandlung eingreift, keine unaufhaltsam fortschreitende Krankheit. Remissionen gehören zur Regel. Die bei diesen zu erhebenden Blutbefunde sind besonders eingehend von Brösamlen aus der Naegelischen Klinik mitgeteilt worden. Die Remissionen zeigen sich früh, nicht selten bevor eine deutliche Veränderung des subjektiven Befindens hervor- tritt, durch eine Steigerung des Hämoglobingehaltes und der Zahl der roten und weißen Blutkörperchen. Bisweilen haben wir eine Vermehrung der zuletzt genannten Zellen als erstes Anzeichen der beginnenden Besserung gesehen. Blutkrankheiten. II. 14 210 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Von Rosenqvist sind Fälle beschrieben worden, in denen die Blutregeneration durch eine Leukozytose (bis 20 000 im Kubikmillimeter) eingeleitet wurde. Allem Anschein nach beziehen sich aber die von Rosenqvist angegebenen Zahlen nicht bloß auf die Weißen, sondern auf sämtliche kernhaltige Zellen. Hämoglobingehalt und Erythrozytenzahl steigen ungefähr par- allel, und der Färbeindex bleibt, wenn er auch ein wenig steigen oder sinken kann, fortwährend hoch. Nur in ganz vereinzelten Fällen hat man, wie schon hervorgehoben wurde, auf der Höhe der Remission einen niedrigen Index gesehen. Was über den Färbeindex ausgeführt wurde, gilt auch von der Megalozytose. In der Regel bleibt diese, wenn auch oft in etwas gemäßigter Form, bestehen, selbst wenn während der Remission normale Hämoglobin- werte erreicht werden. Mehr als die Megalozytose scheint die Mikro- und Poikilo- zytose mit fortschreitender Besserung zurückzuweichen und beinahe voll- ständig verschwinden zu können. Die kernführenden Blutkörperchen ver- mehren sich bei einsetzender Remission an Zahl und treten zu vereinzelten Malen massenhaft auf; v. Noorden spricht in diesen Fällen von Blutkrisen. Die Vermehrung ist indessen meist von schnell vorübergehender Art. Wenn die Besserung fortdauert, werden die Erythroblasten immer spärlicher, und recht oft ist es bald schwer, sie zu finden. Vor ganz kurzem sah ich schon nach einer Steigerung des Hämoglobingehalts von 27 auf 35 und der Zahl der roten Blut- körperchen von 1 200 000 auf 1 600 000 die Erythroblasten aus dem Blute verschwinden. Doch fanden wir wiederholt zahlreiche Erythroblasten, in erster Linie Normoblasten, noch bei recht hohem Blutfarbstoffgehalt, z. B. 1000 Normo- blasten im Kubikmillimeter bei 52°/0 Hämoglobin, 7 bei 75°/0. Megaloblasten sahen wir bei 59%. Naegeli hat solche noch bei 70% Hämoglobin angetroffen. Ich erwähnte, daß eine Vermehrung der Weißen zuweilen ein besonders frühes Zeichen einer eintretenden Besserung sei. Ab und zu soll man bei diesen Gelegenheiten eine wirkliche Leukozytose, mit bis 15 000 Weißen, am häufigsten wohl im Zusammenhang mit einer Blutkrisis finden (Vgl. die Bemerkung S. 207). Die Vermehrung der weißen Zellen, die auch in unseren Fällen bei gesteigerter Knochenmarkstätigkeit mitunter beobachtet worden ist, hat aber nicht zu einer wahren Hyperleukozytose geführt, wenn auch die Zahl der Weißen die Durchschnittszahlen bei der perniziösen Anämie bisweilen überstieg. Den größten Anteil an der Vermehrung pflegen die neutrophilen Leukozyten zu haben. Aber auch die Prozentzahl für gewisse andere Formen, wie Eosinophile und Monozyten, steigt gewöhnlich. Auch die Blutplättchen nehmen allmählich an Zahl zu. In der Frage, ob während einer Remission alle Kennzeichen der perniziösen Anämie verschwinden können, so daß von einer absoluten Remission gesprochen werden könnte, gehen die Ansichten immer noch auseinander. Nach den Mit- teihmgen Zadeks und besonders Lindboms scheint man jedoch kaum berech- tigt zu sein, das Vorkommen solcher Remissionen kategorisch in Abrede zu stellen. Zu den Seltenheiten gehören sie aber jedenfalls. Bei einer Verschlimmerung des Zustandes stellt sich meist wieder das Voll- bild der perniziösen Anämie ein. Insbesondere will ich hervorheben, daß während einer Verschlimmerung nicht selten auch Erythroblasten in gleich großer Zahl i einer einsetzender! Besserung zu finden sind und daß ich hierbei sogar eine an die Blutkrisen erinnernde Erythroblastenzahl gesehen habe. Die S. 203 erwähnten Fälle mit 7600 bzw. 8362 Erythroblasten befanden sich eben in breitender Verschlimmerung, und die eine der Patientinnen starb, ohne daß der Blutbefund sich inzwischen verbessert hätte. Doch ist es nicht unge- wöhnlich, daß man bei hochgradiger Anämie mit einer Neigung zu langsamer Remissionen. Aplastische Anämie. 211 Verschlimmerung, die sich nicht durch die üblichen Behandlungsmethoden beeinflussen läßt, diese Zellformen sehr spärlich vertreten, ja ganz und gar verschwunden findet. Eine agonale Steigerung ist mitunter auch in diesen Fällen beobachtet worden. Früher wurde das charakteristische farbensatte Blutserum beschrie- ben, das man auf der Höhe der Erkrankung sieht. Mit zunehmender Besserung pflegt das Blutserum immer heller gelb zu werden und nicht selten bei weit gediehener Besserung eine fast normale Farbe anzunehmen. Ich kann nicht umhin, in diesem Zusammenhang die Veränderungen im Urobilingehalt des Harnes zu unterstreichen. Wir lernten die Urobilinurie als ein wichtiges Symptom bei perniziöser Anämie kennen. Im allgemeinen ist dieselbe am hochgradigsten während Perioden der Verschlimmerung, wogegen sie bei Verbesserung des Zustands gewöhnlich abnimmt, um nicht selten ganz zu verschwinden. Indessen habe ich bisweilen eine Steigerung der Urobilinurie einer Periode der Besserung vorausgehen oder eine solche einleiten sehen. Die Schwankungen in der Farbe des Serums bzw. dem Bilirubingehalt und in der Urobilinurie stehen wohl in Beziehung zu dem Verlauf der hämo- lytischen Prozesse. Schließlich einige Worte über die Frühstadien. Schon mehrmals ist die richtige Diagnose im ersten Anfall bei einem Hämoglobingehalt von 82 — 98 gestellt worden (Sc hau man, Naegeli). Bemerkenswerterweise fand sich aber bereits, trotz dem hohen Hämoglobingehalt, ein unzweideutiges perniziöses Blutbild vor : hoher Färbeindex, ausgeprägte Megalozytose, Leukopenie, relative Lymphozytose. Wir können also jetzt bestimmt behaupten, daß die Krank- heit meistens vom Beginn an, wie auf der Höhe der Remissionen und nicht ausschließlich bei hochgradiger Anämie, eine typische Perniziosa ist. Die sog. aplastische Anämie wird, wie in der Einleitung erwähnt wurde, in diesem Handbuch von einem anderen Verfasser und in anderem Zusammen- hang behandelt werden. Da jedoch die Kenntnis und Auffassung der aplastischen Anämie für die perniziöse Anämie sowohl vom diagnostischen und prognosti- schen als vom theoretischen Gesichtspunkt aus ein hohes Interesse besitzt, finde ich mich genötigt, sie hier in größter Kürze zu berühren. Seit der ersten Mitteilung von Ehrlich hat man sich unter aplastischer Anämie eine schwere, meist recht schnell und ohne dazwischenkommende Remissionen tödlich verlaufende und mit einer in der Regel ausgeprägten hämor- rhagischen Diathese verbundene Anämie vorgestellt, in deren Blutbild Zeichen einer regenerativen Tätigkeit in den blutbildenden Organen, namentlich dem Knochenmark, wie kernführende Erythrozyten, besonders Megaloblasten sowie polychromatische und basophil punktierte rote Blutkörperchen so gut wie ganz fehlen und bei der man post mortem an Stelle des roten, hyperplastischen Knochenmarks der perniziösen Anämie gelbes Fettmark findet. Uns interessieren hier zwei Fragen. Erstens die Frage nach der Beziehung der aplastischen oder vielleicht besser aregeneratorischen Anämie zu der perni- ziösen Anämie und besonders die Frage, ob nicht wenigstens manche Fälle der ersteren Krankheit nur als etwas atypische Erscheinungsformen einer wirk- lichen perniziösen Anämie aufzufassen sind. Zweitens die Frage bezüglich gewisser differentialdiagnostischer und prognostischer Gesichtspunkte. In der ersten Frage ist bisher keine Einigkeit erzielt worden. Einerseits können wir feststellen, daß viele Fälle von aplastischer Anämie keinen anderen für die perniziöse Anämie kennzeichnenden Zug aufweisen als den einer schweren, letal verlaufenden Anämie. Diese Ähnlichkeit genügt natürlich nicht, um in den beiden Anämien nur verschiedene Formen derselben 14* 212 0. Schau man und F. SaJtzman: Die perniziöse Anämie. Krankheit sehen zu können. Hierzu kommt, daß sie sich in sehr wichtigen Hinsichten voneinander unterscheiden. So fehlen bei der aplastischen Anämie außer den Zeichen einer gesteigerten regenerativen Tätigkeit seitens der blut- bildenden Organe meistens auch die Zeichen eines gesteigerten Blutkörperchen- zerfalls, wie Urobilinurie (und vermehrter Farbstoffgehalt der Galle bzw. der Fäzes), ebenso die für die perniziöse Anämie so charakteristische Megalozytose und der gesteigerte Färbeindex wie auch nicht selten die Achylie. Anderseits aber wissen wir, daß in manchen Fällen, wo trotz hochgradiger Anämie keine Erythroblasten und keine polychromatischen oder basophil punktierten roten Blutkörperchen im Blute nachzuweisen sind und wo die Blutungen und der schnelle, zum Tode führende Verlauf der Diagnose aplastische Anämie eine weitere Stütze verleihen, viele von den wichtigsten Symptomen der perniziösen Anämie auftreten, wie megalozytisches Blut mit gesteigertem, mitunter in hohem Grade gesteigertem Färbeindex und manchmal gesteigerte Urobilinabsonderung, Achylie und auch Zungenbrennen. Es fällt in solchen Fällen schwer, den Gedanken an eine perniziöse Anämie zurückzuweisen. Aller- dings scheint das Knochenmark in manchen der fraglichen Fälle ,, aplastisch" gewesen zu sein. Aber in einigen von ihnen hat man doch quantitativ zwar un- bedeutende, aber wie es scheint, sichere Zeichen einer megaloblastischen Re- generation gefunden. Bei weitem nicht in allen Fällen ist das Knochenmark so genau untersucht worden, daß man eine solche Erscheinung mit Bestimmt- heit ausschließen könnte (vgl. Hirschfeld, Krantz, Zeri, Morawitz, Blumenthal, Carslaw und Dünn, Mac Weeney, Ziegler, Massary und Weil, Türk, v. Willebrand, Naegeli u. a.). Es sei hinzugefügt, daß man in manchen Fällen typischer perniziöser Anämie (typisch auch in bezug auf den Verlauf) bisweilen während gewisser Perioden der Krankheit und vielleicht am öftesten während des letzten Stadiums ein Blutbild antreffen kann, das recht stark an das der aplastischen Anämie er- innert und das den Eindruck einer extremen Erschöpfung der blutbildenden Organe hinterläßt x) ; ferner, daß der Parallelismus zwischen dem klinischen Befund im Blute und dem Sektionsbefund im Knochenmark, der Ehrlich erlaubte in seinem bekannten Fall den Befund eines aplastischen Knochenmarks vorherzusagen, nicht ganz streng ist; und schließlich, daß bei der aplastischen Anämie die nicht seltenen reichlichen Blutungen einen solchen Einfluß auf das Blutbild ausgeübt haben können, daß die anfangs etwa vorhandenen perniziös- anämischen Merkmale mehr oder weniger verwischt worden sind. Unter Beachtung des oben Ausgeführten scheint es uns, als ob manche Fälle der sog. aplastischen Anämie zur perniziösen Anämie gezählt werden könnten, während andere Fälle höchstwahrscheinlich wenig mit dieser zu tun haben. Der Übergang zwischen den Gruppen ist symptomatologisch fließend und eine sichere Diagnose daher nicht in jedem Fall möglich. Es ist denkbar, daß Naegeli das Richtige trifft, wenn er die aregenerativen (aplastischen) Anämien lediglich als biologische Varianten beliebiger Anämien betrachtet. Wir können jedoch hier nicht näher auf diese Frage eingehen, ebensowenig auf Franks Anschauungen über die Beziehung der aplastischen Anämie zu der sog. essentiellen Thrombopenie und auf die Beiträge von Kaznelson, Hirschfeld und Eppinger zur Aufhellung der Frage. Unabhängig von der Frage nach der Klassifikation der aplastischen Anämie - formen besitzt jedoch die Kenntnis dieser Anämien ein bedeutendes praktisches l) Tallqvist teilt mit, daß er einen Pat., der früher eine perniziöse Bothriozephalus- Anftmie durchgemacht hatte, unter Symptomen einer aplastischen Anämie hat sterben sehen. Diagnose und Differentialdiagnose. 213 Interesse. Ich denke hier vor allem an die Prognose. Eine ausgeprägte aplastische Anämie erlaubt ja nicht allein quoad vitam eine schlechte Prognose, sondern dazu quoad durationem eine beträchtlich schlechtere als die typische Perniziosa. Ihre Dauer läßt sich ja im allgemeinen nur nach Monaten messen, und wirk- liche Remissionen kommen, wie schon erwähnt wurde, nicht vor. Wir können hinzufügen, daß sich die Prognose der perniziösen Anämie im allgemeinen verschlechtert, je mehr ,, aplastische Züge" in dem Krankheitsbild hervortreten. G. Diagnose und Differentialdiagnose. Bei voll entwickelter Krankheit ist die Diagnose meistens leicht und mit Sicherheit zu stellen. In vielen Fällen sind das Aussehen des Kranken, die hochgradige Blässe mit einem Stich ins Gelbe oder wenigstens mit einer leicht subikterischen Färbung der Skleren und ein Ernährungszustand, der in Anbe- tracht der extremen Blässe nicht selten auffallend gut ist, sowie nicht ganz selten leichte Ödeme, u. a. im Gesicht so charakteristisch, daß man seine Diagnose auf den ersten Blick stellt. Diese wird durch die nähere Untersuchung bestätigt : Die Anamnese spricht Von einem schleichenden Anfang, möglicherweise dann von einem früheren Anfall derselben Krankheit, von zunehmender Entkräftung mit allgemeinen anämischen und gastrointestinalen Symptomen und nicht selten von den bekannten Zeichen der Glossitis. Die objektive Untersuchung ermittelt außer den bereits genannten Symptomen fast immer Achylie, Uro- bilinogen- bzw. Urobilinurie, urobilinreiche Fäzes, oft Druckempfindlichkeit über dem Knochensystem, namentlich dem Sternum, eine glatte atrophische, an den Rändern gerötete Zunge, schlechte Zähne, eine leichte Temperatur- erhöhung, eine leichte Herzvergrößerung, akzidentelle Geräusche und retinale Blutungen. Dagegen fehlen Symptome, welche Vermuten lassen würden, daß ein organisches Leiden vorliege, welches eine schwere Anämie hervorruft. Schließ- lich gibt natürlich die Blutuntersuchung den Ausschlag. Schon in einem ein- fachen ungefärbten Trockenpräparat beobachtet man die wechselnde Größe und Form der Blutkörperchen, vor allem die Megalozytose, den Hämoglobin- reichtum der roten Blutkörperchen und die Leukopenie. In gefärbten Präparaten sieht man vor allem einzelne Megaloblasten, sowie im übrigen eine Anzahl Nor- moblasten, polychromatophile und basophil punktierte Erythrozyten nebst der relativen Lymphozytose und dem spärlichen Vorkommen von Blutplättchen. Die Blutkörperchenzählung und die Hämoglobinbestimmung zeigen uns eine stark herabgesetzte Erythrozytenzahl und Hämoglobinmenge bei einem ge- steigerten Färbeindex und bestätigen, daß die Zahl der weißen Blutkörperchen reduziert ist. Zu diesen Beobachtungen kommt schließlich als wichtiger Befund die dunkelgelbe Farbe des Serums. Nicht immer sind diese Symptome alle Vorhanden, aber dennoch ist das Bild, wie gesagt, in der Regel sehr charakteristisch, und welche Krankheit variiert schließlich nicht bedeutend in ihrer Erscheinungsform! Den festesten Punkt stellt das Blutbild dar, das in den meisten Fällen für sich allein eine richtige Diagnose ermöglicht und das unter keinen Umständen übersehen werden darf, wenn man zu einer ganz sicheren Diagnose gelangen will. Schwierigkeiten können manchmal in ganz frühen Fällen der Krankheit und auf der Höhe einer bedeutenden Remission begegnen, aber auch unter diesen Bedingungen weicht das Blutbild, wenn man es sorgfältig analysiert, nur dem Grade nach, nicht, oder während der Remissionen nur in einzelnen Ausnahmefällen, prinzipiell Von dem ausgeprägten perniziösen Typus ab. Es ist Naegeli als großes Verdienst anzurechnen, diese Auffassung, die letzten 214 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Endes in Ehrlichs Untersuchungen über das perniziöse Blutbild wurzelt, betont und durch eine Menge genauer Beobachtungen gestützt zu haben. Daß die perniziöse Anämie trotz allem nicht ganz selten übersehen wird, beruht zum Teil darauf, daß die Ärzte das Blut zu selten untersuchen. Teils denken sie gar nicht daran, daß eine Blutkrankheit vorliegen könnte, teils geben sie sich mit irgendeiner anderen, scheinbar näherliegenden Diagnose zufrieden. Welches sind denn nun die Symptome, die namentlich in beginnenden Fällen den Gedanken an eine perniziöse Anämie erwecken müssen? Schau - man hat in diesem Zusammenhang die Trias: Achylie, Zungenbrennen und Zahnfäule betont. Er war sogar geneigt zu glauben, daß sie eine Zeichengruppe bilden, die, auch wenn keine deutlichen Blutveränderungen vorhanden sind, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Inhaber zu einem Perniziöse- Anämie- Kandidaten stempelt, und hielt dementsprechend dafür, daß die Anwesenheit dieser Zeichengruppe zu sorgfältiger Überwachung der Blut beschaff enheit ermahnen müsse. Besonderes Gewicht legte er auf das Zungenbrennen. Ja, er riet sogar zur Vorsicht mit der Diagnose ,, sekundäre Anämie" in Fällen, wo sich eine ausgeprägte Glossitis vorfindet, denn er hatte einen Fall gesehen, in dem das Blutbild anfangs dem bei sekundären Anämien gewöhnlichen ent- sprach, aber 2 Jahre später alle Zeichen einer typischen perniziösen Anämie erkennen ließ. Die erwähnte Trias und besonders die Glossitis sind ja bei der perniziösen Anämie durchaus nicht konstant. Wir müssen daher, wenn es gilt Fälle dieser Krankheit aufzuspüren, alle früher erwähnten Symptome vor Augen behalten und außerdem nicht vor einer einfachen Blutuntersuchung zurückschrecken, auch wenn man sie manchmal vergebens ausführen sollte. Die Krankheit, mit der die perniziöse Anämie in der Praxis am häufigsten verwechselt wird, ist nach unserer und vieler anderer Auffassung das Intestinal- karzinom und vor allem das Magenkarzinom. Wie nahe liegt nicht in der Tat der Verdacht eines solchen Karzinoms bei einem Kranken im Karzinom- alter, der an dyspeptischen Beschwerden und allmählich zunehmender Appetit- losigkeit und Entkräftung leidet und bei dem man Achylie, Blässe und leichte Knöcheiödeme nachweisen kann! Das Blutbild aber, welches bei Karzinom- anämien (mit Ausnahme der Knochenmarksmetastasen) so entschieden von dem der perniziösen Anämie abweicht, erlaubt stets leicht eine sichere Diffe- rentialdiagnose. Hierbei wird natürlicherweise nichts durch die Tatsache ver- ändert, daß man vereinzelte Male in einem Fall perniziöser Anämie bei der Sektion ein kleines Karzinom antreffen kann, das während des Lebens keine Symptome gegeben hat. Wir haben es in solchen Fällen ganz einfach garnicht mit einer Karzinomanämie, sondern mit einer perniziösen Anämie plus Karzinom zu tun (vgl. S. 150). Wegen Durchfälle, meteoristischer Beschwerden, Übelkeit usw. werden viele Fälle lange Zeit als einfache chronische Enterokolitiden aufgefaßt und danach behandelt, ehe das Grundleiden erkannt wird. Die hin und wieder bei perniziöser Anämie vorkommende leichte Albu- minurie und Zylindrurie haben bisweilen, besonders da, wo auch Ödeme vor- handen waren, zu der fälschlichen Annahme einer Nephritis und einer dadurch bedingten sekundären Anämie geführt. Die genaue Beachtung des ganzen klinischen Bildes und vor allem des Blutbildes dürfte leicht vor einem solchen Irrtum Benutzen können. Etwas schwieriger kann es mitunter sein eine Sepsis bzw. eine septische Endokarditis auszuschließen. Das Fieber, die Herzvergrößerung, die Herz- geräusche, die hämolytischen Erscheinungen können eine septische Affektion Diagnose und Differentialdiagnose. 215 vortäuschen. Die Leukopenie mit relativer Lymphozytose und der Blutkörper- chenmangel sprechen gegen Sepsis. Und wenn diese auch bisweilen eine deut- liche Anämie mit Zeichen einer Knochenmarksreizung hervorruft, führt sie doch nicht zu dem typischen megaloblastisch-megalozytischen Bilde. Bei alten Individuen begnügt man sich sicher oft mit Diagnosen wie Alters- schwäche, Arteriosklerose, Marasmus, ohne sich weiter in das Krankheitsbild zu vertiefen. Eine andere Gruppe von Krankheiten bilden diejenigen, welche der Diffe- rentialdiagnostik vielleicht in erster Linie durch gewisse, an die perniziöse Anämie erinnernde Züge ihres Blutbildes Schwierigkeiten bereiten können. Dies sind die Leukämien, die sog. Leukanämie, die Anaemia pseudoleucaemica infantum und die Knochenmarkskarzinose sowie gewissermaßen auch der hämolytische Ikterus. Bei den Leukämien kommen nicht selten reichlich große Erythrozyten vor. Wenn dazu noch der Färbeindex erhöht ist, kann man an eine perniziöse Anämie denken, dies namentlich in Fällen, wo die Zahl der weißen Blutkörperchen nicht gesteigert ist. Doch fällt eine nähere Analyse des weißen Blutbildes meistens den Ausschlag. Daneben spricht ein sehr reichliches Auftreten von Erythroblasten für Leukämie und gegen eine perniziöse Anämie. Ein bedeutender Milztumor und Lymphdrüsenhyperplasien sind Leukämiesymptome, und diese fehlen fast immer bei perniziöser Anämie. Ob überhaupt eine Krankheit existiert, die den Namen Leukanämie ver- dient, ist, wie wir früher (S. 157) gesehen haben, mehr als zweifelhaft. In dem Blutbild, das zur Aufstellung des Begriffes Leukanämie geführt hat, sind es vor allem die Megalozy tose und die Megaloblasten, sowie der gesteigerte Färbe- index, die zu der unrichtigen Diagnose einer perniziösen Anämie führen könnten. Die an die Leukämien erinnernde Komponente des Blutbildes dürfte in der Regel vor diesem Irrtum schützen. Von dem Blutbild bei der Anaemia pseudoleucaemica infantum gilt der Hauptsache nach das gleiche. Als Abweichung von der perniziösen Anämie verdient besonders vermerkt zu werden die erhöhte Zahl der weißen Blutkörper- chen, die große Menge Erythroblasten und eine wenigstens normale Anzahl Blutplättchen. Hierzu kommt, daß die Milz bei Anaemia pseudoleucaemica infantum bedeutend vergrößert zu sein pflegt. Schließlich sei hervorgehoben, daß die fragliche Krankheit in dem allerfrühesten Kindesalter vorkommt, wo eine perniziöse Anämie kaum jemals auftritt. Eine Knochenmarkskarzinose, die zu einem irgendwie an das Blutbild der perniziösen Anämie erinnernden Blutbefund geführt hätte, haben wir nie gesehen. Jedenfalls dürften solche Fälle zu den Seltenheiten gehören. Schon die all- gemeinen klinischen Symptome, ein nachweisbarer primärer Tumor, direkte Symptome der Knochenmarksmetastase, der progressive Verlauf, dürften in den meisten Fällen einer Verwechslung vorbeugen, und das Blutbild scheint, trotz Zeichen einer mehr oder weniger hochgradigen Alteration der Funktion des Knochenmarks, nie vollständig mit dem bei perniziöser Anämie überein- zustimmen. Der hämolytische Ikterus dagegen bietet vor allem in seiner allgemeinen klinischen Symptomatologie, aber auch in seinem Blutbild Züge, welche diagnostische Schwierigkeiten hervorrufen können. Fälle von Ikterus haemo- lyticus in der Familie sprechen für diese Krankheit. Der Ikterus ist gewöhn- lich stärker ausgeprägt als bei perniziöser Anämie; der Milztumor meist hoch- gradiger. Im Blut wird, trotz eines oft leicht erhöhten Färbeindex, die Megalo- zytose vermißt, ja das Volumen der roten Blutkörperchen ist in der Regel etwas vermindert. Vor allem aber ist bei hämolytischem Ikterus die osmotische 216 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Resistenz der roten Blutkörperchen fast immer in hohem Grade herabgesetzt, während sie bei perniziöser Anämie, wenigstens was die minimale Resistenz betrifft — und diese kommt ja hier in erster Linie in Betracht — , meist ziem- lieh normal und nur ausnahmsweise deutlich vermindert ist, aber auch da kaum in dem Grade wie bei hämolytischem Ikterus. Außerdem ist die Anämie, trotz stark hervortretender „hämolytischer" Symptome, im allgemeinen weniger hochgradig als bei perniziöser Anämie. Wir haben zuletzt die Schwierigkeiten behandelt, die seitens anderer Krank- heiten bei der Diagnosestellung auf perniziöse Anämie begegnen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß namentlich das Blutbild der Perniziosa manchmal infolge von Komplikationen weniger typisch erscheinen kann. Als solche können vor allem Blutungen und Infektionen genannt werden. Starke Blutungen sind allerdings bei der perniziösen Anämie selten, indessen sind Fälle beschrieben worden, wo solche zu einem Blutbild geführt haben, das stark an den bei Blutungsanämien gewöhnüchen sekundären anämischen Typus erinnert. Infektiöse Komplikationen hinwieder können eine Leukozytose auslösen, die sonst bei perniziöser Anämie nicht zur Sache gehört. Auch haben wir gesehen, daß das Blutbild, das früher typisch perniziös gewesen war, unter dem Einfluß eines Karzinoms seinen Charakter im Sinne des bei Karzinom gewöhnüchen hypochromen verändert hat (Weinberg). Wenn wir also auch beim Stellen unserer Diagnose bisweilen auf Schwierig- keiten stoßen können, dürfen wir doch an der Auffassung festhalten, daß die Diagnose einer perniziösen Anämie in der Regel leicht ist und daß sie in der großen Mehrzahl der Fälle mit großer Sicherheit gestellt werden kann. Wir verneinen hiermit nicht, daß eine sichere Diagnose ausnahmsweise allein auf Grund der klinischen Befunde unmöglich ist. In solchen Fällen ist es mitunter der Sektion vorbehalten, das letzte Wort zu sagen. Und auch in Fällen, wo ein begründeter Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose kaum geltend gemacht werden kann, haben wir in dem Sektionsbefund eine Stütze, deren Wert nicht unterschätzt werden darf. H. Prognose und Verlauf. Die Prognose gestaltet sich bekanntlich in den kryptogenetischen Fällen und bei der Bothriozephalus- Anämie ganz verschieden. Während die letztere in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nach der Wurmabtreibung in Genesung ausgeht, muß die kryptogenetische perniziöse Anämie bei den thera- peutischen Hilfsmitteln, die bisher zu Gebote gestanden haben, nach wie vor als eine unheilbare Krankheit betrachtet werden. Zwar hat die kryptogenetische Anämie verhältnismäßig selten einen schnell progredierenden Verlauf, zwar geht der erste Anfall gewöhnlich vorüber und macht einer zeitweiligen relativen Gesundheit Platz, aber nach einer oder mehreren Remissionen stellt sich schließ- lich eine Verschlechterung ein, die sich nicht einmal mehr durch die sachkundigste und sorgfältigste Behandlung aufhalten läßt. Die Zeit des Beginns der Krankheit festzustellen, ist ja fast unmöglich, und die Dauer der Krankheit im einzelnen Fall kann daher nicht genau bestimmt weiden. Sicher ist jedoch, daß sie in hohem Grade wechselt: von Wochen (?) oder Monaten bis auf viele Jahre. Die längste Dauer, die mit Sicherheit be- obachte worden ist, dürfte 13 Jahre betragen (Hirschfeld). Tallqvist er- wähnt einen Fall, wo die Patientin binnen 6 Jahren 9 mehr oder weniger heftige Anfälle hatte, worauf ein jetzt schon 7 Jahre dauerndes Wohlbefinden fojgte. In dein Fall, den ich im folgenden näher beschreibe, starb der Patient Prognose und Verlauf. 217 8V2 Jahre nach dem Auftreten der ersten sicheren Symptome, aber schon etwa 13 Jahre vor dem Tode hatte er eine Krankheit, die möglicherweise als ein erster Anfall seiner perniziösen Anämie gedeutet werden könnte. Malte hat einen Patienten verfolgt, der ca. 10 Jahre nach dem Beginn der Krankheit starb. Meist pflegt der Tod jedoch früher einzutreten, und zwar 1 bis 3 Jahre nachdem sich die ersten Symptome der Krankheit gezeigt haben. Auch die Zahl der Anfälle ist sehr wechselnd, von einem in den am akutesten verlaufenden Fällen oder in solchen, wo sich die Krankheit etwas in die Länge zieht, ohne daß eine nennenswerte Besserung eintritt, bis 5, 6 und sogar mehr. In den eben erwähnten Fällen Hirschfelds und Tallqvists wurden 9 Anfälle beobachtet. Leider ist es nicht möglich, in einem gegebenen Fall den Verlauf der Krankheit vorauszusagen. Schon bei dem ersten Anfall hat der Arzt allen Anlaß, sich mit einer gewissen Vorsicht zur Prognose der nächsten Zukunft zu äußern. Natürlich stellen sich die Aussichten für jeden neuen Anfall und für jedes Jahr, das seit dem Beginn der Krankheit vergangen ist, durchschnittlich ungünstiger. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß ein Patient, der bei einem früheren Anfall günstig auf Arsen reagiert hat, sich in einem späteren völlig unempfänglich für diese Behandlung zeigt. Indes kann man bisweilen eine fast entgegen- gesetzte Beobachtung machen; und insbesondere muß man bedenken, daß es Fälle gibt, in denen sich eine bei einem früheren Anfall erfolgreich angewandte Behandlungsmethode, z. B. Arsenmedikation, machtlos erwiesen hat, wo man aber mit einer anderen, z. B. Blutinjektionen, noch gute Resultate erzielen kann, und dies nicht nur für den Augenblick, sondern sogar auf Jahre hinaus. Aus dem momentanen Blutbefund und namentlich aus der Blutkörperchen- zahl und der Hämoglobinzahl weitgehendere Schlüsse auf die Prognose zu ziehen, ist im allgemeinen nicht tunlich. Wir haben zu wiederholten Malen Patienten mit einem ziemlich guten Allgemeinbefinden, einem recht hohen Hämoglobingehalt und einer nicht übermäßig niedrigen Zahl roter Blutkörperchen zur Behandlung kommen und die Krankheit trotzdem einen ungünstigen Ver- lauf nehmen sehen. Anderseits kennt man ja Fälle, wo eine weitgehende Besse- rung eingetreten ist, obwohl die Anämie zu Beginn der Behandlung die extremsten Grade erreicht hatte. Wir haben oben gesehen, daß eine lebhafte regenerative Tätigkeit des Knochenmarks ein günstiges Zeichen sein kann. Aber wir haben auch gesehen, daß dieses Zeichen nicht eindeutig ist. Es deutet allerdings auf bestehendes Reaktionsvermögen, aber es enthüllt uns nicht den Grad der deletären Ein- flüsse, die sich gleichzeitig geltend machen und die den reparativen Kräften überlegen sein können. Ist man in der Lage, den Zustand des Kranken während längerer Zeit zu verfolgen, so liefert ja der Verlauf oft eine Reihe Anhaltspunkte zur Beurteilung der Prognose. Eine kurz nach der Einleitung der Behandlung beginnende Verbesserung des Blutbildes ist natürlicherweise ein gutes Zeichen, wenn man auch nie weiß, wieweit die Verbesserung fortschreitet und wann ein Rückschlag eintreten mag. Anderseits ist eine trotz aller therapeutischen Bemühungen stetig andauernde Verschlechterung selbstverständlich geeignet den Fall in ein sehr ungünstiges Licht zu stellen. Aber auch hier muß man auf Über- raschungen vorbereitet sein. Ein in manchen Beziehungen instruktiver Fall sei hier in Kürze referiert : Ein 30jähriger Ingenieur litt während des Sommers 1910 an langsam zunehmender Müdigkeit, die nach ein paar Monaten ziemlich schnell verschwand. Im Herbst 1914 wurde bei ihm eine perniziöse Anämie diagnostiziert. Bei Arsenbehandlung bedeutende Besserung. Er fühlte sich gesund und war völlig arbeitsfähig bis zum Juni 1921, wo sich dyspeptische 218 O. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Beschwerden und Müdigkeit einstellten. Im November desselben Jahres konstatierte der Arzt 40% Hämoglobin und verschrieb Bettruhe und Arseninjektionen mit der Folge, daß Patient 7 Wochen später subjektiv gesund und mit einem Hämoglobingehalt von 80% seine Arbeit wieder aufnehmen konnte. Ende März begann er wieder müde zu werden und wurde am 8. April in unsere Klinik geschickt. Hier konnten wir die frühere Diagnose bestätigen. Patient erhielt vom 18. 4. — 18. 5. eine regelrechte Arseninjektionskur. Da sich sein Zustand nichtsdestoweniger ununterbrochen verschlechterte, wurden Ende Mai und Anfang Juni Versuche mit Elektroferrol-Injektionen ohne Resultat gemacht. Am 9. und 15. Juni subkutane Blutinjektionen. Da auch diese ergebnislos waren, wurde vor- läufig von jeglicher differenter Behandlung Abstand genommen. Während der zweiten Hälfte des Juli war der Zustand des Patienten derartig, daß wir jederzeit den Exitus er- warten zu dürfen glaubten. Indessen setzte um den 1. August, ohne daß Patient eine andere Behandlung als einzelne Koffeininjektionen erhielt, eine schnelle Verbesserung ein. Der Verlauf sei hier durch die fortlaufenden Blutuntersuchungen veranschaulicht: 10. 4. H. = 72 E. = 2 980 000 L. = 4 300 24. 4. H. = 62 E. = 2 448 000 L. = 3 200 5. 5. H. = 49 E. = 2 132 000 L. = 3 000 22. 5. H. = 43 E. = 1 948 000 L. = 4 600 8. 6. H. = 37 E. = 1 552 000 L. = 5 800 23. 6. H. = 22 E. = 1 006 000 L. = 4 300 10. 7. H. = 19 E. = 820 000 L. = 4 300 18. 7. H. = 18 E. = 786 000 L. = 3 500 26. 7. H. = 19 E. = 738 000 L. = 5 300 4. 8. H. = 38 E. = 1 708 000 L. = 6 100 11. 8. H. = 52 E. = 2 298 000 L. = 5 400 28. 8. H. = 57 E. = 2 564 000 L. = 4 600. Er erhielt vom 30. 8. — 10. 9. Sol. Fowleri in großen steigenden Dosen, 30 — 60 Tropfen täglich. 14. 9. H. = 61 E. = 2 792 000 L. = 3 400 30. 9. H. = 67 E. = 2 812 000 L. = 2 900. Erneuter Arsenstoß, 30—52 Tropfen Sol. Fowleri 3. 10.— 11. 10. 11. 10. H. = 74 E. = 2 976 000 L. = 3 300 22. 11. H. = 75 E. = 3 300 000 L. = 3 700. Er fühlte sich nun ziemlich wiederhergestellt und nahm seine Arbeit wieder auf. Gegen Neujahr verschlechterte sich jedoch sein Zustand wieder, und am 19. März erlag er seiner perniziösen Anämie, ohne daß sich eine Komplikation eingestellt hatte. Neben dem Blutbild tut man gut, auch andere Zeichen eines vermehrten bzw. verminderten Blutkörperchenzerfalls zu beachten. Ich denke vor allem an den Urobilingehalt des Harns. Ein andauernd hoher Urobilingehalt ist im allgemeinen ein ungünstiges Zeichen, wie eine Herabsetzung des Urobilin- gehalts bzw. Verschwinden des Urobilins aus dem Harn parallel mit einer Ver- besserung des Blutstatus als ein günstiges Symptom angesehen werden kann. Auf die Steigerung des Urobilingehalts, die bisweilen bei beginnender Verbesse- rung zu beobachten ist, habe ich im obigen hingewiesen. Natürlich gibt das Allgemeinbefinden der Kranken oft einen Fingerzeig über Veränderungen in einer oder der anderen Richtung. Mit Recht hat u. a. Naege li die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß eine Verbesserung des Appetits ein erstes Zeichen eintretender Remission sein kann. Schließlich verdient hier wiederholt zu werden, wie eine stärkere Dyspnoe eine unwillkommene Erschei- nung darstellt und eine ausgeprägte tiefe Atmung von der Art wie bei Koma diabeticum, die sich mitunter bei hochgradiger Anämie einstellt, als ein ,, Signum mali ominis" zu betrachten ist. Ganz anders gestaltet sich, wie gesagt, die Prognose bei der perniziösen Bot hr iozephalus - Anämie. Allerdings war sie, bevor man die Bedeutung des Parasiten und den Effekt der Wurmabtreibung kennen gelernt hatte, der Hauptsache nach ebenso schlecht wie bei der kryptogenetischen Form. Ja, man ha1 sogar den Eindruck, daß die Wurmanämien schneller verliefen und dal.» die Remissionen nicht so gewöhnlich waren. Seitdem aber die Wurmkur Prognose und Verlauf. 219 bei der Behandlung der Bot hriozephalus -Anämie konsequent zur Anwendung gekommen ist, ist die Prognose in den meisten Fällen eine günstige. Schauman faßt in seiner Monographie über die Bot hriozephalus -Anämie seine Beobachtungen über die Prognose ,,quoad vitam" folgendermaßen zusammen: „1. Die Prognose ist gut, wenn die Zahl der roten Blutkörperchen mehr als 1 Million beträgt. 2. Dieselbe wird sehr ernst, wenn die Blutkörperchenzahl unter 1 Million sinkt. 3. Gleichwohl wird sie nicht absolut ungünstig, auch wenn die Anzahl der Blutkörperchen bis auf ungefähr 1/2 Million herabgesetzt ist. 4. Ein kompüzierendes Organleiden scheint einen ungünstigen Einfluß auf den Ausgang auszuüben." Mit der Zeit sind die Todesfälle bei uns immer seltener geworden. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß die Kenntnis des Leidens infolge der regen Beschäftigung mit demselben an der hiesigen Universität Gemeingut der Ärzte geworden ist und sich auch im Publikum recht verbreitet hat und daß die Ärzte somit imstande sind, die Krankheit meistens zu erkennen, bevor die Anämie noch die extremsten Grade erreicht hat. Die Erfahrungen der letzten Zeit haben sonst nichts an den Sätzen Behau mans geändert. Die niedrigste Blutkörperchenzahl, die Schauman bei einem der Kranken, welche genasen, feststellen konnte, betrug 631000. Vor kurzem haben wir in unserer Klinik ein 13 jähriges Mädchen behandelt, das geheilt wurde, obwohl es bei der Aufnahme nicht mehr als 482 500 Erythrozyten im Kubikmillimeter hatte. Da die Bothriozephalus-Anämie einen ziemlich regelmäßigen Verlauf hat und die bei ihrer Entstehung und ihrem weiteren Verlauf wirksamen Kräfte, wenn auch keineswegs vollständig aufgeklärt, doch in einer wichtigen Hinsicht (Bothriozephalus) bis zu einem gewissen Grade bekannt sind, seien hier einige Ziffern eingerückt, welche geeignet sind, den Einfluß des Alters auf die Mortalität, sowie den Einfluß des Alters und der zu Beginn der Behandlung konstatierten Blutbeschaffenheit (Blutkörperchenzahl) auf den Verlauf der nicht letal aus- gehenden Fälle zu beleuchten. Die Sterblichkeit bei der Bothriozephalus-Anämie in verschiedenen Altersklassen. A1. . Unter 20—29 30—39 40—49 50—59 60 Jahre e„mmo Alter 20 Jahren Jahre Jahre Jahre Jahre und darüber öumme Anzahl Kranke 52 94 74 67 54 29 370 Anzahl Todesfälle 4 6 9 11 8 9 47 Sterblichkeitsprozent 7,7 6,4 12,2 16,4 14,8 31,0 12,7 6,8 "~1~M~" lu^T Eine vollständig übereinstimmende Tabelle über die Sterblichkeit bei krypto- genetischer perniziöser Anämie läßt sich natürlich nicht beibringen. Alle, die an diesem Leiden erkranken, sterben ja früher oder später. Die folgende Tabelle zeigt jedoch, wieviele Patienten in den verschiedenen Altersgruppen im Kranken- haus gestorben sind. Die Sterblichkeit bei der kryptogenetischen perniziösen Anämie in den verschiedenen Altersgruppen während des Krankenhausaufenthalts. Alt„r Unter 20—29 30—39 40—49 50—59 60 Jahre o11TyirT10 20 Jahren Jahre Jahre Jahre Jahre und darüber öumme Anzahl Kranke 6 28 45 49 47 40 215 Anzahl Todesfälle 5 10 24 17 23 21 100 Sterblichkeitsprozent 83,3 35,7 53,4 34,7 48,9 52,5 46,5 Auffallend ist in der ersten Tabelle (Bothriozephalus -Anämien), daß die Sterblichkeit mit zunehmendem Alter steigt, so daß sie bis 30 Jahre ca. 7°/0 220 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. beträgt, zwischen 30 und 60 ohne größere Variationen ungefähr doppelt so hoch ist, um sich in der obersten Altersgruppe wieder auf 30°/o zu verdoppeln. Eine entsprechende Verschlechterung der Prognose mit steigendem Alter können wir für die kryptogenetische Anämie nicht aus der zweiten Tabelle heraus- lesen. Bemerkenswert ist vielmehr, daß die Sterblichkeit in der ersten Alters- gruppe sich mit all dem Vorbehalt, der durch die kleinen Zahlen geboten erscheint, besonders hoch stellt. Wie die zunehmende Sterblichkeit bei steigendem Alter bei der Bothrio- zephalus -Anämie zu erklären ist, läßt sich schwer sagen. Wenn, wie wir früher angedeutet haben, die Disposition für die perniziöse Anämie mit dem Alter zunimmt, könnte man sich vielleicht denken, daß die Widerstandskraft gegen- über der einmal ausgebrochenen Krankheit um so geringer sei, je älter die betreffende Person ist. Aber auch ein anderer Erklärungsmodus wäre denkbar. Wenn die Bot hriozephalus -Anämie und die kryptogenetische Anämie, wie wir mit guten Gründen vermuten dürfen, letzten Endes dieselbe Krankheit sind, mag auch das auslösende Moment für die beiden Formen nicht das gleiche sein, so könnte man vielleicht mit der Möglichkeit rechnen, daß einerseits der Einfluß des Bothriocephalus latus auf den Verlauf der Krankheit in den höheren Altersklassen nicht so stark hervorträte wie in den niederen, daß sich aber anderseits die, wenn man so sagen darf, kryptogenetischen Komponenten oder vielleicht richtiger die für beide Formen gemeinsamen Momente bei höherem Alter immer mehr geltend machen würden. Eine Möglichkeit, die in diesem Zusammenhang noch berührt sei, ist die, daß manche der Fälle Von Bothrio- zephalus -Anämie, die zum Tode geführt haben, in Wirklichkeit Fälle krypto- genetischer perniziöser Anämie gewesen sind, die zufällig mit einer Bothrio- zephalusinfektion kompliziert waren. Wäre dies tatsächlich der Fall, was sich jedoch kaum beweisen läßt und, nebenbei bemerkt, nicht besonders wahr- scheinlich erscheint, und beachtet man außerdem das Faktum, daß die Bothrio- zephalus -Anämie, wie wir gefunden haben, durchschnittlich bei etwas jüngeren Jahren als die kryptogenetische Anämie auftritt, so könnte man sich vielleicht versucht fühlen zu vermuten, daß die größere Sterblichkeit an Bothriozephalus - Anämie bei älteren Individuen darauf beruhe, daß man bei diesen häufiger als bei jüngeren auf Fälle stößt, wo der Bothriozephalus nur eine zufällige Komplikation ohne eingreifende Bedeutung für die Entstehung und den Ver- lauf der Krankheit wäre. Über diese ziemlich flüchtig hingeworfenen Vermutun- gen kommt man schwerlich hinaus. Zur Beleuchtung des Einflusses des Alters und der zu Beginn der Behand- lung herrschenden Blutbeschaffenheit auf den Verlauf in den nicht letal endenden Fällen von Bothriozephalus -Anämie seien folgende Ziffern angeführt: Bothriozephalus- Anämie. Alter Unter 20—29 30—39 40—49 50—59 60 Jahre 20 Jahren Jahre Jahre Jahre Jahre und darüber Zahl der behandelten Fälle 21 32 19 17 13 5 Dauer der Behandlung, Tage 40,3 46,7 43,9 48,8 44,9 50,7 Blutkörperchen zu Be- ginn der Behandlung 1 622 000 1519 000 1 427 000 1 445 000 1 548 000 1 799 000 Blut kärperchenzah] bei Abschluß d. Behand- lung 3 826 000 3 826 000 3 537 000 3 843 000 3 586 000 3 435 000 Differenz 2 204 000 2 463 000 2 110 000 2 394 000 2 038 000 1636 000 Mit 1<-1 der pro Tag \n-- bildeten roten Blut- körperchen .... 54700 52700 48000 49100 45400 32300 Behandlung. 221 Bothriozephalus- Anämie. Intensitätsgrad der Anämie zu Unter 1 Mill. 1 — l1/« Mill. Über IVj Mill. Beginn der Behandlung r. Blutkörperchen r. Blutkörperchen r. Blutkörperchen Zahl der behandelten Fälle . 17 46 43 Mittel der pro Tag gebildeten roten Blutkörperchen . . 55 900 55 300 51 800 Diese Zahlen zeigen, daß die Regenerationsgeschwindigkeit mit steigendem Alter der Kranken sinkt. Die von Schauman in seiner Monographie über die Bothriozephalus- Anämie mitgeteilten Zahlen scheinen an- zudeuten , daß die Regenerationsgeschwindigkeit größer ist in Fällen , wo die Anämie anfangs hochgradig war, als in den anderen Fällen. Wenn die oben angeführten Zahlen auch auf ein ähnliches Verhalten hinweisen, sind die Unter- schiede doch zu gering, um irgendwelche Schlüsse zu gestatten. In betreff der beiden letzten Tabellen muß hervorgehoben werden, daß das Material, auf welches sie sich beziehen, keineswegs gleichförmig ist und daß störende Neben- einflüsse auf das Resultat nicht ausgeschlossen werden können. Auf die kryptogenetische perniziöse Anämie können die zuletzt geschilderten Beobachtungen nicht ohne weiteres angewandt werden. Bei dieser Krank- heitsform mit ihrem unregelmäßigen Verlauf sind die Verhältnisse übrigens zu wechselnd und kompliziert, um mit dem Material, das uns Vorderhand zur Verfügung steht, eine entsprechende statistische Untersuchung zu erlauben. Wenn eine Bothriozephalus- Anämie geheilt ist und einer normalen Blut- beschaffenheit und im übrigen einer wenigstens anscheinend vollständigen Gesundung Platz gemacht hat, ist damit durchaus nicht gesagt, daß die betref- fenden Individuen nach der Genesung völlig Gesunden gleichgestellt werden könnten. Im Gegenteil scheint dies nicht der Fall zu sein. Wir haben gesehen, daß eine wenn auch geringe Anzahl Von ihnen später ohne Bothriozephalus einer perniziösen Anämie erliegt (vgl. S. 115), und durch Schaumans Nach- untersuchungen hat sich erwiesen, daß sie nicht ganz selten einer Tuberkulose anheimfallen. Überhaupt scheint die Sterblichkeit unter ihnen größer zu sein, als sie nach der allgemeinen Mortalitätsstatistik bei Personen entsprechenden Alters ist. Ob wir es hier mit den Folgen der Anämie zu tun haben oder ob wir darin eher die Äußerung einer von Haus aus bestehenden Minderwertigkeit sehen dürfen, läßt sich nicht mit Bestimmtheit nachweisen. J. Behandlung. Oben ist schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, daß Heilung gegenwärtig nur in Fällen möglich ist, wo man die auslösende Ursache kennt und ihre Beseitigung rechtzeitig erzielen kann. In allen übrigen Fällen sind wir darauf angewiesen, uns mit einer vorübergehenden Besserung zu begnügen und auf neue Anfälle des Leidens gefaßt zu sein. Das sind so ungefähr die Grenzen unseres heutigen Könnens. Innerhalb dieser Grenzen aber vermögen wir manches zugunsten unserer Patienten zu tun. Kausale Behandlung. Das Hauptgebiet der Kausaltherapie ist die Bothriozephalus -Anämie. Die Abtreibung des Parasiten muß hier der Aus- gangspunkt jeder Behandlung sein. Die Tatsache, daß eine Bothriozephalus - Anämie ausnahmsweise ohne Abtreibung des Wurms und ohne andere thera- peutische Maßregeln als Ruhe in Heilung ausgehen kann (Vgl. S. 126), recht- fertigt nicht ein passives Verhalten. Daß mancher angesichts stark angegriffener Patienten mit extremer Anämie vor der Abtreibungskur einen Augenblick zurückschrickt, ist erklärlich. Diese Kur ist ja für einen schwachen Patienten 222 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. keine Kleinigkeit, und nicht selten kann man im unmittelbaren Anschluß an die Kur ein Sinken des Hämoglobingehalts und der Blutkörperchenzahl beobachten. Aber eben in den schweren Fällen ist rasches Zugreifen vonnöten, denn es gilt hier die letzte Möglichkeit der Rettung nicht zu versäumen. Zudem wissen wir, daß Besserung und Heilung nach Abtreibung des Parasiten auch in sehr vorgeschrittenen Fällen noch möglich ist. Das leitende Prinzip ist also unbedingt: in jedem Fall unmittelbares Einleiten der Abtreibungskur. Als Abtreibungsmittel bedienen wir uns vorzugsweise des Extr. Filicis in keratinierten Kapseln von 0,5 und kommen in der Regel mit 3 g zum Ziele. Das Mittel wird morgens auf nüchternen Magen verabreicht, nachdem der Patient in Fällen harten Magens abends vorher ein leichtes Abführungsmittel erhalten hat. Drei Stunden später folgt ein Glas Bitterwasser und, falls sich kein wiederholter loser Stuhlgang einstellt, nach weiteren 2 Stunden noch 1/2 — 1 Glas. Das Bitterwasser kann durch Rizinusöl oder durch Decoct. sennae comp., 1 Eßlöffel stündlich bis zur Wirkung, ersetzt werden. Eine Schwierigkeit, mit der man nicht selten besonders in schweren Fällen zu kämpfen hat, ist die Neigung der Patienten, das Wurmmittel zu erbrechen (auch unabhängig von diesem kommt ja Übelkeit und Erbrechen vor). Völliges Stilliegen und größtmögliche geistige Ruhe sind unter solchen Umständen notwendig. Ein kaltes, säuerliches Getränk, in kleinen Schlucken genossen, oder ein Stückchen Eis zum Saugen können von Nutzen sein, ebenso ein Eis- beutel im Epigastrium. Manchmal kann eine Morphium- Atropin- oder Morphium- Skopolamin-Injektion in Frage kommen. Schließlich darf der Arzt nicht Ver- gessen, daß er dem Patienten oft durch bloße Suggestion über den schwierigen Punkt hinweghelfen kann. Die erfolgreiche Kur führt meistens zu einer oder mehreren Abführungen mit Abgang des Wurmes in bedeutenden Mengen bis zu 10, 20 bis 50 Meter oder in kleineren Stücken bzw. in der Form von einzelnen Proglottiden. Manch- mal freilich kommt der Wurm trotz mehrerer losen Entleerungen nicht zum Vorschein, und ein Einlauf wird nötig, um ihn aus der Rektalampulle heraus- zuholen. Aber nicht selten trifft es ein, daß auch diese Maßregel ohne Erfolg bleibt, obgleich vorher in den Entleerungen deutliche Wurmeier wahrnehmbar waren. Manchmal zeigen sich in derartigen Fällen nach der Kur trotz lange fortgesetzter Beobachtung keine Wurmeier mehr in den Fäzes, und der Patient erholt sich regelrecht; der Wurm ist in aufgelöstem Zustande abgegangen. In anderen ähnlichen Fällen wiederum werden Wurmeier auch nach der Kur vorgefunden, was übrigens auch nach Kuren vorkommt, bei denen ein reich- licher Wurmabgang stattgefunden hat. Dies beweist nicht immer, daß lebens- fähige Parasiten im Darm zurückgeblieben sind, denn zuweilen verschwinden die Eier nach einigen Tagen endgültig ohne ein Dazwischentreten ärztlicher Maßnahmen. Ist das nicht der Fall, so ist natürlich eine erneute Abtreibungskur angezeigt. Wenn sich der Zustand des Kranken indessen mittlerweile verbessert hat, was wir unter solchen Umständen mehrmals beobachten konnten, so kann diese aufgeschoben werden. Bisweilen verschwinden unmittelbar nach der Kur die Parasiteneier aus den Entleerungen, um nach einiger Zeit wieder aufzutreten, ohne daß Anlaß vorhanden wäre, eine Reinfektion zu vermuten, und bleiben erst nach einer zweiten Kur aus. Im Einblick auf das Gesagte wollen wir die Bedeutung einer genauen Kon- trolle der Entleerungen im Laufe einer geraumen Zeit nach der Wurmkur ganz besonders betonen. Nach erfolgreicher Abtreibungskur sind viele unserer Patienten ohne andere Hilfsmittel als Kühe und gute abwechselnde Kost schnell genesen. Ähnliche Erfahrungen Bind von allen anderen gemacht worden, die Gelegenheit hatten, Kausale Behandlung. 223 eine größere Anzahl Fälle von Bothriozephalus-Anämie zu beobachten. Bis- weilen findet man sich jedoch veranlaßt, gleich von Anfang an oder bei Ver- zögerter Regeneration Arsenbehandlung einzuleiten. Binnen 6 — 8 Wochen sind die Kranken in der Regel so ziemlich hergestellt. Oben ist schon von den immer seltener werdenden Todesfällen die Rede gewesen. Bei uns in Finnland, wo der Bothriocephalus latus ein so außerordentlich verbreiteter Parasit ist und wo die Fälle von Bothriozephalus-Anämie einen bedeutenden Teil sämtlicher Perniziosafälle bilden, ist man oft vor die Frage gestellt, ob in Fällen perniziöser Anämie, wo der Kranke im Stuhl nie Band- wurm beobachtet hat und wo keine Parasiteneier in den Fäzes zu finden sind, denn doch eine Abtreibungskur zu versuchen wäre? Solche Versuche sind bei uns einigemal gemacht worden, allein ohne daß je ein Wurm zum Vorschein gekommen wäre. Ebensowenig haben wir in den Gedärmen an perniziöser Anämie Gestorbener, bei denen in den Entleerungen keine Eier vorkamen und die wir deswegen keiner Abtreibungskur unterworfen hatten, bei der Sektion Bothriocephalus latus vorgefunden. Wir halten es daher nicht für notwendig, ein Vermifugum in Fällen vorzuschreiben, in denen weder die Anamnese noch das Resultat der objektiven Untersuchung auf das Vorhandensein des Parasiten hindeuten. Aber die Fäzesuntersuchung muß eben mit größter Sorgfalt aus- geführt werden. Bei negativem Befund muß sie unbedingt wiederholt und das Auffinden der Eier durch Anreicherung (Zentrifugieren einer Fäzesaufschwem- mung in Wasser oder in Antiformin und Äther) erleichtert werden. In den seltenen Fällen, wo man bei Perniziosa-Kranken Taenia oder Askaris findet, ist die Abtreibung der Parasiten vorzunehmen. Die antiluetische Behandlung der perniziösen Anämie bei Luetikern hat keine großen Erfolge gezeitigt. Der oben (S. 139) erwähnte Fall Von Naegeli dürfte der einzige sein, wo man bestimmt behaupten kann, eine perniziöse Anämie sei nach antiluetischer Behandlung geheilt. Über die palliative Wirkung lauten die Berichte Verschieden. Schau man hat von der antiluetischen Behandlung nie Nutzen gesehen. Tritt perniziöse Anämie im Laufe der Gravidität auf, so stellt sich die Frage, ob die Schwangerschaft zu unterbrechen sei. Die Antworten fallen Verschieden aus. Lazarus verhält sich gegen jeglichen Eingriff schroff abweisend, wogegen Türk, vielleicht vorwiegend aus theoretischen Gründen, zu aktivem Einschreiten geneigt zu sein scheint. Pappenheim befürwortet kategorisch die Einleitung des Aborts oder der Frühgeburt. Eigene Erfahrungen stehen uns nicht zur Verfügung. Im übrigen sei in der Frage über Lues und Gravidität auf das Kapitel von den „auslösenden Teilfaktoren" hingewiesen. Es erübrigt noch einige Behandlungsmethoden zu erwähnen, die in Anbetracht des leitenden Gesichtspunktes, dem sie entsprungen sind und der für die Urheber maßgebend war, den kausalen Methoden zuzurechnen sind. Seit der Mitte der 90 er Jahre haben zahlreiche Forscher Versuche mit Knochen markspräparaten unternommen. Die Urteile lauten sehr ver- schieden. Das Mittel ist nicht zu größerer Anwendung gelangt. In den Ver- hältnismäßig wenigen Fällen, wo wir Knochenmark in Substanz verabreichten, sahen wir keine deutliche Wirkung. Auch mit Milzpräparaten (Lienin) sind (auch bei uns) Versuche gemacht worden, aber ohne Erfolg. Größere Beachtung ist der Milzexstirpation als Mittel zur Hebung der perniziösen Anämie zuteil geworden. Eppinger, der sich vor anderen für die Splenektomie ausgesprochen hat, faßt seine Eindrücke aus 18 Fällen perniziöser Anämie folgendermaßen zu- 224 0. Schauman und F. Saltzraan: Die perniziöse Anämie. sammen: „Die Splenektomie ist sicherlich geeignet, die bedrohlichen Erschei- nungen der perniziösen Anämie außerordentlich günstig zu beeinflussen. Kurze Zeit nach der Operation fühlen sich die Patienten viel wohler. Die Leute be- kommen wieder Appetit, das Schwindelgefühl nimmt ab, das subikterische Kolorit schwindet binnen kürzester Zeit. Die vorher bestandene Urobilinurie hört auf, und auch das Blutbild ändert sich rasch in günstigem Sinne, d. h. die Erythrozytenzahl nimmt zu, desgleichen der Hämoglobin wert. . . . Diese Besse- rung kann manchmal so weit gehen, daß das Blutbild fast zur Norm zurückkehrt." Die vorläufig noch zu kurze Beobachtungszeit erlaubt kein abschließendes Urteil über die Resultate. Ich entnehme aber Eppingers Arbeit folgende Tabelle: Davon starben an Es leben noch Es überlebten die Operation Anämie Kompli- kationen Wohl- befinden Anämisch Länger als 4 Jahre „ „ 3 „ „ „ 2 „ „ ,, 1 Jahr „ „Vi „ „ 4 Tage 2 1 5 8 0 2 1 1 2 2 1 1 2 2 3 1 2 18 6 4 5 3 Man kann also jedenfalls, meint Eppinger, sagen, „daß die Splenektomie in den angeführten 18 Fällen von typischer perniziöser Anämie relativ gute Resultate zeitigte und daß man in jenen Fällen, wo es durch andere Medikamente nicht gelingt, Besserung zu erzielen, öfter zur Splenektomie raten sollte, um so mehr, als die Operation meist leicht und ohne allgemeine Narkose durch- geführt werden kann. Auf jeden Fall will es aber ratsam sein, den Erfolg der Splenektomie bei perniziöser Anämie nur dem einer Remission des Krankheits- prozesses gleichzustellen. Von einer völligen Heilung der perniziösen Anämie wird man wohl nie sprechen können." Auch andere Autoren (v. Decastello, Klemperer und Hirschfeld, Schneider, Robertson, Huber, Türk, Neisse u. a.) berichten über Milz- exstirpationen bei der perniziösen Anämie. In manchen Fällen haben sie eine deutliche Verbesserung gesehen, aber nicht selten auch ein Versagen der Be- handlung erlebt. Mancher verhält sich daher der ganzen Operation gegenüber recht skeptisch und teilt vielleicht die Auffassung, die nach einer Mitteilung von Brugsch in der IL medizinischen Universitätsklinik zu Berlin herrscht, daß nämlich die evtl. Wirkung „mit einer so schweren Operation zu teuer er- kauft ist". Unsere hiesigen Erfahrungen sind nicht sehr ermunternd, aber auch zu spärlich, um eine bestimmte Stellungnahme zu erlauben. Der wechselvolle Verlauf der perniziösen Anämie mit den oft ohne jegliche Behandlung un- erwartet einsetzenden Besserungen (vgl. den S. 217 erwähnten Fall) erschwert übrigens — was nicht zu oft betont werden kann — in hohem Grade die Be- urteilung der Wirkungen aller therapeutischen Maßnahmen. Hinsichtlich der speziellen Indikationen zur Splenektomie sei schließlich erwähnt, daß aller Wahrscheinlichkeit nach nicht alle Fälle perniziöser Anämie in derselben Weise auf die Operation reagieren. Will man sich überhaupt auf die Operation einlassen, so kommen in erster Reihe jene Fälle in Betracht, in denen einerseits Gründe für die Annahme einer gesteigerten Hämolyse (be- deutende Urobilinurie and hohe Farbstoffwerte in der Galle bzw. im Stuhl) bestehen und anderseits die Milz deutlich vergrößert ist (Eppinger). Hygienisch-diätetische Behandlung. 225 Von der Ölsäuretheorie ausgehend, hat Vet lesen die Behandlung mit Glyzerin, Morgenroth und Reicher die mit Cholesterin empfohlen. Die theoretische Begründung dieser Methoden ist nunmehr als irrtümlich zu be- trachten; Nachprüfungen ergaben im wesentlichen ein negatives Resultat. Versuche, die Krankheit durch Einspritzung hämolytischer Sera und durch Antitoxinbehandlung zu beeinflussen, haben meines Wissens keine größeren Erfolge gezeitigt. Die Theorie, nach der der perniziösen Anämie eine enterogene Intoxikation zugrunde liegt, spiegelt sich in einer Menge therapeutischer Versuche ab. Da die Resultate dieser Versuche oft in der Diskussion über die Ursache unserer Krankheit herangezogen worden sind, haben wir schon vorhin mehrmals Gelegenheit gehabt, die hier in Frage stehenden Behandlungsmethoden zu berühren und können uns hier verhältnismäßig kurz fassen. Jürgensens Mitteilung von einer raschen Besserung in einem schweren Fall kryptogenetischer perniziöser Anämie nach gründlicher Reinigung des Darmes mit Extr. filicis und Abführungsmittel, diejenige Dieballas über die Wirkung einer „Desinfektion" des Darmes mit Solol und Sandoz' Bericht über längere Zeit hindurch fortgesetzte Magenspülungen haben bloß historisches Interesse. Grawitz bedient sich, wie bekannt, methodisch täglicher Magen- spülungen und hoher Darmspülungen nebst „intensiver Säuberung" der Mundhöhle mit genauen diätetischen Vorschriften. Als Normalmethode für die Behandlung unserer Krankheit ist sie von so erfahrenen Klinikern wie Naegeli, Türk, Cabot, Erich Meyer (Friedrich Müllers Klinik), Lazarus und Morawitz einstimmig zurückgewiesen worden. Hiermit sei der Wert der Darmspülungen besonders bei anhaltenden Diarrhöen oder der Gebrauch von Abführungsmitteln bei Obstipation keineswegs unterschätzt oder ver- kannt. Kausale Behandlung steht hier aber nicht in Frage. Ob Seyderhelms neueste Untersuchungen und seine Beobachtungen in Fällen, wo er das Anlegen eines Anus praeternaturalis nebst Ausschaltung und Spülungen des Kolons veranlaßte, unsere Therapie in namhaftem Grade beeinflussen werden, läßt sich vorläufig nicht sicher beurteilen. Doch liegen schon Mitteilungen vor, die zu einer gewissen Skepsis auffordern (Morawitz, Seeland). Hygienisch-diätetische Behandlung. Schon anläßlich der Behand- lung der Bothriozephalus-Anämie wurde die Notwendigkeit der Ruhe und einer nahrhaften Diät berührt. Diese Faktoren machen sich selbstverständlich noch mehr geltend in Fällen perniziöser Anämie, wo Von einer eigentlichen Kausal- behandlung nicht die Rede sein kann. Abgesehen von möglicher kausaler Therapie muß also als Hauptregel gelten, daß die Patienten, solange der anämi- sche Zustand sich nicht wesentlich verbessert hat, das Bett hüten, sich jeglicher Beschäftigung enthalten und durch keine Aufregungen psychischer Art gestört werden. Genau den Zeitpunkt anzugeben, wann zu einem freieren Regime übergegangen werden kann, ist kaum möglich ; hierin muß eben der individuali- sierenden Behandlung ein weiter Spielraum zugestanden werden. In geeignetem Klima und bei günstiger Witterung können die Kranken mit Vorteil am Tage draußen liegen. Nur unter genauer Kontrolle des Zustandes kann nach und nach größere Bewegungsfreiheit gestattet werden; aber auch während der Remissionen muß der Arzt zusehen, daß der Patient sich genügende Ruhe gönnt. Nur zu häufig kommen nämlich plötzliche und bedeutende Rückschläge im Anschluß an körperliche oder geistige Anstrengungen vor. Die Diät suchen wir nach Möglichkeit dem Geschmack der Patienten anzu- passen. Allgemeine, oft mit verschiedenen wirklichen oder eingebildeten Idio- synkrasien kombinierte Anorexie beansprucht individuelle Rücksichtnahme. Blutkrankheiten. II. 15 226 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Das leitende Prinzip ist : leicht Verdauliche, abwechselnde, gemischte, auf häufige Mahlzeiten verteilte Kost. In bezug auf spezielle Diätformen, wie sie von verschiedenen Seiten befürwortet werden — als lakto-Vegetabilische oder überwiegend fleischreiche Diät — , haben wir keine Erfahrungen anzuführen, wenn wir auch manchmal in Fällen, wo sich ausgesprochener Widerwille gegen Fleisch geltend machte, uns veranlaßt fanden, zeitweise Fleisch aus der Diät auszuschalten. Mit fortschreitender Besserung geht man zu gewöhnlicher Kost über. Die oft vorkommenden Magen- und Darmstörungen beanspruchen öfters diätetische Maßnahmen, wobei die meistens vorhandene Achylie nicht außer acht zu lassen ist. Ein vielfach empfohlenes Mittel ist die Kefirmilch oder das Laktobäzillin. Mancherorts scheint es prinzipiell so gut wie durch- gehend angewandt zu werden. In leichteren Fällen und während der Remissionen kann es mitunter angezeigt sein, den Patienten einen Aufenthalt in mäßigem Höhenklima mit milder und gleichmäßiger Temperatur zu empfehlen. Einen Aufenthalt im Hochgebirge sollte man nur mit Vorsicht anraten, und ein Aufenthalt an der See oder in heißem Klima scheint von den meisten Patienten nicht gut vertragen zu werden. Medikamentöse Behandlung. In erster Reihe steht hier unbedingt das Arsenik. Abgesehen von den Abtreibungsmitteln bei Bothriozephalus- Anämie ist das Arsenik unsere wertvollste Waffe im Kampfe gegen die perniziöse Anämie. Es wurde auf diesem Gebiet von Byrom - Bramwell 1877 eingeführt und ist seitdem in Gebrauch. Heilung läßt sich freilich mit Hilfe des Arseniks nicht erzielen, aber sehr oft und besonders bei den ersten Anfällen eine bedeutende und bisweilen lange bestehende Besserung. Den Wert der Arsenbehandlung zahlenmäßig festzustellen, ist nicht gut möglich, da während einer Arsenkur auch spontane, von der Medikation unabhängige Remissionen eintreten können. Doch dürfte die Besserung, die man so oft im Anschluß an eine Arsenkur beobachtet, kaum in allen oder auch nur in den meisten Fällen als ein okkasionelles Zusammentreffen zu deuten sein. Ein Vergleich der Behandlungsresultate vor und nach der Einführung der Arsenbehandlung scheint auch bestimmt für den günstigen Einfluß des Arsens auf die Krankheit zu sprechen. Im all- gemeinen herrscht die Ansicht, daß die Wirkung des Arsens auf eine Anregung der Erythropoese zurückzuführen sei. Bewiesen ist diese Annahme jedoch nicht . Das Mittel wird entweder per os oder subkutan verabreicht. Wir pflegen oft mit dem ersteren zu beginnen und gehen zu subkutanen Injektionen über, wenn der Patient das Medikament per os nicht verträgt. Leider machen sich die Nebenwirkungen des Arseniks auch bei subkutanem Gebrauch häufig fühlbar. Per os geben wir das Mittel meist in der Form von Sol. Fowleri in langsam steigender Dosis, 3 — 10 Tropfen dreimal täglich (natürlich nach dem Essen); man fährt mit der höchsten Dosis ein paar oder mehrere Wochen fort und schließt die Kur langsam vermindernd ab. Um ein exaktes Abmessen zu erleichtern, wurde die Lösung mit 1 oder 2 Teilen Aqua amygdalarum oder Aqua menthae piperitae verdünnt. Naegeli befürwortet warm das Arsazetin. Es ist seit 12 Jahren sein Haupt- arsenpräparat, und er gibt es 0,05 3 — 4 mal täglich per os. Oft wird das Arsen auch in Form Von Pillen verordnet. In letzter Zeit haben wir bei schwereren Rezidiven Neissers Methode Versuchl : Arid, arsenicosum in Pillen in großer, rasch steigender Dosis, 20, 40, 60, 80, 100, 120 mg täglich, bis der Hämoglobingehalt zuzunehmen beginnt; dann sofortiges Absetzen des Medikaments; fortgesetzte Kontrolle des Hämo- globingehattfl and, falls dieser nicht weiter steigt oder gar eine Neigung zum Medikamentöse Behandlung. 227 Sinken zeigt, erneuter kurzer, aber kräftiger Arsenstoß. Vorläufig wäre es unserseits übereilt, ein Urteil über die Methode zu fällen, jedenfalls haben wir in einigen schweren Rezidivfällen recht günstige Resultate beobachtet, obwohl die Behandlung in einem Falle versagte. Einen direkt ungünstigen Einfluß haben wir im Gegensatz zu Stühmer und Klemperer nicht bemerken können. Streibel berichtet über 7 Fälle, von denen 6 keinerlei Beeinflussung der Hämo- globinkurve durch den Arsenstoß zeigten. Ein Moment, auf das Neisser besonderes Gewicht legt, ist dauernde prophy- laktische Nachbehandlung, wo möglich unter Hb -Kontrolle. Ganz abgesehen von der Form, in der wir das Arsenik verabreichen, liegt Grund genug vor, den Zustand der Patienten auch während der Remission einer genauen Kontrolle zu unterwerfen, um beim ersten Zeichen einer Ver- schlimmerung und nicht erst, wenn diese weit vorgeschritten ist, mit der Behandlung wieder einzusetzen. Bei subkutaner Injektion haben wir uns zweier verschiedener Lösungen bedient: 1. 1 g Acid. arsenicosum wird unter 1 stündigem Kochen in Aq. dest. gelöst, darauf Zusatz von Aq. dest. bis 100,0 und von 5 ccm Phenol in 1/2°/oiger Lösung. Man beginnt mit 0,1 bis 0,3 ccm täglich und steigert die Dosis jeden oder jeden zweiten Tag um 0,1 ccm, bis man 1 oder in hartnäckigen Fällen 1,5 ccm erreicht. 2. 1 g Acid. arsenicosum wird unter Kochen in 5 ccm normaler Natronlauge gelöst, darauf Zusatz destillierten Wassers bis 100 ccm und nach Filtrierung Zusatz von Acid. hydrochloric. bis zu normaler Reaktion. Dosierung ähnlich wie in der erstbeschriebenen Lösung. Einen irgendwie auffallenden Unterschied in der Wirkung der beiden Lösungen haben wir nicht beobachtet. Naegeli befürwortet die erste, Tallqvist die zweite. Auch das Arsazetin wird parenteral verabfolgt (Lazarus, Morawitz). Erwähnt sei, daß Naegeli gewöhnüch gleichzeitig zwei Arsenpräparate gibt, meist zuerst Injektionen von Acid. arsenicosum und Arsazetin innerlich. „Später", sagt er, „wechsle ich ab und verordne Fowler, Elarson, Solarson". Das Salvarsan hat sich nicht als sonderlich anwendbar erwiesen. Kakodyl- präparate werden im Vergleich mit den oben angeführten Arsenpräparaten ein- stimmig als weniger wirksam angesehen. Vom Gebrauch des Atoxyls ist abzuraten. Gewisse arsenhaltige Quellen, wie Levico und die Türkheimer Max- quelle, können vielleicht manchmal, vorzugsweise während der Remissionen, in Frage kommen. Viel darf man sich jedoch nicht von ihrem Gebrauch ver- sprechen, da ihre Wirkung nicht annähernd derjenigen der vorher beschriebenen Arsenpräparate gleichkommt. Ist doch der Arsengehalt dieser Wasser ein sehr bescheidener. Im Vergleich mit Arsenik spielen alle übrigen auf eine direkte Beeinflussung der Anämie abgesehenen Medikamente eine durchaus untergeordnete Rolle und sind meist lediglich von historischem Interesse. Dies gilt auch von dem Eisen, wenigstens in den früher gebräuchlichen Formen. Neulich schien die Frage vom Eisen als Mittel gegen perniziöse Anämie wieder aufzuleben. Heintz schlug nämlich intravenöse Injektionen kolloidalen Eisens, des sog. Elektro- ferrols, vor. Es kamen in der Literatur eine Anzahl günstiger, aber auch manche recht zurückhaltende Urteile vor. Wir versuchten das Mittel in ein paar schweren Rezidivfällen ohne befriedigenden Erfolg. Neben der direkten Anämiebehandlung verdienen noch einige Heilmittel erwähnt zu werden. Die Ansichten darüber, ob man den Kranken, die ja meistens an Achylie leiden, Salzsäure geben solle, scheinen geteilt zu sein. Bei uns geben wir sie sehr oft, und zwar manchmal mit Pepsin, und wir glauben wenig- stens mitunter einen Erfolg davon zu sehen. Eine direkte Wirkung von Pan- kreaspräparaten haben wir nicht beobachtet. In Fällen mit stark hervor- tretenden gastrointestinalen Symptomen, besonders in Form beschwerlicher 15* 228 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Gasbildung oder oft wiederkehrender bzw. anhaltender Diarrhöen, ist sicher ein Versuch mit Bolus alba, Tierkohle u. dgl. durchaus am Platz. Inwie- weit diese Mittel durch eine mögliche Verminderung der Resorption toxischer Stoffe seitens des Darmes direkter auf die Krankheit einwirken können, bleibe dahingestellt. Bei Appetitlosigkeit soll man nicht unterlassen, die zu Gebote stehenden Stomachika auszuprobieren, und dabei ein Glas guten Weines nicht vergessen. Bluttherapie. Der erste, der intravenöse Blut inj ektionen bei dieser Krankheit (die Diagnose war damals, 1870, etwas unsicher) beschrieb, war Gussero w. Er und eine Anzahl nachfolgender Forscher (Pepper, Haber- sohn, Chadwick, Ferrand) hatten keine günstigen Resultate zu verzeichnen. 1876 berichtete Quincke, daß er in zwei Fällen nach Anwendung des Mittels „Genesung*' eintreten sah. In seiner großen Monographie beschreibt Eich- horst (1878) einen Fall, wo Besserung eintrat. Später ist die Frage, nicht am wenigsten aus dem technischen Gesichtspunkt, von v. Ziemssen behandelt worden, der u. a. subkutane Injektionen defibrinierten Blutes gebrauchte. Es dauerte aber lange, ehe die Bluttherapie größeren Anklang fand. Erst mit den großen Fortschritten, die auf anderen Gebieten in bezug auf die Blut- injektions- und Transfusionstechnik stattfanden (ich denke hier besonders an die Entdeckung und das Studium der Isoagglutinine und Isohämolysine) trat hierin auch auf unserem speziellen Gebiet ein Umschwung ein. Gegen- wärtig liegt bereits eine Kasuistik vor, die gewisse Schlußfolgerungen hin- sichtlich der Methoden und ihrer Anwendbarkeit zuläßt. Direkte Bluttransfusion kommt kaum in Frage. Subkutane und intra- muskuläre sowie intravenöse Injektionen werden dagegen oft ausgeführt. Bei den letzteren ist eine Prüfung auf Isoagglutinine geboten, bei den ersteren kann sie im Notfall wegbleiben. Eine besondere Prüfung auf Isolysine wird weniger notwendig sein, da es scheint, als habe man, falls Isoagglutinine nicht nachzuweisen sind, auch nicht mit dem Vorhandensein von Isolysinen zu rechnen. Vor jeder Blutüberführung muß selbstverständlich der gelegentliche Blut- spender einer genauen Prüfung auf das Vorhandensein irgendeines ansteckenden Leidens unterworfen werden. Die subkutanen bzw. intramuskulären Injektionen werden entweder mit Vollblut oder mit defibriniertem Blut ausgeführt. Pappenheim entnimmt dem Blutspender aus der Vene mit der Spritze etwa 5 ccm, die er unmittelbar und körperwarm dem Patienten subkutan oder intraglutäal verabfolgt. Oder auch wird das Blut mit einer nicht zu dünnen Punktionsnadel aus der Kubital- vene entnommen, in ein Kölbchen mit Glasperlen aufgefangen, durch Schütteln sofort defibriniert und ist dann nach Filtrierung durch doppeltes Verbandzeug gebrauchsfertig. In unserer Klinik ist diese Methode benutzt worden; 10 bis 20 ccm werden unter die Bauch- oder Brust haut oder auch in den Pektoral- muskel eingespritzt. Tallqvist injiziert in die Glutäalmuskulatur 30 ccm auf jeder Seite (Savolin). Bei intravenösen Injektionen hat man sich teils defibrinierten, teils Zitrat- blutes bedient. Die eingespritzten Mengen wechselten zwischen 5 und mehreren L00 ccm. Trotz aller Kritik kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die intramuskulären Injektionen mitunter, wenn auch keineswegs immer, den An- Btoß zu einer bedeutenden Verbesserung geben. Dies hebt ja auch Bürger hervor, obwohl er- nicht ohne Ironie sagt, daß ,,die intraperitoneale oder intra- muskuläre Injektion von Blut in das Gebiet der modernen und uferlosen Protein- körpertherapie zu verweisen ist. in welchem wegen der unendlichen zahlreichen Bluttherapie. 229 Wirkungsmöglichkeiten das Gesetzmäßige der in manchen Fällen zweifellos zu beobachtenden therapeutischen Erfolge bis heute trotz zahlreichen Be- mühungen nicht erkannt ist". Wir haben also keine direkten Beweise dafür, daß die nächstliegende Annahme, das injizierte Blut wirke wie ein stimulieren- des Irritament auf das Knochenmark, richtig ist. Von einem etwas anderen Gesichtspunkt aus müssen wir die intravenösen Blutinjektionen betrachten. Bei dieser Applikationsform können wir aller- dings mit prinzipiell derselben ,, stimulierenden" Wirkung wie bei der intra- muskulären Applikation zu rechnen haben. Aber außerdem muß man wenigstens theoretisch die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß das in die Blutbahn über- führte Blut und vor allem seine Blutkörperchen in dem Empfänger weiter funktionieren und daß wir es also mit einer ,, Substitutionstherapie" oder ein- fach mit einer Transplantation zu tun hätten. Bürger ist diesen Fragen in einer interessanten Arbeit näher zu Leibe ge- rückt. Im Hinblick auf die Erfahrungen bei Gewebstransplantationen im all- gemeinen darf man bei Transfusion von Verwandtenblut ein besseres Resultat als bei der von Nichtverwandtenblut erwarten. Bürger hat in zahlreichen Fällen nach Transfusion großer Mengen (200 — 700 ccm) Verwandtenblut keine Zeichen eines gesteigerten Blutkörperchenzerfalls oder einer im Verhältnis zur transfundierten Blutmenge gesteigerten Stickstoffausfuhr beobachten können, hingegen aber ein Ansteigen der Blutkörperchen- und Hämoglobin- zahl (sowie eine Verbesserung des übrigen Zustandes) nachgewiesen. Nach der Transfusion von Nichtverwandtenblut ließ sich umgekehrt ein Ansteigen des Bilirubingehaltes des Blutserums feststellen. Es scheint also, als wäre eine vorübergehende Substitution lebenden Blutes durch Verwendung von Ver- wandtenblut möglich. Inwiefern durch Fremdbluttransfusionen so etwas, wenn auch in bescheidenerem Umfang, erreichbar ist, bleibt unentschieden. Doch steht es fest, daß auch mit Fremdblut gute Resultate erzielt werden können. Angesichts des günstigen Resultats, über die Bürger aus der Schittenhelm- schen Klinik berichten kann — es handelt sich um Fälle, wo die „Stimulations- therapie" mit Arsen und kleinen intramuskulären Fremdblutinjektionen nicht zum Ziele geführt hatte — ist es in der Tat verlockend, durch gehäufte große Transfusionen von Verwandtenblut die blutbildenden Organe zu entlasten zu suchen. Eine rationelle Schonungstherapie also, und kein Hetzen eines ab- gerittenen Rennpferdes ? Über gleich günstige Erfahrungen mit großen Transfusionen berichten u. a. Hansen und Host. Einige Details gehen aus folgender Tabelle der Bürger sehen Arbeit hervor: Zahl der Gesamt- Dauer roten Blut- Hämoglobin Färbeindex Zahl menge des der Trans- körperchen vor | nach Fall Nr. der Trans- trans- fundierten fusions- behand- vor | nach vor | nach fusionen Blutes lung in Wochen der der der ccm Behandlung Behandlung Behandlung Millionen /o II. 9 2360 9 1,3 4.9 35 80 1,3 0,8 IV. 11 2596 12 1,2 5,6 29 76 1,2 0,7 VII. 5 2360 5 1,1 5,2 22 89 1,0 0,8 VIII. (> 2000 32 2,2 4,2 21 79 2 0,9 IX. 6 2390 7 1,9 4,1 35 75 0,9 0,9 X. 4 1275 — 1,5 3,2 30 50 1,0 0,8 XV. 5 1325 16 1,0 4,5 18 70 1,1 0,8 I. 3 1100 5 1,6 1J 29 32 0,9 0,9 XVI. 8 3530 6 1,4 3,2 30 63 1,07 0,9 230 0. Schauman und F. Salt z man: Die perniziöse Anämie. Prof. Schittenhelm teilt mir brieflich mit, daß er die Bluttransfusionen in allen Fällen von perniziöser Anämie macht. „Ich halte es", schreibt er, „für eminent wichtig, und in vielen Fällen sind wir in der Lage, mit Bluttrans- fusionen die Patienten lange Zeit zu erhalten. Es muß nicht unbedingt Ver- wandtenblut sein; ich habe z. B. gegenwärtig einen Patienten, der keine Ver- wandten hat und von Insassen seines Dorfes immer wieder ab und an Blut er- hält. Er bleibt dabei in gutem Zustand. Auch einige andere Patienten von mir werden schon einige Jahre damit durchgebracht; freilich verfliegt auch dabei der Effekt gelegentlich rasch, und dann werden diese Patienten eine Plage für ihre Mitmenschen durch den Blutdurst, der sich ihrer bemächtigt." Eine Schwäche der Behandlung mit großen Transfusionen liegt eben bisweilen darin, daß ge- eignete Blutspender nicht immer zu haben sind. Schittenhelm benutzt meistens defibriniertes Blut, Tallqvist, in der hiesigen I. med. Klinik, Zitratblut. Die zuletzt erwähnte Methode ist bequemer, aber vielleicht, wenn man auf eine „Transplantation" hinzielt, der ersten doch unterlegen. Schließlich sei noch hinzugefügt, daß mit Hilfe der Bluttherapie ebensowenig wie mit anderen therapeutischen Eingriffen, soviel man vorläufig weiß, eine definitive Heilung zu erzielen ist, obgleich die Besserung hin und wieder von überraschend langer Dauer sein kann. In diesem Zusammenhang wären noch zwei „moderne" Behandlungs- methoden zu erwähnen. Erstens haben wir das Thorium X. Es scheint, als sei diesem Mittel nicht aller Wert abzusprechen. Von vielen Seiten wird über günstige Resultate berichtet und besonders hervorgehoben, daß Thorium X zuweilen in völlig arsenrefraktären Fällen wirksam sei. Eigene Erfahrungen fehlen uns. Zweitens sei der Röntgenbestrahlung gedacht. Es gibt heutigestags wohl kaum eine Krankheit, bei der nicht die Bestrahlungstherapie versucht wäre. Bei perniziöser Anämie könnte eine Bestrahlung der langen Röhren- knochen mit schwachen Dosen, „Reizdosen", in Frage kommen. Der Eindruck, den man aus der Literatur empfängt, ist nicht besonders ermunternd. Zum Schluß eine Zusammenfassung der wichtigsten Hilfsmittel, die uns bei der Behandlung der perniziösen Anämie zu Gebote stehen. Schleunige Wurmkur in allen Fällen, wo eine Bothriozephalusinfektion vorliegt. In allen Fällen von Böthriozephalus- und kryptogenetischer Anämie all- gemein-hygienisch-diätetische Behandlung mit Ruhe als wichtigstem Moment. In den kryptogenetischen Fällen methodische, intensive Arsenbehandlung von genügend langer Dauer. Fortgesetzte Beobachtung und erneute Behand- lung bei wieder eintretender Verschlimmerung. Wo das Arsen versagt, intra- muskuläre Blutinjektionen. Wenn trotz der erwähnten Maßnahmen keine Besserung zu erzielen ist oder gar die Verschlimmerung des Zustandes fortdauert, ist ein Versuch mit großen, oft wiederholten intravenösen Injektionen, am besten mit Verwandtenblut, indiziert. Neben diesen Methoden können eventuell in einzelnen Fällen in Betracht kommen: Thorium X. Röntgenbestrahlung und Milzexstirpation. Pathologische Anatomie. 231 K. Pathologische Anatomie. Von dem anatomischen Bild der perniziösen Anämie kann man wie von dem klinischen sagen, daß es in den großen Zügen sehr typisch ist und eine Menge charakteristischer Einzelheiten aufweist, daß es uns aber das Wesen der Krankheit nicht klar enthüllt, noch uns eine scharf umgrenzte krankhafte Bildung zeigt, von der wir behaupten könnten: hier liegt das Übel. Vielleicht mit einem gewissen Vorbehalt bezüglich des Knochenmarks finden wir kein pathognomonisches Symptom. Aber auch die negative Seite dieses Befundes hat ihre Bedeutung. Sie zeigt, wie das Resultat der klinischen Untersuchung, daß wir es nicht mit einer jener bekannten Organerkrankungen, Karzinom, Tuberkulose, blutendes Magengeschwür u. a., zu tun haben, von denen wir wissen, daß sie eine einfache Anämie hervorrufen können, die mitunter die extremsten Grade erreicht. Die Ausnahmen von dieser Regel sind oben schon besprochen worden. Die Leichen an perniziöser Anämie Gestorbener zeigen eine auffallende Blässe, nicht selten mit einer leicht gelben Abschattung. Totenflecken können fehlen oder sind spärlich und hell (Müller, Schau man u. a.), verhältnismäßig selten sind sie reichlich vorhanden und von einigermaßen gewöhnlicher Farbe. In 41 der Obduktionsberichte, über die ich verfüge, ist das Verhalten der Toten - flecke erwähnt: sie fehlten in 8 Fällen und waren in 26 Fällen blaß und sehr spärüch; in 7 Fällen ist nur ihr Vorhandensein erwähnt. Nur in zweien der Fälle habe ich eine Aufzeichnung darüber gefunden, daß das Fettgewebe, welches ja in Rücksicht auf die schwere und langwierige Krankheit oft verhältnismäßig gut erhalten ist, eine auffallend starke gelbe Farbe aufweist. In Veröffentüchungen älteren Datums (Müller, Bradbury, Schauman) wird nicht selten angeführt, daß die Muskulatur durch ihre frische rotbraune Farbe einen auffallenden Kontrast zu der hochgradigen Blässe der Haut und der inneren Organe bildete. In 9 meiner Fälle wird die Farbe der Muskulatur als hochrot oder braunrot, in 4 Fällen als gewöhnlich beschrieben. Die inneren Organe imponieren durch ihre außerordentliche Blässe. Die Blutmenge im Herzen und den großen Gefäßen scheint in den meisten Fällen herabgesetzt zu sein. Das Blut ist in geringerem Umfang als gewöhnlich koagu- liert. Hypostatische Leichenphänomene treten schwach oder überhaupt nicht hervor. In den meisten, aber nicht in allen Fällen sieht man zerstreute kleine Blutungen in Form von subpleuralen oder subepi- bzw. endokardialen Ekchy- mosen oder von ähnlichen Blutungen in den Häuten des Gehirns und Rücken- marks. Oft kommen Schleimhaut ekchymosen im Magen, im Dünn- und Dick- darm, im Nierenbecken, in der Blase vor. Auch im Innern der Organe beobachtet man bisweilen kleine, punktförmige Blutungen. Die Retinalblutungen sind bereits im klinischen Teil erwähnt worden. Größere Blutungen gehören eigent- lich nicht zum Bilde der perniziösen Anämie. Die degenerative Fettinfiltration in inneren Organen, die allerdings nicht konstant ist und die auch bei anderen anämischen Zuständen vorkommt, sticht in den meisten Fällen schon bei einer oberflächlichen Durchmusterung in die Augen und trägt in nicht geringem Maße zu dem typischen anatomischen Bilde bei. Besonders charakteristisch tritt dieses Symptom im Herzen sowie in der Leber hervor. Weiter verdient in diesem Zusammenhang die Ablagerung von eisenhaltigem Pigment in inneren Organen, die Si de rose, Beachtung. Bei wenigen anderen 232 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Krankheiten pflegt man cfiese Hämosiderose so konstant und so hochgradig anzutreffen wie eben bei der perniziösen Anämie. In fast allen Organen kann ein gesteigerter Eisengehalt gelegentlich nachgewiesen werden. Die höchsten Grade erreicht die Eisenablagerung in der Leber und danach in den übrigen Organen, die mit der Auflösung der roten Blutkörperchen betraut sind, wie die Milz, die Lymphdrüsen, das Knochenmark. Bei starkem Eisengehalt gibt sich die Siderose durch bräunliche Farbe des betreffenden Organs kund. Sicheren Aufschluß über die Menge und die Verteilung des Eisens gibt erst die quanti- tative chemische Analyse und die mikroskopische Untersuchung. Per Eisengehalt der normalen Leber und Milz scheint innerhalb recht weiter Grenzen schwanken zu können. Stock man fand in der Lebertrockensubstanz 0,35—0,9 und in der Milztrockensubstanz 1,44— 4,0 %0 Eisen. Die gesamte Eisenmenge betrug in der Leber 100 — 310 mg und in der Milz 26 — 294 mg. Guillemont und Lapique haben 53 Fälle verschiedener Krankheiten, darunter aber keinen Fall perniziöser Anämie auf den Eisengehalt der Leber und Milz hin untersucht. Sie fanden zwar sehr wechselnde Werte, besonders hinsichtlich der Milz, glauben aber den Eisengehalt der gesunden Leber beim Manne auf etwa 0,20, beim Weibe auf etwa 0,09 % der feuchten Substanz schätzen zu können. Mehrere Autoren können über größere Eisenmengen bei der perni- ziösen Anämie berichten. In nebenstehender Tabelle sind die von Appelberg bei uns ausgeführten Untersuchungen zusammengestellt. Sie beziehen sich auf 2 ,, Normalfälle" und 10 Fälle perniziöser Anämie. Eisengehalt der Leber und der Milz. +3 A O o -t^ A -*l o O) O Mann — Frau 28 46 41 >» 36 78 »> 63 ?> 56 Mann 36 61 Frau 40 ? ? Diagnose Leber ö* HH 4> ü _3 .2 0 to Milz a a h tu © a» ö 2 a N 41 59 54 41 33 52 50 öl 47 4:5 .,Normalfall" „Normalfall" An. pern. cryptog. An. pern. cryptog. An. pern. id. Nephrosclerosis An. pern. cryptog. An. pern. id. Arteriosclerosis An. pern. Stenosis intest. Nephropathia An. pern. cryptog. An. pern. bothrioz. An. pern. bothrioz. An. pern. bothrioz. 2,83 0,6 6,00 5,22 0,88 2,50 3,27 2,00 7,80 5,60 10,55 4,55 0,12 0,06 0,52 0,43 0,09 0,31 0,17 0,28 0,60 0,43 0,50 0,25 206 96 793 717 167 529 217 400 955 860 743 312 0,85 1,39 44,00 16,57 1,43 1,28 3,41 1,89 4,87 8,86 5,14 16.40 0,02 0,14 2,40 0,80 0.11 0,13 0,15 0,24 0,12 0,72 0,38 1,47 5 13 406 137 26 44 23 38 26 268 80 131 Aus der Tabelle dürfte hervorgehen, daß wir es mindestens in 8 der 10 Fälle mit einer Steigerung des Eisengehalts in der Leber und in einigen Fällen mit einer sehr bedeutenden Steigerung zu tun haben. In keinem Fall handelt es sich um eine Herabsetzung des Eisengehalts. Auch von den Milzen dürfte mau oiehl sagen können, daß ihre Eisenmenge vermindert wäre. In 4 der Fälle darf man wohl mit einer Steigerung r< chnen. Die Zahlen Appelbergs bestätigen die von Hunter, Stock man u. a. gemachten Beobachtungen, daß der Pathologische Anatomie: Knochenmark. 233 Eisengehalt der Leber nicht in einem konstanten Verhältnis zu dem der Milz steht. Vergleicht man die von Appelberg gefundenen Eisenmengen in Leber und Milz bei der Perniziosa mit den entsprechenden, von ihm bei der Karzinom- anämie erhobenen Befunden, wo die Zahlen fast durchweg sehr niedrig sind, so tritt der Reichtum an Eisen bei der erstgenannten Krankheit noch deutlicher zutage. Die Entstehung der Siderose ist nicht in allen Einzelheiten aufgeklärt. All- gemein wird der vermehrte Zerfall der Erythrozyten als Ursache der Siderose in erster Linie herangezogen. Inwiefern eine Hemmung der Erythropoese (Ziegler) mit vermindertem Verbrauch von Bausteinen des Hämoglobins oder eine mangelhafte Verarbeitung der Bestandteile der zerfallenen Erythro- zyten durch die von der Anämie oder der Ursache der Anämie geschädigten oder von Haus aus minderwertigen Organe hierbei als mitwirkende Ursache in Betracht kommen könnte, läßt sich vorläufig nicht entscheiden. Bevor wir zur Schilderung der Verhältnisse in den einzelnen Organen bzw. Organsystemen übergehen, verdient noch ein, wie es scheint, fast über den ganzen Organismus verbreitetes Phänomen erwähnt zu werden. Es sind dies die öfters nachgewiesenen zirrhotischen Veränderungen im Bindegewebe. Bekanntlich ist sehr viel über die Zirrhose der Magenschleimhaut geschrieben worden. Aber auch in den Nieren (Paszkiewicz, Saltzman), in der Leber (Talley, Eppinger, Türk, Roth, K. Ziegler, Schucany, Roccavilla, Schauman), im Pankreas (Försterling, K. Ziegler, Roth) sowie in den Lymphdrüsen (K. Ziegler, Roth) ist eine Bindegewebswucherung mit beglei- tender Schrumpfung angetroffen worden. Besonders möchte ich auf die Binde- gewebs Vermehrung hinweisen, die ich in den Nieren undl. Wallgrenim ganzen Verdauungskanal gefunden haben. Eine Reihe von Umständen spricht dafür, daß wir es hier nicht mit den Folgen einfacher entzündlicher Prozesse zu tun haben. Ebensowenig dünkt es wahrscheinlich, daß die Bindegewebs Vermehrung nur eine Folge der Anämie an sich wäre. In welcher Beziehung sie zu der ganzen Krankheit steht, ist jedoch durchaus noch nicht aufgeklärt. Indes läßt sich der Gedanke nicht ganz von der Hand weisen, daß bei Personen, die an perni- ziöser Anämie leiden, eine Neigung zur Bindegewebs Vermehrung, sagen wir eine Bindegewebsdiathese bestehe. Bei einer eingehenderen Betrachtung der Verhältnisse in den einzelnen Organen interessieren uns natürlich in erster Linie die blutbildenden Organe. Pas Knochenmark. Wir sehen, daß das gelbe Fett mark der großen röhrenförmigen Knochen in größerem oder kleinerem Umfang durch rotes Mark ersetzt worden ist, das schon in Cohnheims erster Mitteilung treffend als himbeergeleeähnlich beschrieben wurde. Auch in den spongiösen Knochen beobachtet man eine entsprechende Veränderung des Markes. Die wichtigsten, für die perniziöse Anämie kennzeichnenden Veränderungen treten aber erst im mikroskopischen Bilde hervor. In voller Übereinstimmung mit dem megaloblastischen und megalozytischen Blutbild finden wir im Knochenmark mehr oder weniger reichlich Megalo- blasten, und zwar nicht nur große Erythroblasten, sondern Erythroblasten, deren Kerne alle für den Megaloblastenkern kennzeichnenden Eigenschaften besitzen. Auch Megalo- und wahre Gigantozyten kommen in wechselnden Mengen vor. Daneben gibt es meistens auch Normoblasten und gewöhnliche Erythrozyten. Stellenweise kann das rote Mark sogar ein durchaus normales Gepräge tragen, aber an anderen Stellen ist die megaloblastische Umwandlung eine vollständige. Aus dem makroskopischen Bilde kann nicht mit voller Sicher- heit auf das mikroskopische geschlossen werden. 234 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Auch hinsichtlich der weißen Zellen lassen sich ausgesprochene Verände- rungen nachweisen. Die gereiften, gelappt kernigen Leukozyten sind außer- ordentlich spärlich vorhanden. Dagegen kommen oft reichlich Myelozyten und, was besonders hervorzuheben ist, Myeloblasten vor. Die letzterwähnte Zellart kann das Bild beherrschen (E. Meyer und Hein eke, Naegeli, Ziegler). Über das Vorkommen der Lymphozyten liegen verschiedene Beobachtungen vor. Daß man einer Vermehrung dieser Zellen begegnen kann und daß die Lymphozyten gelegentlich in abgegrenzten, follikulären Bildungen auftreten können (Helly, Ziegler), läßt sich nicht verneinen. Es gibt aber erfahrene Beobachter, die nie so etwas gesehen haben (Meyer und Heineke, Naegeli mit Schatiloff und Fischer), und es dürfte sich also keinesfalls um etwas Konstantes oder für die perniziöse Anämie Typisches handeln. Megakaryozyten sollen sehr selten gefunden werden (Naegeli und Fischer). Sehr auffallend ist das zwar nicht sehr zahlreiche Vorkommen von Makro- phagen, großen phagozytierenden Zellen, die oft zahlreiche Erythrozyten und deren Trümmer enthalten. Das mikroskopische Bild des Knochenmarks bei der Perniziosa ist nicht nur wegen der Mannigfaltigkeit der Veränderungen ein mannigfaltiges, sondern ein sehr wechselndes, weil die Veränderungen in verschiedener Weise miteinander kombiniert sein können. Sie können übrigens in großen Gebieten fehlen oder, wie in den aplastischen Formen, auf die wir aber hier nicht ein- gehen wollen, gänzlich vermißt werden. Obgleich man aus dem klinischen Bild und besonders aus dem Blutbild gewisse Rückschlüsse auf die Verände- rungen im Knochenmark ziehen kann, besteht doch durchaus kein strenger Parallelismus zwischen klinischem Bild und Knochenmarkshistologie. Es darf hier nicht übersehen werden, daß auch außerhalb des Knochen- marks myeloide Herde auftreten können, und zwar sowohl erythroblastischer als myeloleukozytärer Natur. Diese bestehen entweder aus Verschiedenartigen Erythroblasten, sowohl Normo- wie Megaloblasten, oder aus neutrophilen und eosinophilen Myelozyten und Myeloblasten, oder sie werden auch sowohl Von Erythroblasten als von myeloleukozytären Zellen gebildet. Doch sind die Erythroblasten durchgehends bedeutend spärlicher vertreten als die Zellen der weißen Reihe. Meistens kommen diese Herde wohl in der Milz vor, wo sie von der Mehr- zahl der Forscher als eine gewöhnliche Erscheinung, Von einigen (Ziegler, Decastello und Naegeli) als konstanter Befund bezeichnet werden. Sie sind fast ausschließlich in der Pulpa anzutreffen. In den venösen Sinus der Milz sieht man nicht selten Anhäufungen von Knochenmarkszellen, vor allem von kernhaltigen roten Blutkörperchen; ob diesen aber dieselbe Bedeutung zugeschrieben werden darf wie den Herden im Innern der Pulpa, muß dahin- gestellt bleiben. Oft beobachtet man auch in der Leber ähnliche Bildungen wie in der Milz, entweder in den Acini oder in dem periportalen Gewebe. Bemerkenswerterweise hat Pappenheim weder in der Leber noch in der Milz derartige Veränderungen nachweisen können. Myeloide Bildungen in den Lymphdrüsen sind nach den meisten Beobachtern verhall aismäßig selten. Ziegler hat sie jedoch in den meisten von ihm unter- suchten Fällen gesehen. I)i<- Ansichten über die Kntstehungs weise der soeben besprochenen myeloiden Bildungen sind geteilt. So glaubt Ziegler, daß sie alle durch Ablagerung vmi Blutzöllen aus dem strömenden Blut und durch Weiterentwicklung am Orte ihrer Ablagerung zu erklären seien. Pappenheim ist geneigt, wenigstens Pathologische Anatomie: Myeloide Herde, Milz. 235 die Erythroblastenherde der Leber als Ausdruck der direkten Giftwirkung an der Leber anzusehen, während er bei der Besprechung der myeloiden Meta- plasien myeloleukozytärer Natur der Milz zur Annahme einer homogenen, gleichmäßigen Veränderung im gesamten hämopoetischen Gewebsapparat neigt. Meyer und Heineke sehen in den beschriebenen Organveränderungen eine Teilerscheinung allgemeiner Kompensationsvorrichtungen des Organismus gegen schwere Blut Schädigung und nicht ein Zeichen der Organschädigung. Als eine Stütze für diese Auffassung wird von ihnen u. a. angeführt, daß von Ehrlich, wie bekannt, das Blutbild der perniziösen Anämie und damit der Typus der Blutbildung als fötal bezeichnet wurde und daß die Leber und Milz des menschlichen Embryo zwischen dem 3. und 7. Monat eine außerordent- liche Ähnlichkeit mit den entsprechenden Organen bei perniziöser Anämie haben. Es dünkt in der Tat sehr wahrscheinlich, daß man es hier mit einer Art von Regenerationserscheinungen (Naegeli), nicht nur mit dem Resultat einer einfachen Ablagerung aus dem strömenden Blute zu tun hat. Indes muß die Frage wohl vorläufig offen gelassen werden. Daß die fraglichen Bildungen in nennenswertem Grad zu der effektiven Regeneration von Blutkörperchen und besonders von roten beitragen, kann man sich schwer vorstellen. Dagegen scheint die Annahme Naegelis, daß sie in manchen Fällen ein atypisches Blutbild mit höherer Leukozytenzahl, zahlreichen Myelozyten und vielen Normoblasten erklären könnten, recht plausibel. Über die Größe der Milz lauten die Berichte etwas Verschieden. Mehrere Autoren meinen, ein Milztumor sei dem reinen Bilde der perniziösen Anämie fremd (Eichhorst). Nach Lazarus wird sie entweder normal groß oder kleiner als normal gefunden, und nur in seltenen Fällen wäre eine geringe Vergrößerung konstatiert. Hayem hat sowohl kleine als mäßig Vergrößerte Milzen gesehen. Türk sagt, daß die Milz fast ausnahmslos Vergrößert sei, ohne daß ihre Schwel- lung einen besonders hohen Grad zu erreichen pflege; ein Gewicht von 700 bis 800 g stelle schon die obere Grenze des Gewöhnlichen dar. Nach Naegeli ist die Milz meist mäßig vergrößert. Pappenheim spricht schlechthin vom ,, Milztumor" als von einem regelmäßigen Befund. Eine sichere Beurteilung der vorliegenden Frage wird dadurch wesentlich erschwert, daß die Angaben über die normale Milzgröße sehr unsicher sind. Nach Schridde lassen sich für die Erwachsenen keine bestimmten Gewichts- angaben machen. Nach He nie ist das normale Gewicht ungefähr 225 g, nach Ziegler 130—250 g, nach Krause 150—250 g, nach Kaufmann 90—120 g. In 27 von unseren Sekt ionsf allen ist das Gewicht der Milz angegeben. Das Durchschnittsgewicht beträgt 202 g. Nur in 6 Fällen steigt das Gewicht über 210 g. Einzelheiten gehen aus der nebenstehenden Tabelle hervor. In 52 Fällen 60 g 74 g 85 g 90—120 g 121—150 g Gewicht der Milz in 27 Fällen 1 Fall 151—180 g . . 1 Fall 181—210 g . . 1 Fall 225 g . . 2 Fälle 275 g . . 7 Fälle perniziöser Anämie. . 4 Fälle 330 g . . 1 Fall . 5 Fälle 450 g . . 1 Fall . 1 Fall 480 g . . 1 Fall . 1 Fall 610 g . . 1 Fall ist die Länge und die Breite der Milz angegeben. Diese Maße geben im wesent- lichen dasselbe Bild wie die eben angeführten Gewichte. Unsere Zahlen stimmen recht gut mit denen Cabots überein. In seinen Fällen wechselte das Gewicht der Milz zwischen 50 und 500 g. 236 0. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Die 3 Fälle mit den größten Milzen von 450, 480 und 610 g Gewicht verdienen noch einige Worte. In allen diesen Fällen waren außer der Milz auch andere Organe vergrößert. So wog die Leber 2350, 2500 bzw. 2980 g. In dem zweiten Fall wog die linke Niere 240 g, in dem dritten betrug das Gesamtgewicht der Nieren 380 g. Das Herz wog in diesen beiden Fällen 530 bzw. 490 g, und in ihnen wurde ausgedehntes und namentlich in den unteren Extremitäten etwas reichlicheres Ödem als gewöhnlich beobachtet. In allen drei Fällen fanden sich Ergüsse in serösen Höhlen. Es handelte sich um drei kräftig gebaute, etwas korpulente Schwerarbeiter in mittleren Jahren. Wir haben es in diesen Fällen also nicht mit einem isolierten Milztumor zu tun bzw. mit einem Milztumor, den man in erster Linie in direkten Zusammenhang mit der perniziösen Anämie zu bringen versucht ist. Es ist vielmehr möglich, daß sowohl die Milz als die übrigen Organe schon früher, vielleicht unab- hängig von jeglicher Krankheit, groß gewesen sind, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Gewicht der Organe u. a. weiter durch ein Ödem beeinflußt worden sein kann. Das Angeführte kann dahin zusammengefaßt werden, daß man bei perni- ziöser Anämie bisweilen eine kleine, meistens eine in bezug auf die Größe einiger- maßen gewöhnliche oder mäßig vergrößerte Milz antrifft, daß aber eine erheb- liche Milzvergrößerung nicht zu dem reinen Bild der fraglichen Krankheit gehört. Die Beobachtungen am Sektionstisch stehen also gut mit den früher geschilderten klinischen Beobachtungen in Einklang. In ihrer Konsistenz weicht die Milz nicht in typischer Weise von der Norm ab. Ihre Farbe ist dunkelrot, meist etwas brauner als gewöhnlich. Bei mikroskopischer Untersuchung findet man gewisse recht charakte- ristische Veränderungen. Ein unverkennbarer Blutreichtum unterscheidet die Milz von den meisten übrigen Organen. Die Follikel sind meist klein, gleichsam atrophisch, das Pulpagewebe hingegen hyperplastisch. Fast immer kommen in der Pulpa myeloide Herde vor (s. S. 234). Daneben sieht man Bilder, die als Folgen eines gesteigerten Blutkörperchenzerfalls gedeutet werden: zahlreiche, Erythrozytentrümmer enthaltende Zellen und reichlich eisenhaltiges Pigment. Eppinger hat sich ganz besonders für das Verhalten der Milzgefäße inter- essiert und sie an operativ entfernten Milzen eingehend untersucht. Ihm ist dabei die Dicke der Wandungen jener Gefäße aufgefallen, die von den Tra- bekelarterien gegen die Follikel zu abzweigen; derbe, feste Bindegewebszüge in der Adventitia, Veränderungen an der Elastika, Intimawucherungen, hyaline Umwandlungen, stellenweise Verengerungen des Lumens. Obgleich der Unter- schied zwischen den verschiedenen Milzen in dieser Hinsicht recht groß ist, sollen doch Veränderungen an den Gefäßen stets wahrzunehmen sein, und Eppinger will in denselben eine typische Veränderung der Perniziosamilz er- kennen. Übrigens weist Eppingei auf die in vielen Beziehungen große Ähn- lichkeit mit der Milz bei dem hämolytischen Ikterus hin. Eppinger mißt den obenerwähnten Veränderungen der Milz eine große Bedeutung für die Beurteilung der Rolle der Milz beim Zustandekommen der perniziösen Anämie zu. Aber da er sich bei der Deutung seiner Befunde, wie er auch selbst ausdrücklich hervorhebt, auf ganz hypothetischem Boden bewegt, müssen wir uns mit diesen Andeutungen begnügen und auf seine eigenen Aus- führungen hinweisen. Die Leber ist meist von normaler Größe. In unserem Material ist unter 29 Lebern für 24 ein Gewicht zwischen 1100 und 1900 g verzeichnet, eine Leber wog 950 g, die 4 übrigen 2000, 2350, 2600 bzw. 2980 g. Hinsichtlich der drei zuletzt erwähnten sei auf die Besprechung der Milzgröße verwiesen. Die Durchschnittsgröße war 1610 g. 34 mal sind die Maße angegeben, und nur einmal sind die Von Kaufmann angeführten normalen Maximalzahlen um ein wenig überschritten worden. Die Leber ist in der Regel blaß, gelblichbraun. In ihr tritt die oben bereits erwähnte Verfettung besonders deutlich hervor, und zwar als zentrale degene- rative Fettinfiltration. Vorzugsweise in der Peripherie der Azini treffen wir Pathologische Anatomie: Leber, Lymphdrüsen, Nieren. 237 wiederum die meistens reichliche Ablagerung eisenhaltigen Pigments. Über Eisengehalt sowie über die myeloischen Herde siehe oben (S. 232 und 234). In fast allen Fällen von perniziöser Anämie hat Eppinger inner- halb der Kupfferzellen Trümmer von Erythrozyten und vielleicht auch ganze rote Blutkörperchen gefunden. Das Pankreas scheint, abgesehen von den gelegentlich beobachteten zirrhotischen Prozessen, keine bemerkenswerteren Veränderungen darzubieten. Die Lymphdrüsen sind im allgemeinen nicht vergrößert, doch abgesehen von den Mesenterialdrüsen, die nicht selten eine leichte Anschwellung zeigen. Bemerkenswert ist, daß man in den meisten Fällen Lymphdrüsen von roter oder rötlicher Farbe antrifft. Am regelmäßigsten kommen sie im Mesenterium und im retroperitonealen Gewebe vor, aber auch anderswo können sie ange- troffen werden. So haben wir derartige Lymphdrüsen nicht selten am Halse gesehen. Ob diese als wirkliche Hämolymphdrüsen aufzufassen sind oder wie oft die rote Farbe vielleicht durch eine einfache Hyperämie oder sogar mitunter durch Blutungen verursacht sein könnte, will ich nicht entscheiden. Doch dünkt es mich wahrscheinlich, daß diese Drüsen wenigstens in manchen Fällen wirklich den Namen Hämolymphdrüsen verdienen. Nach Splenektomie hat Eppinger sie größer werden sehen. Bei der Erwähnung dieser Befunde nimmt er Bezug auf die Auffassung Schumachers, daß die Lymphdrüsen im em- bryonalen Organismus immer Hämolymphdrüsen seien. Und Eppinger fährt fort: ,,Wenn dies der Wahrheit entsprechen sollte, dann hätten wir die Be- rechtigung anzunehmen, daß erwachsene Menschen, bei denen sich noch Hämo- lymphdrüsen finden, in der Entwicklung zurückgeblieben sind. Wenn wir vorher den Standpunkt vertreten haben, daß das Knochenmark bei der perni- ziösen Anämie minderwertig ist, so würde die Behauptung von Schumacher und die Tatsache des Vorkommens von Hämolymphdrüsen mit dieser Annahme gut in Einklang zu bringen sein." Wir können dies auch anders und vielleicht vorsichtiger ausdrücken: Wenn Schumachers Behauptung zu Recht bestünde, hätten wir in den Hämolymphdrüsen bei der perniziösen Anämie ein Analogon zu dem „Umschlag des Regenerationstypus im Knochenmark ins Embryonale". Der sonstige lymphatische Apparat bietet keine auffallenden Ver- änderungen. Die häufigste Erscheinung dürfte eine leichte Anschwellung der solitären Follikel sowie der Payerschen Plaques sein. Ein wahrer Lymphatis mus gehört eigentlich nicht zum Bilde der perniziösen Anämie, obwohl er gelegent- lich angetroffen worden ist. Die Nieren sind meistens von ziemlich normaler Größe; ihre Konsistenz ist etwas wechselnd. Die Kapsel habe ich nicht selten leicht adhärent gefunden. Die Schnittfläche ist blaß, oft mit einem deutlichen Stich ins Gelbe oder Braune. Die Kortikalis ist in meinen Fällen mitunter, besonders wenn die Größe der Niere nicht ganz die Norm erreichte, etwas schmal und die Streifung oft etwas undeutlich gewesen. Bei der mikroskopischen Untersuchung habe ich die landläufige Auffassung bestätigen können, daß eine degenerative Fettinfiltration des Epithels eine konstante Erscheinung ist. Doch findet sich das Fett nie in größerer Menge und in der Regel in Form Von ganz kleinen Kugeln, die nicht selten so winzig sind, daß sie nicht deutlich als gesonderte Partikelchen hervortreten. Auch andere Zeichen einer Epitheldegeneration kommen vor. Hämosiderose habe ich in allen Fällen, jedoch meistenteils spärlich gefunden. Die Prädilektions- stelle der Hämosiderinablagerung scheinen die Tubuli contorti darzustellen. Glomeruläre Veränderungen treten wenig hervor, ebenso Gefäß Veränderungen. Dagegen ist das Bindegewebe in allen Fällen vermehrt (vgl. S. 233). 238 0. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Schließlich gestatte ich mir, zwei von den 11 Fällen zu erwähnen, die ich einer eingehenden Betrachtung unterworfen habe. In dem einen hatten wir es mit einer Zystenniere und in derselben Niere mit einem kleinen Adenom in der Nierenrinde zu tun. In dem zweiten Fall wurden schon bei der makro- skopischen Untersuchung in der einen Niere eine Anzahl kleiner tumor ähnlicher Gebilde beobachtet. Beim Mikroskopieren zeigte es sich, daß diese zum Teil aus einem lipomatösen Gewebe, zum Teil aus einem an die Rinde der Neben- niere oder vielleicht richtiger an das Hypernephrom erinnernden und die übrigen und meisten aus einem Gewebe bestanden, welches sie am ehesten als Sarkome oder Fibrosarkome kennzeichnete. In demselben Fall wurden ferner eine Anzahl Divertikel in der Harnblase, eines von ihnen im untersten Teil des Ligamentum umbiücale medium angetroffen. Pas Nierenbecken, die Ureteren und die Harnblase zeigen, von gelegentlich vorkommenden Ekchymosen abgesehen, keine nennenswerten pathologischen Veränderungen . Über pathologische Veränderungen in der Schilddrüse, dem Thymus, den Geschlechtsdrüsen und der Hypophyse habe ich keine Angaben gesehen. Die Nebennieren sind im hiesigen pathologischen Institut auf Schaumans Veranlassung soeben Gegenstand eingehender Untersuchung (Roos). Diese ist noch nicht abgeschlossen, aber Roos macht mir folgende vorläufige Mit- teilung: ,,In den 10 Fällen, wo ich die Lipoide untersucht habe, sind diese in hohem Grade, ja oft aufs äußerste reduziert gewesen. Die Menge chromaffiner Substanz hat sich ebenfalls herabgesetzt gezeigt. Außer diesen Veränderungen haben die Nebennieren andere von wechselnder Natur und oft sehr hochgradige erkennen lassen." Diese Resultate stimmen der Hauptsache nach mit denen überein, zu welchen Landau in 1, Fex in 2 Fällen von perniziöser Anämie ge- kommen sind. Die anatomischen Veränderungen im Verdauungsapparat haben nach denjenigen in den blutbildenden Organen das Hauptinteresse der Forscher auf sich gezogen. Das makroskopische Aussehen der Zunge ist schon oben (S. 181) beschrieben worden. Bei der mikroskopischen Untersuchung hat W. Hunter entzünd- liche Veränderungen bald akuter oder subakuter, bald mehr chronischer Natur nebst degenerativen und atrophischen Prozessen nachgewiesen. In einigen Fällen mit Epitheldefekten sah er Streptokokken im Zungengewebe, und später beschrieb er entzündliche Erscheinungen in den Nerven der Zunge, die nach seiner Ansicht neurotrophische Störungen in der Zungenmuskulatur hervor- gerufen haben. Hunt er s Bakterienbefund ist von anderen Forschern nicht bestätigt worden (Matthes). Dagegen werden eine sub epitheliale Entzündung (Zimmer- mann) sowie atrophische Prozesse im Epithel und auch im Bindegewebe erwähnt (A. Faber, Zimmermann, Sackheim). Hinsichtlich des Magens scheint die allgemeine Auffassung die zu sein, daß die Schleimhaut in der Mehrzahl der Fälle entzündliche und atrophische Veränderungen zeigt (Fenwick, Nothnagel, Hanse mann, Faber, Ewald, Herzberg, Gömar, Möller [Bothrioc. an.]). Nach Naegeli wird aber eine Atrophie vermißt, und Weinberg glaubt, oft eine Gastritis ausschließen zu können. In der älteren Literatur wird über allerlei entzündliche sowie atrophi- Bche Prozesse im Darm berichtet. Besonders die Darmatrophie galt lange Zeit als ein typischer Befund bei unserer Krankheit. Gegen diese Auffassung Pathologische Anatomie: Verdauungsapparat, Herz. 239 traten Faber und Bloch um die Jahrhundertwende auf. Die Veränderungen, welche die Annahme einer Atrophie bzw. Entzündung veranlaßt hatten, werden von ihnen als Leichenerscheinungen aufgefaßt. Wenn man solche nach Möglich- keit zu vermeiden sucht, z. B. durch Injektion von Formollösung in die Bauch- höhle kurz nach dem Tod, gelingt es meistens, einen normalen Darm zu finden: keine Atrophie, kein Rundzelleninfiltrat , keine Anschwellung der Lymph- follikel. Über ähnliche Befunde berichten Boekelmann und.Martius. Aber auch gegen die von Faber und Bloch vertretene Auffassung sind Stimmen laut geworden (Ewald, Hansemann, Pappenheim, Strauß, Mosse, Berger und Tzuchiya). Auf Schaumans Veranlassung hat I. Wallgren im hiesigen pathologischen Institut eine systematische Untersuchung der anatomischen Veränderungen im Verdauungskanal in 16 Fällen perniziöser Anämie, darunter 2 mit Bothrio- zephalus, unternommen. Aus dieser mit großer Sorgfalt ausgeführten Arbeit sei folgendes erwähnt: In der Schleimhaut der Zunge, des Ösophagus und des Magensacks kommen entzünd- liche Prozesse in sämtlichen Fällen, in der Schleimhaut des Dünndarms wenigstens in 75°/0 und in der des Dickdarms wenigstens in 40 °/0 der Fälle vor. Außer der Rundzelleniniiltration, die das sicherste Zeichen eines entzündlichen Prozesses ist, werden in allen Teilen des Digestionskanals oft degenerative Veränderungen des Epithels angetroffen. Intensive entzündliche Prozesse oder Epitheldefekte an der Zunge wie die von Hunter beschriebenen hat Wallgren nicht gesehen. Nur in einem Fall bestand eine Bakterien- invasion in die Gewebe. Besonders erwähnenswert ist die schwache Entwicklung der Papulae filiformes und fungiformes. Oft sind sie fast völlig vernichtet. Die primären Binde- gewebspapillen sind hier zu niedrigen, flachen Gebilden reduziert, die kaum merkbar über die Zungenoberfläche hinausragen. Die sekundären Bindegewebszapfen sind in sämtlichen Fällen kürzer, stumpfer und breiter als in den Kontrollpräparaten. Ähnliche Veränderungen konnten auch im Ösophagus nachgewiesen werden. Das Epithel der Zunge und der Speise- röhre ist oft niedriger als normal und zeigt nicht selten an der Zunge eine mangelhafte Verhornung. Im Magen ist die Schleimhaut gewöhnlich verdünnt. Im Dünn- und Dickdarm sind die Veränderungen nicht so ausgeprägt wie in den oberen Teilen des Verdauungskanals. In einigen Fällen sah Wallgren auffallende Eigen- tümlichkeiten im Epithel. Die Zellen, die die Zotten oder im Kolon die Oberfläche der Schleimhaut zwischen den Darmkrypten bekleiden, waren niedriger als normal und führten bisweilen abnorm große Kerne. In einem Fall fand er mehrere Kerne in derselben Zelle. Ein Kutikularsaum war in den Fällen, wo die Veränderungen unbedeutend waren, sichtbar, aber fehlte sogar, wenn das Epithel in höherem Grade verändert war. Eine eigentliche Atrophie der Darmschleimhaut hat er nicht feststellen können. Sehr auffallend ist die Bindegewebs Vermehrung, die schon oben bei der Besprechung der zirrhotischen Prozesse Erwähnung gefunden hat (siehe S. 233). Das Bindegewebe ist locker, dabei feinfaseriger und dichter als normal. Viele Umstände scheinen darauf zu deuten, daß die Veränderungen im Verdauungs- kanal wenigstens zum Teil auf eine Minderwertigkeit der Schleimhaut zurückgeführt werden können (Wallgren). Das Herz ist nach den meisten Beschreibungen von normaler Größe oder etwas kleiner. Kraus fand indessen in der Mehrzahl seiner Fälle eine Herz- vergrößerung, und schon Eichhorst spricht Von einer leichten Hypertrophie. Daß die Vergrößerung des Herzens, die in den meisten Fällen bei der klinischen Untersuchung nachweisbar ist, zum nicht geringen Teil auf einer Dilatation beruht, ist wohl wahrscheinlich. Eine Dilatation des Herzens, das meistens von ziemlich schlaffer Konsistenz ist, läßt sich auch auf dem Sektionstisch feststellen. Aber die Herzgewichte, die ich bei den Obduktionen gefunden habe, sprechen dafür, daß in zahlreichen Fällen eine wirkliche Substanzvermehrung vorliegt. In 21 unserer Obduktionsfälle ist das Herz gewogen worden, und die diesbezüglichen Resultate sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt: 240 0. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Gewicht Zahl Gewicht Zahl des Herzens der Fälle des Herzens der Fälle 225 g 1 400-450 g 2 250—300 g 3 450—500 g 5 300—350 g 6 590 g 1 350—400 g 3 Der auffallendste und für die perniziöse Anämie besonders kennzeichnende Herzbefund ist jedoch die Fettdegeneration im Myokard. Sie ist am stärksten in der linken Kammer ausgeprägt, und namentlich die Papülarmuskeln pflegen eine prägnante gelbe, wellige Streifung, die bekannte Tigrierung, aufzuweisen. Nur ausnahmsweise fehlt eine deutliche Fettdegeneration. Das Endokard und die Klappen sind, von gelegentlichen Ekchymosen ab- gesehen, so gut wie immer normal, gleichviel ob im Leben Herzgeräusche be- obachtet worden sind oder nicht. Die Gefäße zeigen, abgesehen von einer Verfettung der kleineren Arterien und Kapillaren, keine besonderen Veränderungen. Die Lungen sind auffallend blaß und blutarm, bieten aber sonst kaum etwas von größerem Interesse. Mitunter sind Zeichen abgelaufener tuber- kulöser Prozesse von geringem Umfang anzutreffen. Sehr selten sind die tuber- kulösen Veränderungen von der Art und der Ausdehnung, daß man versucht wäre, einen direkten ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tuberkulose und der perniziösen Anämie in Erwägung zu ziehen. Die subpleuralen Ekchymosen wurden bereits erwähnt. Kleinere Trans- sudate kommen ab und zu in den Pleurahöhlen vor. Eichhorst hat die Flüssig- keit in einigen Fällen leicht blutrot und einmal deutlich ikterisch gefunden. Die während des Lebens oft auftretenden Symptome von seiten des Nerven- systems lassen anatomische Veränderungen daselbst erwarten. Solche sind auch im Gehirn und Rückenmark sowie in deren Häuten, aber nur ausnahms- weise in den peripheren Nerven beobachtet worden. Teils bestehen diese Veränderungen in zerstreuten kleinen Blutungen vor allem in den Meningen, aber auch in der Hirn- und, wenngleich weniger oft, in der Rückenmarkssubstanz, Blutungen, die sicher die allgemeine hämorrhagische Diathese , welche die perniziöse Anämie begleitet , zum Ausdruck bringen. Teils werden sie von über das ganze zentrale Nervensystem zerstreuten kleinen degenerativen Herden, nicht selten mit sekundärer Gliaproliferation gebildet. Diese treten stets im Anschluß an ein kleines Gefäß und anscheinend mit Vor- liebe in der weißen Substanz des Rückenmarks und da meist in den Hinter- strängen auf. Sie scheinen nicht Folgen von Blutungen zu sein, sondern werden im allgemeinen mit einer Gift Wirkung in Verbindung gebracht. Im Anschluß an diese Herde hat man sekundäre Degenerationen in den Nervenbahnen beobachtet. Außerdem kommen zerstreute degenerative Veränderungen banaler Art in dem zentralen Nervensystem vor, wie wir sie in allen anderen Organen haben auftreten sehen. L. Wesen und Pathogenese. Aus der obigen Schilderung der perniziösen Anämie dürfte mit wünschens- werter Deutlichkeil hervorgehen, daß wir trotz aller Mühe, die auf die Erforschung der Krankheit verwandt worden ist und trotz dem Wissen, das sich uns dabei angesammelt hat . noch sehr' mangelhaft über ihre Ursachen und ihre Entstehungs- weise onterrichtei Bind. Wenn wir aber auoh in vielen Hinsichten bloß auf mehr oder weniger wahrscheinliche Vermutungen angewiesen sind, dürfte eine Wesen und Pathogenese. 241 Zusammenfassung unserer Auffassung von dem Wesen und der Genesis der Krankheit hier doch gerechtfertigt sein. Alle sind darüber einig, daß die perniziöse Anämie mit größter Wahrschein- lichkeit durch eine Gift Wirkung, eine Intoxikation, entsteht, wenn auch das Gift vorderhand nicht bekannt ist. Diese Gifthypothese stützt sich in erster Linie auf die Beobachtungen bei den experimentellen Giftanämien. Seitdem Silber mann 1886 über seine dies- bezüglichen Erfahrungen berichtete, haben eine Menge Forscher (W. Hunter, Stadelmann, Bignami und Dionisi, Battistini und Rovere, vonVoß, Tallqvist, Domarus, Handrick, Pappenheim und seine Mitarbeiter u. a.) die Wirkungen Verschiedener Blutgifte untersucht und dabei gefunden, daß gewisse Gifte anämische Zustände hervorrufen, die viele und bedeutungsvolle Berührungspunkte mit der perniziösen Anämie aufweisen. Für die Gifthypothese kann weiter angeführt werden, daß, wie wir gesehen haben, die perniziöse Anämie mitunter im Anschluß an eine Bot hriozephalus - infektion oder ausnahmsweise an eine Gravidität oder Lues auftreten kann. In allen drei Fällen liegt es ja nahe, mit dem Vorhandensein eines toxischen Stoffes zu rechnen. Ja, nach Schauman kann die Bot hriozephalus -Anämie mit vollem Recht als Paradigma einer wahren Giftanämie dienen. Im Zusammen- hang mit der Bot hriozephalus -Anämie Verdient noch Erwähnung, wie zahl- reiche Autoren mit Rücksicht auf die oft Vorkommenden Störungen in den Funktionen des Verdauungsapparates (Achylie, rezidivierende bzw. andauernde Diarrhöen, Darmstrikturen usw.) auch in den kryptogenetischen Fällen die Resorption irgendeines Giftstoffes vom Darm aus in Betracht ziehen. Daß eine Menge Bakteriengifte schwere anämische Zustände, wenn auch in der Regel anderer Art als die perniziöse Anämie, verursachen können, ist eine bekannte Tatsache, die hier im Vorbeigehen angemerkt sei. Eine Anzahl Symptome, die bei der perniziösen Anämie auftreten, erhalten durch die Annahme einer Intoxikation auf die einfachste Weise ihre Erklärung. Hierher gehören der gesteigerte Zerfall roter Blutkörperchen und die Hämo- siderose in inneren Organen, das Fieber, der zeitweise zu beobachtende oder gesteigerte Eiweißzerfall, die hämorrhagische Diathese, die degenerative Fett- infiltration in Herz, Leber und Nieren, die Degenerationsherde im Rücken- mark usw. Wie oben hervorgehoben wurde, sind jedoch das Vermutliche Gift oder die Vermutlichen Gifte nicht bekannt. Der Versuch Tallqvists, das wirksame Gift in dem breiten Bandwurm nachzuweisen, ist nicht gelungen. Ebensowenig hat bisher Seyderhelms Bothriozephalin die Probe endgültig bestanden, und dasselbe gilt vorläufig Von seinen Kolitoxinen. Recht zahlreiche Versuche sind Vorgenommen worden, um dem „Perniziosagift" und vor allem dem Bothrio- zephalustoxin auf indirektem Wege auf die Spur zu kommen. Aber weder die Untersuchungen mit der Präzipitinreaktion (Isaac und van den Velden sowie Tallqvist) noch die mit Hilfe der Konglutinationsmethode (Becker), der Komplement bindungsreaktion (Meyer, Jerlow, Becker) oder der Sachs - Georgi-Reaktion (Becker) haben Resultate geliefert, die in der einen oder anderen Richtung entscheidend wären. Wenn wir auch triftige Gründe haben, an die toxische Natur der perniziösen Anämie zu glauben, gestattet uns unsere sichtlich mangelhafte Kenntnis in den hierher gehörigen Fragen doch nicht zu behaupten, daß der toxisch wirkende Stoff, der die Krankheit zunächst auslöst, mit Notwendigkeit ein von außen kommendes Gift wäre. Bei der Bot hriozephalus -Anämie hebt Queckenstedt die Möglichkeit hervor, daß es nicht der breite Bandwurm selbst sei, der die blutschädigenden Gifte enthält oder erzeugt, sondern daß durch seinen Ein- Blutkrankheiten. II. 16 242 O. Schauman und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. fluß der komplexe Chemismus des Körpers Änderungen erleide, die einer Gift- wirkung gleichkommen. Dieser Gedanke hat Schauman viel beschäftigt und sicher dazu beigetragen, daß seine Aufmerksamkeit auf das endokrine System als Produktionsort des schließlichen „Giftes" gelenkt wurde. Wir werden bald auf diese Frage zurückkommen, vorher aber wollen wir etwas bei dem Problem verweilen, wie das Gift, ohne Rücksicht darauf, woher es kommt und wo es gebildet wird, seine Wirkung entfaltet. Rein theoretisch können wir uns denken, daß die Anämie entweder durch eine gesteigerte Zerstörung roter Blutkörperchen oder durch eine mangelhafte oder fehlerhafte Blutkörperchenneubildung oder schließlich durch ein Zusammen- wirken beider Störungen entstehe. Daß wir es durchgehends gleichzeitig mit einem gesteigerten Zerfall und einer herabgesetzten Neubildung zu tun hätten, ist fast undenkbar. Denn wenn das der Fall wäre, müßte eine perniziöse Anämie in der Regel unauf- haltsam und zwar binnen ziemlich kurzer Zeit zum Tode führen, was aber bekanntlich meistens nicht zutrifft. Dagegen dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß ein gegenüber der Norm gesteigerter Untergang Von roten Blutkörperchen wenigstens zeitweise statt- findet. Die Blutkörperchentrümmer, die blutkörperchen- und pigmenthaltigen Phagozyten, die Siderose, die subikterischen Erscheinungen, namentlich die durch Anwesenheit Von Gallenfarbstoff hervorgerufene gelbe Farbe des Blut- serums, die gesteigerte Urobilinogen- bzw. Urobilinausscheidung bezeugen es, und, was besonders hervorzuheben ist, diese Erscheinungen treten meistens am stärksten hervor während Perioden der Verschlimmerung des Allgemein- befindens und des Blutstatus. Doch sollte man nicht glauben, die Blutkörperchen- zerstörung sei durchgehends in so hohem Grade gesteigert, wie man sich vieler- orts vorstellt (vgl. Naegeli). Ebensowenig kann man bezweifeln, daß während längerer Zeiträume eine gesteigerte Neubildung Von roten Blutkörperchen vor sich geht. Hierfür spricht die in großem Umfang erfolgende Umwandlung Von gelbem Fett mark in rotes, funktionierendes Knochenmark; ebenso das Auftreten von kernhaltigen roten Blutkörperchen und anderen jugendlichen Zellformen in dem zirkulierenden Blut und nicht zuletzt die schnelle Vermehrung der Erythrozyten, die bei beginnender Remission nicht selten zu beobachten ist. Daß diese Neubildung auf die Dauer nicht genügt, um den Zerfall aufzuwiegen, ergibt sich aus dem im großen und ganzen trotz dazwischenkommender Remissionen progressiven Charakter der Krankheit. Wir haben also auf alle Fälle eine relative Knochen- marksinsuffizienz vor uns. Indessen ist nicht die Möglichkeit zu leugnen, daß die Blutkörperchenneubildung zeitweise nicht nur ungenügend im Verhältnis zu dem Zerfall, sondern gegenüber der Norm sogar verzögert ist. Eine solche „Ermüdung" des Knochenmarks und der ebenda wirkenden kompensatorischen Kräfte findet z. B. während der letzten, zum Tode führenden Verschlimmerung, nach dem Blutbefund zu urteilen, mitunter statt. Ob die erhöhte Blutkörperchenzerstörung oder die abwegige Tätigkeit des Knochenmarks den bestimmenden Einfluß auf den Verlauf der perniziösen Anämie ausübt, kann leider nicht als festgestellt erachtet werden. Darüber, daß der Blutkörperchenzerfall toxischen Ursprungs ist, dürften die meisten einig sein, obgleich der nähere Mechanismus und besonders die Rolle der Milz bei diesem Prozeß nicht endgültig klargelegt ist. Hingegen Bind die regenerativen Prozesse auf Verschiedene Weise erklärt worden. In ihnen mir eine Reaktion gegen <\vn Blutkörperchen- bzw. Hämoglobinmangel zu sehen, Lsi jedoch kaum mehr tunlich. Wir kennen sowohl aus der mensch- lichen als ans der experhnenl eilen Pathologie Beispiele hochgradigen Blut- Wesen und Pathogenese. 243 körperchenzerfalls, ohne daß die Regeneration dieselbe bemerkenswerte megalo- blastische und megalozytische Form annimmt wie bei der perniziösen Anämie. Wir wissen außerdem von den experimentellen Blutgift anämien her, daß eine gesteigerte Erythropoese bei geeigneter Posierung des Giftes einsetzen kann ohne vorhergehende Herabsetzung des Hämoglobingehalts oder der Zahl der roten Blutkörperchen. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, daß das vermutete Perniziosagift die blutbildenden Organe, vor allem das Knochenmark, direkt beeinflußt und dort den charakteristischen Regenerationsprozeß auslöst. Die abwegige Tätigkeit des Knochenmarkes würde demnach beim Entstehen des spezifischen perniziös -anämischen Symptomenkomplexes die führende Rolle spielen. Pas fragliche Gift würde also sowohl eine erythrozytotoxische als eine myelo- toxische Wirkung ausüben. Von diesen wäre jene ihrer Natur nach destruktiv, diese dagegen regenerativ, doch resultierend in einem ausgeprägt pathologischen, wenn auch vielleicht unter den gegebenen Verhältnissen sozusagen zweckmäßigen Regenerationstypus . Wäre auch festgestellt, daß die perniziöse Anämie eine Giftanämie ist, bei der der Hämoglobin- und Blutkörperchenmangel zunächst auf den erythro - zytotoxischen Wirkungen des Giftes, die spezifischen Eigenschaften der Anämie, besonders das charakteristische Blutbild, auf seinen myelotoxischen Wirkungen mit oder ohne Mitwirkung einer speziellen Beschaffenheit des Knochenmarks beruhen, und daß der jeweilige Zustand von dem quantitativen Verhältnis dieser beiden Faktoren abhängt, so wäre das Wesen und die Genesis der Krank- heit damit noch lange nicht klargelegt. Wir haben Anlaß zu der Vermutung, daß das oder die exogenen Gifte, die die Anämie auslösen, recht allgemein Vorkommen und mithin nur ausnahmsweise die in Rede stehende Krankheit hervorrufen. Am klarsten liegen die Verhältnisse bei der perniziösen Bothrio- zephalus-Anämie. Unter der Masse der Bothriozephalusträger erkrankt nur ein geringer Bruchteil an der Anämie. Indessen haben wir schwerwiegende Gründe anzunehmen, daß die Mehrzahl der Bothriozephalen, gleichviel ob sie eine Anämie erzeugen oder nicht, mit ungefähr denselben anämisierenden Eigenschaften ausgerüstet sind und daß der Stoff, an den diese gebunden sind, sich frei im Darme oder sogar im Blute auch in allen den Fällen vorfindet, wo keine perniziöse Anämie entsteht. Es liegt nahe, zu Vermuten, daß ähnliche Verhältnisse auch in der kryptogenetischen Form der perniziösen Anämie herrschen. Zur Erklärung dieser auffallenden Tatsache wäre es am ein- fachsten, die Konstitution oder sagen wir die individuelle Reaktionsfähigkeit des Organismus gegen das Gift heranzuziehen. In der Tat ist dies der Aus- gangspunkt von Schaumans Gedanken und Forschungen über die Bedeutung des konstitutionellen Moments bei der Entstehung der perniziösen Anämie gewesen. Daß andere, wie Immermann, Runeberg und Laache, sich schon vor Sc hau man, wenn auch auf anderer Grundlage, denselben Gedanken zu eigen gemacht haben, ist früher hervorgehoben worden. Es ist klar, daß Schauman auf Verschiedenen Wegen danach strebte, eine Stütze für seine Annahme zu finden. So gelang es ihm, in zahlreichen Fällen das familiäre Vorkommen der Krankheit nachzuweisen. Auch aus der Literatur konnte er mehrere hierher gehörige Fälle sammeln, und nachdem er durch seine Mitteilungen die allgemeine Aufmerksamkeit auf die vorliegende Frage gelenkt, sind mehrere interessante Beobachtungen veröffentlicht worden, von denen ich besonders die Von Meulengracht, Mustelin und Pecastello unterstreichen will. Es ist daher nicht mehr berechtigt, das familiäre Auftreten der perniziösen Anämie als eine Seltenheit zu betrachten. Vielmehr hat man Veranlassung, hereditären Einflüssen eine sehr bedeutende Rolle in der Patho- 16* 244 O. Schauman und F. Salt z man: Die perniziöse Anämie. genese der Krankheit zuzuschreiben. Ja, man hat allen Grund, zu vermuten, daß sich solche Einflüsse auch in vielen (vielleicht in allen?) Fällen geltend machen, wo man sie nicht durch den Nachweis eines familiären Auftretens direkt dokumentieren kann. Wie oft sehen wir nicht auf anderen Gebieten, daß eine Krankheit, die nach allgemeiner Ansicht auf hereditärer Grundlage beruht, in einzelnen Fällen auftritt! Außer dem familiären Auftreten der Krankheit können noch andere Befunde aus der Familiengeschichte der Kranken als Stütze für die Bedeutung des konstitutionellen Momentes angeführt werden. Ich Verweise auf Schaumans Befund Von psychischen und nervösen Abnormitäten, von Alkoholismus, Von Tuberkulose u. a. in der Familie der Kranken. Wenn die Auffassung, daß sich die perniziöse Anämie auf dem Boden gewisser konstitutioneller Anomalien entwickelt, Grund für sich haben sollte, könnte man erwarten, daß diese Anomalien sich irgendwie in dem Bild widerspiegelten, das wir bei der objektiven Untersuchung Von dem Kranken erhalten. Fragen wir uns aber, was das Kennzeichnende ist für die Körperkonstitution der Leute, die Von dem uns beschäftigenden Leiden befallen werden, so bleiben wir immer noch im großen und ganzen die Antwort schuldig. In Verfolgung dieses Gedanken- gangs hat jedoch Schauman, wie wir sahen, gestützt auf eine Fülle inter- essanter Beobachtungen, nachdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, daß das konstitutionelle Moment im Knochenmark sowie in den endokrinen Organen und dabei vielleicht vor allem in den Nebennieren verankert sei. Auch R. Seyderhelm, der das wirksame Gift bei der Botriozephalus- Anämie sowie bei den meisten sog. kryptogenetischen Perniziosaf allen gefunden haben will, meint, daß diese sehr allgemein vorkommenden Gifte nur beim Vor- handensein einer bestimmten Körperverfassung ihre krankheitserzeugende Wir- kung entfalten können. Diese Körper Verfassung käme aber in einer abnormen Durchlässigkeit der Darmwand und nicht in einer abnormen Reaktionsart des Knochenmarks bzw. anderer innerer Organe zum Ausdruck. Die Befunde, die I. Wallgren im Darm an perniziöser Anämie Gestorbener erheben konnte, gewähren vielleicht der Auffassung Seyderhelms eine gewisse Stütze. Wie diese Auffassung mit den Ergebnissen der Untersuchungen Beckers und Ragozas über das Blutbild der Botriozephalusträger (S. 133) in Einklang gebracht werden kann, bleibt aber noch abzuwarten. Gegen die Auffassung, die die wichtigste Bedingung für die Entstehung der perniziösen Anämie in einer ererbten Anlage erblickt, ist u. a. angeführt worden, daß die Krankheit während der früheren Kindheit so außerordentlich selten ist und erst bei höherem Alter häufiger zur Entwicklung kommt, und daß sie auch nicht, wie manche durch eine endogene Anlage bedingten Krankheiten, während einer begrenzten Periode der Entwicklung des menschlichen Organismus auftritt. Ich kann die Berechtigung dieses Einwandes nicht anerkennen. Wenn die Krankheit sich in der Regel schon während der Kindheit offenbarte oder wenn sie uns, sagen wir nur im Pubertätsalter heimsuchte, so könnte dies natürlicherweise dafür sprechen, daß ein endogenes Moment bei ihrer Entstehung eine wichtige Rolle spielte. Diesen Satz umkehren zu wollen, scheint mir aber nicht richtig. Wir kennen eine Menge Krankheiten und andere Abweichungen von der Norm, die als ihrem Ursprung nach ganz oder teilweise endogen zu betrachten sein dürften und die trotzdem entweder eine an die perniziöse Anämie erinnernde Verteilung auf verschiedene Altersstufen zeigen (z. B. Diabetes mellitus) oder noch aus- ber als diese nicht während der Kindheit auftreten, sondern erst später, in manchen Fällen ersi bedeutend Bpäter (vorzeitig ergrauendes Haar, gewisse Formen von Arterio- sklerose bzw. Hypertonie, Gicht usw.), und zwar ohne auf eine physiologisch streng begrenzte Altersklasse beecnränki zu sein. Wir müssen hier selbstverständlich, im Sinne der modernen Erblichkeitelehre, einen bestimmten Unterschied machen zwischen der ererbten Anläse, dir natürlicherweise schon bei «Irr Geburt des Individuums vorhanden gewesen ist, und der Krankheit, die rieh ersi spater auf der Basis dieser Anlage einwickelt hat1). l) Meulengrach.1 hat in seiner letzten, wahrend des Druckes dieser Arbeil erschienenen Veröffentlichung diese Frage in einleuchtender Weise erörtert. Wesen und Pathogenese. 245 Ich kann diesen Abschnitt nicht besser abschließen als mit folgenden Worten, in denen Schau man seine Ansicht über die Natur der perniziösen Anämie zusammenfaßt : „Konstitutionelle Anomalien, die sich wahrscheinlich sowohl auf die endo- krinen Organe wie auf das Knochenmark beziehen, geben den Boden ab, auf dem die perniziöse Anämie erwächst, während in den äußeren Schädlichkeiten, die ja in vielen Fällen vorkommen, lediglich auslösende Momente zu erblicken sind. Die individuellen Verschiedenheiten im Krankheitsbilde der perniziösen Anämie sind nicht nur in der wechselnden Beschaffenheit und Stärke dieser äußeren Reize begründet, sondern auch in der wechselnden Art der Konstitution. Wie Mart ius in vollster Übereinstimmung mit den Grundsätzen der modernen Erblichkeitslehre schon vor Jahren betont hat , ist die Gesamtkonstitution die Summe der Teilkonstitutionen. Bei ein und demselben Leiden ist sie keine einheitliche, sondern wechselt innerhalb recht weiter Grenzen. Es erscheint annehmbar, daß bei der perniziösen Anämie nur die Teilfaktoren, welche die Grundlage der eigenartigen Blutveränderungen bilden, in jedem Falle vor- handen sind, und außerdem, daß diese Faktoren aus inneren oder äußeren Gründen nicht immer eine gleich starke Wirkung ausüben können. Die letzt- genannte Vermutung wird dadurch nahegelegt, daß die zwei maßgebenden Momente bei dem Zustandekommen und der weiteren Entwicklung der Anämie, die fehlerhafte Blutbildung und die übermäßige Blutkörperchenzerstörung, in den Verschiedenen Fällen sehr verschiedener Stärke zu sein scheinen. Die Häufigkeit der übrigen Einzelfaktoren kann Von Fall zu Fall beträcht- lichen Schwankungen unterliegen. Ein Teil von ihnen — so der Faktor, von dem die Achylie abhängig ist — kommt einigermaßen regelmäßig vor, andere dagegen, wie jene, denen das Nierenleiden, die Rückenmarkssymptome, die psychischen Anomalien, die Herzhypertrophie, die abnorme Pigmentierung usw. entspringen, finden sich bloß in einer geringeren Anzahl von Fällen. Kurzum, eine Menge verschiedener Variationen und Kombinationen ist denkbar und kommt auch tatsächlich vor. So wird es auch verständlich, daß die Achylie nur in einem Teil der Fälle mit einer Anämie einhergeht und daß diese in einigen Fällen perniziöser Art ist, in anderen wiederum das Bild einer einfachen Anämie bietet. Auch die Beobachtung, daß perniziöse Anämie, Chlorose sowie Anämien vom „sekun- dären- ' Typus bei verschiedenen Mitgliedern derselben Familie zuweilen ange- troffen werden (Sc hau man), läßt sich unter Zugrundelegung der obigen Betrachtungsweise vielleicht erklären. Ob und inwieweit wirkliche Wechsel- beziehungen /.wischen gewissen Einzelfaktoren bei der perniziösen Anämie bestehen, bleibt abzuwarten. Trotz der hier angedeuteten Eigentümlichkeiten in der Natur der perni- ziösen Anämie scheint es nicht unangebracht, die perniziöse Anämie als eine Krankheit sui generis zu betrachten, und zwar im selben Sinne wie jedes andere Leiden, wn ein inneres Moment die Hauptbedingung für die Entstehung der Erkrankung darstellt und gewisse äußere Schädlichkeiten daneben mit im Spiele Bind." Literatur. Folgendes Literaturverzeichnis macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Absicht ist, die wichtigeren und die in obiger Darstellung berücksichtigten Veröffentlichungen zu verzeichnen. Mehrere der unten erwähnten Monographien enthalten ausführliche Literaturanga ben . Bei der Zusammenstellung dieses Literaturverzeichnisses ist mir Kollege Dr. E. Ruin in dankenswerter Weise behilflich gewesen. F. Saltzman. 246 O. Schau man und F. Saltzman: Die perniziöse Anämie. Größere Monographien und Handbücher. 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B. im Knochenmark so gut wie überhaupt keine kernhaltigen roten Blutkörperchen mehr im eigentlichen Markgewebe auffindbar sind. Vielleicht kommt auch bei manchen Leukämien noch eine toxische Komponente in Frage, indem Stoffe gebildet werden, welche eine hämolytische Anämie neben der Leukämie hervorrufen. Es hat sich nun gezeigt, daß auch der Erythroblastenapparat in eine ähnliche hyperplastische Wucherung geraten kann, wie der Leukoblasten- apparat bei den Leukämien. Man findet bei dieser selbständigen Erkrankung, die man am besten mit Türk als Erythrämie bezeichnet, im Blute eine Polyzythämie, verbunden mit einer deutlichen Vermehrung der ge- samtenBlutmenge und dabei das Knochenmark der kurzen Knochen sowie das der langen Röhrenknochen im Zustand einer starken Hyperplasie, in welchem es makroskopisch dem Mark bei der perniziösen Anämie ähnlich sieht. Diese Wucherung beruht teils auf einer gleichmäßigen Hyperplasie aller Elemente, teils nehmen die roten Blutkörperchen daran hervorragenden Anteil. Auch in der Milz hat man bereits bei dieser Erkrankung, wenn auch nur in geringem Grade, Erythropoese feststellen können. In den Lymphknoten, der Leber und anderen Organen wurden aber nur selten (Minot und Beckman, Petri) hämatopoetische Herde angetroffen. Gelegentlich kann auch bei der Eryth« rämie der Leukoblastenapparat in Mitleidenschaft gezogen werden. Dieses selbständige Krankheitsbild der Erythrämie, das in diesem Kapitel ausführlich besprochen werden soll, ist also im wesentlichen gekennzeichnet durch drei Kardinalsymptome: 1. eine Polyglobulie, 2. eine Vermehrung der gesamten Blut menge, eine Plethora vera, und 3. eine Hyperplasie des gesamten Knochenmarks mit vorzugsweiser Vermehrung der erythroblastischen Anteile desselben. Das Symptom der Polyzythämie (Polyglobulie, Hyperglobulie) trifft man aber auch sonst unter normalen und pathologischen Zuständen an, ohne daß eine Erythrämie besteht. Diese ,, symptomatischen Polyzythämien", die man nach 17* 260 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. dem Vorschlage von H. Hirschfeld als Erythrozytosen bezeichnet, womit die Analogie dieses Zustandes mit der Leukozytose gekennzeichnet sein soll, zerfallen in zwei Gruppen. Die sogenannten relativen Polyzythämien kommen dadurch zustande, daß eine Eindickung des Blutes stattgefunden hat. Sie können auch rein lokalen Charakter tragen, wie z. B. bei künstlicher Stauung oder entzündlichen lokalen Hyperämien. Bei den wahren Erythro- zytosen dagegen besteht keine Eindickung des Blutes, sie beruhen vielmehr auf einer wirklich vermehrten Neubildung roter Blutkörperchen im Knochen- mark, die ihre Ursache, ebenso wie die Leukozytose, in irgend einer bekannten Reiz Wirkung hat. Zum Teil sind diese wahren Erythrozytosen, wie z. B. die Höhenpolyglobulie, vorübergehender Natur. Unsere Kenntnisse von den Polyzythämien sind erst neueren Datums. Zu- sammenfassende Monographien über diese Krankheitsgruppe stammen von Senator, Parkes Weber, H. Hirschfeld, M. Mosse und Gaisböck. I. Erythrozytosen. Relative Polyzythämien sind beim Menschen nach starkem Schwitzen und heftigen Diarrhöen, wie z. B. bei Cholera beobachtet worden (bei Hyperemesis gravidarum von Devraigne). Auch die bei akuter gelber Leber- atrophie festgestellte Polyzythämie beruht wohl auf Bluteindickung Umber, Weigeldt), ebenso die Polyzythämie bei Pylorusstenose bei stark verminderter Flüssigkeitsauf nähme. Da in diesen Fällen ein Wasserverlust des Blutes statt- findet, ist die Gesamtblutmenge vermindert, es besteht eine Oligämie. Viel- leicht beruht auch die von einigen Seiten in den Tropen festgestellte, aller- dings geringgradige Polyzythämie auf der vermehrten Wasserabgabe. Lokale Polyzythämien kommen bei regionären Stauungen vor; z. B. wird eine Poly- zythämie der oberen Körperhälfte bei Kompression der Vena cava superior beobachtet. Auch ist behauptet worden, daß bei Hemiplegien auf der gelähmten Körperhälfte höhere Erythrozytenzahlen im Blute gezählt werden als auf der gesunden Seite (Toeniessen). Wahre symptomatische Polyzythämien oder Erythrozytosen kommen sowohl unter physiologischen wie pathologischen Verhältnissen vor. Neugeborene haben oft hohe Blutkörperchenzahlen (die Angaben der ver- schiedenen Autoren schwanken zwischen 5368000 und 6291 150, der Hb- Gehalt wurde bis auf 119% erhöht gefunden), die erst allmählich zurückgehen. Der be- kannte Ikterus neonatorum wird von manchen Autoren durch den starken Blutkörperchen zerfall in solchen Fällen erklärt. Nach Hammer, Kirch und Schlesinger kommen auch bei Greisen abnorm hohe Erythrozytenwerte vor. Von Interesse ist die Angabe von Pölzl, daß man in der prämenstruellen Phase gesunder Frauen oft Polyzythämie feststellen könne. Nach Vierordt besteht beim Murmeltier während des Winterschlafs Polyzythämie, nach Senator kann nach reichlichen Mahlzeiten eine Hyperglobulie Zustande- kommen. Von großer Wichtigkeit ist die beim Aufenthalt im Hochgebirge oder in verdünnter Luft auftretende Erythrozytose. Wohl alle Physiologen stimmen jetzt darin überein, daß dieselbe auf einer vermehrten Neubildung roter Blut- körperchen beruht. N. Znntz hat das Knochenmark seiner Versuchstiere im Höhenklima zellreicher gefunden als im Tiefland. Jaquet und Suter haben bei Kaninchen in Davos festgestellt, daß neben der Polyzythämie auch eine Vermehrung der Blutmenge entsteht. Da man auch beim Aufenthalt in ver- dünnter Luft (pneumatische Kammer) regelmäßig die Entstehung einer Erythrozytosen. 261 Erythrozytose beobachtet, führt man auch die Höhenpolyglobulie auf den Einfluß der verdünnten Luft zurück. Die verminderte Sauerstoff Spannung wirkt offenbar als Reiz auf die Blutbildungsorgane ein. Interessant sind die Versuche von Koränyi, der mit seinen Mitarbeitern fand, daß Sauerstoffeinatmung die im Höhenklima erhöhten Erythrozytenwerte herabsetzt. Neuerdings hat man auch bei Ballonfahrten und bei Fliegern (E. Meyer und Seyderhelm) Poly- zythämie gefunden. Auch die Kuhnsche Lungensaugmaske, welche die Atmung erschwert, bewirkt Sauerstoffmangel und führt zur Polyzythämie. Höchstwahrscheinlich beruhen auch die meisten pathologischenErythro- zytosen auf Sauerstoffmangel. Die Polyglobulien bei angeborenen und seltener bei erworbenen Herzfehlern, bei Stenosen der oberen Luftwege, bei Pneumo- thorax und bei Emphysem erklären sich anstandslos durch Sauerstoffmangel, ebenso die von Glaessner beschriebene Polyzythämie nach Lungenschüssen. In einem Falle von Pulmonalstenose haben Weber und Dorn er auch eine Vermehrung der Gesamtblutmenge festgestellt. Offenbar vermögen aber auch infektiöse und toxische Substanzen der mannigfachsten Natur die Neubildung der roten Blutkörperchen anzuregen und so zur Polyzythämie zu führen. G a i s b öc k fand bei Influenzaerkrankungen jugendlicher Individuen und bei Miliartuberkulose, Stäubli und da Costa bei Trichinose, Schneider bei Malaria, Türk und Cantley bei chronischer interstitieller Nephritis, Pappenheim bei Neurasthenie Polyzythämie. Eine Reihe bekannter Gifte vermögen gleichfalls Erythrozytosen hervorzurufen. Bei Phosphor- (Taussig), Kohlenoxyd-, Benzin- und anderen Vergiftungen hat man wiederholt Polyzythämie beobachtet. Bemerkenswerterweise ist aber gewöhnlich in diesen Fällen nur die Zahl der roten Blutkörperchen vermehrt, während die Hämoglobinwerte vermindert zu sein pflegen. Kleine Mengen löslicher Radiumsalze machen nach Butt und Latin er, offenbar durch Reiz - Wirkung auf das Mark Polyglobulie. Nach Gudzent und Halberstädter, sowie v. Noorden und Falta, wird auch bei Personen die berufsmäßig mit radioaktiven Stoffen zu tun haben, öfter Polyglobulie festgestellt. Diese Be- obachtungen sind bekanntlich schon therapeutisch verwertet worden. Nach längerem Gebrauch von Eisen und Arsen, durch Atoxyl und Tuberkulin , bei Antifebrin- und Kantharidin- und Nitrobenzolvergiftungen, nach Quecksilber, nach Einspritzung von Milzsaft sowie von Knochenmarkextrakt, nach Adrenalin, Koffein und Strophantus, ferner bei chronischem Alkoholismus (Tallquist) hat man Polyzythämien feststellen können. Es ist außer- ordentlich schwer, den Mechanismus der Entstehung dieser Polyzythämien aufzuklären. In einem Teil der Fälle kommt man sicher mit der Annahme am weitesten, daß die betreffenden Gifte das Hämoglobin schädigen und somit Sauerstoffhunger erzeugen, wie z. B. bei Nitrobenzol und Antifebrin, Phosphor, Kohlenoxyd und Benzin. Aber eine direkte Reizwirkung auf das Knochenmark ist nicht auszuschließen. So haben Hertz und Erlich festgestellt, daß kleine Dosen Toluylendiamin Kaninchen in Abständen von einigen Tagen, in Dosen von 0,01 bis 0,02 g pro Kilogramm Tier injiziert, eine deutliche Polyzythämie hervorrufen. So fanden sie in einem Falle in einem Zeitraum von 2 Wochen einen Anstieg von 5 500 000 auf 8 400 000 Erythrozyten. Da kleine Dosen dieses Giftes Erythrozytenzerfall hervorrufen, nehmen die Verfasser an, daß die Zerfallsprodukte derselben auf das Knochenmark reizend einwirken. Daß hämolytisch wirkende Substanzen Polyzythämie hervorrufen können, zeigte auch Cantacuzene durch Injektion kleinster Dosen von Hämolysin. Auch Antifebrin und Nitrobenzol wirken wohl in ihrer Eigenschaft als Blutgifte in kleinen Dosen anregend auf die Erythropoese. Manche Beobachtungen pathologischer Erythrozytosen sprechen dafür, daß eine Überkompensation nach 262 H. Hirse hfeld: Die Polyzythämie. Blutzerfall zur Polyglobulie führen kann, so ein Fall Pels von Polyglobulie bei paroxysmaler Hämoglobinurie, ein Fall Picks von Polyglobulie bei Hämo- philie, Albertis bei Skorbut, von Mosse u. a. bei hämolytischem Ikterus. Ganz anders ist wohl die Wirkung des Adrenalins, Koffeins, des Strophantins aufzufassen. Hier spielen wohl rein mechanische Momente, die am Herzen bzw. dem Blutdruck angreifen, eine Rolle. Nach Zondek vermag auch Thyreoidin in Gaben von 0,1 — 0,2 g eine allerdings nach etwa 2 Stunden wieder verschwindende Erythrozytose zu erzeugen. Man hat ferner bei einigen Erkrankungen der innersekretorischen Drüsen Hyperglobulie gelegentlich gesehen, so bei Addison (Rombach), bei Tetanie (Fr. Müller, Kuckein, Fleiner), bei eunuchoidem Fettwuchs (Guggen- heims, Falta) und bei Amenorrhoe. Die Pathogenese der Erythrozytosen ist also jedenfalls nicht einheitlich, und wir sind noch weit davon entfernt, für alle Formen derselben eine Erklärung zu haben. Die Hypothese, daß gewisse durch innere Sekretion gebildete Stoffe imstande sind, die Blutbildung anzuregen und auf diese Weise zu einer Polyglobulie zu führen, stützt sich auf tatsächliche Beobachtungen. Durch die interessanten Arbeiten von Carnot und Deflandre (Sur Pactivite hemopoetique du serum au cours de la regeneration du sang. Ac. des sciences, 27. August 1906 und 17. September 1906) ist nachgewiesen worden, daß sich im Blutserum durch Aderlässe anämisierter Tiere Substanzen nachweisen lassen, welche die Hämato- poese anregen. Das Serum eines Kaninchens, dem 24 Stunden vorher durch Aderlaß Blut entzogen ist, ruft bei einem anderen Kaninchen eine bedeutende Hyperglobulie hervor. Die genannten Autoren, ferner Sonneville und Minet, Delearde und Parquet, sowie Dufour erzielten bei einer Reihe sekundärer Anämien durch Injektion derartigen Serums zweifellos Erfolge. Sehr eingehend hat Gi belli diese Angaben experimentell nachgeprüft. Von 21 Versuchs- tieren konnte er bei 16 schon 24 Stunden nach der Einspritzung eines solchen aktiven Serums, von Tieren gewonnen, denen 24 Stunden vorher Blut ent- zogen worden war, eine Hyperglobulie, die in den nächsten 3—4 Tagen noch zunahm, hervorrufen. So konnte er bei einem jungen Hunde auf diese Weise die Zahl der roten Blutkörperchen von 5 600 000 innerhalb von 3 Tagen bis auf 10 250 000 bringen. In den ersten 6 Stunden nach einer solchen Injektion besteht eine Hyperleukozytose. Normales Serum bewirkt niemals eine Erythro- zytose. Bei vorher anämisierten Tieren ruft aktives Serum nur dann eine Vermehrung der Erythrozyten hervor, wenn zu einem Zeitpunkte eingespritzt wird, in welchem schon ein Regenerationsprozeß begonnen hat. Bemerkens- wert ist, daß das Serum vorher anämisierter, aber gleichzeitig infizierter Tiere keine Hyperglobulie hervorruft. Wir finden bei der Erythrämie und bei den meisten Erythrozytosen eine Plethora vera. Während in der alten Medizin das Krankheitsbild der Plethora eine große Rolle spielte, verschwand dieser Begriff aus der modernen Medizin unter dem Einflüsse Cohnheims so gut wie ganz. Dieser berühmte Pathologe bestritt die Möglichkeit, daß es eine dauernde Polyämie geben könne. Er stützte sich dabei besonders auf die experimentellen Feststellungen von er und Worm - Müller, die gezeigt hatten, daß eine künstlich bei Tieren hervorgerufene Plethora alsbald wieder verschwindet. Vogel, der zuerst den Begriff der Polyzythämie geprägt hat, unterschied bereits eine relative und eine absolute Polyzythämie und glaubte, daß letztere dann entstünde, wenn unter dem Einfluß einer sehr reichlichen Nahrung die Neubildung stärker ist als der Verbrauch der roten Blutkörperchen. Sehr energisch verfochten wurde auch die Ebdstenz einer wrahren Plethora durch v. Recklinghausen. Auch er glaubte, daß durch M\v reichliche Nahrungszufuhr wahre Vollblütigkeit Erythrämie: Vaquezsche Krankheit. 263 entstehen könne. Er stützt sich auf Sektionsbefunde, bei denen neben einer ungewöhnlich starken Hypertrophie des Herzens und einer sehr großen Weite der arteriellen und venösen Gefäße eine enorme Blutüberfüllung aller Organe festzustellen war, so daß nach dem Herausschneiden des Herzens das Blut wie aus einem nicht versiegenden Quell herausfloß. Trotz dieser vereinzelten Hinweise in der Literatur besaß aber der Krank- heitsbegriff der Plethora vera in der modernen Medizin kein Bürgerrecht. Erst seit der Mitteilung von Vaquez im Jahre 1892 über ein eigentümliches chroni- sches Krankheitsbild, welches durch Rötung der Haut und Schleimhäute, Milzschwellung und Polyzythämie gekennzeichnet war und als dessen Ursache schon Vaquez eine gesteigerte Tätigkeit der Blutbildungsorgane vermutete, setzte eine neue Ära der Forschungen auf diesem Gebiete ein. Alsbald folgten von verschiedenen Seiten Mitteilungen über Beobachtungen identischer Krank- heitsbilder, so von Cabot, Osler, Türk u. a. und man erkannte bald, daß es sich hier um ein neues selbständiges Krankheitsbild handelte, das die alte Plethora vera wieder zu Ehren bringen sollte. Wenn auch trotz zahlreicher klinischer und anatomischer Mitteilungen über diese interessante Krankheit bis zum heutigen Tage die Ätiologie des Leidens nicht geklärt ist, so sind wir doch über die klinische Symptomatologie und die pathologisch-anatomische Grundlage dieser Affektion gut unterrichtet. Man unterschied bis vor kurzem zwei Formen der Erythrämie, die Vaquez sehe Form, die durch einen großen Milztumor charakterisiert ist, und die Gaisböcksche Form, bei welcher der Milztumor fehlt bzw. klinisch nicht nachweisbar ist. Die Gaisböcksche Form ist vornehmlich durch den stark gesteigerten Blut- druck charakterisiert. Zwischen beiden Formen gibt es aber Übergangsbilder, so daß eine scharfe Scheidung nicht möglich ist. Neuerdings hat Mosse noch eine dritte Form aufgestellt, ausgezeichnet durch Urobilinikterus und Leber- zirrhose. IL Die Erythrämie. 1. Die Vaquezsche Polycythaemia megalosplenica oder Erythrämie. Symptomatologie. Die Krankheit ist vorwiegend bei Individuen im mittleren Lebensalter anzutreffen, sehr selten bei Kindern, bei Männern häufiger als bei Frauen1), und hat einen außerordentlich langsamen chronischen Verlauf und eine allmähliche Entwicklung. Die ersten Symptome sind in den meisten Fällen durchaus uncharakteristisch und gewöhnlich nervöser Natur. Schwäche- gefühl, Kopfschmerzen, unbestimmte Verdauungsstörungen sind die häufigsten Klagen, die man hört. Manche Patienten werden durch unangenehme Sensationen im linken Hypochondrium, verursacht durch den wachsenden Milz- tumor zum Arzt geführt. Häufig sind auch Klagen über Blutandrang nach dem Kopf, Schwindclanfälle und Blutungen der Haut oder der Schleimhäute. In einem großen Prozentsatz der Fälle besteht eine auffallende Veränderung der Farbe der Haut und der Schleimhäute, die von den Patienten bzw. ihren Angehörigen bemerkt wird und in einer starken Rötung besteht, die nur in einem l) Engelking hat neuerdings eine familiäre und hereditäre Form beschrieben. Groß- mutter und Mutter litten an Polyzythämie, und von den 13 Kindern der letzteren hatten 7 das Leiden. 4 Knaben und 3 Mädchen. Auch eine zweite Tochter der Großmutter und deren Kind litten daran. Weitere Beobachtungen über familiäres Auftreten des Leidens stammen von Curschmann, Doli und Rotschild, Gutzeit. 264 H. Hirse hfeld: Die Polyzythämie. Teil der Fälle einen zyanotischen Charakter hat. Meist handelt es sich um eine mehr hellrote Färbung, so daß die Patienten wie echauffiert aussehen. Mehr bläulich-rot sind oft Ohren, Lippen, Nase, Hände und Füße. Vielfach werden diese Kranken fälschlich für Trinker gehalten. Die Rötung erinnert am meisten an diejenige der Schamröte oder diejenige, die nach dem Riechen an Amylnitrit auftritt. Man bezeichnet sie deshalb auch als Rubor oder Erythrose (Senator). Gewöhnlich treten erst nach längerem Bestehen des Leidens die stark gefüllten Venen hervor, doch kann man gleichzeitig auch eine starke Füllung der Arterien feststellen. Der Grad der Rötung, die vor- wiegend im Gesicht , besonders an den Ohren und Wangen und der Nase, bisweilen aber auch an den Gelenken ausgesprochen ist, kann im Verlauf des Abb. 1. Vaquezsche Krankheit. Leidens wechseln. Seelische Erregung, Kälteeinwirkung können den Rubor der Haut stärker hervortreten lassen. Manche Patienten sollen schon von Jugend auf auffällig rote Gesichtsfarbe gehabt haben. In manchen Fällen wird eine Pigmentierung der Haut erwähnt, die höchstwahrscheinlich auf Residuen multipler kleinster Hautblutungen zurückzuführen ist, die auch schon mehr- fach beobachtet wurden. Die Schleimhäute zeigen eine purpur- bis kirsch- rote Farbe. Es gibt auch Fälle, in denen eine auffallende Farbenveränderung der Haut und der Schleimhäute fehlt. Einige Male klagten die Kranken sehr über lästige Schweiße. .Man findet sein oft eine starke und diffuse Hyperämie der Bindehaut beider Augen, die nach Ascher eine dunkle livide Färbung aufweist. Häufig ziehen von der Ohergangsfalte aus zahlreiche stark injizierte Gefäße in die Kon- jiinktiva des Augapfels, [nfolge der starken Erweiterung und Allfüllung der Chorioidea mit Blul zeigl die Sklera eine mehr bläuliche Färbung. Oft wird Erythrämie : Vaquezsche Krankheit. 265 Asthenopie beobachtet. Der Augenhintergrund ist nach Ascher direkt patho- gnomonisch, so daß er von einem Fundus polycythaemicus spricht. Aus der Papille treten die Zentralgefäße bis auf das Doppelte ihres Kalibers verbreitert und dunkelrot gefärbt fontänenartig hervor. Zahlreiche sonst nicht sichtbare Gefäße sind wahrzunehmen. Dadurch, daß diese Gefäße, die stark dilatiert und prall gefüllt sind, die Fasern des Sehnerven mechanisch auseinander- drängen, erzeugen sie das Bild einer Stauungspapille. Ebenso wie die beschriebene Veränderung der Farbe der Haut und der Schleimhäute beruht auch die Neigung zu Blutungen bei diesen Kranken auf einer zu starken Überfüllung des Gefäßsysteaas, welcher die Wandungen der kleinsten Gefäße nicht standzuhalten vermögen. Die Ursachen, welche für sonstige hämorrhagische Diathesen in Frage kommen, also Anomalien der Blutgerinnung und toxische Schädigung der Endothelien, spielen wohl für das Zustandekommen der multiplen Blutungen bei der Erythrämie keine Rolle. Am häufigsten sind Blutungen aus der Nase, seltener aus dem Magendarm - kanal und der Mund- und Rachenhöhle. Auch beim Einführen der Magensonde hat man Blutungen entstehen sehen. Ferner sind Haut-Lungen-Uterus-Ürethral- blutungen, schwere Magen- und Darmblutungen, Nierenblutungen, Blutungen in die Pleura- oder Peritonealhöhle und in die Milz, sowie endlich Hirnblutungen beobachtet worden. Gelegentlich können Blutungen nicht nur zu schweren Störungen führen, sondern auch zur Todesursache werden. Wiederholt sind Venenthrombosen beschrieben worden, wohl Folgeerschei- nungen der erhöhten Viskosität und der dadurch bedingten Zirkulations- störungen. Die Körpertemperatur, auf die allerdings nur in wenigen Fällen geachtet worden ist, schwankte in diesen Beobachtungen um 36 Grad herum. Sehr viele Patienten mit diesem Leiden werden ausdrücklich als stark abgemagert geschildert. Nur eine kleine Zahl hat denjenigen Habitus, den man als voll- blütigen bezeichnet. Gerade bei ausgesprochen fettsüchtigen Menschen scheint das Leiden selten vorzukommen. Auf die starke Überfüllung des Gefäßsystems, die sich bei der Untersuchung schon klinisch vielfach durch die starke Spannung der Blutgefäße bemerkbar macht, ist schon hingewiesen worden. Erhöhter Blutdruck kommt vor (v. Decastello 175 mm, Parkinson 170 mm). Doch ist der Blutdruck in vielen Fällen von Erythrämie mit Milztumor nicht erhöht Herzhypertrophien sind zwar beschrieben worden, aber keineswegs ein regel mäßiger Befund, ebensowenig arteriosklerotische Veränderungen an den Arterien Gerade bei sehr starken Polyzythämien können diese Veränderungen fehlen Von seiten der Atmungsorgane kommen häufiger Bronchitiden vor. Die Stimm bänder erschienen bisweilen im laryngoskopischen Bild als fleischrote Stränge; häufig wird Heiserkeit erwähnt. Daß Lungenblutungen vorkommen können, wurde bereits hervorgehoben. Häufig sind chronische Bronchitiden. Im Röntgenbild der Lungen zeigen die Lungengefäße infolge ihrer starken Füllung oft eine sehr deutliche Zeichnung (Golubinin, Rover, Plehn). Inkonstant sind auch die Symptome von seiten des Digestionsapparates. Dyspeptische Beschwerden aller Art, Diarrhöen, andererseits Verstopfungen werden beschrieben. Die Neigung zu Blutungen macht sich auch im Digestions- apparat bemerkbar und tödliche Magendarmblutungen sind vorgekommen. Die Milz steht durch ihre oft beträchtliche Vergrößerung im Vordergrund des klinischen Symptomenkomplexes und kann unter Umständen recht erheb- liche Besehwerden verursachen, besonders wenn sich perisplenitische Kompli- kationen hinzugesellen, wenn sich Infarkte entwickeln oder wenn die Dimen- sionen des Organs sehr beträchtliche werden. Wiederholt sind schwere Blutungen in das Milzparenchym mit tödlichem Ausgang vorgekommen. Der Milztumor 266 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. ist glatt, die normalen Milzkonturen sind erhalten, Schmerzhaft igkeit besteht nur bei Komplikationen. Gewöhnlich besteht schon ein deutlicher Milztumor, wenn die Patienten in ärztliche Beobachtung kommen. Doch gibt es Aus- nahmen; in einem Falle von Saundby bestand die Zyanose 10 Monate vor Auftreten des Milztumors. Die Größe der Milz kann im Verlauf des Leidens wechseln. Selbst völliges Verschwinden eines vorher vorhanden gewesenen Milztumors im Verlauf der Krankheit ohne therapeutische Maßnahmen ist beobachtet worden (Wein trau d). Eine Schwellung der Leber wird häufig erwähnt, kann aber auch fehlen. Der Urin verhält sich in vielen Fällen vollständig normal. Vielfach wird aber auch Eiweißgehalt und Befund von Zylindern berichtet. Der in einigen Fällen (Abeles, Gordon) erwähnte abnorm gesteigerte Eisengehalt sollte zu weiteren Untersuchungen nach dieser Richtung hin Veranlassung geben. Starke Urobilin- bzw. Urobilinogenausscheidungen werden von Weber und Watson, Türk, Lommel, Loew, Popper und Retzlaff beschrieben, fehlen aber in der Mehrzahl der Beobachtungen. Eine große Rolle in der Symptomatologie des Leidens spielen die Symptome von seiten des Nervensystems. Auf das Vorkommen von Kopfschmerzen, Schwindelanfällen und Blutandrang wurde schon hingewiesen. Schlafsucht sowie psychische Störungen sind beobachtet worden. Andererseits kommen auch Schlaflosigkeit und Ohnmachtsanfälle vor, sowie das ganze große Heer der neurasthenischen Beschwerden. Böttner fand den Spinaldruck erhöht. Die häufiger vorkommenden Hirnblutungen können die mannigfachsten Sym- ptomenkomplexe auslösen. Wiederholt ist bei der Erythrämie Erythromelalgie beschrieben worden (z. B. Neuda), von Lommel einmal Trommelschlegel- finger. Typische Menieresche Anfälle, Ohrensausen, Geruchsstörungen werden erwähnt. Eine Migraine ophthalmique ist von Kost er beschrieben worden. Die von manchen Kranken angegebenen Knochenschmerzen hängen nach Gaisböck mit der Hyperplasie des Knochenmarkes zusammen. Trunecek hat auf eine eigentümliche Hervorwölbung der Fossae supra- claviculares aufmerksam gemacht, die ich aber in zahlreichen Fällen nie gesehen habe, während ich sie häufig bei Gesunden und an ganz anderen Affektionen Leidenden fand. Stoffwechsel. Anomalien des Eiweißstoffwechsels sind in den wenigen bisher daraufhin untersuchten Fällen nicht beobachtet worden. Bemerkenswerte Abweichungen des respiratorischen Gaswechsels sind von Senator gefunden und von Lommel, Tangl, Gordon und v. Bergmann bestätigt worden. Senator fand auffallend hohe Werte sowohl für das Atem- volumen, wie für die gewechselten Gasmengen. Es muß aber hervorgehoben werden, daß auch Fälle bekannt geworden sind, in welchen diese Abweichungen des Gaswechsels nicht nachgewiesen werden konnten. Es hat sich ferner ergeben, daß die Steigerung des Gaswechsels nicht von der Zunahme der roten Blut- körperchen und des Hämoglobins abhängt. Da auch bei einigen physiologischen Zuständen, nämlich während der Verdauung, in der Gravidität und im Höhen- klima eine Steigerung des Gaswechsels beobachtet wird, muß man wohl mit Senator annehmen, daß es ein besonderer spezifischer Reiz ist, der, wie bei diesen Zustünden, auch bei der Erythrämie Atemvolumen und respiratorischen Gaswechse] steigert, vermutlich also die Einwirkung der gleichen Schädlich- keit, die überhaupt Ursache der Erkrankung ist. Das Verhalten Monozyten 1,3%, Mastzellen 4,8%, Mastmyelozyten 6,3% waren. Die letzte Blutuntersuchung ergab: Hb 70%, Erythrozyten 3 875 000, Leukozyten 16 700, davon Neutrophile 52%, Myelo- zyten 13%, Myeloblasten 7%> Eosinophile 2%, kleine Lymphozyten 15%, Monozyten 6%, Mastzellen 5%. Hier war also eine Polyzythämie übergegangen in eine hypochrome Anämie mit ausgesprochen myelämischem Leukozytenbefund. Die Sektion ergab eine ausgedehnte Miliartuberkulose und myeloische Umwandlung der Milz, geringe der Lymphknoten, aber keine myeloischen Herde in anderen Organen. Das von Tuberkeln durchsetzte Knochenmark war sehr zellarm. Die Miliartuber- kulose war hier sicherlich nicht Ursache der myelämischen Reaktion, da die letztere schon 12 Jahre vorher im Blute nachgewiesen worden war. Worauf es beruht, daß in einigen Fällen so starke myelämische Reaktionen auftreten, sei dahingestellt. Ein italienischer Autor — Guglielmo — spricht von „Erythroleucemia". Ghiron beobachtete sogar, daß im Verlauf einer typischen myeloischen Leukämie im 8. Monat der Beobachtung die Erythro- zytenzahl auf 7,2 Millionen stieg unter gleichzeitigem Auftreten lebhafter Gesichtsrötung. Er hält den Fall für eine echte Erythroleukämie, die Kom- bination einer Erythrämie mit myeloischer Leukämie. Derartige Beobachtungen beweisen mindestens eine enge histogenetische Verwandtschaft zwischen Erythrämie und Leukämie, ebenso der von Herx- heimer und Jung beschriebene Übergang einer Polyzythämie in Myeloblasten- leukämie. Systematische Untersuchungen über das Verhalten der Blutplättchen liegen noch nicht vor. In einigen Fällen werden sie als normal angegeben, in anderen vermehrt. Über die chemische Beschaffenheit des Blutes bei der Erythrämie ist bisher folgendes gefunden worden: Der Eisengehalt, sowie der Gehalt an Lezithin und Phosphorsäure wurde abnorm hoch gefunden. Das Blut war nach Unter- suchungen von Jaksch stickstoffreicher als in der Norm, während der Stick- stoff gehalt der roten Blutkörperchen gegenüber der Norm herabgesetzt war. Die physikalischen Untersuchungen haben folgendes ergeben : Das spezifische Gewicht des Gesamtblutes ist stark erhöht, das des Serums etwas niedriger als in der Norm. So betrug das spezifische Gewicht des Blutes in je einem Falle von Senator und Umber 1072, von Glaessner 1083, von Julius Loewy 1086. Der Trockenrückstand des Blutserums ist normal oder leicht herabgesetzt, ein strikter Beweis dafür, daß die Vermehrung der roten Blut- körperchen nicht etwa auf eine Eindickung des Blutes zurückzuführen ist. Der Trockenrückstand des Qu i atblutes ist natürlich entsprechend der Poly- globulie stark erhöht (statt 21,5% wurden Werte bis zu 32,9% [Gordon] Erythrämie : Gaisböcksche Form. 269 gefunden). Ebenso ist natürlich der Eisengehalt des Blutes abnorm hoch. Die Molekularkonzentration des Blutserums ergab teils normale, teils erhöhte Werte. Die Viskosität des Gesamtblutes ist stark erhöht, da sie ja in erster Linie von der Erythrozytenzahl abhängig ist und zwar in so hohem Maße erhöht, daß Heß für sein Viskosimeter eine besonders stark wirkende Saugvorrichtung zur Untersuchung polyzythämischen Blutes angegeben hat. Während die Viskosität des Blutes in der Norm etwa 4,5 mal so groß ist als die des destillierten Wassers, fanden Bence einen 20,9, Münzer 23,0 und Umber 40,6 mal so großen Wert in ihren Beobachtungen. Die Resistenz der Erythrozyten ist nicht verändert. Der Bilirubingehalt des Serums ist nicht erhöht. Die Sauerstoffkapazität des Blutes ist nicht vermindert, oft sogar stark erhöht, der Gesamtgehalt des Blutes an Sauerstoff überschreitet die Norm. Übereinstimmend geben alle Autoren an, die solche Untersuchungen ausgeführt haben, daß die Gerinnungszeit des Blutes außerordentlich kurz ist. Bisweilen ließen sich Venenpunktionen deshalb nicht ausführen, weil das Blut in der Punktionskanüle gerann. In einem Falle meiner Beobachtung re tränierte sich der Blutkuchen nicht und preßte kein Serum aus (dasselbe beschreibt Gutzeit), obwohl die Zahl der Blutplättchen wie auch in anderen Fällen der Literatur erhöht war (Guglielmo, Bukman and Hathsey). Wiederholt hat man am Lebenden die Gesamtblutmenge nach der Haidane- schen Methode bestimmt (Parkes Weber, Acland, Hutchinson, Boycott und Douglas, Senator und Loewy, Plesch). Loewy fand in einem Falle Senators, daß die Blutmenge 6,5% des Körpergewichts betrug, statt 5%, wie in der Norm. Morawitz wie Siebeck wiesen die Vermehrung der Gesamt- blutmenge plethysmographisch nach. Haidane selbst fand nach seiner Methode in einem Falle von Acland eine Vermehrung der Gesamtblut- menge um das zweieinhalbfache, Boycott in einem Falle um das dreifache. In einigen Fällen wurde aber keine Vermehrung der Gesamtblutmenge fest- gestellt. Verlauf. Die Krankheit hat einen exquisit chronischen Verlauf; Fälle von mehr als 10 jähriger Dauer sind bekannt. Jahrelang können die Patienten bei leidlichem Wohlbefinden ihr Leiden mit sich herumtragen und bis zu einem gewissen Grade auch ihrem Beruf nachgehen. In anderen Fällen sind die Symptome schwerere und die Kranken leiden sehr. Wenn nicht andere Kom- plikationen eintreten, kann der Tod durch Blutungen ins Gehirn, in die serösen Höhlen, in die Milzsubstanz hinein, in den Digestionskanal, aus den Lungen erfolgen. 2. Die Gaisböcksche Form. Die meisten bekannt gewordenen Fälle von Erythrämie entsprechen der von Vaquez gegebenen Beschreibung. Sie gehen mit einem großen Milz- tumor einher und der Blutdruck ist meistens normal. Später erst hat Gaisböck (1905) darauf aufmerksam gemacht, daß es auch Fälle von kryptogenetischer Polyglobulie gibt, die ohne Milztumor einher- gehen und als auffälliges Symptom eine starke Erhöhung des Blutdruckes aufweisen und von ihm unter der Bezeichnung ,,Polycythaemia hypertonica" zusammengefaßt werden. Er hat seinerzeit im ganzen 18 Fälle dieser Krank- heit aus der Klinik von Friedrich Müller in München beschrieben. Das Leiden kommt sowohl bei Männern wie bei Frauen vor, bei letzteren namentlich in der Zeit des Klimakteriums. Am häufigsten ist es jenseits des 40. Lebensjahres, doch werden auch jüngere Leute befallen. Im Gegen- satz zur Vaquezschen Form haben die Patienten, die Gaisböck beschreibt, 270 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. vielfach den bekannten apoplektischen Habitus. In der Anamnese spielen Geistes- krankheiten und Nervosität der Familie, sowie Gefäßerkrankungen und Schlag - anfalle eine erhebliche Rolle. Oft wird aufreibende geistige Überarbeitung als Ursache angegeben. Die Kranken haben eine auffallend rote Gesichts- farbe und sowohl die Arterien wie die Venen treten am Kopfe wie an den Händen stark hervor. Acht seiner Patienten hatten schon Schlaganfälle gehabt. Die Klagen beziehen sich auf Kopfschmerzen, Blutwallungen nach dem Kopf, abnormes Hitzegefühl, Schwindel und Schlaflosigkeit. Im Gegensatz zur Vaquezschen Form ist das Herz fast immer vergrößert, und zwar hauptsächlich nach links. Arteriosklerotische Veränderungen werden oft gefunden, der Urin enthält etwa in der Hälfte der Fälle etwas Eiweiß. Die Blutveränderungen entsprechen im allgemeinen denen der Vaquezschen Form ; die Erythrozytenzahlen schwankten zwischen 5 700 000 und 1 1 320 000, der Hämoglobingehalt zwischen 104 und 156 °/0, die Leukozytenzahl zwischen 6000 und 14 000. Mikroskopische Veränderungen an den roten Blutkörperchen, wie Polychromatophilie, Poikilozytose, Auftreten kernhaltiger Roter ist nicht beschrieben worden. Eine Vergrößerung der Leber und Milz fehlt, der Blut- druck ist stark erhöht, vielfach bis über 200 mm. Doch kommen auch Fälle mit niedrigem Blutdruck vor (Gaisböck, Lommel, Arnstein). Es sind bisher erst wenig Fälle der Gaisböckschen Form beschrieben worden und es existieren noch nicht so zahlreiche klinische und pathologisch-anatomische Untersuchungen über dieselbe, wie bei der Vaquezschen Form. Es ist infolge- dessen schwer, schon jetzt zu sagen, ob es sich um identische Krankheitsbilder handelt, die nur in bezug auf einige Symptome und Folgeerscheinungen von- einander abweichen, also um verschiedene Reaktionsformen des Organismus auf die gleiche Schädlichkeit, oder ob die Pathogenese beider Formen eine grund- verschiedene ist. So meint Eppinger, daß es sich bei der Gaisböckschen Form um Kombinationen von Polyzythämie und arteriosklerotischer Schrumpf- niere handelt. Schon vor Gaisböck hat Weintraud die Polyzythämien in zwei Gruppen eingeteilt, solche mit und solche ohne Milztumor, betonte aber, daß man der Milzvergrößerung keine allzugroße Rolle für die Pathogenese der Krankheit zuschreiben dürfe. Verschiedene Autoren, wie z. B. Senator und Stern glauben daher, daß es Übergänge und Zwischenformen gibt. Auch bei der Vaquezschen Form wechselt die Größe der Milz und manchmal wurde erst bei der Sektion festgestellt, daß ein Milztumor bestand. Lommel, Gordon und Gaisböck haben auch Fälle ohne Milztumor mit normalem oder sogar erniedrigtem Blutdruck beschrieben. Das häufige Fehlen eines erhöhten Blutdruckes bei der Vaquezschen Form, die fast stets vorhandene Steigerung desselben bei der Gaisböckschen hat mich zu der Hypothese veranlaßt, daß der Milztumor die Ursache für das Ausbleiben der Blutdruckerhöhung ist. Eine normale Herzkraft vorausgesetzt, ist bei einer Vermehrung der Gesamtblutmenge das Ausbleiben einer starken Blut- druckerhöhung nur möglich, wenn eine Erweiterung der Strombahn eintritt. Ein beträchtlicher Milztumor aber bedeutet eine ganz erhebliche Erweiterung des Kreislaufsystems. „Die Verbindungen der Gefäße mit den Bluträumen der seh» dehnbaren Milz sind eine Art von Notauslaß, der in Tätigkeit treten kann, wenn das Blut im Gefäßsystem keinen Platz mehr hat, ebenso wie das r- in den Kanälen unserer Städte bei Wolkenbrüchen oder langen Regen- perioden durch das Infunktiontreten der Notauslaßvorrichtungen gehindert wird, zu Überschwemmungen zu führen." Die Polyzythämie mit Milztumor und Urobilinikterus. Unter dieser Bezeichnung hat zuersi M » «• im Jahre 1914 eine besondere Gruppe von Polyzythämie abgesondert, die durch das gleichzeitige Vorhandensein eines Erythrämie: Gaisböcksche Form. 271 Urobilinikterus charakterisiert ist. Ähnliche Beobachtungen sind schon vorher von Guinon, Rist und Simon, von Türk, von Blad, von Hamilton und Morse und schließlich von Chauffard und Troisier bekanntgegeben worden. Pathologisch-anatomisch sind alle diese Fälle dadurch ausgezeichnet, daß sich eine Leberzirrhose nachweisen läßt. Die gemeinsamen Kennzeichen dieser Krankheitsgruppe sind also: Intra vitam Polyzythämie mit Urobilinikterus und Milztumor, bei der Sektion blutreiche Milz, hyperplastisches rotes Knochen- mark und in der Leber die Zeichen der Zirrhose. ■ Abb. 2. Große Milzzyste bei Erythrämie. Die Zirrhose tst nach Mosse als sekundärer Vorgang aufzufassen, indem die Leber durch die Mehrleistung, die ja durch Verarbeitung von übergroßem, viel- leicht auch krankhaftem Material erwächst, geschädigt wird. Talley und Roth haben auch das Auftreten von Leberzirrhose bei perniziöser Anämie beschrieben. Man könnte auch daran denken, daß es sich in diesen Fällen primär um einen hämolytischen Ikterus gehandelt hat, zu dem dann sekundär, ähnlich wie es bei paroxysmaler Hämoglobinurie gesehen wurde, sich eine reaktive hyperkompensatorische Polyzythämie hinzugesellte. Indessen entspricht der Verlauf dieser Fälle nicht dem bei hämolytischem Ikterus gewöhnlichen mit Exazerbationen und Remissionen. Auch ist niemals eine Resistenzherabsetzung der Erythrozyten festgestellt worden. 272 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. Ob diese Form der Polyzythämie sich von den übrigen nur dadurch unter- scheidet, daß bei ihr der Blutkörperchenzerfall ein erhöhter ist, wodurch sekundär nach Mosse eine Leberzirrhose entsteht, oder ob in der Pathogenese dieser Abart ganz andere noch unbekannte Faktoren eine Rolle spielen, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Pathologische Anatomie. Es liegen jetzt bereits eine ziemlich große Zahl von Sektionsbefunden vor, so daß wir ein abgerundetes Bild von den pathologisch - anatomischen Veränderungen der Erythrämie zeichnen können. Überein- stimmend geht aus allen Schilderungen hervor, daß die wesentlichste und wichtigste Veränderung, die man an solchen Leichen findet, die enorme Blut- fülle aller Organe ist. Aus jedem Schnitt, den man anlegt, quillt das Blut in Strömen hervor, wie aus einem nie versiegenden Quell nach der bezeichnenden Schilderung v. Recklinghausens. Diese auffällige Blutfülle, die uns bei der Obduktion solcher Leichen entgegentritt, ist besonders dort bemerkenswert, wo entweder während des Lebens abundante Blutungen stattgefunden haben, die eigentlich zu einer Anämie hätten führen müssen, oder wo man in den serösen Höhlen oder in inneren Organen, wie z. B. in der Milz, gewaltige Blutungen findet. Diese Blutungen, die auch in Form kleinerer und multipler Hämorrhagien wie im Leben, so auch an der Leiche gefunden werden, sind nächst der Ver- mehrung der Blutmenge einer der charakteristischsten Obduktionsbefunde. Auch größere und kleinere Thrombenbildungen, die auf die erhöhte Gerinnungs- fähigkeit des Blutes zurückzuführen sind, werden häufiger gefunden, z. B. an den unteren Extremitäten, im Gehirn, in der Milz, wo sie zu Infarkten führen, im Gebiet der Vena portae. Die Milz ist in Fällen der Gaisböckschen Form gar nicht oder nur wenig vergrößert, während sie bei der Vaquezschen Form oft außerordentlich große Dimensionen erreicht. Die Milzoberfläche ist glatt, die Konsistenz des Organes ist festweich, seine Farbe meist auffällig blaurot bis dunkelrot. Die Schnitt- fläche der Milz ist meist gleichmäßig dunkel- bis blaurot, Follikel sind gewöhn- lich nicht zu erkennen. Perisplenitische Veränderungen, Infarkte, gelegentlich thrombotische Prozesse in den Milzvenen sind Komplikationen, die wiederholt beobachtet worden sind. Eine wichtige mehrfach angetroffene Komplikation sind große hämorrhagische Zysten der Milz, die von Blutungen herrühren, die in das Innere des Organs stattgefunden haben. Die umstehende Abbildung 2 zeigt eine solche Zystenmilz, die von einem selbstbeobachteten Falle herrührt. Theoretisch wäre es denkbar, daß bei peripherem Sitz solcher Zysten und starker Neigung zu Blutungen eine Ruptur eintreten könnte, die aller Wahrscheinlich- keit nach durch Verblutung in die Bauchhöhle zum Tode führen müßte. In einigen Fällen der Literatur (Rendu et Widal, Moutard - Martin und Lefas, Scharold, Collet, Jedwabnik) ist eine offenbar primäre Tuber- kulose der Milz gefunden worden. Veränderungen von seiten der Lymphknoten außer starker Hyperämie wurden bisher noch nicht beschrieben. Außerordentlich wichtige und für die Auffassung des ganzen Krankheits- bildes bedeutsame Veränderungen wies das Knochenmark in allen denjenigen Füllen auf, in denen es untersucht worden ist. In den Fällen von Weber und Watson, Türk, H. Hirschfeld, Breuer, Hutchinson und Müller, Glaeesner, Lommel, Blumenthal, Westenhöfer und Hirschfeld, !ey, Goldstein, Schneider, Eppinger, Low und Popper wurde in den langen Röhrenknochen rotes Mark gefunden, das teils dem lymphoiden Vollmark des kindlichen Organismus, teils dem anämischen Mark, teils infolge seiner t iefdunkelrol en Farbe dem Knocb' nmark der perniziösen Anämien glich. Erythrämie: Gaisböcksche Form. 273 In den meisten Fällen war diese Umwandlung des Fettmarks in rotes Mark eine vollständige, selten nur waren noch hier und da Inseln von Fettmark vor- Abb. 3. Leber bei Polyzythämie. Abb. 4. Niere bei Polyzythämie. handen. Nur in dem Falle von Saundby und Rüssel wird ausdrücklich an- gegeben, daß das Mark des Femur bei makroskopischer Betrachtung einen normalen Eindruck machte. Watson-Wemyss hat zweimal durch Knochen- Blutkrankheiten, ii. 18 274 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. markpunktion während des Lebens eine vermehrte Erythro- und Leukopoese nachweisen können, ebenso Gibson. Auch bei der Gaisböckschen Form ist das Mark im Zustand lebhafter Tätigkeit angetroffen worden (Sunde). Alle übrigen Organe zeigen bis auf die bereits erwähnte Blut fülle und ge- legentliche leichtere oder schwerere Blutungen in unkomplizierten Fällen keine wesentlichen Veränderungen. Immerhin kommen doch gewisse Anomalien häu- figer in diesen Fällen vor. Auch die Leber ist meistens deutlich vergrößert. Bei der Mosseschen Form besteht Zirrhose. An den Nieren sind wiederholt Zeichen chronischer Nephritis festgestellt worden. Gar nicht selten sind arteriosklerotische Veränderungen, was aber wenig ins Gewicht fällt, da die Mehrzahl dieser Kranken sich in einem Alter befindet, wo Arteriosklerose ohnehin häufig ist. Mehrfach ist eine Hyper- trophie des Herzens gefunden worden, die dort, wo sie nicht mit der chronischen Nephritis oder der Arteriosklerose im Zusammenhang stand, wohl auf die infolge der vermehrten Blutmengen erhöhte Inanspruchnahme des Herzens zurückgeführt werden muß. Die mikroskopische Untersuchung aller Organe zeigt nun auch in deutlicher Weise die gewaltige Vermehrung der Blutmenge. Venen und zum Teil auch noch die kleinen Arterien sind ziemlich gleichmäßig prall mit Blut gefüllt. Die vorstehenden Abbildungen mikroskopischer Schnitte durch Leber und Nieren eines solchen selbstbeobachteten Falles zeigen diese Blutfülle sehr deutlich (Abb. 3 und 4). In der Milz sieht man zunächst eine ganz enorme Überfüllung der Pulpa mit roten Blutkörperchen, so daß alle farblosen Pulpazellen und die Elemente des Gerüstes außerordentlich spärlich erscheinen. Die Follikel sind verkleinert. In manchen Fällen ist Reichtum an blutkörperchenhaltigen Zellen gefunden worden, in anderen nicht. Eppinger fand in zwei Fällen, daß wesentlich die Venensinus stark mit Blut gefüllt waren, während die Pulpa arm an Erythro- zyten erschien. Mehrfach ist ein mäßiger Grad von myeloider Umwandlung nachgewiesen worden, der aber vorwiegend die Myelopoese, seltener die Erythro- poese betraf. As coli hat einmal die Milz während des Lebens punktiert, aber im Punktat keine kernhaltigen roten Elemente gefunden. In den Lymphdrüsen und der Leber ist myeloide Metaplasie vonMinot und Buk man nachgewiesen worden. Hämosiderin ist nach Eppinger nicht in der Milz vermehrt, und in der Leber auch nicht. Dagegen fand er die Lymphknoten reich an Hämosiderin. Die mikroskopische Untersuchung des Knochenmarks hat ergeben, daß entweder eine gleichmäßige Hyperplasie aller Elemente nachweisbar ist, oder aber eine deutliche Vermehrung des Erythroblastengewebes. Die Erythro- blastenhaufen sind sehr zahlreich und groß und man findet in ihnen zahlreiche Zellen mit Kernsprossungen. Eine gesteigerte Erythropoese ist also immer nachweisbar, auch dann, wenn rote und weiße Elemente gleichmäßig ver- mehrt sind, jedenfalls ist der Gesamtgehalt des Organismus an kernhaltigen roten Zellen gegen die Norm stark vermehrt. Fettlücken sieht man im Knochenmark kaum noch. Die strotzende Blutfülle aller Gefäße ist auch in diesem Organ sehr deutlich. Pathogenese. Bei der Erythrämie besteht, wie Untersuchungen am Lebenden und Sektionsbefunde zur Genüge bewiesen haben, eine echte Plethora, eine Vermehrung der Gresamtblutmenge und eine Vermehrung der roten und oft auch der weißen Blutkörperchen in der Raumeinheit Blut. Von einer durch Bluteindickung zustande gekommenen relativen Polyzythämie kann sicher nicht die Rede Bein. ts1 es doch durch eine Reihe von Untersuchungen mit Sicherheit bewiesen, daß keine Bluteindickung besteht, da der Wassergehall des Blutes QOrma] oder leichl erhobt gefunden wurden ist. Ery thrämie : Gaisböcksche Form. 275 Wie die in den meisten pathologisch-anatomisch genau untersuchten Fällen gefundene, mehr oder weniger das gesamte Mark der kurzen und langen Knochen umfassende Umwandlung in rotes Vollmark mit oft besonders zahlreichen Erythroblasten beweist, und wie auch das häufige Auftreten kernhaltiger roter Elemente Zellen mit Substantia granulo-filamentosa und unter Umständen auch unreifer myeloider farbloser Blutkörperchen im Kreislauf zeigt, besteht als pathologisch- anatomische Grundlage der Erythrämie eine er- höhte Aktivität des Knochenmarks , besonders des erythroblastischen Anteils desselben. Die Erythrämie beruht also auf einer vermehrten Neubildung roter Blutkörperchen. Die Ursache einer wahren Polyglobulie könnte auch ein verminderter Ver- brauch von roten Blutkörperchen sein. Normalerweise werden immer soviel rote Blutkörperchen zerstört, wie neugebildet werden, so daß der gesunde Organismus stets einen annähernd gleichen Blutbestand hat. Man könnte sich nun vorstellen, daß infolge irgend einer Störung der Zerfall der Erythro- zyten ein verringerter oder verlangsamter wäre, während die Neubildung in gleichem Maße weiter erfolgte. Auch auf diese Weise könnte eine Polyzythämie Zustandekommen. Ein solcher verminderter Zerfall könnte zwei verschiedene Ursachen haben. Einmal wäre es denkbar, daß im Knochenmark resistentere, lebenskräftigere Erythrozyten gebildet würden, die nicht so leicht den blut- zerstörenden Kräften der Milz anheimfallen. Zweitens aber könnten die blut- körperchenzerstörenden Fähigkeiten der Milz gelitten haben. Für die erstere Hypothese haben wir kaum Anhaltspunkte. Die zweitgenannte dagegen ist an sich sehr einleuchtend und diskutabel. Tatsächlich hat man ja wiederholt nach Exstirpation der Milz eine allerdings meist schnell vorübergehende Poly- zythämie beobachtet (Asher und Vogel). Es wäre durchaus möglich, daß auch bei vorhandener Milz, besonders wenn sie pathologische Veränderungen aufweist, die blutkörperchenzerstörenden Eigenschaften gestört sind. Indessen sprechen wichtige Argumente gegen die Richtigkeit dieser Annahme. Bei der Erythrämie kommt sicherlich auch eine starke Vermehrung der Erythrophagie in der Milz vor, wie ich in einer eigenen Beobachtung feststellen konnte. Außerdem muß man annehmen, daß, eine herabgesetzte erythrozytenzerstörende Milzfunktion vorausgesetzt, gerade wie bei der Milzexstirpation andere Organe, besonders Lymphknoten, Knochenmark und Leber, vikariierend für die Zer- störung der roten Blutkörperchen sorgen, wenn man nicht soweit gehen will, den Makrophagen des gesamten Organismus in solchen Fällen die Fähigkeit der Erythrozyt enzexstörung abzusprechen. Nun haben aber experimentelle Untersuchungen gezeigt, daß die Folge einer solchen verminderten oder aufgehobenen Erythrozytenzerstörung eine verminderte Neubildung im Knochenmark ist. Itami konnte an Kaninchen, die von Heß durch wiederholte Injektionen defibrinierten arteigenen Blutes künstlich plethorisch gemacht waren, eine Atrophie des Knochenmarks fest- stellen, die sich in einer Abnahme der Erythroblasten und der Myelozyten, sowie in einer Zunahme der Myeloblasten äußerte, und die als eine Inaktivitäts- atrophie aufzufassen ist. Da man aber bei der menschlichen Erythrämie gerade im Gegenteil eine starke Hyperplasie des Knochenmarks findet, so dürfte wohl der Theorie des verminderten Blutunterganges als pathogenetischer Grundlage der Erythrämie jeder Boden entzogen sein. Nun hat Eppinger in zwei Fällen zeigen können, daß der Hämosiderin- gehalt der Milz und der Leber ein auffallend geringer war und daß die mit der Duodenalsonde aufgefangene Galle, geradeso wie in einem Falle von Retzlaff , auffallend gallenfarbstoffarm war. Auch andere Autoren fanden keine Ver- mehrung des Hämosiderins in Milz und Leber. Es scheint also in der Tat, daß 18* 276 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. wenigstens in einem Teil der Fälle die Blutzerstörung trotz des großen An- gebotes von zerstörungsreifem Material, insuffizient ist. Es liegt wohl am nächsten, dieses Verhalten auf eine Art Erschöpfung des blutzerstörenden Organsystems zurückzuführen. In den Fällen von Polyzythämie mit Urobilin- ikterus besteht offenbar diese Insuffizienz nicht ; enthielten doch in dem einen sezierten Fall von Mosse Leber und Milz reichlich Hämosiderin. Es sei an dieser Stelle auf die alten Versuche von Worm- Müller, Lesser und Panum hingewiesen, die keine dauernde Plethora künstlich erzeugen konnten, so daß später Cohnheim auf Grund der Ergebnisse dieser Forscher die Möglichkeit einer echten dauernden Plethora überhaupt leugnete. Dagegen ist es neuerdings, wie eben erwähnt, Heß gelungen, bei Kaninchen durch wieder- holte intravenöse Injektionen defibrinierten Kaninchenblutes eine dauernde Plethora zu erzeugen, und die Zahl der roten Blutkörperchen bis auf 12 000 000 und den Hämoglobingehalt bis auf 180°/0 zu steigern. Gerade wie bei den Sektionen menschlicher Erythrämien wurde auch bei der postmortalen Unter- suchung dieser experimentell plethorisch gemachten Kaninchen eine strotzende Blutfülle aller Organe gefunden. Aber nicht nur auf eine verminderte Blutzerstörung in der Milz, sondern auch auf eine funktionelle Schädigung der Leber hat man versucht, die Erythr- ämie zurückzuführen. Heß und Saxl, welche diese Hypothese verfochten, konnten zeigen, daß die normale Leber ihr eigenes Hämoglobin unter aseptischer Autolyse in wenigen Tagen völlig zerstört, während die Leber von Tieren, die mit Arsen, Phosphor, Chloroform, Diphtheriegift, Adrenalin, Strychnin oder Morphium vergiftet waren, wochenlang ihr Hämoglobin unzerstort ließen. Diese Substanzen führen, wie man weiß, teils zu schweren anatomischen Leber- schädigungen, teils werden sie in der Leber entgiftet. Eine ähnliche Störung der Leberfunktion vermuten die genannten Autoren bei der Erythrämie. Alle diese Hypothesen sind aber dadurch hinfällig geworden, daß die erhöhte Mehrleistung des Knochenmarkes als pathologisch - anatomische Grundlage der Erythrämie nunmehr ja längst erwiesen ist. Immer- hin wäre es nicht unmöglich, daß es auch Erythrämien gibt, die einer ver- minderten Blutkörper chenzerstörung ihre Entstehung verdanken. Bewiesen ist das jedenfalls bis zum heutigen Tage nicht, abgesehen von der passageren Polyzythämie nach der Splenektomie. Es sei aber darauf hingewiesen, daß es Fälle gibt, in denen im Blute Zeichen einer vermehrten Knochenmarkstätig- keit , wie kernhaltige Rote und Leukozytose oder wenigstens Neutrophilie dauernd fehlen. Ist doch in einigen Fällen sogar Leukopenie beschrieben worden. Jedenfalls aber bedarf in Zukunft das Studium der Zeichen vermehrten oder verminderten Blutzerfalls in Milz und Leber ganz besonderer Beachtung. Wir erwähnten bereits oben, daß im normalen Organismus Blutneubildung und Blutzerstörung stets einander parallel laufen, um den normalen Blutbefund des Körpers aufrecht zu erhalten. Diese Regelmäßigkeit zwischen Verbrauch und Neubildung wird höchstwahrscheinlich durch die Milz aufrecht erhalten, die nach den Untersuchungen von G. Klemperer, Weinert und Hirsch- feld ein Regulator der Erythropoese im Knochenmark ist. Funktionsausfall der Milz führt stets zu einer Störung der Erythropoese im Knochenmark, die sich immer in der Ausschwemmung jollykörperhaltiger Erythrozyten äußert und bei manchen Individuen nach den Beobachtungen von Küttner, Comi- notti, Lethans, Schupfer, Roughton, Legg und Emmery, sowie von Klemperer und Hirschfeld und neuerdings von Brieger und Forschbach zur Polyzythämie führt, die gleichfalls, gerade wie die wahre Erythrämie auf einer Mehrleistung des Knochenmarks beruhen muß, da in solchen Fällen kernhaltige Rote und jollykörperhaltige Erythrozyten, also Elemente einer Erythrämie: Gaisböcksche Form. 277 vermehrten, ja überstürzten Neubildung im Blute kreisen. Im Falle Brieger- Forschbach war auch, der leukoblastische Anteil des Markes ein Zustand erhöhter Tätigkeit (41000 Leukozyten mit 3% Myelozyten und 8% Mast - zellen). Diese Beobachtungen über die regulatorische Beeinflussung des Knochenmarks von seiten der Milz, höchstwahrscheinlich auf einer innersekre- torischen Funktion der Milz beruhend, legen es natürlich nahe, dieses ganze Krankheitsbild auf eine derartige Störung der knochenmarksregulierenden Funktion der Milz zurückzuführen. Das ist natürlich nur eine Hypothese, die zu weiteren Untersuchungen anregt und besonders Veranlassung gibt, bei der Erythrämie nach jollykörperhaltigen Erythrozyten zu suchen. Sollten sich diese Elemente mit einer gewissen Regelmäßigkeit nachweisen lassen, so würde diese Hypothese eine starke Stütze erhalten. Das relativ häufige Vorkommen von Polyzythämie bei Milztuberkulose, wo große Partien dieses Organs zerstört und funktionsuntüchtig sind, wäre vielleicht auch in diesem Sinne zu verwerten. Ob vielleicht auch Störungen der endokrinen Drüsen eine Rolle in der Pathogenese der Erythrämie spielen, ist nicht von der Hand zu weisen. Zunächst sei noch einmal hervorgehoben, daß man bei Addison, bei Tetanie, bei eunuchoidem Fettwuchs manchmal deutliche Hyperglobulien gefunden hat und daß auch bei Basedow wiederholt sehr hohe Erythrozytenwerte festgestellt worden sind. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Schilddrüse einen regulatorischen Ein- fluß auf die Erythropoese hat. Mansfeld konnte bei Hunden und Kaninchen durch Einspritzen von Schilddrüsensaft eine Polyglobulie bis 8 Millionen her- vorrufen, As her und Dubois konstatieren nach Thyreoidektomie bei Kanin- chen Anämie, beim Myxödem besteht gleichfalls in der Regel Anämie, Mans- feld fand ferner, daß bei thyreoidektomierten Kaninchen im Höhenklima keine Polyglobulie auftritt, Zondek sah nach innerlicher Darreichung von 0,1 — 0,2 g Thyreoidin bei Gesunden und Anämischen eine kurzdauernde Vermehrung der Erythrozyten und des Hämoglobins auftreten. Wenn auch die Annahme einer Insuffizienz der blutzerstörenden Organe als Grundlage der Erythrämie, wie oben ausgeführt wurde, nicht aufrecht zu erhalten ist, so muß doch zugegeben werden, daß eine relative Insuffizienz von seiten dieser Apparate natürlich bestehen muß. Da ein Überschuß an roten Blutkörperchen vorhanden ist, sollte als Reaktion darauf eine vermehrte Zerstörung stattfinden. Tatsächlich scheint in den Fällen von Polyglobulie mit Urobilinikterus derartiges vorzukommen. Doch sind offenbar die An- forderungen, welche an die blutzerstörenden Organe in den meisten Fällen gestellt werden, zu groß, als daß ihnen voll und ganz entsprochen werden könnte. Vielleicht werden in den ersten Jahren dieser Krankheit durch eine Mehrleistung dieser Organe Kompensationen geschaffen. Die Vermehrung der roten Blutkörperchenzahl in der Raumeinheit Blut gehört nicht, wenn man rein theoretisch das Problem betrachtet, notwendiger- weise zum Begriff der Plethora. Eine Vermehrung der Gesamtblutmenge bei normalbleibenden Werten für die Zahl der roten Blutkörperchen ist durchaus denkbar und auf das Vorkommen solcher Zustände hat neuerdings Plesch hingewiesen. Es erhebt sich daher die Frage, warum wir bei der Erythrämie immer eine Erhöhung der Erythrozytenzahlen in der Raumeinheit Blut finden. Eine sichere Beantwortung dieser Frage ist zur Zeit noch nicht möglich, jeden- falls ist es aber zweckmäßig, daß die Zunahme der Blutflüssigkeit der Zunahme der Blutzellen nicht parallel geht, da wir sonst eine enorme Überdehnung des Gefäßsystems häufiger zustande kommen sähen. Anderseits hat schon Watson darauf aufmerksam gemacht, daß durch eine ausschließliche Polyglobulie, ohne gleichzeitige Volumenzunahme des Plasmas, die Viskosität des Blutes derart steigen würde, daß ein Blutkreislauf unmöglich wäre. 278 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. Eine ganze Reihe von Autoren sehen in der Erythrämie eine bloße sekundäre Folgeerscheinung irgend einer funktionellen Schädigung des Organismus, die als Reaktion eine Polyzythämie zur Folge hat, also einen Kompensations- vorgang. Es ist indessen bisher nicht gelungen, irgendeine Ursache festzu- stellen. Lokale Stauungen, wie sie z. B. Lommel fand, fehlen in allen typischen Fällen. Eine Verschlechterung des Hämoglobins, wie sie von einigen Autoren angenommen wurde, und die in einem verminderten Sauerstoffbindungsvermögen desselben bestehen sollte, hat sich nicht in exakten Untersuchungen feststellen lassen. Das Sauerstoff bindungs vermögen bei der Erythrämie ist völlig normal. Die Polyzythämie ist also nicht ein Kompensationsvorgang für eine verminderte Sauerstoffzufuhr, wie bei der Erythrozytose des Höhenklimas und der Herz- fehler, sowie der verschiedenen Arten von Dyspnoe. Ebenso bestehen keine Beweise für die Hypothese von Rover, nach welcher bei der Erythrämie der Sauerstoff im Blute an Substanzen gebunden sein soll, die ihn nur in beschränktem Maße freilassen. Eine etwaige Feststellung, daß die Erythrämie sekundärer Natur ist und möglicherweise sogar einem Funktionsausfall der Milz ihre Entstehung ver- dankt, änderte nichts an der Berechtigung, den Wucherungsvorgang des myeloi- schen Gewebes bei der Erythrämie mit dem bei der Leukämie zu analogisieren. Die Berechtigung hierzu ist besonders von Pappenheim bestritten worden, der auch die Erythrämie für eine Erythrozytose erklärt, die sich von den be- kannten sekundären Erythrozytosen anderer Natur nur dadurch unterscheidet, daß sie kryptogenetisch ist. Aber auch die Leukämien sind ja kryptogenetisch. Der Parallelismus zwischen Erythrämie und Leukämie besteht darin, daß wir bei ersterer eine schrankenlose Wucherung des Leukoblastenapparates , bei letzterer eine solche des Erythroblastenapparates vor uns haben. Auch bei der Erythrämie haben wir Ausschwemmung jugendlicher Elemente. Daß dieselben relativ spärlich sind, daß nicht soviel jugendlichere Vorstufen auf- treten, wie bei der Leukämie, liegt daran, daß der Formenreichtum der Vor- stufen der Leukozyten ein viel reicherer ist als der der Erythroblasten, und daß stärkere Ausschwemmungen letzterer überhaupt eine Seltenheit sind. Daß wir bei den Leukämien mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Lokali - sation einer unbekannten, wahrscheinlich infektiösen Noxe im gesamten hämato- poetischen Apparat annehmen müssen, während wir über die Ätiologie der Erythrämie gar nichts wissen, ist kein stichhaltiger Grund gegen die Auffassung der Erythrämie als einer hyperplastischen Erkrankung des Erythroblasten- apparates und ihrer Gegenüberstellung und Analogisierung mit der Leukämie. Eine ätiologische Verwandtschaft sollte damit keineswegs ausgedrückt werden, sondern nur eine weitgehende Ähnlichkeit der anatomischen Grundlagen, also eine rein formale Analogie. Anderseits lassen die oben erwähnten neueren Befunde über myelämische Beschaffenheit des Blutes bei Polyzythämie und das gelegentliche Vorkommen der Umwandlung des Blutbildes in ein anämisches mit gleichzeitiger massen- hafter Ausschwemmung unreifer Knochenmarkzellen, so daß ein mindestens als Bubmyelämisch zu bezeichnendes Blutbild besteht, ferner die von Ghiron beobachtete Polyzythämie bei einer myeloischen Leukämie, doch an eine tiefere Verwandtschaft zwischen Erythrämie und myeloische Leukämie denken, eine Auffassung, der Guglielmo durch die Bezeichnung Erythroleukämie Rechnung getragen hat. Therapie. Die Krankheit ist unheilbar, doch hat man sieh mit Erfolg bemüht, die Beschwerden der Kranken zu lindern und in manchen Fällen heträchtliche Remissionen erzielt. Von großer Wichtigkeil ist für Kranke mit Erythrämie ein den Eigentümlich- Erythrämie: Gaisböcksche Form. 279 keiten des Leidens angepaßtes Verhalten. Nur besonders weit vorgeschrittene und schwere Fälle verlangen vollständige körperliche und geistige Ruhe. Die meisten dieser Kranken sind imstande, in mehr oder weniger weitgehendem Maße ihrer Beschäftigung nachzugehen, wenn dieselbe nicht zu hohe körper- liche Anstrengungen erfordert. Besondere Berücksichtigung verdienen natürlich eintretende Komplikationen, wie namentlich Blutungen, die nach den üblichen Regeln behandelt werden müssen. Schwere körperliche Arbeit verbietet sich wegen der Neigung zu Kongestionen und Schwindelanfällen und bei der Vaquezschen Form wegen der Beschwerden von seiten des Milztumors von selbst. Auch geistige Auf- regungen und Überanstrengungen sind natürlich zu vermeiden. Alkohol, Tabak und Kaffee, sowie sportliche Betätigung sind zu untersagen. Ebenso ist der Geschlechtsgenuß in schweren Fällen ganz, in leichteren zum Teil zu unter- sagen. Alle den Blutdruck steigernden Tätigkeiten können natürlich durch Überdehnung der Gefäßwände zu schweren Folgeerscheinungen führen, die unter Umständen den Tod veranlassen können. Die Diät muß vorwiegend eine lakto-vegetabile sein. Ehrlich hat vor- geschlagen, eine eisenarme Ernährung durchzuführen, bei der Zucker, Reis, Gersten- und Weizenmehl, Kuhmilch, Birnen, Datteln, Feigen, Pflaumen und Nüsse den Hauptbestandteil der Nahrung bilden. Wegen ihrer Eisenarmut empfiehlt sich besonders die reichliche Zufuhr von Milch. Rosengart hat in einem Falle diese Diät durchgeführt und nach den Bungeschen Tabellen alle diejenigen Nahrungsmittel verboten oder nur in beschränktem Maße erlaubt, die über 6 mg Eisen in 100 g Trockensubstanz enthalten. Ob auf diese Weise wirklich eine Einschränkung der Blutneubildung zu erzielen ist, muß abgewartet werden. Hat doch neuerdings M. B. Schmidt gezeigt, daß Mäuse durch eisen- freie Kost nicht zu anämisieren sind, weil die Milz genügend Eisenvorräte ent- hält, um den Hämoglobinbestand des Organismus dauernd aufrecht zu erhalten. Beim Menschen können aber diese Dinge möglicherweise anders liegen, besonders bei der Erythrämie, bei der das wichtigste Organ des Eisenstoffwechsels, die Milz erkrankt ist. Wiederholt hat man beobachtet, daß nach spontanen abundanten Blutungen sich das Befinden dieser Kranken auf längere Zeit hinaus gebessert hat. Daraufhin und auf Grund der Überlegung, daß bei einer krankhaften Vermehrung der Blutmenge häufigere Aderlässe von Nutzen sein müssen, hat man diese Therapie in einer ganzen Reihe von Fällen mit recht gutem, wenn auch nur mit tempo- rärem Erfolge durchgeführt. Vorübergehendes Schwinden der unangenehmsten subjektiven Beschwerden, besonders des Kopfschmerzes, des Schwindels, des Blutandrangs nach dem Kopf und der Schlaflosigkeit hat man wiederholt beobachtet. Man muß aber ziemlich große Mengen entziehen. So gelang es H Order durch wiederholte Entziehungen von jedesmal 500—700 ccm Blut die Erythrozytenzahl von 10 700 000 allmählich auf 4 700 000 herabzusetzen. Wagner erzielte durch 7 Aderlässe von 300—350 ccm bei seinem Kranken ein Sinken der Erythrozytenzahl von 9 000 000 bis auf 6 000 000. Es sind aber auch Fälle bekannt geworden, wo die Aderlaßtherapie versagt hat. Da Sauerstoffmangel eine Erhöhung der Erythrozytenzahl hervorruft, nahm man an, daß umgekehrt Überschuß von Sauerstoff in der Einatmungsluft eine Herabsetzung der Erythrozytenzahl zur Folge haben müsse. Senator, Kora- nyi, Bence und Seufert wollen hiervon günstige Einwirkungen gesehen haben. Koranyis Patient war sogar noch 5 Jahre nach Abschluß der Therapie gesund. Jrdwabnik sah in einem Falle unter Sauerstoff atmung Sinken der Erythrozytenzahl von 20 000 000 bis auf 6 000 000 (post hoc oder propter hoc?), in zwei anderen Fällen keine Wirkung. Eine günstige Beeinflussung 280 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. der subjektiven Beschwerden scheint sicher zu sein. Im Prinzip dasselbe ist es, wenn Winter eine Behandlung der Polyzythämie in zwei Fällen in der pneumatischen Kammer unter erhöhtem Atmosphärendruck versucht hat, ohne übrigens gerade so wie Hungrecker eine sichere Beeinflussung der Zahl der roten Blutkörperchen zu erzielen. Die Versuche, die Erythrämie auf medikamentösem Wege zu beeinflussen, gingen zum Teil von der Idee aus, daß Blutgifte eine Herabsetzung der Erythro- zytenzahl hervorrufen müßten. Von diesem Gesichtspunkte aus hat Türk in einem seiner Fälle große Dosen Arsen gegeben und danach Besserung gesehen. Kiralyfi hat Benzol verabreicht und gleichfalls damit eine Herabsetzung der Erythrozyt enzahl und eine Verkleinerung der Milz erreicht, ebenso Gaisböck in einem Fall. Eppinger machte zunächst einen Versuch mit Toluylendiamin , ging aber dann, da einige Patienten Diarrhöe bekamen, zu subkutanen Injektionen von salzsaurem Phenylhydrazin über. Er beginnt mit 2 ccm einer l°/0igen Lösung, steigt allmählich auf 5 — 7 ccm und geht dann zu einer 2°/0igen Lösung über, später zu einer 5%igen, von der er bis zu 10 ccm injiziert. Ständige Kontrolle des Blutes ist notwendig. Auf diese Weise gelang es ihm in einem Falle die Erythrozyt enzahl von 8,9 bis 3,6 Millionen, den Hb-Gehalt von 150 auf 79% und in einem anderen Falle die Erythrozyt enzahl von 10,5 bis auf 4 Millionen, den Hb-Gehalt von 155 auf 78% herabzusetzen. Leider ist das Phenylhydrazin nicht ganz ungefährlich. Taschenberg sah in einem Fall, der zum zweiten Mal nach einer voraufgegangenen Injektions- kur nun das Mittel innerlich bekam, und zwar pro die 0,4 g in Kapseln, nach im ganzen 2,4 g, eine sehr schwere Anämie mit Gangrän einer Zehe eintreten, Erscheinungen, die allerdings zurückgingen. Ähnliche Beobachtungen sind auch von anderen Ärzten gemacht, aber nicht publiziert worden. Es ist daher größte Vorsicht bei Anwendung dieses Mittels notwendig. Die Darreichung von Jod verfolgte lediglich den Zweck, die stark erhöhte Blut Viskosität herabzusetzen und dadurch die Zirkulation zu erleichtern. Die Verabreichung von Jodothyrin (Gaisböck) und von Thyreoidintabletten (Münzer) dürfte kaum eine theoretische Begründung haben, trotzdem sahen beide Autoren danach eine günstige Beeinflussung. Schließlich hat man, um dem Körper Flüssigkeit zu entziehen, und auf diese Weise die Plethora zu vermindern, neben einer Beschränkung der Flüssigkeitszufuhr auch Marienbader Trinkkuren verordnet. Auch eine strenge Schrothsche Kur (Plesch) hat symptomatisch gute Resultate gezeitigt. Gegen die starken nervösen Beschwerden ist die Spinalpunktion empfohlen worden. Der Vorschlag von Rosengart, die Milz zu exstirpieren, basierte auf der falschen Vorstellung, daß Milztuberkulose immer die anatomische Grundlage bei dieser Krankheit ist, was man längst als irrtümlich erkannt hat. Doch ist tatsächlich in mehreren Fällen die Splenektomie ausgeführt worden. In einem solchen Falle von Schneider wurde tatsächlich eine Herabsetzung der Erythrozytenzahl festgestellt, doch entwickelte sich hier bald nach der Operation eine progressive Lungentuberkulose, die den Rückgang der Erythro- zytenzahl einfach erklärt. In einem Fall von Cominotti erfolgte der Tod infolge Sepsis 6 Wochen nach der Operation, in einem Falle von Axolblad infolge einer inneren Blutung. Da nun aber inzwischen festgestellt worden ist, daß infolge des Ausfalles der die Knochenmarkstätigkeit regulierenden Milzfunktion überhaupt in gar nicht seltenen Fällen einer Splenektomie eine Polyzythämie folgen kann, wie die Fälle von Schupfer, Cominotti, Küttner, (i Klemperer und H. Birschfeld usw. beweisen, kann man jetzt mit aller Erythrämie : Gaisböcksche Form. 281 Bestimmtheit behaupten, daß die Milzexstirpation bei der Erythrämie direkt kontraindiziert ist. Auf Grund der guten Erfolge der Röntgentherapie bei der Leukämie lag es natürlich nahe , auch bei der Polyzythämie einen Versuch damit zu machen. In der Tat ist es in einigen Fällen gelungen, auf diese Weise nicht nur eine Ver- kleinerung des Milztumors, sondern auch eine Herabsetzung der Erythrozyten- zahl zu erzielen (Rydgaard). In vielen anderen in der Literatur mitgeteilten Fällen aber, auch in solchen eigener Beobachtung, war die Milzbestrahlung nutz- los. Theoretisch ist sie ja auch insofern eigentlich kontraindiziert, weil eine starke Bestrahlung im Endeffekt ebenso wirken muß wie eine Splenektomie, d. h. an- regend auf die Erythropoese im Knochenmark. In der Tat wurde auch in den Fällen von Begg und Lutembacher eine Zunahme der Erythrozytenzahl unter Milzbestrahlung beobachtet. Vielleicht kann man sich aber Erfolg von Reizdosen versprechen, welche die Entstehung derjenigen hypothetischen Hormone der Milz anregen könnten, welche hemmend auf die Erythropoese im Knochenmark einwirken. Wenn man auf Grund der im ganzen schlechten Erfahrungen von der Röntgen- bestrahlung der Milz zurückgekommen ist, so hat man dagegen bemerkens- werte Erfolge von der Knochenbestrahlung gesehen. Schon Parkinson, der außer der Milz auch Tibia und Sternum bestrahlte, hat danach vorübergehend die Zahl der Erythrozyten von 12,5 Millionen auf 7,6 Millionen sinken sehen, während allerdings Curschmann nach Bestrahlung der Milz und der Röhren- knochen keinen Erfolg sah. Tan er e konstatierte dagegen eine außerordentlich günstige Wirkung durch Knochenbestrahlung, da in seinem Falle der Hämo- globingehalt von 175 auf 163%, die Erythrozytenzahl von 14 200 000 auf 6 600 000 sank. Luedin hat in drei Fällen von Polyzythämie die Röhren- knochen bestrahlt. In dem einen derselben sank die Erythrozytenzahl von 6 960 000 auf 5 100 000, der Hämoglobingehalt von 140% auf 105%. Noch 21/2 Jahre nach der Bestrahlung hielt der Erfolg an. Der zweite Fall war leichterer Art. Hier sank die Erythrozytenzahl von 6 500 000 auf 4 700 000, der Hämo- globingehalt von 105% auf 88%. Im dritten Falle sank die Erythrozytenzahl von 8 800 000 auf 4 800 000, der Hämoglobingehalt von 140% auf 73%- Ähn- lich günstige Resultate erzielten Guggenheimer, Mönch, Böttner und Forschbach, Mosenthal u. a. Die Bestrahlungen erfolgen mit den moder- nen Tiefentherapieapparaten und müssen unter Umständen lange fortgesetzt werden. So bekam der eine Patient von Luedin im ganzen 94 Volldosen auf das Knochensystem, der Fall von Forschbach im ganzen 90 Bestrahlungen. Noch nach einem Jahre hielt hier der Erfolg an. Mir ist ein Fall bekannt, der noch im 5. Jahr nach der Bestrahlung trotz bestehen gebliebenen Milztumors kein Rezidiv der Polyglobulie hatte. Alle Patienten fühlten danach eine deut- liche Erleichterung ihrer Beschwerden. Es kommt bei dieser Therapie selbstver- ständlich sehr darauf an, daß durch zu hohe Dosen kein Schaden angerichtet wird. Sowie sich starke Leukopenien einstellen, muß man mit der Bestrahlung aufhören. Bemerkenswert ist, daß der Milztumor in den Fällen von Parkinson und Guggenheimer bedeutend kleiner wurde. Sehr bemerkenswert ist der weitere Verlauf in dem eben erwähnten Falle Forschbachs. Nachdem der Blutbefund hier 4 Monate lang normal geblieben war, entwickelte sich plötzlich das typische Bild einer akuten Myeloblastenleukämie, die zum Tode führte. Wenn auch Forschbach und B rieger, die über diesen Fall ausführlich be- richten, den Bestrahlungen nur eine Beschleunigung, vielleicht eine bestimmte Richtunggebung einer bereits vorher vorhanden gewesenen Wachstumstendenz des leukopoetischen Gewebes zuzusprechen geneigt sind, so lehrt der Fall doch, daß man ebenso wie bei der Leukämie auch bei der Erythrämie mit der 282 H. Hirschfeld: Die Polyzythämie. Dosierung der Röntgenstrahlen sehr vorsichtig sein muß. Außerdem zeigt aber diese überaus interessante und wichtige Beobachtung, ebenso wie die früher zitierten Fälle mit leukämoidem Blutbild, wie nahe Beziehungen doch zwischen Leukämie und Erythrämie in pathogenetischer Hinsicht bestehen. Von Radiumbestrahlungen der Knochen berichtet Högler Gutes, ebenso Sachs. Auch intravenöse Injektionen von Thorium X sind in der Behandlung der Polyzythämie versucht worden. Rosenfeld berichtet von drei Fällen, denen er 40 elektrostatische Einheiten jedesmal injizierte. Die Erfolge waren deut- liche, aber nur mäßige. Bei dem einen Patienten sank die Erythrozyt enzahl von 9 500 000 auf 7 000 000, im zweiten von 8 000 000 auf 5 500 000, aller- dings nachdem im ganzen in 100 Tagen 3400 elektrostatische Einheiten in- jiziert worden waren. Beim dritten Patienten sanken die Erythrozyten von 11000 000 auf 9 000 000. Der jüngst von Gaisböck gemachte Vorschlag, statt das Knochenmark durch Bestrahlung zu schädigen, es durch Entmarkung ganz zu beseitigen, dürfte kaum Erfolg versprechen, da die Beobachtungen von Walterhöfer und Schramm bei der perniziösen Anämie mit dieser Operation gezeigt haben, daß die Regeneration dadurch in höchstem Maße angeregt wird. Die Poly- zythämie würde also verschlimmert werden. Literatur. Abel es: Das Verhalten des Harneisens bei Hyperglobulie. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 59. — Abrami: Sem. med. 1912. S. 504. — Acland: Unpublished case of Polycyth- aemia, quoted by F. P. Weber. Practitioner. London 1908. — ■ J. F. Aldrich and L. 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So ist uns jetzt ein Einblick in die Pathogenese dieser Krankheitszustände gegönnt, wenn wir auch, wie aller- meist in der Pathologie, die letzten Hintergründe der Erscheinungen nicht kennen; wir vermögen scharf umschriebene Krankheitstypen aufzu- stellen, deren differentielle Diagnostik befriedigend entwickelt ist, wir tappen in bezug auf die Prognose des einzelnen Falles nicht mehr im Dunkeln und — last not least — unser therapeutisches Können ist in erfreulichster Weise bereichert. Ums Jahr 1740 schildert Werlhof eine ihm wohlbekannte Erkrankung, über die bei den medizinischen Schriftstellern wenig verhandelt werde: Er tauft sie nach ihren führenden Symptomen Morbus maculosus haemorrhagicus, „Blutfleckenkrankheit mit heftigen Blutflüssen" und nennt die Prognose trotz der stark anämisierenden Blutverluste günstig. Etwa 100 Jahre später lehrt Schönlein in seinen Vorlesungen, daß mit dem Morbus Werlhof (der „Purpura haemorrhagica") eine andere Form der Blutfleckenkrankheit nicht verwechselt werden dürfe; dieser seien Blutungen aus den Schleimhäuten fremd, dagegen gehe sie stets mit Schmerzhaftigkeit oder Schwellung der Gelenke einher. Wir sind heute davon überzeugt, daß der scharfe Blick dieser Männer, gepaart mit der zu jeder schöpferischen Leistung notwendigen Intuition klas- sische Krankheitstypen geschaffen hat. Morbus Werlhof und Morbus Schönlein sind für uns wesens verschiedene Krankheitsbilder. Dieser Satz bedeutet eine Blutkrankheiten. II. 19 290 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. völlige Abkehr von der unitarischen Auffassung, die im Laufe der letzten 40 Jahre zu immer allgemeinerer Anerkennung gelangt war und in den mono- graphischen Darstellungen Immermanns (in Ziemßens Handbuch, 1879) und Littens (im Nothnagelschen Werke.. 1898) ihre schärfste Ausprägung gefunden hat. „Ich stehe, sagt Litten, auf Grund meiner eigenen vieljährigen Beobachtungen ganz strikte auf dem Standpunkt, daß es sich bei den einzelnen Purpuraerkrankungen nicht um essentielle Unterschiede, sondern lediglich um graduelle, d.h. um solche in der Intensität der Erkrankung handelt" und an anderer Stelle betont er nochmals, daß wir die von den Autoren getrennte Formen der hämorrhagischen Diathese nicht als besondere Spezies, sondern als eine in jedem einzelnen Falle durch individuelle Verhältnisse hervorgerufene klinische Varietät des Morbus maculosus zu betrachten haben. Zum Beweise berufen sich die Verfechter der „Identitätshypothese" also auf die klinische Erfahrung, welche lehrt, daß die Natur alle erdenklichen Kombinationen ver- wirklicht und alle Übergänge von der Purpura simplex und rheumatica zum Morbus maculosus mit heftigen Schleimhautblutungen schafft. Scheby-Buch z.B. (dessen Arbeit von Litten als besonders beweis- kräftig zitiert wird) hat 1874 neun sehr genau geführte Journale aus dem Archiv des Hamburger Allgemeinen Krankenhauses zusammengestellt, in welchen neben einem bald klein-, bald großfleckigen Purpuraexanthem und multiplen, meist recht intensiven Gelenkaffektionen „innere" Blutungen (im wesent- lichen blutige Darmentleerungen und Blutharnen) sehr deutlich hervortraten. Er ist fest überzeugt, daß seine Fälle Beispiele von Purpura haemorrhagica sive Morbus maculosus darstellen und glaubt, den Nachweis erbracht zu haben, daß entgegen der ausdrücklichen Lehre Schönleins die Purpura haemor- rhagica von einer Erkrankung der Gelenke begleitet sein kann, daß al^> das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Peliosis rheumatica Schön lein s und des Morbus maculosus hinfällig geworden sei. Sieht man sich nun aber die Krankengeschichten von Scheby - Buch genauer an, so ist in Wirklichkeit auch nicht ein einziger Fall von Morbus Werlhof darunter, er hat vielmehr recht instruktive Paradigmata der im gleichen Jahre von Henoch als eigen- artiges Krankheitsbild beschriebenen Purpura abdominalis mitgeteilt. Henoch (Vorlesungen über Kinderkrankheiten, 1897) hält die Purpura abdominalis für eine besonders Symptomenreiche Form des Morbus Schönlein und zieht zwischen ihr und dem Morbus Werlhof eine scharfe Grenze: „Von den bisher erörterten Formen (Peliosis rheumatica und Purpura abdominalis) unter- scheidet sich die, für welche ich den Namen Purpura haemorrhagica oder Morbus maculosus reserviere, durch den Mangel der Schmerzen, der Gelenkschwellung und der eben geschilderten intestinalen Symptome" (nämlich des galligen Erbrechens, der heftigen Darmkoliken und der diarrhoischen, mit Blut ge- mischten Stühle). Henoch hat damit Punkte, auf die es wesentlich ankommt, hervorgehoben; er hat ebenso wie Schön lein die Sonderart der beiden Typen instinktiv erfühlt; die Elemente zur richtigen Erfassung ihres Wesenskernes liegen in seinen Schilderungen parat. Leider ist auch er noch im Deskriptiven stecken geblieben und hat den fundamentalen Unterschied der beiden „Krank - heitswesen" nicht auf eine scharfe und präzise Formel gebracht. Für den aber, der sich nicht an den Buchstaben hält, sondern an den Geist der Darstellung Werlhofs, Schönleins, Henochs — dieser drei Väter der Lehre von den hämorrhagischen Diathese — , und der an einem genügend großen eigenen Materiale „sehen" gelernt hat, ist diese Formel, die im groben vielleicht Ähn- liches, im Wesen Fremdes scheidet, nicht schwer zu finden; sie lautet dahin: Beim Morbus Werlhof beherrscht die Blutung — und nichts als die reine, un- komplizierte Blutung ins Gewebe und aus dem Gewebe — das Feld; dem Einleitung. 291 Morbus Schönlein-Henoch hingegen liegt eine transsudativ-exsudative Diathese zugrunde, deren Manifestationen einen hämorrhagischen Charakter annehmen; die Effloreszenz des Morbus Schönlein ist nicht die Petechie oder Ekchymose, sondern die Makula, Papula, Urtika, die eine ,, blutige'' Spur hinterläßt. Morbus Werlhof und Morbus Schönlein sind Diathesen, d. h. Krankheits- bereit Schäften, Reaktionsweisen des Organismus, die nicht minder da sind, auch wenn gerade kein Symptom von ihnen zeugt. Ein Fortschritt der modernen Diagnostik besteht gerade darin, daß man gelernt hat, die stumme Diathese zum Sprechen zu bringen, d. h. willkürlich diejenige endogene Konstellation oder diejenigen äußeren Bedingungen zu setzen, die zur Manifestation der Diathese führen. Gerade solche Studien lehren zur Evidenz, daß die Blut- flecken beim Morbus Werlhof und beim Morbus Schönlein die Resultanten und Indikatoren grundverschiedener Vorgänge sind. Wir werden über die Provokation der Symptome bei den hämorrhagischen Diathesen sehr ein- gehend zu sprechen haben; vorwegnehmend wollen wir nur das Prinzipielle betonen: Für den Morbus Werlhof ist der Erfolg einer mechanischen, für den Morbus Schönlein-Henoch der einer chemischen Reizung charakteristisch. Stumpfe Traumen geringer Stärke führen bei der erstgenannten Krankheit bereits zur großen Ekchymose, zur Sugillation, zum Hämatom ; aus mimmalen Kontinuitätstrennungen tritt Blutstropfen auf Blutstropfen in unaufhörlicher Folge. Bei der Peliosis rheumatica und der Purpura abdominalis sind mechani- sche Läsionen ohne Erfolg ; wohl aber führt die intrakutane oder subkutane Ein- verleibung unspezifischer Reizkörper einmal zu stärkster entzündlich -hämor- rhagischer Lokalinfiltration und dann zu universellen Fernreaktionen, die Haut, Intestinaltraktus und Nieren betreffen und sich ganz wie ein neuer Schub der Erkrankung ausnehmen. Umfang und Dauer der Blut extra vasation kennzeichnen das eigentüm- liche Wesen der hämorrhagischen Diathese beim Morbus Werlhof. Wie soll man ihn dann von der Hämophilie unterscheiden, deren Definition sich ja mit der seinen zu decken scheint. In der Tat läßt sich klinisch sehr leicht eine Verwechslung begehen, und nicht wenige Fälle von Werlhofscher Krank- heit, in deren Symptomenbilde eine schwer stillbare Blutung an die freie Ober- fläche imponierte, sind als sporadische Hämophilie beschrieben worden. In Wirklichkeit gibt es ebensowenig Übergänge des Morbus maculosus zur Hämo- philie wie zur Purpura rheumatica. Die Differentialdiagnose, die heute in jedem Falle leicht zu stellen ist, wird eingehend erörtert werden; hier sei nur gesagt, daß die Unterscheidung klinisch und hämatologisch gelingt. Klinisch: Die Mikrohämorrhagie (Petechie) fehlt bei der Hämophilie und das Mikro- trauma (Nadelstich, subkutaner Einstich mit der Kanüle der Pravazspritze, Reiben der Haut mit dem Fingernagel), welches die Blutung beim Morbus Werlhof sofort enthüllt, hat bei der echten Hämophilie im allgemeinen ebenso- wenig Effekt wie beim Gesunden; erst die ,, Wunde" oder die Kontusion verrät den unter Umständen katastrophalen Defekt des Bluters. Hämatologisch: Bei der Hämophilie ist die chemische, bei der Purpura haemorrhagica die morphologische Zusammensetzung des Blutes unvollständig. Damit kommen wir auf diejenige Tatsache zu sprechen, welche als der wichtigste Erkenntnisfortschritt in der Lehre von den hämorrhagischen Dia- thesen seit der Konzeption der Krankheitsbilder anzusehen ist. Die hämor- rhagische Diathese xcct' e^oxrjv, die einzige, die im eigentlichsten Wortsinne diese Bezeichnung verdient, die Werlhof sehe Blutfleckenkrankheit, ist morpho- logisch-hämatologisch charakterisiert, ist eine „Blutkrankheit''"'. Dem Blute dieser Kranken fehlt das „dritte Formelement'*: die sog. Blutplättchen oder Thrombozyten sind entweder ganz verschwunden oder wenigstens außerordent- 19* 292 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. lieh stark, mindestens auf ein Zehntel der Norm, reduziert, solange die Hämor- rhagien spontan auftreten oder künstlich auslösbar sind. Die Auffindung des Plättchenmangels ist nicht etwa neueren Datums: 1877 hat Hayem die von ihm fälschlich für Vorstufen der roten Blutkörperchen gehaltenen und als „Hämatoblasten" bezeichneten Plättchen entdeckt und bereits vier Jahre später bemerkte Brohm an der Heidelberger Kinderklinik bei zwei akut einsetzenden Fällen von Purpura haemorrhagica das Fehlen der Plättchen, wie E. Krauß in seiner 1883 erschienenen Dissertation mitteilt, v. Du seh , der Chef Brohms , hat 1889 in der Deutschen medizinischen Wochen- schrift und 1890 in der Festschrift für Henoch nochmals von der merkwürdigen Beobachtung Brohms Kunde gegeben, aber sie nicht vor der völligen Vergessen- heit bewahren können, der sie Glanzmann erst vor wenigen Jahren ent- rissen hat. Auch über die Bedeutung des Fundes sind sich Brohm und Krauß durchaus nicht im unklaren geblieben; denn Krauß gründet auf das Ver- halten der Plättchen bereits eine Scheidung der Purpuraformen und sagt aus- drücklich, der Morbus maculosus sei eine Erkrankung des Blutes, welche sich an den Hämatoblasten abspiele. Ohne die Leistung Brohms zu kennen, hat 1887 der belgische Pathologe Denys, diesmal bei einem Falle chronischer Purpura (1889 bei einem zweiten) die außerordentliche Spärlichkeit der Plättchen von neuem entdeckt und für die Pathogenese auszuwerten gesucht. Die deutsche Klinik ist an diesen Mitteilungen achtlos vorübergegangen, ebenso an den Hämatologie und Pathogenese der Purpura haemorrhagica grund- legend behandelnden, mit lehrreichen Krankengeschichten illustrierten Auf- sätzen Hayems in den „Lecons sur les maladies du sang" (1900). In dem Lehrbuch der Blutkrankheiten von Nägeli (a) (1908) und im Kapitel „Hämor- rhagische Diathesen" von Morawitz im Handbuch von Mohr - Staehelin (1912) wird die von Denys, Hayem und seinen Schülern bei manchen Fällen von Purpura beschriebene Plättchenverminderung zwar flüchtig gestreift, aber noch fehlt jeder Hinweis auf die Bedeutung dieses Befundes für die noso- logische Klassifikation, für die differentielle Diagnostik und die Deutung der Pathogenese spontaner und traumatischer Blutextravasationen, insbesondere der heftigen und anhaltenden pseudohämophilen Schleimhautblutungen. Einer hat allerdings auch in Deutschland schon frühzeitig die Tragweite des von Denys erhobenen Befundes erkannt, der Neuschöpfer der normalen und patho- logischen Zytologie des Blutes. In der morphologischen Einleitung zu den Blut- krankheiten im Nothnage Ischen Handbuch schreiben Ehrlich und Lazarus bei Besprechung der Blutplättchen : ,,Dem gegenüber (nämlich den Mitteilungen über Vermehrung der Plättchen bei verschiedenen Krankheiten) steht die wichtige Beobachtung von Denys, welcher in zwei Fällen von Purpura, bei der bekanntlich die Gerinnbarkeit des Blutes stark herabgesetzt ist oder sogar völlig aufgehoben sein kann, als die einzige morphologische Veränderung des Blutes eine sehr bedeutende Verminderung der Blutplättchen fand. Auch Ehrlich hatte Gelegenheit, einen entsprechenden Fall zu untersuchen, in dem die Blutplättchen vollkommen fehlten." Die Bedeutung des Plättchenmangels für Diagnose und Pathogenese hämorrhagischer Erkrankungen ist dann be- sonders scharf von dem Amerikaner W.W. Duke betont worden, zunächst 1910 an der Hand von drei Beispielen, dann 1912 bereits auf Grund der Analyse \ an ei u.i 30 Fällen. Ich selbst habe zuerst im Jahre 1915 in einer Abhandlung von Nolf über die Blutgerinnung davon gelesen, daß bei Purpura haemor- rhagica die Blutplättchen vermindert sein sollen. Zufällig konnte ich bald nachher kurz hintereinander vier Fälle von Blutfleckenkrankheit mit heftigen Blutverlusten beobachten und stellte bei allen die enorme Spärlichkeit der l'liit tehen fest. Efl wurde mir damals sofort klar, daß die Neuorientierung Einleitung. 293 auf dem verworrenen Gebiete der Purpuraerkrankungen von diesem arg ver- nachlässigten Blutbestandteil auszugehen habe, daß die Thrombopenie (wie ich das Symptom hochgradiger zahlenmäßiger Verminderung der Plättchen genannt habe) zum Angelpunkt für eine vertiefte klinische und pathogenetische Auffassung werden müsse. Ich darf sagen, daß ich erst an der Hand des Plättchen- status meinen Blick für die essentiellen Unterschiede der verschiedenen Typen hämorrhagischer Diathese geschärft und vor allem eine ganz andere Einstellung zu den klinischen Erscheinungsformen gewonnen habe. Diese Einstellung fordert, daß der Name ,, Purpura" als Krankheitsbezeichnung ausgemerzt wird und nur noch in der klinischen Umgangssprache zur provisorischen Kenn- zeichnung einer Vielheit von Hautblutungen dient, gleichgültig, welcher Beschaffenheit, welcher Lokalisation und welcher Genese diese sind, gleich- gültig also, ob es sich um unkomplizierte Blutaustritte oder um das Residual- stadium eines hämorrhagischen Exanthems oder um Extravasation bei histo- logisch nachweislich erkrankter Gefäßwand handelt. ,, Purpura" als Krank - heitsbegriff hatte seine Berechtigung im Stadium der deskriptiven, hat sie aber nicht mehr auf der Stufe der verstehenden Pathologie. Eine Purpura ist der individuell -zufällige, nicht etwa ein gesetzmäßiger Ausdruck der Diathese; die Mehrzahl aller Fälle von Werlhof scher Blutfleckenkrankheit oder „essen- tieller Thrombopenie" verläuft zwar mit Blutflecken, aber ohne Purpura, und auch Fälle von Henochs Krankheit sind wohl denkbar, bei denen nur die Darm- und Nierenaffektion hämorrhagischen Charakter annimmt, während auf der Haut nur Erythem und Urtikaria bemerkbar wird. Purpura als Ober- begriff, also etwa „Purpura mit und ohne Thrombopenie'' (Katsch) oder eine Klassifikation in thrombopenische und athrombopenische Purpura (Schultz) scheint mir verfehlt; wir wollen doch nicht Exantheme einteilen, sondern „Krankheitswesen" begreifen und würden etwa eine „essentielle Thrombopenie'1 (Morbus Werlhof) und eine „hämorrhagische Kapillartoxikose" (Morbus Schön- lein-Henoch) unterscheiden. Wir kehren noch einmal zur Erörterung der Frage zurück, warum die uni- tarische Auffassung der hämorrhagischen Diathesen das medizinische Denken so lange beherrscht hat. Wahrscheinlich ist hierfür nicht nur der Nachweis von „Übergängen", d. h. die Verwechselung äußerlich ähnlicher Krankheits- bilder maßgebend gewesen, sondern auch die Vorstellung, daß hinter der Mannig- faltigkeit der Erscheinungen eine einheitliche bakterielle Ätiologie stehe. Ein spezifischer Bacillus purpurae zwar, wie ihn Letzerich, Kolb u. a. gezüchtet haben wollten, hat es nie zu allgemeinerer Anerkennung gebracht und ist mit Recht längst vergessen, aber daß den verschiedenen Äußerungen der hämor- rhagischen Diathese eine sehr verschieden intensive septische Infektion zugrunde liege, war in der bakteriologischen Ära eine naheliegende Vorstellung, die bis in die jüngste Zeit von vielen geteilt wurde und in Lehr- und Handbüchern zum Ausdruck kam. Man sah den Morbus Werlhof unter dem Bilde einer hoch fieberhaften Allgemeininfektion rasch tödlich enden, züchtete womöglich Sepsiserreger aus dem Blut und fragte sich, warum die mildere Form, die zwar im allgemeinen fieberlos ist, aber doch dann und wann einmal Temperatur- zacken oder febrile Perioden aufweist, nicht eine abgeschwächte septische Infektion sein solle. Man bemerkte, daß bei der Sepsis oft genug polymorphe hämorrhagische Exantheme oder auch reine kapilläre Hämorrhagien im Verein mit schmerzhaften Schwellungen der Gelenke sich ausbildeten und fragte sich, warum der Morbus Schönlein nicht eine harmlosere Variante dieser schweren Bilder sein könnte. Eine genauere Analyse lehrt, daß hinter der Maske Sepsis mit hämorrhagi- scher Diathese sehr heterogene Dinge sich verbergen, und läßt es ratsam er- 294 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. scheinen, nicht die schon bekannten Formen der hämorrhagischen Diathese mit diesen auf den verschwommenen Generalnenner der Sepsis zu bringen, zwingt vielmehr dazu, aus der Sepsisgruppe zwei neue eigenartige Typen hämor- rhagischer Krankheiten herauszunehmen, die sich als wohl charakterisierte klinische Formen gleichberechtigt neben Morbus Werlhof und Morbus Schönlein - Henoch stellen. Es gibt ein Krankheitsbild, das durch schwere Anämie, hohes Fieber, Blut- flecken und schwere Blutungen, tiefgreifende nekrotisierende, (im anatomischen Sinne) diphtheritische Entzündungen, besonders der Mundhöhle, charakteri- siert ist. Je nach dem Symptom, das sich besonders in den Vordergrund drängt, ist es als aplastische perniziöse Anämie, als Sepsis mit allen möglichen Erregern, als Skorbut, als bösartige Form des Morbus maculosus Werlhofii beschrieben worden. Ohne hämatologische Untersuchung sind solche Fälle nicht zu klären, diese aber lehrt eindeutig, daß nicht nur die Thrombozyten, sondern auch die Granulozyten fast völlig aus dem Blute verschwunden sind. Ich habe diese auf schwerer toxischer Schädigung des Knochenmarks beruhende Krankheit als Aleukia haemorrhagica bezeichnet; vom praktisch-klinischen Standpunkte könnte man sie auch als maligne Thrombopenie abgrenzen. Die ,, idiopathische" Aleukie ist ätiologisch unklar; das nämliche Bild kann aber auch durch Gifte hervorgerufen werden, bei schwerstem Verlaufe mancher spezifischer Infek- tionskrankheiten (z. B. Pocken, Diphtherie, akute Exantheme) entstehen, im Gefolge bestimmter Splenomegalien sich entwickeln und endlich durch hyper- plastische Prozesse im Knochenmark (z. B. akute und subakute Leukämien, Tumormetast asierungen) hervorgerufen werden. Wir werden dieses scharf zu umreißende Krankheitsbild, dessen Kenntnis noch wenig verbreitet ist, als eigene Gruppe der hämorrhagischen Diathesen abhandeln. Die Sepsis, die ein sehr häufiger, aber nicht unerläßlicher Bestandteil des Syndroms ist, muß als sekundär, als Folge der ausfallenden Knochenmarksfunktion, gedeutet werden. Wir verfahren also gewissermaßen umgekehrt als es früher üblich war; wir stellen eine Gruppe der Sepsis zu den hämorrhagischen Diathesen, anstatt diese zur Sepsis. Aus der Masse der septischen Erkrankungen hat Litten eine von ihm als ,, maligne Endokarditis" bezeichnete Gruppe abgetrennt und als deren Merkmal hervorgehoben, daß den metastatischen Krankheitsherden jede Tendenz zur Vereiterung fehle, daß es sich stets um einfache seröse Gelenkentzündungen, blande Thromben resp. Emboli, glomerulär-tubuläre Nephritiden handele. Das Krankheitsbild, das wir heute „Endocarditis lenta" nennen, hat nach der Entdeckung des Erregers durch Schottmüller vorwiegend bakteriologisches Interesse erregt. Erst neuerdings ist man darauf aufmerksam geworden, daß der von Litten gegenüber dem gewöhnlichen Verlaufe der Sepsis hervorgehobene Unterschied der klinische Ausdruck einer sehr eigenartigen biologischen Reaktion des Organismus ist. Der myeloische Apparat beteiligt sich nämlich an der Abwehr des Erregers gar nicht ; diese fällt vielmehr autochthonen histiozytären (retikulo-endothelialen) Elementen zu. Litten betont, daß die maligne Endo- karditis sehr häufig von Purpura und Gelenkschwellungen begleitet sei und wendel sich scharf gegen den Mißbrauch, welcher mit der Diagnose Peliosis rheumatica in Anwendung auf solche Fälle von den Nachfahren Schönleins getrieben worden sei. Er ist mit Recht darüber entrüstet, daß durch voreilige Klassifikation nach rein deskriptiven Gesichtspunkten über einem Symptom die ernste Grundkrankheil vernachlässigt oder gar übersehen wurde. Wäre er Qichl davon durchdrungen, daß die Erscheinungsform der hämorrhagischen Diathese gleichgültig sei, so hätte er vielleicht nachgeforscht, ob nicht die „Purpura" S< bön teinfi und die Purpura bei seiner Endokarditis sich doch Die essentielle (benigne) Thrombopenie: Begriffsbestimmung. 295 sehr verschieden präsentieren, so daß schon a limine eine Verwechslung des harmlosen Prozesses mit dem ernsten Leiden vermieden wird. Tatsächlich ist nämlich der Purpurafleck bei der Endocarditis lenta eine ganz reine unkom- plizierte Hämorrhagie, weder auf der Basis eines Erythems wie beim Morbus Schönlein, noch auf der Basis einer gröberen anatomischen Wanderkrankung wie bei der septischen ,, metastatischen Dermatose". Die Ursache dieser Hämor- rhagien liegt wahrscheinlich in der oben bereits angedeuteten Tendenz des Endo- thels, sich am Kampfe gegen den Erreger zu beteiligen ; es dürfte sich um einen ganz andersartigen Typus von Blutungsbereitschaft handeln, wie bei den bisher besprochenen Formen. Durch die Erörterungen dieses einleitenden Kapitels ist ein Programm für die Darstellung der hämorrhagischen Diathesen, d. h. der Blutungsbereitschaften bei intaktem Gerinnungschemismus entwickelt. Es werden also folgende Formen abzuhandeln sein: I. Die benigne (essentielle) Thrombopenie sive Morbus Werlhof; II. Die maligne Thrombopenie sive Aleukia haemorrhagica zusamt den pathogenetisch verwandten schweren symptomatischen Thrombopenien bei einer Anzahl akuter Infektionskrankheiten bei den hy per plastischen Erkrankungen der hämatopoe tischen Organe und bei einer Reihe spleno- hepatischer Syndrome. III. Die hämorrhagische Kapillartoxikose sive Morbus Schönlein-Henoch ; IV. Die Endotheliosis haemorrhagica (Endocarditis lenta mit hämor- rhagischer Diathese) sive Morbus Litten mit einem Exkurs über die hämorrhagischen Dermatosen bei akuter Sepsis. Anhangsweise wird das bis jetzt rein klinisch -deskriptive Bild der Purpura fulminans, sowie die ebenfalls noch ziemlich undurchsichtige hämorrhagische Diathese bei schweren Parenchymschädigungen resp. starken Funktionsanomalien der Leber (hepatische Pseudohämophilie) zu besprechen sein. Der Skorbut der Erwachsenen und der Säuglinge findet dank unserer fortgeschrittenen Erkenntnis seiner Ätiologie seine Stellung im System nicht mehr bei den hämor- rhagischen Diathesen, sondern in der Gruppe der Avitaminosen, d. h. der durch Mangel hochwertiger qualitativ bedeutsamer Nahrungsbestandteile her- vorgerufenen Erkrankungen; immerhin wird bei der Differentialdiagnose der malignen Thrombopenie, mit der er nicht selten verwechselt worden ist, auf seine Symptomatologie sowie auf die Eigenart der ihm zugrunde liegenden Gewebsschädigung kurz einzugehen sein. I. Die essentielle (benigne) Thrombopenie. Begriffsbestimmung: Die Werlhof sehe Krankheit ist eine im allgemeinen nicht familiäre und nicht hereditäre, entweder aus voller Gesundheit heraus in Attacken auftretende oder chronische, zeitweilig exazerbierende Neigung zu reinen, unkomplizierten Blutungen allerverschiedensten Ausmaßes ins Gewebe und aus dem Gewebe, von der Flohstichhämorrhagie bis zum erschöpfenden Blutverlust aus einem individuellen Locus minoris resistentiae. Das Wesen der Diathese besteht lediglich in einem plötzlich entstehenden und kritisch wieder ver- gehenden oder einem dauernden Mangel des zirkulierenden Blutes an Thrombo- zyten bei im übrigen normaler morphologischer und chemischer Zusammen- setzung. Die notwendige Folge der Plättchenarmut oder ., Thrombopenie" ist eine mächtige Intensivierung jeglichen, auch des minimalsten, aus beliebigem Grunde entstehenden Austrittes roter Blutkörperchen aus der Gefäßbahn. 296 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Ich möchte zunächst idiographisch vorgehen und Zustandsbild und Verlaufsformen des Morbus Werlhof in der Mannigfaltigkeit der individuellen Abläufe darstellen. Die klinische Schilderung sei begonnen mit der Wiedergabe der bis vor kurzem völlig unbekannten klassischen Original- krankengeschichte Werlhofs, die W. Schultz in dankenswerter Weise ans Licht gezogen und in deutscher Übertragung mitgeteilt hat: „Ein erwachsenes kräftiges Mädchen bekam ohne vorhergegangene ersicht- liche Ursache neulich gegen die Zeit der Menstruation plötzlich ungeheures Nasenbluten. Es floß helles, aber übelriechendes Blut zugleich mit blutigem Speichel von dickem, sehr schwarzem Blut. Dazu kamen sogleich am Hals und an den Armen Flecken, teils schwarz, teils veilchenblau oder purpurrot wie man sie oft bei malignen Blattern sieht. Der rasche Verfall der Kräfte und die mir recht bekannte Art dieser seltenen Fleckenkrankheit mit Blutungen (Morbus maculosus haemorrhagicus) verboten eine Venaesectio. Die zweifache Art der Blutung durch die Nase und den Speichel dauerte ununterbrochen fort. Die Ohnmächten und das Erkalten der Extremitäten, verbunden mit schwachem und sehr schnellem Pulsschlag, verlangten ein wirksames Eingreifen, zumal auch die Zahl der Flecken sich vermehrte, und die ganze Umgebung beider Augen, des Nasenrückens und die Haut um Mund und Kinn mit einer livid schwärzlichen Färbung wie infolge eines Stoßes überzogen war. Allmählich kam das Nasenbluten zum Stehen, der Speichelfluß nahm ab und hörte am folgenden Tage auf ; die Ohnmächten kamen nicht wieder. Die Flecken nahmen täglich mehr eine rötliche, dann eine blasse Farbe an, und verschwanden am 7. Tage, an dem auch der Puis seine natürliche Bewegungsweise wiedergefunden hatte. Die Kräfte stellten sich ungefähr in gleichem Schritt mit der Gesundheit wieder her, wenn auch die Menstruation nicht zur regelmäßigen Zeit kam." Einige eigene Beobachtungen, von denen zumal die erste der Werlhofschen Be- schreibung aufs Haar gleicht, mögen zeigen, daß der scharfe Blick des alten Klini- kers aus der Fülle der mit Blutaustritten einhergehenden Krankheitszustände ein nach Art und Verlauf charakteristisches Krankheitsbild herausgehoben hat. 1. Frau Sp., eine kräftige Person in gutem Ernährungszustände, 26 Jahre alt, die immer gesund gewesen ist und noch vor 9 Monaten eine Entbindung ohne auffälligen Blutverlust durchgemacht hat, bekommt am 9. April 1915 im Anschluß an das Putzen der Nase so heftige und anhaltende Epistaxis, daß sie klinische Hilfe nachsucht. Aus beiden Nasenlöchern, die mit Koagula ausgestopft sind, rinnt unaufhörlich Blutstropfen auf Blutstropfen. Das Lippenrot ist teils mit geronnenem Blut überzogen, teils mit einer dünnen Schicht noch flüssigen Blutes wie bestrichen. An der Schleimhaut der Unterlippe und der Wange sieht man erodierte Stellen, die mit Blutschorfen bedeckt sind, am Zungen- rande zwei erbsengroße Blutblasen. Das Zahnfleisch ist ebenfalls mit Blutborken bedeckt, aber nirgends geschwollen oder gelockert. An der Brusthaut fallen vereinzelte, an Armen und Beinen zahlreiche hirsekorn- bis linsengroße Blutflecken auf, an einzelnen Stellen der Unterschenkel auch größere Ekchymosen. Am linken Oberarm hat sich ein fast faustgroßes Hämatom gebildet, das offenbar von einer Morphininjektion herrührt. Nach kleinem Einstich schwillt die Fingerbeere im Laufe der nächsten Stunden kolbig auf und das ins Gewebe ergossene Blut schimmert bläulich durch die Haut. Es gelingt nicht, die Nasenblutung zum Stehen zu bringen; zeitweise tropft kein Blut aus den Nasenlöchern ab, aber dann läuft es offenbar nach hinten in den Rachen hinunter. Es wird wohl zum Teil verschluckt; denn mitunter erbricht Patientin mit Blut untermischte Speisereste, ebenso entleert sie schwarze Stühle. Im Laufe der nächsten Tage beginnt das Blut auch aus dem Zahnfleisch fortwährend hervorzusickern, und auch diese Blutung läßt sich höch- stens rortibergehend stillen. Von Zeit zu Zeit befördert Patientin aus dem Munde mit Schleim ontennischte Blutmassen heraus. Die rechte Tonsille ist blutig imbibiert und offenbar durch Ausbildung eines Hämatoms stark Lreschwollen. Während der Zeit der Blutung tritt die Periode ein und verläuft durchaus normal. Nach 10 Tagen ist die Pat. durch die un- bzten Blutverluste hochgradig anämisch geworden (19. April: Ery throzy ten 1 000 000 ; UaiMML'lohin 30%; zahlreich«! Normoblasten, Polynukleose [15 000])*1). Der Zustand der l) Über die Blutplattchenbefunde, das Verhalten der Blutungs- und Gerinnungszeit der Falk und im Zusammenhang berichtet (S. 316ff.). Die essentielle (benigne) Thrombopenie : Kasuistik. 297 Kranken wird allmählich sehr ernst; sie liegt meist apathisch da, wird mitunter ohn- mächtig, Sehnenhüpfen und unwillkürliche Zuckungen sind bemerkbar, die Pulsfrequenz ist auf 160 Schläge gestiegen. Da sistiert am 21. April wie mit einem Schlage die Blutung aus Mund und Nase, und von jetzt an erholt sich die fast schon aufgegebene Patientin allmählich, Lippen und Zahnfleischränder reinigen sich, Schlaf und Appetit kehren wieder, nach 4 Wochen ist die Zahl der roten Blutkörperchen bereits 2x/2 Millionen; am 2. Juni kann Patientin, abgesehen von einer mäßigen Blutarmut, als genesen entlassen werden. Ich habe sie nach 6 Jahren wiedergesehen; sie ist seit damals völlig gesund geblieben und die spezielle Untersuchung lehrt, daß auch künstlich, durch Stauungsbinde und stumpfes Trauma oder durch Nadelstich die hämorrhagische und pseudohämophile Diathese selbst nicht spurweise mehr nachweisbar ist. 2. Helene Br., 50 Jahre alt, bei der vor drei Jahren die Menses zessiert hatten, er- krankt am 23. Oktober 1922 plötzlich mit starken Blutungen aus den Genitalien. Gleich- zeitig ergießt sich Blut aus Mund und Nase, und an Hals, Händen und Beinen treten Blut- flecke auf. Bei der Aufnahme in der Klinik am 24. Oktober ist der Naseneingang mit Blut- krusten bedeckt. In der Haut der Wange finden sich frische Blutunterlaufungen, die Zunge weist mehrere kleine Blutextravasate auf. Das Zahnfleisch blutet bei Druck sehr leicht. Der Stamm des Körpers ist frei, aber die beiden Unterarme und die Unterschenkel sind mit zahlreichen stecknadelkopfgroßen Petechien bedeckt, daneben finden sich mehrere große livide Flecken. Im Stuhl wird chemisch Blut nachgewiesen. Am 27. tritt, nach- dem die Blutungen eine Zeitlang nachgelassen hatten, wieder starke Blutausscheidung aus den Genitalien auf. Im linken Auge wird eine subkonjunktivale Blutung bemerkt. Am 29. klagt Pat. über heftige Schmerzen in der linken Kopfseite ; bald danach erbrach sie, und wurde kurze Zeit später, nachdem die Kopfschmerzen offenbar unerträglich ge- worden waren und in den letzten Stunden vor dem Tode eine deutliche rechtsseitige Lähmung sich ausgebildet hatte, bewußtlos. Mit größter Wahrscheinlichkeit (die Autopsie wurde verweigert) handelte es sich wohl um eine Meningealapoplexie. Blutbefund: Erythrozyten sinkend von 4400000 auf 3 500000, Hämoglobin von 80% auf 65%. Differentialzählung: Neutrophile 59%, Eosinophile 1%, Monozyten 10%, Lymphozyten 30%. 3. Hans S., ein 12 jähriger, körperlich gut entwickelter Schulknabe, fängt am 26. IL ganz unvermittelt an, aufs heftigste aus dem Zahnfleisch zu bluten. Einen Tag später wird bemerkt, daß er stark bluthaltigen Harn entleert. Bei seiner Aufnahme in die Klinik am fünften Tage der Erkrankung wiesen nur noch Blutkrusten auf die ursprünglich schwer stillbare Gingivalhämorrhagie hin. Man findet frische Blutflecken an den Beinen, am Rumpf und eine subkonjunktivale Blutung am linken Auge. Das Blutharnen hielt noch in unvermindertem Maße an; es sieht fast aus, als ob reines Blut entleert würde. Nach Anlegung der Stauungsbinde traten am Unterarm bis zum Handrücken zahlreiche Pete- chien auf. Bereits drei Tage später finden sich im hellen Harn nur noch spärliche Erythrozyten, die Blutfleckchen sind überall im Abblassen begriffen, Zahnfleisch vollständig gereinigt. Acht Tage später kann der Knabe geheilt entlassen werden: der Hämoglobingehalt, der auf der Höhe der Blutung bis auf 46% gesunken war, hatte sich bereits wieder auf 58% gehoben. Milz nicht palpabel. Weißes Blutbild: 6700 Leukozyten, Polynukleäre 68%, Lymphozyten 27%' Eosinophile 2%> Monozyten 3%. 4. Dr. J., ein 41 jähriger Arzt, erwachte eines Tages (28. Sept. 1919) mit Blutgeschmack im Munde und bemerkte, daß sein Zahnfleisch blutete. Im Laufe des Tages fielen ihm zahl- reiche Stecknadelkopf- bis linsengroße Blutflecke an beiden Unterschenkeln auf. Nach- mittags entleerte er blutigen, dunkelroten Harn, am 29. September morgens typischen Teerstuhl. Befund bei der Aufnahme in die Klinik: Großer, kräftig gebauter Mann in gutem Ernährungszustande mit blasser Hautfarbe. Die Körpertemperatur bleibt normal während der ganzen Dauer der Beobachtung. An der Stirnhaut einige stecknadelkopfgroße Blut- flecke, am Halse zahlreiche, vom Rasieren stammende Blutkrusten. Das Zahnfleisch ist nicht entzündet, jedoch dick mit Blutkrusten bedeckt, unter denen frisches Blut hervor- sickert. An der Zunge in der Nähe der Spitze eine etwa erbsengroße Blutblase. An Rumpf und Gliedmaßen ist die Haut mit zahlreichen frischen und älteren, bis linsengroßen Petechien besät. An manchen Stellen auch größere, fünfmarkstück- bis handtellergroße, bunt verfärbte Hautpartien, die sich derb anfühlen und bis ins Unterhaut- zellgewebe hinein infiltriert erscheinen. An Lungen und Herz normale Verhältnisse. Puls etwa 100 in der Minute. Leber nicht vergrößert, Milznichtzufühlen. Innervationsstörungen nicht vorhanden. Reflexe normal. Der Urin dunkelbraunrot, enthält reichlich Blut, keine Zylinder; Tagesmenge 1500 ccm, spezifisches Gewicht 1030. Stuhl dünnbreiig, pechartig schwarz, zweimal am Tage, chemische Blutprobe stark positiv. 298 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Nach Anlegung einer Stauungsbinde treten unterhalb der Kompressionsstelle sehr bald zahlreiche, dicht gedrängte kleine Blutflecken auf. 30. September: Zustand im wesentlichen unverändert, Urin stark blutig. 1. Oktober: Urin noch stark bluthaltig. Zahnfleischblutung geringer. 2. Oktober: Es sind keine neuen Blutungen mehr aufgetreten. Befinden bedeutend besser. Hämoglobingehalt 55%. 3. Oktober: Befinden sehr gut. Urin hell, nur mikroskopisch noch vereinzelte Erythro- zyten. Stuhl auf Einlauf braun, nur okkultes Blut nachweisbar. 5. Oktober: Besserung des Allgemeinbefindens macht Fortschritte. 8. Oktober: Im Urin und Stuhl auch mit chemischen Proben kein Blut mehr nach- weisbar. 10. Oktober: Befinden gut. Die Blutflecken sind bis auf Spuren geschwunden. Patient steht auf. 12. Oktober: Urin hell, 2500 ccm. Spezifisches Gewicht 1013. Patient wird als geheilt entlassen. Am 17. September hatte Patient eine Temperaturerhöhung auf 37,8° konstatiert. Wenige Stunden danach waren nacheinander an den Unterschenkeln, den Armen und am Gesäß eine Anzahl von pfennig- bis handtellergroßen, hellroten Flecken aufgetreten, an denen die Haut bis in das Unterhautzellgewebe hinein wie entzündlich infiltriert erschien. Der Zustand besserte sich bis zum 23. September, an welchem Patient wieder vollständig fieberfrei war. Er selbst sowie ein Kollege glauben, mit Sicherheit annehmen zu dürfen, daß es sich um ein Erythema nodosum gehandelt hat. Nachuntersuchung am 26. November: Befinden besser als in der letzten Zeit vor Aus- bruch der Krankheit. Hämoglobingehalt 92%. Keine Neigung zu Blutungen. — Seit- dem ist er, nunmehr fast vier Jahre, vollständig gesund geblieben und mühelos im- stande, seinem anstrengenden Beruf nachzugehen. Die Blutungsattacke muß nicht immer ein einmaliges Ereignis bleiben; nach einem längeren Intervall völliger Genesung, nach Jahr und Tag kann sie unvermittelt von neuem hervortreten. Ich nenne diese Verlaufsform die rezidivierende oder intermit- tierende und trenne sie streng von dem im eigentlichen Sinne chronischen Morbus Werlhof. Bei Henoch , dem auf dem Gebiete der hämorrhagischen Diathesen besonders Erfahrenen, finde ich zuerst einen in diese Gruppe gehörigen Fall beschrieben : Ein 12j ähriges Mädchen leidet drei Sommer hintereinander an Purpura. Epistaxis, hin und wieder auch an Hämoptysis, während sie im Winter gänzlich frei davon war. Bensaude und Rivet haben in ihrem Material von „Purpura chronique" einige derartige Fälle — einen, der auch hämatologisch sichergestellt ist, und zwei, bei denen das Rezidiv erst nach acht resp. siebzehn Jahren auftrat. Ich selbst habe diesen merkwürdigen Verlaufstypus, der zweifellos selten ist (aber noch seltener erscheint, als der Wirklichkeit entspricht, weil der Arzt die Patienten aus dem Auge verliert), bisher dreimal beobachten können und gebe die Geschichte dieser Kranken ausführlich wieder. 5. Guido Seh., 12 Jahre alt, tritt am 27. Februar 1914 zum ersten Male in die Klinik ein. Eltern und Geschwister sind gesund. Patient selbst hat außer Masern keine Krank- heit durchgemacht. Er litt öfter an Nasenbluten. 14 Tage vor Eintritt in die Klinik zeigten sich erst kleine, dann größere Blutaustritte an den Beinen und am Unterleib bei etwas erhöhter Körpertemperatur. Gleichzeitig stellte sich leichtes Nasenbluten ein, das sich edlmählich zum wahren Blutsturz steigerte, so daß im Laufe weniger Tage mehrfach starke Blutverluste eintraten. In der Klinik wurde das Nasenbluten durch Tamponade gestillt. Das Exanthem bestand noch. Man fand an der Brust und an den unteren Extremitäten mehrere üinfmarkstück- bis handtellergroße Blutungen. Temperatur 37°. Hämoglobin- gehalt 50° ,,. Seh. wird am 6. März geheilt entlassen. Bis /.Min 10. Januar 1915 soll Patient völlig wohl gewesen sein. An diesem Tage er- krankte er mit so heftigem Nasenbluten, daß er schleunigst in die Klinik gebracht wurde. Die diffuse Blutung aus Muscheln und Septum wird durch Koagulenspray und Tamponade zum Stehen gebracht. Etwa gleichzeitig mit der Blutung entwickelte sich ein diffuses l'ui |)inae\ant heni über dem ganzen Körper, zum Teil dicht beieinanderliegende, linsen- KTOfie Blutflecken, am stärksten an der Brnsl nahe den Achselfalten, spärlicher an den Armen. \ ereinzell auch an der Wangen- und Gaumenschleimhaut, zum Teil größere, Die essentielle (benigne) Thrombopenie : Kasuistik. 299 flächenhafte Blutextravasate, z. B. im Gesicht unter einem Augenlide. Ferner blutete er aus den Zahnfleischrändern und aus dem Lippenrot. Im Harn finden sich vereinzelte rote Blutkörperchen. Am 17. Januar klagt Patient gegen Abend über heftige Leibschmerzen, die nach einer V2 Stunde wieder nachlassen. Bereits vorher hatte er etwas geronnenes Blut erbrochen. Während der Nacht erbricht er noch mehrmals dunkelrote, zum Teil geronnene Blutmassen und ist am anderen Morgen sehr blaß (der Hämoglobingehalt, bei der Aufnahme 85%, ist plötzlich auf 40% herabgesunken). Durch Koagulen-Kochsalzinfusion, intravenöse Injektion von 5 ccm 10%iger Koch- salzlösung wird die Magenblutung zum Stillstand gebracht. Patient scheint sich zunächst zu erholen, doch wird nach etwa sechs Tagen der immer frequente Puls sehr klein und der Patient verfällt. Er stirbt am 25. Januar. Der Hämoglobingehalt war noch weiter bis auf 16% herabgesunken (offenbar durch Auffüllung des Gefäßsystems mit Gewebsflüssig- keit). Bis zum Eintritt der Magenblutung war die Körpertemperatur leicht erhöht, zwischen 37,5° und 38°, dann stieg sie höher und erreichte zweimal 39,5°. Blutbefund: 15. Januar. Zahl der roten Blutkörperchen 3 230 000, Hämoglobin- gehalt 85% (korrigiert), Zahl der weißen Blutkörperchen 18 200, ganz vorwiegend poly- nukleäre Formen. In einem kurz vor dem Tode angefertigten Blutpräparat ist die Zahl der weißen Blutkörperchen ganz enorm angestiegen, schätzungsweise auf etwa 40 000. (Auch hier sind fast alle Zellen polynukleäre : maximale posthämorrhagische Leukozytose). Bei der Autopsie fanden sich in der Magenschleimhaut an fünf bis sechs Stellen kleine Hämorrhagien. 6. Hans Sbt., 20 Jahre alt. Patient ist das einzige Mitglied seiner Familie, das an Purpura und Blutungen leidet. Erste Attacke vor acht Jahren. Blutflecken an beiden Extremitäten, Nasenbluten, Blutungen ins Auge. Nach drei Wochen wurde Patient als geheilt entlassen. Vor sieben Jahren erstes Rezidiv von vier Wochen Dauer. Vor sechs Jahren dritter Anfall. Damals traten Blutungen im Innern beider Augen auf (doppelseitige Glaskörperblutungen), eines mußte enukleiert werden, an dem anderen wurde eine Iridektomie vorgenommen. Vor fünf Jahren vierter Anfall: Beginn mit heftigem Nasenbluten. Sehr bald ist die Haut des ganzen Körpers mit petechialen Blutungen besät. Ferner treten Blutungen am Zahnfleisch und aus dem äußeren Gehörgange auf. Der Stuhl ist von pechschwarzer Farbe und enthält reichlich Blut. Im Harn kein Blut. Nach 14 lagen sind alle Erscheinungen abgeklungen. Vor drei Jahren wurde Patient von einer fünften Attacke befallen, die milde verlief (Nasenbluten, Zahnfleischblutungen, kleinfleckiges Exanthem, vereinzelte flächenhafte Hautblutungen). Vor vier Monaten wurde er zur Nachuntersuchung und Erhebung des Blutbefundes bestellt. Er fühlte sich ganz beschwerdefrei, wies nirgends auch nur das kleinste Blut- fleckchen auf, und auch künstlich ließ sich keine Hämorrhagie provozieren. Unter der Stauungsbinde traten nur ganz vereinzelte Blutpünktchen zutage, die auch bei Kom- bination mit aktiver Hyperämie im Heißluftkasten nicht an Zahl und Größe zunahmen. Patient macht jetzt (Juni 1915) seine sechste Attacke durch, wie meist mit zahlreichen Petechien auch in der Mundhöhle, einigen großen Sugillationen, Zahnfleisch-, Darm- und Nierenblutungen. Der Krankheitszustand war wie immer ganz plötzlich mit einem allge- meinen Gefühl der Mattigkeit und Schwäche aufgetreten. Nach einer Woche ließ die Blutungstendenz deutlich nach. Nach etwa 14 Tagen haben die Extra vasationen voll- ständig aufgehört und können auch künstlich nicht mehr hervorgerufen werden. Auf der Höhe der Erkrankung blutete es aus dem Einstich im Finger sehr lange nach, der Arm war nach Stauung mit frischen Blutflecken übersät, während 14 Tage später der Stauungs- versuch — selbst mit Zuhilfenahme des Heißluftkastens — negativ ausfällt. Vier Jahre nach dem letzten Rezidiv lag Patient wegen einer Pericarditis sicca in der Klinik. Er hat in der Zwischenzeit nie mehr Blutflecke oder Blutverluste bemerkt und auch die neuerliche Prüfung erweist das Fehlen der hämorrhagischen Diathese- so daß das Leiden schließlich doch zur Ausheilung gekommen zu sein scheint. 7. Frau Paula B., 49 Jahre alte fettleibige Patientin/ litt vor zehn Jahren längere Zeit an einer hämorrhagischen Diathese, derart, daß schon bei leichtem Stoß größere Blut- flecken auf der Haut entstanden. Auch von selbst schienen sich damals größere und kleinere Ekchymosen zu bilden. Die Periode, die sonst bei ihr in ganz normaler Weise verlief, soll damals auffällig stark gewesen sein. Die Blutungsneigung verlor sich nach einigen Wochen vollkommen. Jetzt bemerkt Frau B. seit 14 Tagen wieder, daß an Armen und Beinen, auch an den Lippen kleine, flohstichartige Blutungen auftreten; mitunter zeigte ein kurzer Schmerz 300 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. die Stelle an, an welcher sich nachher eine Petechie oder Ekchymose bildete. Neben den kleineren Flecken bemerkte sie auch größere Blutunterlaufungen, die sie auf leichte Stöße zurückführt. Die Gelenke sind absolut schmerzfrei. Die Untersuchung zeigt an den Unterschenkeln und Unterarmen eine größere Anzahl von teils schon bräunlich verfärbten kleineren Fleckchen. Am rechten Ellenbogen und in der Mitte des rechten Oberarms je eine große, flächenhafte, aber nicht sehr tief gehende Sugillation. Auf stärkeres Beklopfen mit dem Hammer tritt am Unterarm ein kleines Hämatom auf. Patientin wird mit Reizbestrahlungen der Knochen behandelt. Als Patientin sich nach einigen Wochen wieder vorstellt, haben sich die Blutflecken ganz verloren. Leber und Milz sind nicht palpabel. Stuhl und Harn blutfrei. Ery- throzyten 4 300 000, Hämoglobin 79%, Leukozyten 6500, Poly. 70%, Lympho. 17%, Eosino. 9%, Monozyten 3%, Baso. 1%. Bei der Patientin besteht eine Dilatatio cordis mit extrasystolischer Arrhythmie, die wohl thyreogener Natur ist und auf eine im Jahre 1913 durchgemachte Attacke von Base- dowscher Krankheit zurückgeht. In den Intervallen zwischen den Rezidiven sind solche Menschen gesund, nicht nur die Blutungen, auch die Blutungsbereitschaft und — wie wir später zeigen werden — die ihr zugrunde liegende Blut Veränderung ist geschwunden. Es ist die Diathese selbst, die sich zuzeiten erneut. Ganz anders bei dem wesentlich häufigeren chronischen Morbus maculosus haemor- rhagicus im engeren Sinne des Wortes. Die Krankheit kann manchmal ähn- lich verlaufen, mit heftigen Entladungen, die sich in unregelmäßigen, manchmal sogar in ziemlich gleichmäßigen Zwischenräumen wiederholen. Aber hier treten nur die spontanen Manifestationen zurück, die Diathese selbst waltet fort und jene alarmierenden Symptome sind nur die Ex- azerbationen der latenten, klinisch und hämatologisch leicht zu entlarvenden Blutungstendenz. In anderen Fällen fehlen schärfere Ein- schnitte: es ist ein ständiges Kommen und Gehen kleinerer und größerer Haut- hämorrhagien oder die Kranken bluten fast unaufhörlich, wenn auch nicht allzu heftig, aus einer Schleimhaut. Aus einem großen Beobachtungsmaterial wähle ich einige Krankengeschichten aus, welche die mannigfachen Erscheinungsweisen der chronischen Form wieder- spiegeln. 8. Berta K., 14 Jahre alt, ist bis vor vier Monaten nie ernstlich krank gewesen, befand sich immer in gutem Ernährungszustande und hat sich normal entwickelt. Damals fiel ihr zuerst auf, daß sich große, blaue Flecke am Körper entwickelten, wenn sie sich beim Spiel stieß oder schlug. Bald darauf schloß sich an eine Zahnextraktion eine Blutung von lV2tägiger Dauer an. Wenig später bekam sie Nasenbluten, das sich mehrfach wiederholte, aber zunächst immer leicht zu stillen war. Erst vor drei Wochen setzte starke; fast un- stillbare Epistaxis ein mit Erbrechen von Blut, das wohl ursprünglich aus dem Nasen - Rachenraum stammte, und verschluckt worden war. Diese heftige Blutung mit Blut- erbrechen wiederholte sich noch zweimal, ist aber seit 14 Tagen nicht mehr aufgetreten. Die Periode ist noch nicht eingetreten. Hochgradig blasses, schwer anämisches Mädchen. Erythrozyten 2 100 000, Leuko- zyten 4360, 84% polymorphkernige Zellen; 24% Hämoglobin. Temperatur dauernd zwischen 37 und 39°. Unterschenkel und Füße sind mit feinen, bläulich verfärbten, etwa stecknadelkopfgroßen Petechien bedeckt; hier und da findet man auch an Rumpf und Armen kleinste Blutflecken. An den Rändern des Zahnfleisches sind Meine Blutschorfe, auf der Unterlippe und der Schleimhaut der rechten Wange finden sich etwa pfennigstück- große, erodierte, blutig unterlaufene Stellen, die mit Borken bedeckt sind. Die Schorfe zahlreicher, durch starkes Hautjucken ausgelöster Kratzeffekte sind auffällig blutig. Nach Einstich in den Finger blutet es unaufhörlich, die Stichstellen sind durch Blutimbibitionen bläulich verfärbt. Leichter Schlag mit dem Perkussionshammer auf die Radiusbeinhaut mit ein kleinpflaumengroßes Hämatom hervor. Nasenbluten besteht zur Zeit nicht. Leber und Milz nicht zu tasten. Am Tage Dach der Aufnahme wird ein Stuhl abgesetzt, der außerordentlich dunkel hi und reichlich Hiut enthält. In den nächsten 'lagen setzt erneutes Nasenbluten Bin. I •' ■'■ H&moglobingehalt ist auf 16% gesunken, die Zahl der Erythrozyten auf 1 350 000. Ea beatehl eine polymorphkernige Leukozytose (18 300 Leukozyten; Poly. 87%, Lympho. <;..">" ,,. Mono. '».">" ,,). [Intel atarker zunehmender Dyspnoe und hochgradiger Tachykardie Die essentielle (benigne) Thrombopenie : Kasuistik. 301 tritt bei immer kleiner werdendem Pulse, ohne daß neue Blutungen bemerkbar werden, nach 14tägigem Krankenhausaufenthalt der Exitus ein. 9. Erich A., 12 Jahre alt, wird in der Klinik vom 15. September 1922 bis zu seinem Tode am 30. Dezember 1922 beobachtet. Der Knabe wird aus der orthopädischen Ab- teilung, wo er wegen doppelseitigen Klumpfußes operiert worden war, wegen äußerst heftigen Nasenblutens, das mehrmaliges Blutbrechen im Gefolge hatte, nach der medizinischen Klinik verlegt. Nach Angabe der Mutter ist er bis vor zwei Jahren ganz gesund gewesen; seitdem hat sie öfters blaue Flecken am Körper bemerkt, besonders auch im Laufe des letzten Jahres, in welchem er auch zeitweilig nachts ein wenig aus Mund oder Nase ge- blutet haben muß, da Blutflecken in den Kissen zu sehen waren. A. ist ein schwächliches, blaß aussehendes Kind. Blutstatus: Erythrozyten 3 200 000, Leukozyten 9 2000, Polymorphkernige 69 %, Lymphozyten 21°/0/ Monozyten 8%, Eosino- phile 2%. Das Nasenbluten steht. Stuhl und Harn mikroskopisch und chemisch frei von Blut. Zur Zeit finden sich überhaupt nur einige kleine Petechien an den Ober- schenkeln. Die Leber ist nicht zu tasten, die Milz kommt bei der Atmung eben unter dem Rippenbogen mit weichem Rande vor. Bis zum 9. November, also etwa acht Wochen lang, zeigt Patient keine Symptome, nachdem er an diesem Tage aufgestanden und einige Zeit herumgegangen ist, haben sich beide Unterschenkel reichlich mit Petechien bedeckt. Am 1 1 . November erwacht der Knabe nachts mit starker Übelkeit und erbricht blutige Massen. Gleichzeitig blutet er heftig aus der Nase. Die Blutung kommt erst nach zwei Stunden zum Stehen. Der Hämoglobingehalt ist einige Zeit danach auf 40% gesunken. Die Temperatur, die immer unter 37° war, ist seit dem 9. November subfebril. Gleichzeitig mit den Schleimhautblutungen ist am ganzen Körper ein petechiales Exanthem aufgetreten, ebenso Blutblasen an der Zunge und am Lippenrot, auch einige größere, flächenhafte Sugillationen. Am 13. November beginnt das Nasenbluten von neuem; Patient wird deshalb zur Milzexstirpation nach der chirurgischen Klinik verlegt. Die Ränder des Hautschnittes sehen wie gequetscht aus und sind blaurot verfärbt. Während der Operation blutet er noch aus der Nase; 25 Minuten nach Ent- fernung der Milz steht die Blutung. Die Milz war in situ vergrößert, ihre Maße sind 14,5 : 4,5 : 7. Blutbefund vom 14. November: Hämoglobin 25%, Erythrozyten 2 040 000, Leuko- zyten 49 000 (fast ausschließlich polymorphkernige Zellen); auf 100 Leukozyten 39 Normo - blasten. Patient erholt sich nach der Operation gut und ist bis zum 2. Dezember frei von Zeichen der hämorrhagischen Diathese. An diesem Tage blutet er stark aus dem Nasenrachen- raum und erbricht Blut. Die Blutung kann nur mit großer Mühe gestillt werden (2 ccm 5%iges Koagulen intravenös, 10 ccm Afenil intravenös, 80 ccm 5%iges Koagulen intra- muskulär, Adrenalin-Koagulenspray). Am 11. November wiederholt sich die heftige Blutung aus dem Nasenrachenraum, nachdem tags zuvor die Temperatur auf 38° gestiegen war. A. erbricht große Mengen von Blut, die offenbar aus dem Nasenrachenraum stammen. Am 13. Dezember ist dem Erbrochenen kein Blut mehr beigemischt. Im Augenhintergrund keine Blutungen. Am 15. Dezember beginnt das Blut wieder an der Unken hinteren Rachenwand herunter - zurinnen, außerdem befindet sich ein Blutungsherd in der linken Nasenhöhle. Beide Stellen werden mit C'lauden getränkten Tupfern tamponiert. Blutstatus: Hämoglobingehalt 18%, Erythrozyten 1200 000, Leukozyten 40 000. Mäßig zahlreiche, kernhaltige rote Blutkörperchen. 20. Dezember. Am Augenhintegrund werden heute in der Umgebung des Sehnerven- eintritts mehrere streifen- und zungenförmige Blutungsherde beobachtet. Am 23. Dezember erneute Blutung aus dem linken Nasenloch , ebenso am 24. und 28. Dezember. Der Hämoglobingehalt ist unterdessen auf 10% gesunken. Massenhaft Normoblasten, bis zu fünf in jedem Gesichtsfelde. Die Blutung kann durch lokale und allgemeine Maßnahmen (5 ccm 5%iges Koagulen intravenös, 95 intramuskulär) nur vor- übergehend zum Stehen gebracht werden. Über allen Ostien ein systolisches und dia- stolisches anämisches Geräusch. Unter zunehmender Herzschwäche geht der Kranke am 30. Dezember zugrunde. 10. Ägidius Z., ein lTjähriger Landarbeiter, dessen Familienanamnese ohne Belang ist, leidet seit seinem dritten Lebensjahre an Nasenbluten, das zum ersten Male nach einem Steinwurf gegen die Nase aufgetreten sein soll. Nach seiner Angabe hat er fast ständig Nasen- bluten, besonders aus dem rechten Nasenloch, das eigentlich nur dann aufhört, wenn das geronnene Blut die Nasenlöcher verstopft. Besonders stark sind die Blutungen im Sommer, zumal beim Bücken. 302 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Die Epistaxis, die auch während der Beobachtung in der Klinik wiederholt auftrat, ließ sich durch Tamponade ziemlich leicht stillen. Der blasse, blutarme Mensch ist für sein Alter klein, in der körperlichen Entwicklung zurückgeblieben und wiegt nur 31 kg. Drüsenschwellungen sind nicht vorhanden. Leber und Milz sind nicht vergrößert; Harn und Stuhl, auch bei mikroskopischer resp. chemischer Untersuchung frei von Blut. Das Zahnfleisch ist intakt, blutet nicht; am Körper sind keine Blutflecken wahrzu- nehmen; selbst nach Anlegung einer Stauungsbinde treten nur im Heißluftkasten ver- einzelte Flohstichblutungen auf. Dagegen blutet es nach kleinem Einstich in die Finger- beere fast unaufhörlich, und es entwickelt sich ein Hämatom, welches die ganze Volar - f lache des Fingerendgliedes einnimmt. Blutstatus: Hämoglobin 54%, Erythrozyten 4600000, Leukozyten 11240, Poly. 74,5%, Lympho. 13,5%, Eosino. 3%, Mono. 8,5%, Baso. 0,5%. 11. Albert St., 11 Jahre alt, stammt aus einer tuberkulös belasteten Familie und soll selbst vor zwei Jahren eine Bauchfelltuberkulose mit Bauchwassersucht durchgemacht haben und seitdem viel an Husten leiden. Seit V, Jahre werden bei ihm schubweise auftretende Hautblutungen an den Extremi- täten, den Schultern und dem Rücken bemerkt. Es sind entweder kleine, blauviolette Fleckchen oder größere, zusammenhängende Blutunterlaufungen. Vor acht Tagen bildeten sich beiderseits im unteren Augenlid diffuse Blutdurchtränkungen der Haut, die jetzt schon in der Resorption begriffen sind. Er hatte niemals Zahnfleisch- oder Nasenblutungen, nie wurde im Urin oder Stuhl Blut bemerkt. Bei der Aufnahme bemerkt man zahlreiche, ziemlich große, blaue bis blaugrüne Flecken; nur ganz vereinzelt kleine, punktförmige Blutungen. Als man aber die Stauungsbinde anlegte, entwickeln sich in kurzer Frist zahllose punktförmige Blutungen bis hinunter zum Handrücken. Beim Beklopfen des Sternums und der Ulna bildete sich innerhalb V2 Stunde ein deutlich erhabenes, subkutanes Hämatom; jeder Nadelstich ist von einer kleinen Blutimbibition um die Stichstelle gefolgt. Die Zunge zeigt zahlreiche bläuliche, punktförmige Blutextravasate, die auch nach Reiben an den Lippen und dem Zahnfleisch auftreten. Harn und Stuhl sind blutfrei. Die Milz ist deutlich vergrößert und überragt mit mäßig hartem Rande um einen Querfinger den Rippenbogen. Blutstatus: Erythrozyten 4200000, Leukozyten 7 800, Poly. 66%, Lympho. 20%, Eosino. 11%, Monozyten 3%. Über den Lungen zur Zeit kein krankhafter Befund. Röntgenologisch beiderseits Drüsenschatten im Hilus. Im Sputum keine Tuberkelbazillen. Nachuntersuchung nach sechs Wochen: Nur vereinzelte, in Resorption begriffene Flecken; beim Schlag geringfügiges Hämatom; Stauungsversuch jetzt negativ. 12. Arthur Ul., 23 Jahre alt, ist der einzige Sohn seiner Eltern, die beide, ebensowenig wie Verwandte, jemals zu Blutungen geneigt haben. Er selbst will nach Verletzungen schon immer stark geblutet haben. Ohne irgendwelche Vorboten trat vor etwa einem Jahre plötz- lich eine so starke und anhaltende Blutung aus beiden Nasenlöchern auf, daß er schließ- lich, als sie nach zwölf Stunden stand, ohnmächtig wurde und ins Lazarett geschafft werden mußte. Wegen der sich immer wiederholenden Blutungen hat er seitdem in verschiedenen Lazaretten gelegen; zu der Epistaxis gesellten sich noch Zahnfleischblutungen; außerdem bemerkte er das Auftreten zahlreicher kleiner Blutflecken am ganzen Körper. Zur Zeit ist die Blutung aus der Nase nur noch gering, das Zahnfleisch ist blaß, nicht entzündet, trägt nur an einer Stelle noch eine kleine Blutkruste. An der Schleimhaut des harten und weichen Gaumens und an den Wangen sind kleine Blutflecken wahrzunehmen, ebenso an vielen Stellen des Körpers, besonders an den Unterschenkeln und den Streckseiten der Unterarme, nicht besonders auffällige, höchstens stecknadelkopfgroße, teils ältere, teils frische Blutfleckchen. Am linken Oberarm und am rechten Oberschenkel findet sich eine flächenhafte, der Farbe nach bereits in Resorption begriffene Sugillation. Während einer etwa dreimonatigen Beobachtungszeit ändert sich in dem Zustande kaum etwas; es war ein ständiges Kommen und Gehen kleinster Hautblutungen und ge- ringer Blutungen aus Nase und Zahnfleisch. Stets genügte schon ein etwas unsanftes Zufassen, z. B. Druck auf den Bizeps, um eine ziemlich ausgedehnte Blutinfiltration bis in die Subkutis hervorzurufen; jeder kleine Stoß an Arm und Bein bringt ähnliche flächen- hafte Blutungen hervor. Aus dem Einstich in die Fingerbeere quellen 15 Minuten lang große Blutstropfen hervor. Nach Anlegen der Stauungsbinde erscheint der Unterarm last diffus dunkel gefärbt durch die zahllosen, dicht nebeneinander stehenden Petechien. Bei der körperlichen Tntersuchung wurde im übrigen ein krankhafter Befund nicht erhoben, insbesondere konnte der von anderer Seite geäußerte Verdacht einer leukämischen Erkrankung nicht bestätigl werden; keine Drüsenschwellung, keine Leber- und Milz- \ ergrö Bei ung. Die essentielle (benigne) Thrombopenie : Kasuistik. 303 Blutstatus: Erythrozyten 4 600000, Leukozjten 5000, Poly. 71%, Lympho. 20%, Eosino. 4,5%, Monozyten 4,5%. 13. Else W. Die 21jährige Patientin ist als Kind immer gesund gewesen, ist seit ihrem 15. Lebensjahre, zunächst unregelmäßig, menstruiert, hat in den letzten Jahren nun zwar regelmäßige und beschwerdelose, aber acht Tage dauernde, sehr starke Periode. Am 14. März 1919 sucht sie die Poliklinik auf, weil sie bei der diesmaligen, nun schon zehn Tage an- haltenden Periode abnorm viel Blut verloren habe. Bei der Untersuchung der stark ausgebluteten Patientin wird ein aus dem kleinen Becken aufsteigender, bis in Nabelhöhe reichender Tumor festgestellt. Alle Styptika und die Tamponade versagen, erst auf intrauterine Koaguleninjektion steht die Blutung. Der Hämoglobingehalt, der auf 40% gesunken war, hob sich bis Ende April wieder auf 74%. Ende Mai wird zur Ope- ration des Tumors geschritten, der sich als ein kindskopf großer, mit großen Mengen dick- flüssigen, schokoladenfarbigen Blutes erfüllter zystischer Ovarialtumor erwies; das linke Ovarium ist ebenfalls in eine hühnereigroße Blutzyste umgewandelt. Der rechtsseitige Tumor wird vollständig entfernt, links ein kleiner Rest des Ovariums zurückgelassen. Die nach der Operation zunächst mäßigen Menstrualblutungen nehmen im Laufe einiger Monate wieder einen gefahrdrohenden Charakter an. Es wurde daher versucht, durch Röntgenbestrahlungen des Ovarialrestes eine Amenorrhoe herbeizuführen; das gelang auch für ein Jahr, dann stellten sich wieder zunehmende, schließlich exorbitante Menstrualblutungen ein, so daß die Tiefenbestrahlung April 1921 wiederholt wurde. Seitdem ist Patientin amenorrhoisch. Schon im isrealitischen Krankenhause wurde ein positiver Stauungsversuch, eine verlängerte Blutungszeit, Bildung kleiner Hämatome beim Beklopfen der Haut über der knöchernen Unterlage festgestellt. Bei der Nachprüfung im März 1922 erwies sich die Patientin frei von jeder spontanen Hämorrhagie, auf Befragen gab sie an, daß sie gelegentlich einmal sehr große blaue Flecke, hier und da, an ihrem Körper bemerkte und auch schon früher bemerkt habe. Eine Häufung kleinerer Blutflecken ist ihr nie aufgefallen. Unter der Stauungsbinde entstehen diesmal massenhaft Petechien bis zum Handrücken, ebenso ist durch Reiben und Beklopfen der Haut die Blutungstendenz leicht zu erweisen, nicht minder bei der Laesio minima durch Nadelstich. 14. Ida G., 15 Jahre alt. Patientin soll bis zu ihrem elften Lebensjahre gesund gewesen sein. Weder ihre Eltern, noch ihre Geschwister bieten ähnliche Krankheitserscheinungen dar wie die Patientin. Seit dem zwölften Lebensjahre treten bei dem Mädchen drei- bis viermal im Jahre kleine linsenförmige Blutflecken in großer Zahl, hauptsächlich an den beiden Unterschenkeln auf. Das erste Mal sollen sich große, dunkelblaue Beulen an den Knöcheln gebildet haben, die dann aufgingen und aus denen sich dunkles Blut entleerte. Solche Beulen sind nicht wieder aufgetreten. Ganz geschwunden sind die kleinen Blutflecken eigentlich nie, einige waren stets vorhanden. Bei geringen Schlägen auf Arme oder Beine traten regelmäßig große, dunkelblaue Flecke auf. Seit zwei Jahren ist Patientin menstruiert, die Periode war von Anfang an außerordent- lich stark und pflegte mehr als acht Tage anzuhalten. Sie suchte wegen dieser jedesmal so erheblichen Menstrualblutung die Frauenklinik auf. Dort wurden beiderseits Adnex - tumoren getastet, von denen der rechte etwa hühnereigroß war. Bei der Untersuchung fanden sich an beiden Beinen dicht aneinandergereihte, linsen- förmige Blutflecken, sonst nur vereinzelte, kleine Blutaustritte am Hals und an der Brust- apertur. Aus dem Zahnfleisch blutet es fast stets ein wenig, ebenso ist um die Mundwinkel oft etwas verschmiertes Blut. Der Zahnfleischrand ist nicht entzündet. Die in der Klinik beobachtete Menstruation dauert neun Tage. Nach Angabe der Patientin war der Blutverlust bei etwa gleicher Dauer früher oft viel stärker. Etwa drei- bis viermal tritt während der Beobachtung in der Klinik spontanes Nasenbluten auf, das niemals größere Dimensionen annimmt. Eines Tages wird unterhalb des rechten Leistenbandes eine bläulich-rote Sugillation von fast 10 cm Durchmesser festgestellt. Schon der Schlag mit dem Perkussionshammer auf die Haut über dem Vorderarm- knochen ruft blaue Flecke hervor. Durch Anlegung der Stauungsbinde für etwa 10 Minuten am linken Oberarm wird unterhalb der Abklemmungsstelle ein aus zahlreichen linsenförmigen Blutflecken bestehendes Exanthem erzeugt. Bei längerer Dauer der Stauung und gleich- zeitiger aktiver Hyperämie im Heißluftapparat werden die Blutaustritte so zahlreich, daß zwischen den massenhaften runden und länglichen Blutflecken kaum mehr kleine, weiße Inselchen zu sehen sind. Vereinzelte Blutpünktchen werden selbst an den Fingern festgestellt (vgl. die beigegebene Abb. S. 313). Dieser Stauungsversuch läßt sich jedesmal mit dem gleichen Effekt wiederholen. Nach Einstich in den Finger tritt zunächst ein kleines Bluttröpfchen aus, allmählich vergrößert sich dann der Tropfen, und es blutet sehr lange nach. So wurde einmal nach 304 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. 7 Minuten, während große Tropfen aus dem Finger hervorquellen, die Blutung unterbrochen. Trotzdem es nämlich spontan so lange blutet, wird durch Aufpressen eines Wattebausches oder wenn man nur eine Anzahl von Wattefasern an der Einstichstelle hängen läßt, die Blutung fast momentan gestillt. Blutbefund: Bei der Aufnahme Zahl der roten Blutkörperchen 4 000 000, Hämoglobin - gehalt korrigiert 60%, Färbeindex 0,75. Im gefärbten Präparat besteht Anisozytose, aber keine Makrozytose, kernhaltige rote Blutkörperchen werden nicht gefunden. Bei der Entlassung Zahl der roten Blutkörperchen 3 800 000, Hämoglobingehalt korri- giert 57%. Zahl der weißen Blutkörperchen 5100, darunter 63% Polynukleäre, 29% Lymphozyten, 7% große Mononukleäre, 1% Eosinophile. 15. Marie Cz., ein 23 jähriges Hausmädchen, wird am 9. Februar 1922 der Klinik wegen „hämorrhagischer Diathese" unklarer Ursache überwiesen. Sie ist unter sieben Geschwistern die einzige Kranke. Die Regel zeigte sich im 14. Lebensjahre, gleichzeitig mit der Periode hatte sie immer starkes Nasenbluten. Seit drei Jahren sind die Blutverluste bei der Periode jedesmal auffällig stark; das Nasenbluten macht sich auch in den Zwischenzeiten bemerkbar. Einmal war die Monats- blutung so abundant, daß sie ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Im letzten Jahre lag sie wegen andauernder Epistaxis einmal längere Zeit im Krankenhaus. Allmählich bildete sich eine starke Anämie aus, an der sie seit November 1921 mit gutem Erfolg auf der Kranken- abteilung der Landesversicherungsanstalt behandelt wurde. Kaum war die Anämie wesent- lich gebessert, als erneute heftige Uterus-, bald darauf auch Nasenblutungen den Farbstoff- gehalt auf 41% herunterdrückten. Abgesehen von der erheblichen sekundären Anämie (Hämoglobin 46%) weist die Kranke bei der Aufnahme keinen pathologischen Befund auf. Nirgends Blutflecken: im Harn und Stuhl kein Sanguis. Keine Epistaxis, keine Stoinatorrhagie. Milz weder perku- torisch noch palpatorisch vergrößert. Der Stauungsversuch ist negativ, aus dem Fingereinstich blutet es zehn Minuten. Die am 13. Februar einsetzende Menstruation ist zwar sehr stark, hört aber nach vier Tagen spontan auf; die nächste Regel ist wieder viel heftiger, auch nach neun Tagen besteht die Menorrhagie fort, gleichzeitig haben sich leichte Blutungen aus dem Zahnfleisch ein- gestellt; am Zahnfleisch des LTnterkiefers bemerkt man rechterseits eine größere Blutblase. Der Stauungsversuch beginnt 20 Minuten nach Anlegung der Binde positiv zu werden, ist nach 80 Minuten sehr stark ausgeprägt. Die Blutungsdauer nach Stichverletzung beträgt 36 Minuten. Mit Rücksicht auf den chronischen Charakter des Leidens, das immer wieder zu erheb- licher Anämie führt, wird bei der Patientin die Milzexstirpation ausgeführt, die schon bei zwei anderen Patienten sich bewährt hatte. Über ihre Wirkung wird später im Zusammen- hang berichtet werden. Blutstatus: Vor der Milzexstirpation: 24 Stunden nach der Milzexstirpation: Hämoglobin 53% 50% Erythrozyten 3 800 000 3 600 000 Leukozyten 6 300 29 000 Polyn 60% 89% Lymphozvten 36% 6% Mono. 3% 5% Eosino 1% vereinzelte Jollykörperchen. 16 x). Christiane Seh., 59 Jahre alt, Aufnahme am 24. Juli 1915 zur Stillung starker Epistaxis. Die Patientin ist nie ernstlich krank gewesen, hat früher weder bei der Periode, noch bei zwölf Geburten abnorme Blutverluste gehabt. Die jetzige Krankheit trat im Frühjahr dieses Jahres mit heftigem Nasenbluten auf; manchmal tropfte das Blut tagelang. Vor drei Wochen hat auch das Zahnfleisch geblutet. Seit Ostern treten, wenn sie sich stößt oder schlägt, gleich dunkle Flecken auf, die schnell an Ausdehnung gewinnen. Als sie sich einmal in den Finger stach, trat zwar nicht allzu viel Blut aus, aber es bildete sich eine allmählich sich verfärbende Auftreibung der Fingerkuppe. Vier Wochen später (etwa 1/2 Jahr nach Beginn der Erkrankung) kommt Patientin wieder; sie hat drei Tage zuvor sehr viel Blut aus der Nase verloren, an Armen und Beinen waren frische Blutflecken aufgetreten. Es fanden sich an den Unterschenkeln sowie an der Streck- l) Über zwei weitere chronische Fälle im höheren Alter, bei denen die Milzexstirpation vorgenommen wurde, siehe die klinischen Notizen zu Tabelle 2 unter „Resultate der Milzexstirpation", s. 376. Die essentielle (benigne) Thrombopenie : Kasuistik. 305 seite der Vorderarme frische, höchstens linsenkorngroße Petechien, außerdem Residuen etwas älterer Ekchymosen in Form von wohl markstückgroßen dunklen Flecken. Im Stuhl wurde chemisch Blut nachgewiesen. Nasenbluten hatte sie nur noch früh- morgens beim Waschen. Acht Tage später hatte die Blutungsneigung fast ganz aufgehört; die Bindenstauung rief selbst im Verein mit Heißluftapplikation keine neuen Hautblutungen hervor. Blutstatus: Hämoglobin . . 65°/0 Erythrozyten . 4 050 000 Leukozyten . . 10 100 Poly 73% Lympho. . . . 24,5% Eosino 2% Mono 0,5%. Eine Sonderstellung nehmen solche Fälle ein, die zwar seit vielen Jahren an der Blutung leiden, bei denen aber doch die Manifestationen der Diathese durch einen tiefen Einschnitt von mehrjähriger Dauer getrennt sind. Die Blutungstendenz verlor sich nach Jahr und Tag allmählich, und die Patienten hielten sich bereits für ganz gesund, da sie sich ungestraft Dinge zumuten konnten, die vorher nicht glimpflich abliefen (Zahnextraktionen, sportliche Betätigung jeder Art mit erheblichen Stürzen). Ganz allmählich oder auch ziemlich un- vermittelt stellen sich — wie gesagt nach jahrelanger Pause — die Hämor- rhagien wieder ein und bestehen nun seit Monaten oder gar Jahren ziemlich gleichmäßig fort. Da bis jetzt in der symptomlosen Zwischenpause das Blut niemals untersucht worden ist, bleibt es unentschieden, ob hier die Äußerung der Krankheit nur ungewöhnlich lange zurücktrat, oder ob zwischen den chronisch und verschleppt verlaufenden Blutungsperioden doch eine Heilung im hämatologischen Sinne stattgefunden hat. Fast hat letzteres den Anschein; wir würden dann also anzunehmen haben, daß Fälle, die sich durchaus als chronisch präsentieren, doch noch einer spon- tanen Besserung fähig sind; es besteht aber stets die Rezidivgefahr, und das Rezidiv kann sich dann in Permanenz erklären. In Wirklichkeit ist die „häma- tologische Heilung", wie erst später verständlich sein wird, wohl recht unvoll- ständig. Es gibt sicherlich eine Anzahl von Übergangsformen zwischen dem „rezidivierenden" und dem „chronischen" Typ, und man wird solche Fälle am richtigsten als besonders prägnante Beispiele derartiger Zwischenstufen auf- fassen (vgl. S. 330). Für das Verständnis des Erfolges der Milzexstirpation sind sie, wie man sie auch deuten mag, sehr wichtig. Ich führe zwei Eigenbeobachtungen an, bei denen die eben skizzierte Anamnese erhoben wurde. 17. Liesel v. Sk., 23 Jahre alt. Im achten Lebensjahre soll sich im Ansclüuß an die Operation einer Ranula ein ausgesprochener Morbus maculosus Werlhofii entwickelt haben: Haut besät mit blauen Flecken, heftiges Nasenbluten. Die Blutungsneigung zog sich bis zum Beginn der Pubertät hin; noch die ersten Menstruationen sollen auffällig stark ge- wesen sein. Mit dem Weiterschreiten der körperlichen Entwicklung verschwanden sämt- liche Erscheinungen auf mehrere Jahre, so daß sie sich keine Schonung mehr aufzuerlegen brauchte. Vor etwa vier Jahren trat nach einer Zahnextraktion heftigstes Nachsickern des Blutes und erneutes Nasenbluten auf, auch nahm die Menstruation wieder ganz erheblich an Stärke zu. Seitdem hat sich die Neigung zu Ekchymosen und Hämatomen bei geringem Stoß oder Schlag nicht mehr verloren. Das Blut konnte vor vier Jahren untersucht werden und wurde jetzt einer neuen Untersuchung unterzogen. Auch während der jetzigen Beobach- tungszeit wurden bei ihr an verschiedenen Stellen des Körpers große, blaue Flecke bemerkt. Auffällig ist ferner — und möglicherweise mit Blutextravasaten im Uterus oder Corpus luteum zusammenzubringen — , daß sie zweimal, etwa im dritten Monat der Gravidität, abortiert hat. Schleimhautblutungen fehlen bei ihr jetzt vollkommen; die Milz ist nicht vergrößert. Das rote und weiße Blutbild ist ohne Besonderheiten. 18. Käthe W., jetzt 14 Jahre alt, erkrankte noch in der Rekonvaleszenz einer Grippe, die sie vor drei Jahren durchmachte, nach Angabe der Mutter an der „Blutfleckenkrank- Blutkrankheiten. II. 20 306 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. heit". Die Unterschenkel, Unterarme, die Gegend der oberen Thoraxapertur sollen damals mit stecknadelkopfgroßen, dunklen Fleckchen besät gewesen sein. Außerdem sollen sich vielfach an der Haut teils frische, düster violettrote, teils auch mehr blaue und braune flächenhafte Hautverfärbungen bis zu Fünfmarkstückgröße ausgebildet haben. Solche Flecken, wie die letztgenannten, haben sich in einem Zeitraum von l1/* Jahren immer wieder von neuem gezeigt, sobald das Kind sich auch nur die geringste Kontusion zuzog. Sie mußte deswegen z. B. vom Turnunterricht ferngehalten werden. Allmählich aber ließ die Xeigung zu Blutunterlauf ungen nach, so daß IV2 Jahre nach Beginn der Blutflecken- krankheit das Mädchen für völlig gesund gehalten wurde. Ein Jahr später (November 1921) trat die erste Periode auf, die ganz auffällig heftig war, 6—8 Tage dauerte und einen starken Blutverlust verursachte. Die zweite Periode, im Mai 1922, war von ähnlicher Heftigkeit, so daß sich das Mädchen von der erheblichen Anämie nur langsam erholte. Die nächsten Perioden waren von normaler Dauer und Stärke, dagegen setzte die Periode, die im -Januar 1923 eintrat, wieder so außerordentlich heftig ein und führte bei fast achttägiger Dauer zu einem so hochgradigen Blutverlust, daß eine sehr schwere Anämie resultierte. Bei der Aufnahme in die Klinik war der Blutbefund folgender: Hämoglobingehalt 32°/0, Erythrozyten 3 610 000, Leukozyten 8300. Spontane Blutungen bestehen zur Zeit nicht, doch genügt ein leichter Schlag mit dem Hammer auf das Sternum oder auf den Unterarm, um in kurzer Zeit Beulen von Walnuß- größe entstehen zu lassen. Auch blutet es nach Einstich in die Fingerbeere mit sehr großen Tropfen über V4 Stunde nach. Temperatur ist zeitweilig bis auf 37,3° erhöht. Urin ohne basonderen Befund, Leber und Milz nicht vergrößert. Die Patientin wird von jetzt ab jedes Mal während der Zeit der Menstruation klinisch beobachtet. Die nächsten drei Perioden verlaufen sowohl der Intensität als der Dauer nach ohne Besonderheiten. Die vierte zog sich zunächst in mäßiger Stärke über 8 Tage hin, um dann ziemlich unvermittelt in eine ganz profuse Blutung überzugehen, die zur Entleerung großer, klumpiger Gerinnsel aus der Scheide führte und den Hämoglobingehalt in zwei Tagen von 50% auf 26% reduzierte. Förmlich unter den Augen des Beobachters entwickelte sich das Bild der Anaemia gravis. Da die Blutung weder durch gynäkologische Styptika und Luteoglandol, noch durch Gelatine und Afenilinjektionen, noch auch end- lich durch eine Bluttransfusion gedämpft werden konnte, wird zur Splenektomie geschritten: Noch am Tage der Operation steht die Blutung. Es wird von nun an nur noch einige Tage ein leicht sanguinolenter, wässeriger Ausfluß bemerkt. Die Patientin ist seit der Operation ohne krankhafte Erscheinungen. Blutstatus Ende Mai 1924: Erythrozyten 4 360 000, Hämoglobin 82%. Stauungsversuch negativ, Blutungs- zeit 172 Minuten. Unter der chronischen Verlaufsform des Morbus Werlhof haben wir nicht eigentlich eine über längere Zeiträume sich erstreckende „Krankheit" zu ver- stehen ; es handelt sich vielmehr um eine Art erworbener Konstitutionsanomalie, welche von einem nicht immer scharf zu fixierenden Zeitpunkt den Betroffenen durch sein ferneres Leben begleitet. Als ich vor acht Jahren, angeregt durch einige rasch hintereinander zur Beobachtung gelangende Fälle dem Gegenstande mein Interesse zuwandte, war über die Existenz eines derartigen pathologischen Dauerzustandes in deutschen Lehr- und Handbüchern herzlich wenig zu finden. Und doch hatte bereits im Jahre 1886 Ernst Wagner in einem Aufsatze „Purpura und Erythem" das Bild der „chronischen Purpura haemorrhagica" mit knappen Strichen treffend geschildert. „Die chronischen Formen der hämor- rhagischen Purpura charakterisieren sich dadurch, daß sie entweder gleichmäßig jahrelang fortdauern oder daß sie im Laufe der Jahre mehrmals exazerbieren, während sich die Kranken in der Zwischenzeit wohl befinden. Ohne oder mit Vorboten tritt zunächst in der Haut, vorzugsweise der unteren Extremitäten, die Purpura ein. Wenige Tage darauf kommen Blutungen aus Schleimhäuten, bald nur aus einer, am häufigsten der Nase und den weiblichen Genitalien, bald der Reihe nach, selten gleichzeitig aus mehreren, selbst allen Schleim- häuten. Das Zahnfleisch bleibt normal oder blutet gleichfalls. Größere sub- kutane oder muskuläre Blutungen vom Charakter der skorbutischen fehlen oder lassen sich, wenn sie vorhanden sind, auf ein stattgefundenes Trauma zurückführen." Die essentielle (benigne) Thrombopenie: chronische Verlaufsform. 307 Henoch kennt, wie aus der Darstellung in seinem Lehrbuch hervorgeht, ebenfalls solche Fälle. Hayem (a) hat in seinen klinischen Vorlesungen — zuerst im Jahre 1895 — die ,, Purpura haemorrhagica chronica" an der Hand instruktiver Zustands- bilder mehrmals gründlich behandelt. Er hat sich in die Schicksale seiner Kranken vertieft, hat eine grundlegende hämatologische Charakteristik der Erkrankung gegeben und hat nachdrücklich darauf hingewiesen, daß dieses Leiden, das bis jetzt die Aufmerksamkeit der Arzte kaum auf sich gezogen habe, durchaus keine rara avis sei. Ben sau de und Rivet kommen 1905 ebenfalls zu dem Schlüsse, daß die formes chroniques du purpura hemorrhagique alles andere als selten seien; sie stützen sich auf ein im Laufe von zehn Jahren gesammeltes Material von zwölf eigenen Fällen, denen sie etwa ebenso viele im gleichen Zeitraum von anderer Seite in Pariser Krankenhäusern beobachtete anreihen können. Die sechs von ihnen ausführlich veröffentlichten Kranken- geschichten sind sehr lehrreiche und lesenswerte Beispiele teils der akut rezidi- vierenden, teils der chronisch exazerbierenden, teils der kontinuierlichen Form des Morbus Werlhof, sämtlich auch mit hämatologischen Daten versehen. Auf Grund meiner persönlichen Erfahrung muß ich in Übereinstimmung mit den französischen Autoren den Morbus Werlhofii chronicus für ein ziemlich häufiges Vorkommnis halten, habe ich doch, nachdem erst einmal mein Interesse geweckt und mein Blick geschärft war, bis Ende 1922 wohl vierzig Fälle, d. h. pro Jahr etwa fünf bis sechs neue Fälle genauer untersuchen können 1). Wie läßt es sich verstehen, daß der chronische Morbus Werlhof so wenig bekannt ist, und die Zugehörigkeit des Einzelfalles zur Werlhofgruppe so oft verkannt wird ? Einen Teil der Schuld trägt wohl die unglückliche Nomenklatur, die durch eine fatale Akzentverschiebung im Laufe der Zeit zu einer irrtümlichen Vorstellung von der klinischen Physiognomie der Erkrankung führte. Werlhof hat bei seiner Namengebung auf das Epitheton „haemorrhagicus", auf die ,, Blutflüsse" den gleichen Nachdruck gelegt wie auf das Vorhandensein der Blut- flecken. Dadurch, daß seine Nachfolger seine treffende Bezeichnung spalteten und von einem Morbus maculosus sive Purpura haemorrhagica sprachen, ge- wöhnte man sich allmählich daran, den Sachverhalt so zu denken, daß die „Pur- pura" der integrierende Bestandteil des Krankheitsbildes sei, daß der Morbus Werlhof vor allem eine „Fleckenkrankheit" sei, in leichteren Fällen eine Purpura simplex, zu der sich die Blutungen erst bei schwererem Verlaufe gesellten. Davon kann nun, wie die Lektüre unserer typische Erscheinungsformen wieder- gebenden Krankengeschichten lehrt, gar nicht die Rede sein. In Fall 10, 13, 15 fehlt eigentlich im spontanen Ablauf der Erkrankung die „Purpura" ganz, im ersten ist sie nicht einmal artefiziell hervorzurufen. Ein großartiges „Purpura- exanthem", d. h. eine plötzlich oder in Schüben vor sich gehende Eruption von Petechien und kleineren Ekchymosen, welche diffus über das ganze Inte- gument verteilt sind, ist schon bei der akuten und rezidivierenden Form durch- aus nicht immer, bei den chronischen Fällen ganz gewiß ziemlich selten, nur bei stärkster Exazerbation, anzutreffen. Oft genug wollen die Blutflecken gesucht sein; vereinzelte flächenhafte Sugillationen in allen Stadien der Farb- stoff um Wandlung, hier und da eine wenig auffällige Gruppe von Flohstich - blutungen, an der Wangen- und Gaumenschleimhaut ein paar Blutspritzer, höchstens an den Unterschenkeln eine Häufung Stecknadelkopf- bis linsen- großer Flecken; so präsentiert sich die „Purpura". Man hätte die Krankheit viel besser als Morbus haemorrhagicus cum purpura oder cum maculis be- zeichnen sollen. Die Blutung dominiert durchaus, in den mildesten Fällen x) Neben etwa 10 akuten resp. echt intermittierenden. 20* 308 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. die sich immer wiederholende mäßige, in den schwereren die einmalige abundante oder die schwer stillbare Blutergießung an eine oder mehrere freie Oberflächen. Viele dieser Menschen suchen überhaupt keinen Arzt auf; andere bekommt der Spezialist, der Rhinologe, der Zahnarzt, der Frauenarzt, die jüngeren der Pädiater zu sehen, wenn ein heftiger oder ein anhaltender Blutverlust sie selbst oder ihre Angehörigen erschreckt. Tritt dann, wie häufig, die isolierte Blutung aus einem Organ ganz in den Vordergrund, berichten die Kranken selbst nichts von ihren ,, blauen Flecken" oder werden diese infolge der Unterlassung einer allgemeinen Untersuchung nicht bemerkt, so wird oft an eine konstitutionelle Ursache des Nasenblutens oder der Menorrhagie gar nicht gedacht werden. Fließen mehrere Quellen der Blutung, kombinieren sich mit der ungewöhn- lich starken und gar nicht endenwollenden Periode Epistaxis und Blutung aus dem Zahnfleisch, fällt die überstarke Blutung aus der kleinsten Wunde auf, wird die Entstehung von Ekchymosen und Hämatomen im Anschluß an geringfügige Traumen bemerkt, so machen die Kranken den Eindruck von „Blutern". Die Anomalie ist zwar weder ererbt noch angeboren , sie betrifft ein weibliches Individuum, aber man beruhigt sich bei der Diagnose einer „sporadischen" Hämophilie, die anderen Gesetzen folge als die erbliche Bluterkrankheit. Manch- mal wird vielleicht auch diese letztere angenommen auf die vage Angabe hin, daß auch die Mutter oder eine Tante immer starke Monatsblutungen gehabt habe oder daß ein männlicher Blutsverwandter aus Schnittwunden immer lange nachgeblutet habe. So trägt ein äußerlicher Umstand, die zufällige Lokalisation der Blutungen, im Verein mit der weitgehenden Spezialisierung der Medizin, viel dazu bei, daß sich das Material zersplittert, daß insbesondere diejenige Instanz, die berufen wäre, die Fälle von einem einheitlichen Gesichtspunkte zu bearbeiten, die innere Klinik, sie wenig zu Gesicht bekam und weder von ihrer Eigenart, noch von ihrer Häufigkeit Kenntnis hatte. A. Klinische Analyse des Werlhof-Syndroms. Das Werlhof- Syndrom läßt sich jedesmal in drei Komponenten auflösen, 1. den Spontan- Symptomenkomplex, 2. die provozierbaren Phänomene, 3. die Anomalie des morphologischen Blutbildes und der Blutgerinnung. 1. Der Spontansymptomenkomplex setzt sich zusammen aus Blutungen ins Gewebe der Haut und der Schleimhäute, Blutungen nach außen (Epistaxis, Stomatorrhagie, Hämoptysis, Hämatemesis, Melaena, Meno- und^Metrorrhagie, Hämaturie) und Blutungen ins Innere von Organen. Die Hauthämorrhagien sitzen als feinste, eben sichtbare Blutpünktchen oder Flohstichblutungen im Papillarkörper, sie umscheiden als Stecknadelkopf- es linsengroße „Petechien" die feinsten venösen Gefäßchen im Stratum sub- papillare, sie durchtränken als pfennig- bis fünfmarkstückgroße „Ekchymosen" sämtliche Schichten der Kutis, sie reichen als flächenhafte, bis zum Umfange eines Handtellers ausgebreitete Sugillationen tief ins Subkutangewebe hinein. Man findet ganz frische, schwarzblaue und düster violette Flecke, dann wieder allere in den verschiedenen Stadien der Farbstoffumwandlung begriffene. Niemals zeigen die llainonhagien, auch nicht im allerersten Beginn, einen hyper- amischen Hof oder eine urtikarielle Beschaffenheit resp. Umwallung. Auch Bubkutane Hämatome, kleinere und größere, bläulich durchschimmernde, bald flachere Infiltrationen, bald mehr kugelige Knoten, isoliert oder als Zentren von Sugillationen kommen nicht selten zur Beobachtung. Thrombopenie : Werlhof- Syndrom, Spontansymptomenkomplex. 309 Was die Lokalisation der Petechien anlangt, so sind im allgemeinen die Haarfollikel frei. Ausgedehnte subkutane Suffusionen, wie beim Skorbut, welche fast die ganze Länge einer Extremität und ihre gesamte Zirkumferenz einnehmen können, kommen nicht (oder höchstens durch den Zufall eines Traumas) vor, ebensowenig die anderen Lieblingslokalisationen des Skorbuts: subfasziale, inter- und intramuskuläre Hämatome. Fast stets findet man Blutflecken an der Schleimhaut der Wange, des harten und weichen Gaumens und des Rachens, gelegentlich eine subkonjunktivale Blutung; an der Zunge, am Lippenrot kann die oberste Schicht des Epithels durch eine Blutblase abgehoben sein, die natürlich leicht platzt und kleine Erosionen und Rhagaden im Gefolge hat. Nur in einer kleinen Minderzahl von Fällen — am ehesten noch bei der akuten resp. akut rezidivierenden Form — ist die Haut des Rumpfes und der Extremitäten so mit Blutflecken übersät, daß man sagen könnte, sie sei wie mit einem in Blut getauchten Maurerpinsel angespritzt (Litten) oder gar, sie gleiche einem „Leopardenfell". Meist beschränkt sich die Häufung der Pete- chien und kleineren Ekchymosen auf die Streckseiten der Unterschenkel oder auf umschriebene Teile des Rumpfes, z. B. auf die Gegend der oberen Thorax- apertur. In anderen Fällen findet man zwar sehr viele, aber allerkleinste und weit auseinander stehende Fleckchen. Am häufigsten ist wohl, wie bereits erwähnt, die Kombination mehrerer großer Ekchymosen und Sugillationen an sehr ver- schiedenen Partien des Körpers (etwa an einem Unterlid, an der Außenseite des Oberarms, symmetrisch unterhalb des Poupartschen Bandes) mit wenig auffälligen Gruppen von Flohstichblutungen am Rumpf, dichter stehenden Petechien an den Unterschenkeln und den fast niemals fehlenden Blutflecken in der Schleimhaut der Mundhöhle. Irgend eine Gesetzmäßigkeit oder Sym- metrie der Anordnung der Hämorrhagien ist nicht ersichtlich. Die ,, Blutflüsse" erfolgen meistens mit besonderer Intensität nur aus einem Prädilektionsort, mit dem allerdings ein zweiter alternieren kann. Gar nicht ungewöhnlich ist es aber, daß die profuse Hauptblutung von Blutungen geringeren Grades aus anderen Gebieten begleitet ist. Bei beiden Geschlechtern sind vorzugsweise die leichtverletzliche oder kongestionierte Nasenschleim- haut oder die dünne Gewebsbrücke, die das Zahnfleisch an den Kiefer bindet, welche vielleicht schon vor Erwerbung der Diathese einen Locus minoris resistentiae darstellten und nun zum Quellgebiet des Blutaussickerns werden. Bei der Frau wird naturgemäß die physiologische Wunde, die ihr allmonatlich durch den Umbau der Uterinschleimhaut geschlagen wird1), sehr leicht zum Ausgangspunkt stärkster Blutverluste. Nicht selten ist der Verlauf so, daß die überstarke Periode nach etwa drei Tagen zu versagen scheint, um nach kurzer Pause in verstärktem Maße wieder aufzutreten und nun eine Woche und länger sich hinzuziehen. Auch bei Mädchen, die noch nicht men- struiert sind und bei Frauen, bei denen die Menses schon mehrere Jahre zessiert haben , können starke Blutausscheidungen aus dem Genitale erfolgen. Ander- seits kann trotz und während stärkster Blutungen aus anderen Schleimhäuten die Periode eher schwach sein, wahrscheinlich wohl vorwiegend bei Genital - hypoplasie. Demnächst — aber wohl schon mehr beim akuten Morbus Werlhof — figuriert in der Häufigkeitsskala die Schleimhaut der Blase oder der Harn- wege als Sitz der Blutung, seltener schon der Magen -Darmkanal. Wird x) Nach R. Meyer, Schröder, Labhardt, Seitz schließt sich an den Schleimhaut- Auf- und -Umbau der prämenstruellen Phase während der Periode selbst ein weitgehender Schleimhautzerfall mit temporärer Schaffung einer Wundfläche an: es ist also nicht nur mit Diapedese und derRhexis strotzend gefüllter Gefäße, sondern direkt mit ihrer Arrosion zu rechnen (cf. Seitz). 310 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. mit Blut untermischter Mageninhalt erbrochen, läßt sich Blut in den Fäzes nachweisen, so muß immer bedacht werden, daß sehr viel Blut aus dem Nasen- rachenraum verschluckt sein kann, welches eine Hämatemese oder Melaena vortäuscht. Gelegentlich kann auch aus Hämorrhoidalknoten sehr viel Blut verloren werden. Ist der Sitz des Blutaustrittes zugänglich, so kann man die Blutung nicht eigentlich als schwer stillbar bezeichnen, doch beginnt oft genug nach kurzem Stillstand das Blut immer wieder hervorzuquellen. Obwohl es sich doch fast stets um rein parenchymatöse Extravasationen handelt, also Rhexis- oder Diapedesisblutung lediglich aus einem oder mehreren benach- barten Kapillargebieten, kann die unaufhörliche Folge der Blutstropfen doch im Laufe einiger Tage recht bedenkliche Grade von Anämie im Gefolge haben (Fall 1: nach zehn Tagen nur noch 1000 000 Erythrozyten!). Blutungen im Körperinnern, in Organparenchyme und Organhöhlen sind nach meinen Erfahrungen beim Morbus Werlhof, so wie wir ihn umgrenzt haben, recht selten. Ein bis jetzt nicht gewürdigter, vielleicht nicht ganz ungewöhnlicher Befund ist bei weiblichen Individuen mit Menorrhagien die Ausbildung doppelseitiger Hämovarien. d. h. die Umwandlung der Eierstöcke in große, bluterfüllte Zysten, wie sie erstmalig von Berg auf Grund der Autopsia in vivo beschrieben worden ist (Fall 13). Wahrscheinlich lag eine auf intra- parenchymatösen Blutergüssen beruhende Tumorbildung der Ovarien in einem zweiten unserer Fälle vor (vgl. den Befund des Gynäkologen bei Fall 14). Zu erwägen ist ferner noch, ob nicht gelegentlich durch Blutungen in die Dezidua oder in das Corpus luteum frühzeitiger Abortus eintritt, woran in Fall 17 unserer Beobachtungsreihe zu denken war. In der älteren Literatur ist oft von Blutungen ins Gehirn und seine Häute bei Purpura haemorrhagica die Rede. Ich habe unter mehr als 50 Fällen nur zweimal Hämorrhagien ins Zentralnervensystem beobachtet. Das eine Mal handelte es sich um eine übrigens restlos sich wieder zurückbildende Hemiplegie bei einem Manne von 62 Jahren während einer subakut verlaufenden Attacke mit massenhaft Blutflecken, Nasen-, Zahnfleisch-, Blasen- und Darmblutungen. Der Kranke hatte aber einen Blutdruck von über 200 mm Hg, war also zweifellos zur Apoplexie disponiert. Die zweite Beobachtung habe ich in der Kasuistik aufgeführt (Fall 2). Nach dem klinischen Bilde ist zu vermuten, daß bei der 50jährigen Frau sich eine unter heftigen Kopfschmerzen einsetzende Meningeal- apoplexie ausbildete, die durch Druck auf die motorischen Zentren der Hirn- rinde zur halbseitigen Lähmung und schließlich durch die allgemeine Erhöhung des Hirndrucks zu Bewußtlosigkeit und Atemlähmung führte. E. Wagner beschreibt mehrere jüngere Individuen mit Purpura haemorrhagica, bei denen er klinisch zerebrale Symptome beobachtete und autoptisch größere Hirnsubstanz- oder Hirnhautblutungen fand. Es handelt sich um sehr akute, unter dem Bilde des Morbus maculosus haemorrhagicus verlaufende Fälle. Da die Blutuntersuchung fehlt, ist weder die akute Leukämie, noch die akute Aleukie — beides damals unbekannte Krankheits- bilder — mit Sicherheit auszuschließen. In einer seiner Beobachtungen läßt sich sogar die leukämische Infiltration der Organe aus der histologischen Beschreibung deutlich erkennen, in anderen darf wegen des hohen Fiebers, der Anaemia gravissima, der gangrä- nösen Stomatitis eine Aleukie vermutet werden. Ich möchte jedenfalls glauben, daß bei diesen malignen Prozessen, die erst neuerdings mit aller Schärfe charakterisiert werden können, die zerebralen Komplikationen eine viel größere Rolle spielen als beim Morbus Werlhof, wenigstens der jugendlichen Individuen. Eine besondere Rarität ist wohl die zur Erblindung führende Glaskörper- blutung bei der rezidivierenden Thrombopenie des Falles 6. Was Blutungen im Aug-enhintergrunde anbetrifft, so erwähnt Henoch, daß er sie stets vermißt habe. Ich habe erst in letzter Zeit auf diesen Punkt geachtet und möchte Eenoch durchaus beipflichten, nachdem in drei eigenen Fällen während des Bestehens einer ausgebreiteten hämorrhagischen Diathese der Haut und der Thrombopenie : Werlhof- Syndrom, Provokationsphänomene. 311 Schleimhäute keine Spur einer Retinalblutung nachgewiesen werden konnte. Bei einem dieser Individuen fanden wir sie später doch, aber erst, als eine alier- schwerste Anämie sich ausgebildet hatte, so daß diese mindestens als sehr begünstigendes Moment betrachtet werden muß. Es wird nicht viele Krankheiten geben, bei welchen die Hervorhebung der nicht vorhandenen Symptome der positiven Charakteristik an Bedeutung so sehr gleichkommt wie bei der hier in Rede stehen- den. Es ist auf Grund meiner Studien an einem sehr reichhaltigen Material von Kranken der Werlhofgruppe meine feste Überzeugung, daß niemals eine Entwirrung der hämorrhagischen Diathesen gelingen wird, wenn man nicht die von der älteren Klinik gezogenen Schranken zwischen dem Morbus Werlhof und den anderen hämorrhagischen Krankheiten, welche Immermann , Litten , Heubner u. a. niedergerissen haben, wieder aufrichtet, nunmehr natürlich mit wesentlich schärferer Umreißung der Krankheitsbilder und ganz anderen kriti- schen Maßstäben als sie Schön lein und seinen Zeitgenossen zur Verfügung standen. Der ,, Purpura" Werlhofii fehlt der exanthematische Charakter sensu stric- tiori, d. h. Hyperämie, papulöse Effloreszenzen, Quaddeln, umschriebene Subkutanödeme — mit den Hämorrhagien vereint oder von ihnen gesondert — sind dem Werlhof sehen Komplex absolut fremd; ebensowenig sind die Gelenke im Sinne einer Schmerzhaftigkeit, einer periartikulären Schwellung, eines Er- gusses in die Gelenkhöhlen jemals mitaffiziert x). Auch die Blutungen aus inneren Oberflächen vollziehen sich ohne jeden begleitenden Katarrh, im allgemeinen auch ohne jede quälende Kolik. Ich habe ferner das Zahnfleisch wohl dicht mit Blutborken bedeckt, hier und da blutig infiltriert und stellenweise exkoriiert gefunden, niemals aber eine Stomatitis simplex oder ulcerosa wahrgenommen. 2. Die Provokationsphänomene : Reibe- und Klopfversuch, Blutungszeit, Stauungsversuch . Jedem, der Gelegenheit hat, Menschen, die an der Werlhof sehen Krankheit leiden, zu untersuchen, dürfte alsbald auffallen, daß die Örtlichkeiten der Blutungen im einzelnen nicht unweigerlich festgelegt sind, daß vielmehr eine universelle Blutungstendenz gegeben ist, welche durch leichten mechanischen Ein- und Zugriff am Orte der Wahl zur Auswirkung gebracht werden kann. Die Kranken selbst berichten ja nicht selten, daß Kratzstellen oder Rasier- schnitte auffällig stark und lange bluten, daß nach einer Zahnextraktion die Blutung aus der Alveole sich erst nach Stunden, ja nach Tagen habe stillen lassen; sie wissen, daß sie nach Stoß und Schlag, ja schon nach unsanftem Anfassen außerordentlich große blaue Flecken oder gar Blutbeulen davon- zutragen pflegen. Schon bei He noch finden wir diesen Sachverhalt sehr anschaulich beschrieben: „Stärkere Berührungen des Zahnfleisches rufen ebenso leicht Blutungen hervor wie Quetschung der Haut, ja schon das Kratzen derselben mit dem Fingernagel kann schnell einen Blutfleck oder einen roten Streif, welcher auf Druck nicht mehr schwindet, erzeugen. Kleine Nadel- stiche, welche wir behufs der Blutuntersuchung machten, bluteten sehr stark; Injektionen mit der Pravazschen Spritze bewirkten fast immer eine ziemlich umfangreiche ßlutinfil- tration der Haut und des unterliegenden Bindegewebes. In einem Falle erfolgten auch wiederholt Blutungen aus einem Ekzem der Wange." Hayem betont in seinen Vorlesungen, daß bei manchen Kranken die kleinsten Wunden im Übermaß bluten und daß sich oft genug selbst bei einer einfachen, etwas brüsken Muskel- kontraktion schon Ekchymosen bilden. Er schildert sehr eindrucksvoll die Wirkung wieder- holter Traumen bei einem Falle chronischer Purpura haemorrhagica, bei dem die Blutungs- bereitschaft zur Zeit der Untersuchung schon 15 Jahre lang ununterbrochen fortbestand. x) Natürlich kann zufällig eine Pseudohämophilie bei einem Patienten mit chronischem Gelenkrheumatismus sich entwickeln, wie wir dies einmal beobachteten. 312 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Im Alter von zehn Jahren traf den Kranken ein Steinwurf am Bein; % Stunde später bemerkte er an der Stelle der Kontusion einen rotvioletten Fleck; da er keine Schmerzen verspürte, fuhr er fort, zu laufen und zu springen mit dem Erfolge, daß am vierten Tage die Verfärbung fast die ganze Oberfläche des Beines einnahm. Mit 15 Jahren stieß er sich beim Treppensteigen mit der rechten Tibiakante gegen das Geländer und bemerkte schon wenige Minuten später den ominösen roten Fleck. Er beeilte sich diesmal das Bein in hori- zontale Lage zu bringen, aber trotzdem entwickelte sich eine hämorrhagische Manschette, welche die ganze Zirkumferenz des Unterschenkels einnahm. Ein drittes Mal, beim Militär, wurde er gegen einen Schrank gedrängt und stieß sich mit dem Gesäß gegen den Schlüssel. Das unbedeutende Trauma gab Anlaß zur Entstehung einer Suffusion, welche sich an der Hinterseite des Oberschenkels, dem Verlaufe des Hüftnerven entsprechend, weit nach abwärts erstreckte. Ich habe dieses Beispiel angeführt, um zu zeigen, daß durch die zufällige Artung des Traumas auch sehr ausgedehnte Blutunterlaufungen, die den skorbutischen ähnlich sind, gelegentlich einmal zustande kommen können, doch fehlt auch hier das Übergreifen der Blutergießung auf die tieferen faszialen Schichten und die allgemeine ödematöse Durch- tränkung, welche Haut und Muskel fast zu einer Einheit verbinden. Es ist sehr merkwürdig, daß lange Zeit niemand daran gedacht hat, dieses sich doch sehr aufdrängende Symptom der leichten Auslösbarkeit der Hämor- rhagie durch stumpfe oder scharfe Traumen zum Ausbau des klinischen Bildes und vor allem zur Diagnosenstellung bei symptomenarmen Fällen zu benutzen. Erstmalig im Jahre 1910 hat der Amerikaner W. W. Duke es ausgesprochen, daß die gegen die Norm ganz wesentlich verlängerte Dauer der Blutung aus eröffneten Kapillaren ein regelmäßiges Symptom der Werlhofschen Krankheit sei und hat für die Ermittlung dieser differentialdiagnostisch höchst wich- tigen Tatsache eine sehr einfache Methode angegeben: Er wies nach, daß es für die bis zum Aufhören der Blutung verfließende Zeit keinen Unterschied macht, ob man durch einen seichteren oder tieferen, schmäleren oder breiteren Einschnitt eine kleinere oder größere Anzahl von Kapillaren lädiert. Duke macht den kleinen Einschnitt ins Ohrläppchen und saugt die hervorquellenden Tropfen in Abständen von 1/2 Minute in Fließpapier auf. Ob nun der erste Tropfen 1 oder 2 cm im Durchmesser hält, die ,,B lu tun gs zeit" beträgt normalerweise ein bis drei Minuten. Bei der Beurteilung der Resultate spielt noch eine Rolle die Größe der Tropfen, d. h. die Menge des in der Zeiteinheit ergossenen Blutes und die Besichtigung der Stichstelle: macht man den Einstich (wie ich es vor- ziehe) in die Fingerbeere, so wird man bei Werlhof scher Krankheit öfters eine je nach dem Grade der Störung an Ausdehnung variierende blutige Imbibition, gelegentlich sogar eine kolbige. Auftreibung der Fingerkuppe finden. Beim Morbus Werlhof ist die Blutungszeit fast durchgehend verlängert; sie beträgt meist ein Mehrfaches der normalen, wohl mindestens zehn Minuten. Wir werden die Einzelheiten beim Vergleich der Blutungszeit mit den Plättchen- zahlen erörtern. Dient die Prüfung der Blutungszeit gewissermaßen zum sicheren Nachweis, dal.; der Morbus maculosus stets ein haemorrhagicus ist, so läßt sich durch den etwa gleichzeitig von A. F. Heß (a) und mir eingeführten Stauungsversuch, auch wenn die Blutflecken fehlen, oder wenn sie sparsam vorhanden sind, die „Purpura" künstlich erzeugen und auf diese Weise dartun, daß bei an- scheinend nur mit Schleimhautblutungen einhergehenden pseudohämophilen Frdlcri daneben ein Morbus maculosus besteht. Ich führe entweder nur starke < Stauimg am Oberarm für 15 — 20 Minuten durch oder kombiniere mit arterieller Eyperämie, indem ich gleichzeitig den Arm unterhalb der Binde für zehn Minuten in den Eeißluftkasten verbringe. Die Entstehung ziemlich Bpärlicher, feinster Blut punkte lediglich in der Ellbogenbeuge oder auch ein wenig weiter hinab am Unterarm, das sog. R-umpel - Leedesche Phänomen, is1 dabei ohne Belang, da es, wie eine R< Lhe von Autoren, neuerdings besonders Stephan, nachgewiesen haben, unter sehr verschiedenartigen Umständen Thrombopenie : Werlhof- Syndrom, Hämatologische Formel. 313 vorkommt: beim Morbus Werlhof handelt es sich um etwas ganz anderes, nämlich um die Entstehung gehäufter Stecknadelkopf- bis linsengroßer Pete- chien, nahe der Binde wohl auch kleinerer Ekchymosen. Die Blutflecken sind auch in den distalen Partien des Unterarms noch sehr zahlreich, werden erst am Handrücken spärlicher und ihre letzten Ausläufer reichen bis zu den Finger- spitzen. Bei sehr niedrigen Platt chenzahlen gelingt es sogar meistens, ein groß- artiges petechiales Exanthem zu erzeugen, das aus runden, zungen- und streifen- förmigen, vielfach konfluierenden Blutextravasaten zusammengesetzt ist und zu einer nur noch spärliche weiße Inselchen frei lassenden Blut- unterlaufung des gesamten Un- terarmes werden kann. Endlich ist noch hervorzu- heben, daß man sich von der Wirkung stumpfer Traumen sehr leicht überzeugen kann. Beklopfen der Haut über der knöchernen Unterlage, z. B. am Unterarm oder über dem Ster- num mit dem Perkussions- hammer, ruft subkutane Extra - vasationen hervor, die schon nach wenigen Minuten als flache Leisten tastbar sind und sich allmählich zu bläulich durch die Haut schimmernden Hämatomen recht ansehnlichen Ausmaßes entwickeln können. Wird die etwas angespannte Haut mit dem Fingernagel ge- rieben, so bleiben nach Ver- klingen der Reizhyperämie zahlreiche Flohstichblutungen übrig. Es wird kaum einen Fall von Morbus Werlhof geben, bei dem nicht mindestens eines der drei Phänomene, Blu- tungszeit , Stauungsversuch oder Klopfversuch, ein durchaus pathologisches Ergebnis liefert. 3. Die hämatologische Formel. Als Ergebnis der Blutuntersuchung bei zwei Fällen der chronischen Verlaufsform des Morbus Werlhof hat Denys im Jahre 1889 folgende, heute wie damals gültigen Sätze aufgestellt: „Das rote und weiße Blutbild ist nicht charakteristisch verändert, die Blut- gerinnung im Glase ist nicht verzögert, die Menge des Fibrins normal. Dagegen sind die Blutplättchen ganz außerordentlich spärlich." Hayem (a) hat dem noch hinzugefügt, daß die wenigen vorhandenen Plättchen auffällig große Exemplare seien und daß doch eine Anomalie des Gerinnungsvorganges zu konstatieren sei: das geronnene Blut zieht sich nicht von den Wänden des Glases zurück, der Blutkuchen preßt kein Serum aus (irretractilite du caillot). Diese Unfähigkeit des Blutkuchens, sich zu retrahieren, beruht, wie Hayem selbst, später Le Sourd und Pag nie z mit Sicherheit nachweisen konnten, auf dem Fehlen der Plättchen in den Knotenpunkten des Fibrinnetzes : ein sehr plättchenarmes Plasma gerinnt, aber retrahiert sich nicht mehr. Abb. 1. Ausfall des Stauungsversuchs bei Fall 14. 314 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Hayem hat ferner mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Dauer der Koagulation in vitro nicht verwechselt werden dürfe mit dem zeitlichen Ablauf des Prozesses der Hämostase in vivo. Bei der Purpura haemorrhagica sei trotz der Schwierigkeit der Hämostase (Verstärkung und Verlängerung der Blutung) die Gerinnungszeit durchaus in physiologischen Grenzen. Duke hat dieses Faktum durch Einführung seiner einfachen Methode zur Messung der Blutungs- zeit besonders sinnfällig gemacht, und als Charakteristikum der Purpura haemor- rhagica die Formel geprägt: die Blutungszeit ist abnorm verlängert (manchmal auf 60 — 90 Minuten) bei durchaus regelrechter Gerinnungs- zeit. Bei der echten Hämophilie hingegen ist die Gerinnungszeit außerordent- lich verlängert, mitunter auf mehrere Stunden, während die Blutungszeit normal ist. Beginn und Ende der Gerinnung des der Ader entnommenen Blutes spielt sich auch nach meinen Erfahrungen allermeist in dem allerdings ziemlich weit gespannten Rahmen der Norm ab (Beginn nach 7 — 15 Minuten, Ende nach 15 — 25 Minuten); manchmal ist sogar die Gerinnung in vitro trotz enorm ver- längerter Blutungszeit auffällig rasch beendet (Fall 4: Beginn nach wenigen Minuten, Ende nach zwölf Minuten). Anderseits gibt es zweifellos Fälle, bei denen die Gerinnung des Gesamtblutes sich auffällig verzögert. So sahen wir einmal (Fall 2) den Beginn der Gerinnung nach 25 Minuten, das Ende nach 65 Minuten; in einem anderen Fall fanden wir bei wiederholter Prüfung den Beginn nach 19, 25, 27, 39 Minuten, das Ende nach 39 Minuten, 1 Stunde 40 Minuten, mehr als 2 Stunden, hier verwischen sich im Gerinnungsversuch wenigstens bei dieser groben Prüfung die Grenzen zur Hämophilie. Im übrigen bezieht sich die Angabe über die durchaus normale Gerinnungszeit nur auf die Gerinnung des Gesamtblutes. Schon Hayem wußte, daß plättchenfrei gemachtes Normalplasma, das sich nach der Gerinnung nicht retra- hiert, längere Zeit bis zur Gerinnung braucht als normales. Es liegt also nahe, an- zunehmen, daß auch die Gerinnungszeit des plättchenarmen Plasmas der Pseudo- hämophilen verlängert sei. Gram hat in der Tat behauptet, daß dies der Fall sei und daß man die verlangsamte Gerinnung des Plasmas bei Werlhofscher Krankheit mit Hilfe der Methode der Pekalzifikation des Zitratplasmas zur Anschauung bringen könne. So viel mir bekannt ist, hat er nur einen Fall unter- sucht und bei Platt chenwerten von 4000 und 10000 Koagulationszeiten von 12 und 151/2 Minuten gefunden, während das normale Plasma in 3 — 6 Minuten zu gerinnen pflege. Gemeinsam mit Horovitz habe ich unsere letzten sechs Thrombopenischen nach dieser Richtung untersucht: Danach liegen die Ver- hältnisse komplizierter als Gram anzunehmen scheint. Als Gerinnungszeit des rekalzifizierten Plasmas ergab sich uns in Übereinstimmung mit Gram beim Gesunden ein Wert von 3—5,5 Minuten. Bei einem Fall von hereditärer Hämophilie war das Zitratplasma nach Zusatz von 3 Tropfen der l°/0igen CaCL,-Lösung erst nach 40 Minuten geronnen (bei Zusatz von 1 oder 2 Tropfen gerann es im Verlaufe von 2 Stunden überhaupt nicht). Bei Thrombopenie war die Koagulationszeit zweimal noch als normal zu bezeichnen (bei 20000 Plättchen des Nativplasmas 6 Minuten, bei 10000 Plätt- chen 5 Minuten) ; dreimal war sie deutlich, wenn auch angesichts des hochgradigen Plättchenmangels, mäßig verlängert: bei 16000 Plättchen auf 8 Minuten1); bei 2000 (!) Plättchen auf 9 Minuten; bei 1000 (!) Plättchen auf 10 Minuten; einmal gerann das Plasma auf Kalziumzusatz (bei einer Zahl von 4000 Plättchen) Überhaupi nicht, obwohl das Vollblut eine durchaus normale Gerinnungszeit H sich merkwürdigerweise um n nämlichen Patienten, dessen Gesamtblut in vitro ersl nach zwei Stunden gerann. Thrombopenie : Werlhof- Syndrom, Hämatologische Formel. 315 zeigte. Wir werden auf die für diese theoretisch wichtigen Verhältnisse bei Be- sprechung der Genese der Thrombopenie noch zurückkommen. Bei zwei akuten Fällen Werlhofscher Krankheit hatte, wie oben berichtet, bereits 1880 Brohm das Fehlen der Plättchen (Hämatoblasten) beobachtet und festgestellt, daß mit der Abnahme der Hämorrhagien ihr allmähliches Wiedererscheinen koinzidiert. Hayem sowie Bensaude und Rivet haben diese der klinischen Heilung zugeordnete ,,crise haemoblastique" des öfteren beobachtet. Das Verhalten der Plättchen bietet die objektive Grund- lage für die von mir vorgenommene Sonderung in echt rezidi- vierende und die eigentlich chronischen Formen des Morbus Werl- hof: Bei letzteren verharren die Plättchen dauernd auf den abnorm niedrigen Werten, auch zu Zeiten klinischer Latenz zwischen den Exazerbationen. Bei den erstgenannten wird die Attacke durch eine Plättchenkrise beendet, so daß in den Intervallen die Plätt- chenzahl der Norm entspricht, bis das Rezidiv wieder mit einem Plättchensturz einsetzt. Die Entdeckung von Brohm und Denys und ihr Ausbau durch Hayem ist heute an einem sehr großen Material bestätigt und in ihrer Bedeutung all- seitig anerkannt. Die neueren Untersucher haben vor allem die „diminution considerable des pIaqueUes" zahlenmäßig zu präzisieren gesucht. Die jetzt am meisten verwendeten Zählmethoden liefern trotz der Verschiedenheit des zu- grunde liegenden Prinzips im großen und ganzen befriedigende übereinstimmende Resultate: Man darf danach die Menge der Plättchen beim gesunden Menschen unter Berücksichtigung der individuellen Schwankungen auf 250000 — 300000 im Kubikmillimeter Gesamtblut normieren. Duke ist auf Grund klinischer und experimenteller Studien zu dem Resultate gelangt, daß abwärts von 60000 Plättchen eine abnorme Blutungstendenz hervortreten kann, daß sie bei Sen- kungen auf 10 000 stets sehr ausgeprägt ist und bei extrem niedrigen Werten (um 1000 herum) sich in schwerster Form äußert. Nach ausgedehnten eigenen Erfahrungen glaube ich behaupten zu dürfen, daß unter Berücksichtigung der Differenzen der verschiedenen Zählmethoden und ihrer Fehlergrenzen der kritische Wert etwa bei 35 000 Plättchen liegt. Bei Werten zwischen 35 000 und 50 000 ist eine pathologische Blutungsbereitschaft meist kaum mehr zu erkennen und tritt noch am ehesten bei besonderer Disposition (Ulzerationen, Varizen, Arteriosklerose) oder bei Kombination von Plättchenverminderung mit Anomalien des Gerinnungsvorganges (z. B. bei manchen spleno -hepatischen Syndromen) zutage. Unterhalb der Schwelle ist auch nach meinen, übrigens auch nach Kaznelsons (a) Beobachtungen die Intensität der Blutungen, gemessen an der Blutungszeit, und die Neigung zu spontanen Mani- festationen bis zu einem gewissen Grade eine Funktion der Plättchenzahl; allerdings kann der Organismus in wirksamer Weise korrigierend ein- greifen, worüber im Kapitel ., Pathogenese" des näheren zu handeln sein wird. Was das qualitative Blutplättchenbild anbelangt, so fällt im gefärbten Aus- strich ohne weiteres auf, daß die wenigen, vereinzelt liegenden Exemplare, wie schon Hayem wußte, abnorm große, manchmal mehr längliche als runde Gebilde sind. Die Riesenplättchen können die Größe eines Lymphozyten wohl erreichen und von Unkundigen sogar für einen solchen gehalten werden, falls die Azurgranula zu einer einheitlichen dichten, intensiv gefärbten, einen Kern vortäuschenden Masse verschmolzen sind. Die Blutplättchen der Säuger wurden eine Zeitlang für kernhaltige Elemente gehalten ; sie sind aber nur Zellfragmente, wenn auch in funktioneller Beziehung gleichwertig den Thrombozyten der übrigen Wirbeltiere. Sie werden selbst häufig als Thrombozyten bezeichnet (als Bausteine des Thrombus würden sie, 316 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. da sie sicher keine Zellnatur besitzen, besser „Thromboblasten" heißen). Das Symptom der Plättchenverminderung unter den kritischen Wert habe ich Thrombopenie genannt, gekürzt aus Thrombozytopenie in Analogie zu Leukopenie; zugleich soll dabei das Ausbleiben resp. die Erschwerung der Thrombusbildung anklingen. (Die einfache Verminderung der Plättchen unter den Normalwert wird am besten als Hypothrombozytose bezeichnet.) Die Thrombopenie kann Symptom einer wohl charakterisierten Grund- krankheit oder Teilerscheinung einer komplizierteren Alteration des morpho- logischen Blutbildes sein (symptomatische und maligne Thrombopenie). Diesen Formen gegenüber steht der Morbus Werlhof als ,, essentielle Thrombo- penie", als diejenige Krankheit, in deren Mittelpunkt die temporäre oder dauernde Verminderung der Plättchen unter die kritische Grenze steht, bei der wir eine andere krankhafte Veränderung der Organe und des Blutes bis jetzt nicht wahrzunehmen vermögen. Es ist selbstverständlich, daß wir je nach der Art der Blutverluste bald das Bild der akuten posthämorrhagischen Anämie im Höhe- oder Reparationsstadium, bald das Bild der chronischen Chloroanämie mittleren Grades finden. Im letzteren Falle tritt an die Stelle der posthämorrhagischen Polynukleose öfters eine leichte Verminderung der Gesamt- leukozyten mit relativer Lymphozytose. Die Lymphozytose mag manchmal vielleicht auch ein Stigma constitutionis sein. Die Thrombopenie ist der Ariadnefaden, mit dessen Hilfe wir uns im Labyrinthe der hämorrhagischen Erkrankungen zurecht- finden. Sie ist in sämtlichen Fällen, die wir oben als Beispiel des Morbus Werlhof beschrieben haben, in ihren verschiedenen Abstufungen — mitsamt den Plättchenkrisen bei der akuten und rezidivierenden Form — aufs deut- lichste zu erkennen, wie die folgende Übersicht lehrt. In dieser sind zugleich die Resultate des St auungs Versuchs, des Klopf Versuchs und die Blutungszeiten beigefügt. Dadurch wird einmal klar, daß der positive resp. pathologische Ausfall dieser Phänomene mit den Schwankungen der Plättchenzahl Hand in Hand geht, daß sie bei Vermehrungen unterhalb der kritischen Zone sich abschwächen, bei Überschreitung dieser Grenze ganz verschwinden. Ander- seits wird aber auch klar, daß im Einzelfalle infolge kompensatorischer Be- mühungen des Organismus trotz der Thrombopenie, ja selbst trotz hoch- gradiger Plättchenarmut eines oder das andere von ihnen keine oder nur geringe Abweichungen von der Norm zeigt. Fall Datum Plättchenzahl Bemerkungen 1 8. IV. 15 0 Blutungszeit: Nach 15 Minuten bei großen 10. IV. 15 0 Tropfen abgebrochen. Solange die Blut- 18. IV. 15 0 flüsse dauern, war bei wiederholter Unter- 22. IV. 15 Spärliche Plättchen suchung weder im gewöhnlichen, noch im Magnesuimsulfatpräparat ein Plätt- chen zu sehen. 27. IV. 15 156 000 Blutung steht. 6. V. 15 364 000 18. V. 1.-» 612 000 1. VI. 21 227 000 2 24. X. 22 IG 500 Im Ausstrich vereinzelte Plättchen. 26. X. 22 18 000 Blutungszeit: Nach 12 Minuten bei großen Tropfen abgebrochen. Stauungsversuch: Sehr schwach -+-. nur ganz vereinzelte Blutpünktchen. Gerinnungszeit 25 Min. (Beginn) bis 65 Minuten (Schluß). !".•. X. L'J Exitus. Thrombopenie : Werlhof- Syndrom, Hämatologische Formel. 31' Fall Datum Plättchenzahl Bemerkungen 3. III. 20 30 000 6. III. 20 42 000 9. III. 20 220 000 3. III. 20 316 000 Stauungsversuch — — , Blutungszeit : nach 10 Minuten bei kleiner werdenden Tropfen durch Kompression Stillung. Gerin- nungszeit 7— 12 Minuten. Harn: Sanguis Harn: vereinzelte Erythrozyten. Blutungszeit 3 Minuten. Blutungszeit knapp 1 Minute. 29. IX. 18 1. X. 18 3. X. 18 5. X. 18 8. X. 18 12. X. 18 26. XI. 18 10. I. 15 17. I. 15 25. I. 15 8 000 12 000 21000 67 000 215 000 485 000 158 000 0 0 0 Blutimgszeit 26 Minuten, Blutkucken retrahiert sich nicht. Stauungsversuch Harn Doch sehr stark bluthaltig. Harn hell, mikroskopisch Erythrozyten. Stuhl : braun, okkultes Blut nachweisbar. Harn und Stuhl mikroskopisch und che- misch frei von Blut. Bei genauester Durchmusterung des Aus- strichs und Magnesiumsulfatpräparates konnten nur 1—2 Riesenplättchen ent- deckt werden. Maximale Leukozytose und Xormoblastose. 5. III. 15 12. VII. 15 15. VII. 15 10. VIII. 15 23. VIII. 15 120 000 0 Ganz spärlich 45 000 65 000 Untersuchung im Intervall bei völli- gem Wohlbefinden. Gute Retraktion des Blutkuchens. Bei Kombination von Stauung und arterieller Hyperämie ver- einzelte Flohstichblutungen. Rezidiv. St auungs versuch -{-++• Im Hirudin- Plasmatropfen ganz wenig Plättchen sichtbar. Stauungsversuch: Xur wenige Flohstich- blutungen bis zur Mitte des Unterarms. Stauungsversuch auch im Schwitzkasten negativ. 27. XI. 22 13. XII. 22 15. I. 23 23. III. 22 6 350 Spitz, Blutkuchen nicht retrahiert, Blutungszeit 10 000 Fonio 11,5 Minuten. 19 300 Stauungsversuch schwach -—. Röntgen- 52 000 bestrahlung. 55 500 Blutungszeit links 3V2 Minuten, rechts IVa Minuten. 3. VIII. 17 10. VIII. 17 0 8-10 000 Blutungszeit außerordentlich stark ver- längert, Stichstellen blutunterlaufen. 15. IX. 22 X. 22 XL 22 XL 22 1000 5 300 12 600 7 000 Stauungsversuch ■+-+• Blutungszeit 16 Minuten. Gerinnungszeit 2— 11 Minuten. 318 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Fall Plättchenzahl Bemerkungen 10 24. VIII. 17 20 000 Blutungsdauer au ßerordentlich verlängert, große Tropfen. Hämatom der Finger- j beere, ausgehend von der Einstichstelle. | Stauungsversuch fast negativ. 11 12 13 14 15 16 17 7. XI. 22 20. XI. 22 18. I. 23 2. XII. 15 25. II. 16 März 1922 22. II. 15 9. II. 22 24. III. 22 28. VII. 15 3. IX. 15 3* VIII. 19 14. I. 23 3 000 2 000 34 000 stets außerordentlich spärlich 35 000 Blutungszeit 14 Minuten. Stauungsver- such + . Klopf versuch: Großes Hämatom. Blutungszeit 12 Minuten. Keine Retrak- tion des Blutkuchens. Stauungsver- such + -+-. Stauungsversuch auch im Heißluftkasten negativ. Blutungszeit 4 Minuten. Klopf- versuch: Andeutung einerBlutimbibition. Bei wiederholten Untersuchungen werden im gefärbten Präparat niemals Blut- plättchen gesehen. Ein unverdünnter Hirudin -Plasmatropfen enthält im Ge- sichtsfeld höchstens 3 — 4 Plättchen. Der Blutkuchen retrahiert sich nicht. Stau- ungsversuch stets + ++• Blutungszeit: Stillung der Blutung bei großen Tropfen nach 16 Minuten. Es blutet weiter in die Fingerkuppe hinein. Untersuchung im Stadium der latenten Diathese. Stauungsversuch + + + • Bei Beklopfen kleines Hämatom. Im gewöhnlichen und im Magnesiumsul- fatpräparat bei wiederholten Unter- suchungen höchstens 2—4 Riesenblut- plättchen mit kompaktem Innenkörper. Selbst im unverdünnten Plasmatropfen sind Plättchen mit Sicherheit nicht zu erkennen. Blutkuchen retrahiert sich nicht. Zum Stauungsversuch vgl. die farbige Abbildung. Stauungsversuch negativ. Blutungszeit 10 Minuten, kleine Tropfen. Blutungszeit 6V2 Minuten. Blutungszeit 36 Minuten. Stauungsver- such + + . Splenektomie. Weitere Zahlen s. Ta- belle 1 im Abschnitt Milzexstirpation. Sehr spärlich |Im ganzen Ausstrich 10—15, meist riesige I Exemplare. Immer noch sehr spärlich Stauungsversuch negativ. 49 000 13. II. 22 46 000 20. II. 22 68 000 15. III. 22 30 000 24. 16. 27. I. 23 IT. 23 III. 23 35 000 16 000 7 500 25000 10 000 Blutungszeit: Versuch wird nach 15 Min. abgebrochen. Stauungsversuch negativ. Blutungszeit 3V2 Minuten. Keine Retrak- tilität des Gerinnsels. Röntgenbestrah- ! lung. Blutungszeit mehr als 35 Minuten. Thrombopenie : Gerinnungszeit und Retraktilität des Gerinnsels. 319 Fall Datum Plättchenzahl Bemerkungen 18 28. II. 23 2. III. 23 14. bis 16. III. 19. III. 22 16 000 12 900 26 000 Klopf versuch + + • Blutungszeit 17 Min. Röntgenbestrahlung. Im August Splenektomie. Die Zahlen nach der Splenektomie siehe im Ab- schnitt Milzexstirpation. B. Spezielle diagnostische Methodik. 1. Gerinnungszeit und Retraktilität des Gerinnsels. a) Bestimmung der Gerinnungszeit des Venenblutes (Methode Sahli - Fonio). 20 Tropfen des mit kleiner, trocken sterilisierter Glasspritze entnom- menen Blutes werden in ein mit Alkohol und Äther sorgfältig gereinigtes stäub - chenfreies Uhrschälchen gebracht und nun wird in einer feuchten Kammer bei einer möglichst gleichmäßigen Zimmertemperatur von etwa 20 ° der Verlauf des Gerinnungs Vorganges beobachtet. Als Beginn der Gerinnung wird der Moment bezeichnet, an welchem ein durch das Blut hindurchgeführter, am Ende mit einem Knöpfchen versehener Glasfaden ein feinstes Fibrinfädchen nach sich zieht, als Ende der Gerinnung der Augenblick, in welchem man das Uhrschälchen um 90° drehen kann, ohne daß noch Blut herunterfließt oder imstande ist, den Blutkuchen mit dem Glasfaden zu durchschneiden: Beginn der Gerinnung normalerweise nach 5 — 14 Minuten, Ende nach 12 — 25 Minuten. Wöh lisch verlangt für die Prüfung der Gerinnungszeit neben streng kon- stanter Temperatur, die er durch Konstruktion eines Gerinnungsthermostaten ermöglicht hat, eine exakt definierte Glasoberfläche stets gleicher Größe, die nach seiner Meinung durch die Verwendung konkaver Brillengläser von etwa — 5 Dioptrien gegeben ist. b) Retraktilität des Gerinnsels. Beobachtet man das im Uhrschälchen ge- ronnene Blut weiter, so findet man, daß nach einiger Zeit Serum ausgepreßt wird und daß sich allmählich der ganze Blutkuchen ablöst und frei im Serum schwimmt; bei Plättchenarmut fehlt dieser Vorgang, der Blutkuchen haftet dauernd fest an den Wänden des Gläschens wie unmittelbar nach vollendeter Gerinnung; nirgends tritt ein Tropfen Serum zutage. Diese Prüfung muß im Uhrschälchen vorgenommen werden; im Reagenz - glase scheint die Serumauspressung öfters auszubleiben (Opitz und Matz- dorf u. a.), auch wenn kein Plättchenmangel besteht. c) Koagulationszeit des rekalzifizierten Zitratplasmas nach Howell-Gram. Das Blut wird mit einer möglichst weiten und dabei recht kurzen (even- tuell paraf linierten) Straußschen Kanüle der Vene entnommen. Um jede Beimischung von Gewebssaft zu vermeiden, muß die Vene beim ersten Ein- stich voll getroffen werden. Das Blut fließt direkt in einen paraffinierten Zylinder, in dem so viel 3°/oige Natriumzitratlösung sich befindet, daß diese den zehnten Teil der Gesamtblutmischung ausmacht. Es gelingt, besonders bei Entnahme größerer Blutmengen, leicht, die Abmessung im Zylinder genau vorzunehmen (man nimmt also mindestens 0,5 Zitrat auf 4,5 Blut oder ein Multiplum davon). Durch einmaliges Umschütteln wird Blut und Zitrat gut durchmischt. Das Blut wird im Zylinder der spontanen Sedimentierung über- lassen. Nachdem das Plasma sich abgesetzt hat (nach etwa 2 — 3 Stunden), 320 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. wird je 0,1 com in drei Liliputröhrchen von 8 — 10 mm lichter Weite abgemessen, dann in das erste neun, in das zweite acht, in das dritte sieben Tropfen physio- logischer Kochsalzlösung hinzugegeben. Hierauf werden von einer l°/0igen CaCl2-Lösung zum ersten Röhrchen 1, zum zweiten 2 und zum dritten 3 Tropfen hinzugesetzt. Es wird somit von jeder Plasmaprobe bei verschiedenem Ca- Gehalt die Koagulation bestimmt. Die Zeit vom Einfallen des Ca-Tropfens bis zum Eintritt der Gerinnung wird notiert. Die Gerinnung ist dann eingetreten, wenn bei sanftem Schwenken des Gläschens bis zur Horizontalen das Flüssig- keitsniveau sich nicht mehr verschiebt. Die Plasmata werden dieser Probe in Abständen von 1/2 Minute unterworfen. In den drei Röhrchen tritt die Ge- rinnung nicht zur gleichen Zeit ein, da das Optimum das Ca- Gehaltes bald im ersten, bald im zweiten und bald im dritten Gläschen erreicht wird. Die kürzeste Gerinnungszeit wird als die maßgebliche angesehen. Der Vorgang der Gerinnung muß sich bei einer möglichst konstanten Temperatur, die etwa eine Schwankungsbreite von 33 — 38° haben kann, vollziehen. Zu diesem Zwecke stecken die Liliputröhrchen in weiten Reagenzröhrchen, welche sich in einem auf der genannten Temperatur zu erhaltenden Wasserbade befinden. Das Plasma gerinnt normalerweise in drei bis sechs Minuten. 2. Blutungszeit nach Duke. Aus einem Einstich ins Ohrläppchen oder in die Fingerbeere mit der Franke- schen Nadel wird immer nach 1/2 Minute, anfangs bei sehr stark hervorquellendem Blut, alle 10 — 20 Sekunden der gebildete Blutstropfen in Fließpapier aufgesogen. Normalerweise versiegt unter ständigem Kleinerwerden des Tröpfchens die Blutung nach 1 — 3 Minuten; bei Thrombopenie finden sich Blutungszeiten von o Minuten bis zu 1, selbst l1^ Stunden. Über den typischen Verlauf bei einem Patienten mit 1000 — 3000 Plättchen orientiert die abgebildete Tropfenreihe. ü^i^B^H * •* ••§#§# •§•§#• * ••«•••• nachlS'abgebrocheA Fortsetzung — > w w Abb. 2. Die Prüfung der Blutungszeit ist stets an verschiedenen Orten und zu ver- Bchiedenen Zeiten vorzunehmen. Roskam hat kürzlich darauf aufmerksam gemacht, daß man bei der Thrombopenie am Ohrläppchen fast normale, an der Fingerbeere stark verlängerte Blutungszeiten erhalten kann und umgekehrt; die gleiche Differenz kann sich bei der Untersuchung symmetrischer Körper - Btellen ergeben. uns ist aufgefallen, daß mitunter eine erste Prüfung keine dera auffälligen Abweichungen von der Norm ergibt, während eine Wieder- holung noch am gleiches oder am nächsten Tage starke Verlängerung erkennen läßt. Als Ort der Stichinzision wählt Krömekc die Innenseite des Endgliedes des Ringfingers, und zwar eine Stelle, die etwa in der Mitte des Endgliedes, und bei Erwachsenen etwa 4- 5 mm vom Nagelrand entfernt liegt. Die Stich- richtung verläuft parallel zum \ \ Irand und nicht quer dazu. An dieser Stelle i-st.- wi< rfahrungsgemäß bei fast allen Mensehen die Haut besonders Thrombopenie : Blutungszeit nach Duke; Plättchenzählung. 321 zart und ohne Schwielen, und es wurden bei Normalpersonen besonders gleich- mäßige Blutungszeiten gefunden. Das aufsaugende Fließpapier darf nur den Blutstropfen, nicht die Ränder der kleinen Wunde berühren. Versiegt die Blutung, so ist es gestattet, einmal kräftig zu drücken und diesen Druck bei erneutem Versiegen noch einmal zu wiederholen. Auf diese Weise läßt sich beim Gesunden die Blutungszeit höchstens um 1 — 2 Minuten verlängern, während beim Thrombopenischen nach Anwendung dieses kleinen Kunstgriffes mitunter das Blut wieder viele Minuten lang aussickert. 3. Zählung der Blutplättchen. Man kann die Zahl der Plättchen auf zwei prinzipiell verschiedenen Wegen ermitteln; entweder man stellt im gefärbten Ausstrich die Relation: Thrombo- zyten zu Erythrozyten fest oder man geht vor wie bei der Zählung der roten und weißen Zellen nach Thoma-Zeiß. In letzterem Falle ist wieder die Zählung im Gesamtblut unter Auslöschung der Erythrozyten (b) und die Zählung im Plasma (c) zu unterscheiden. a) Die Zählung im Ausstrich. Die Methode gründet sich darauf, daß man, wie schon Bizozzero wußte, in konzentrierter Magnesiumsulfatlösung die Agglutination der Plättchen vollständig verhindern, also nach Vermischung des austretenden Blutstropfens mit einem Tröpfchen auf die Haut gebrachten Magnesiumsulfates eine gleich- mäßige Verteilung der Plättchen im Ausstrich erzielen kann. Technik nac h Fonio : Man bringe einen Tropfen einer 147oigenMagnesium- sulfatlösung auf die sorgsam gereinigte Haut der Fingerbeere und sticht durch diesen Tropfen hindurch, mischt mit dem Objektträger oder einem mit Magne- siumsulfat benetzten geknöpften Glasfaden rasch Blut und Magnesiumsulfat- lösung und streicht in gewohnter Weise aus. Man färbt nach der Original- vorschrift Fonios nach Giemsa, läßt die Präparate l1/2 Stunden oder länger in der Farblösung liegen. Nach unserer Erfahrung gelingt auch die kombinierte May-Grünwald-Giemsa-Färbung nach Pappenheim und man erhält eine genügende Durchfärbung der Platt chen bereits nach 10 — 15 Minuten, wenn man die Giemsalösung entwas kozentrierter nimmt (20 Tropfen auf 10 ccm Wasser). Die Blutplättchen sind dann ausnahmslos gut konserviert, tadellos gefärbt und bei gelungenen Präparaten gleichmäßig verteilt, nicht, wie oft im gewöhnlichen Blutpräparat, zu Häufchen verbacken oder am Rande des Ausstrichs. Man zählt mit quadratischer Okularblende nach Ehrlich oder einem aus Pappe zurechtgeschnittenen Ersatz, den man ins Okular ein- schiebt, 1000 — 4000 Erythrozyten und die darauf entfallende Zahl von Blut- plättchen. Durch gleichzeitige Feststellung der Zahl der roten Blutkörperchen in der Zählkammer läßt sich dann leicht berechnen, wieviel Blutplättchen im Kubikmillimeter enthalten sind. Bei niedrigen Plättchenwerten sind stets 3000 — 4000 Erythrozyten zu zählen, am besten aus möglichst verschiedenen Teilen — Rand, Mitte, Beginn und Ende — des Ausstrichs. Die Methode gibt bei Einhaltung dieser Regel, wenn das Präparat gut ge- lungen ist, sehr brauchbare Resultate, ist aber ziemlich zeitraubend. Blutkrankheiten. II. 21 322 E.Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. b) Zählkammermethoden für das Gesamtblut. Zur Zählung im Gesamtblut der Kapillaren hat sich die Methode von Wright (b) bewährt. Wir ziehen für Zählungen bei Thrombopenie ein Verfahren vor, das sich einer von Kristensen angegebenen Verdünnungsflüssigkeit bedient. a) Die Methode von Wright. Erforderliche Lösungen: Lösung 1: Kaliumzyanid (Zyankali), chemisch rein, 1,0, Aqua dest. ad 1400 ccm. Da sich die Lösung nur 10 Tage hält, stellt man nur eine Lösung 0,1/140,0 her. Lösung 2: Brillant-Kresylblau (Grübler & Co.) 1,0, Aqua dest. ad 300,0. (Es genügt 0,25/75,0.) Ausführung: Lösung 1 und 2 werden im Verhältnis 3 : 2 ccm gemischt (genau abmessen!) und dann filtriert. Man benutzt ein 3 f acnes Filter vom besten (nicht gehärteten!) Filtrierpapier. Alsdann wird die Lösung nochmals hergestellt und durch das gleiche Filter filtriert. Die ersten 10 Tropfen werden wiederum weggegossen, die übrigen in einem Uhrschälchen aufgefangen. Man saugt mit der Erythrozytenpipette bis zur Marke 1 Blut und bis zur Marke 101 filtrierte Farbmischung auf, schüttelt und läßt 10 Minuten |liegen. Gezählt werden in der Tho ma -Zei ß sehen Zählkammer, wenn möglich unter Verwendung des hohlgeschliffenen Deckglases vonZeiß, 25 große Quadrate zu je 0,04 qmm = 1 qmm Fläche. Die in den Grenzzonen liegenden Platt chen bleiben unbe- rücksichtigt. (Je 16 kleine Quadrate zu V400 qmm = 16/40o qmm = 0,04 qmm.) Da die Zählkammer nur 16 große Quadrate hat, muß sie zweimal gefüllt werden. Da die Verdünnung 1 : 100 und die Kammer 1/U) mm hoch ist, wird die Summe der Auszählungen mit 1000 multipliziert. Fehlerquellen: Finden sich störende Niederschläge, so waren die Instru- mente schmutzig oder die Farbmischung war schlecht filtriert. Sind die Erythro- zyten noch sichtbar, so war die Zyankalilösung zu alt (dann sind auch die Plätt- chen koaguliert oder das Verhältnis der Mischung 3 : 2 war zugunsten des Zyankalis verschoben. Tm umgekehrten Falle sind die Plättchen nicht intensiv genug gefärbt. Wir lassen oft das Brillantkresylblau fort und finden, daß sich die unge- färbten Platt chen mindestens so gut wie die gefärbten erkennen lassen. Ein Nachteil der Methode ist bei Thrombopenie die 100 fache Verdünnung. ß) Zählung mit Hilfe der Lösung von Kristensen. Kristensen hat eine Verdünnungsflüssigkeit angegeben, welche bei 10 f acher Verdünnung des Blutes bereits die roten Blutkörperchen so weit hämolysiert, daß sie die Zählung nicht mehr stören. Er selbst benutzt Venenblut und mischt in einer Rekordspritze 1 ccm Blut mit 9 ccm seiner Verdünnungs- flüssigkeit. Benutzt man eine Leukozytenpipette, so läßt sich mit Hilfe der Verdünnungsflüssigkeit von Kristensen eine Plättchenzählung im Kapillarblut bei nur lOf acher Verdünnung vornehmen. Die Zusammen- setzung der Flüssigkeit ist folgende: Harnstoff 10,0 Natriumzitrat 2,5 Sublimat 0,005 l>ril]aiitkresylblau 0,5 Aqua destillata 500,0. Diese Flüssigkeit verhindert die Gerinnung und hält sich einige Monate steril: ;ini besten uiid das notwendige Qantum vor dem Gebrauch noch ein- mal zrnt rifugiert. Thrombopenie : Zählung der Blutplättchen. 323 1 Bei niedrigen Thrombozytenwerten zählt man am besten wie bei Leuko- zytenzählungen die ganze Kammer aus. (Die Leukozyten sind übrigens so gut mitgefärbt, daß man sie gleichzeitig mitzählen und sogar differenzieren kann.) Gegen die Bestimmung mittels der Zählpipette wird der Einwand gemacht, daß Plättchen an der Wand des kapillaren Teils der Pipette sowie an dem an- grenzenden Teil der Ampulle haften bleiben. Ich möchte nach meinen Er- fahrungen diese Fehlerquelle nicht sehr hoch einschätzen und glaube, daß sie fast ganz ausgeschaltet werden kann, wenn man durch Hyperämisierung des Fingers im Handbad und leichtes Frottieren sowie zweimaligen Einstich mit der Fiankeschen Nadel ein kräftiges Ausströmen erzeugt und dann möglichst rasch arbeitet. Durch die aktive Hyperämie wird auch die Berührung der Plättchen mit dem Gewebssaft vermieden und eine fast vollkommene Identität der morpho- logischen Zusammensetzung von Kapillar- und Venenblut erreicht. y) Technik für die Vorbereitung von Venenblut zur Kammer- zählung. Kristensen zieht bei Anwendung seiner Verdünnungsflüssigkeit die Ent- nahme einer größeren Menge von Venenblut vor und mischt in der Rekord - spritze. Er hat zu diesem Zweck an dem Stempel der Spritze drei seitlich vorspringende Marken an- gebracht, so daß beim Zurückziehen der Stempel am Verschlußstück der Spritze arretiert wird und erst weiter bewegt werden kann, wenn durch Drehen die Marke sich in den Schlitz des Verschlußstückes einstellt. Marke 1 und 2 sind so angebracht, daß, wenn Marke 1 arretiert war und nun der Stempel weiterbewegt wird , bis zu der Arretierung von Marke 2 genau 1 ccm in die Spritze hineingezogen wird. Marke 1 und 2 stehen einander gegenüber. Wird Flüssigkeit bis Marke 3 aufgesaugt, dann faßt die Spritze samt der Kanüle gerade 10 ccm. Die der Arbeit von Kristensen entnommene Abbildung zeigt die höchst einfach anzubringenden Marken an dem Stempel der Spritze. Zur Ausführung der Bestimmung wird zunächst die Kanüle und der unterste Teil der Spritze mit höchstens 3/4 ccm einer 4°/oigen Lösung von Olivenöl in Äther geölt. Nachdem der Äther durch Hin- und Herbewegen des Stempels zu rascher Verdunstung gebracht worden ist, wird die Spritze mit der Verdünnungsflüssigkeit gefüllt, bis die Marke 1 an das Verschlußstück anstößt. Darauf wird die Venenpunktion vor- genommen, nachdem zuvor ein kleiner Tropfen der Verdünnungsflüssigkeit an die Stelle der Punktion gebracht worden ist. Wenn die erste Marke gerade in den Schlitz eingestellt war, dann wird oft der Stempel auto- matisch durch das einströmende Blut so weit herausgetrieben, bis die zweite Marke hemmt. Die Spritze samt der Kanüle wird nun aus der Vene heraus- gezogen und so lange Verdünnungsflüssigkeit nachgesaugt, bis auch die letzte Marke die Weiter bewegung des Stempels verhindert. Die Spritze und Kanüle sind nun mit 1 ccm Blut und 9 ccm Flüssigkeit gefüllt. Um auch die in der Nadel enthaltene Flüssigkeit in die Spritzenzylinder zu bringen, wird noch etwas Luft nachgesaugt, welche dann auch dazu dienen kann, Blut und Flüssigkeit zu mischen. Diese Mischung ist vollzogen , wenn die Spritze 15 Sekunden möglichst geschwind hin und her bewegt wird. 21* Abb. 3. 324 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. c) Plättchenzählung im Plasma. Thomsen hat gezeigt, daß die Plättchen im Zitratplasma stabil suspendiert sind, so daß sie mindestens 6 Stunden lang vollständig gleichmäßig verteilt bleiben. Mischt man also Blut mit der gerinnungs- hemmenden Zitratlösung in bestimmtem Verhältnis und läßt die Erythrozyten absetzen, so können die Plättchenwerte in der überstehenden Plasmaflüssigkeit, die man unmittelbar vor der Zählung nach Belieben verdünnen kann, leicht in der Zählkammer ermittelt werden. Um die Schwankungen im Einzelfalle zu verfolgen, braucht man eine Umrechnung auf das Gesamtblut gar nicht vorzunehmen; im übrigen hat diese so zu geschehen, daß man die Volumen- relation: Erythrozyten zu Plasma feststellt. An Stelle der direkten Volumen- bestimmung kann man auch den Färbeindex, d. h. den durchschnittlichen Hämoglobingehalt des einzelnen Erythrozyten bestimmen. Denn nach Boen- niger, Gram und Spitz ist im allgemeinen (abgesehen von der seltenen echten Chlorose) die Färbekraft des Erythrozyten von seinem Volumen abhängig. Man muß sich dazu allerdings eines Hämometers bedienen, das man sich für die Normal-Erythrozytenzahl von 5 Millionen möglichst exakt und in häufigen Wiederholungen eicht. Die Testflüssigkeit von Sahli (zu beziehen von der Firma Büchi in Bern) hält sich zwar nach der Angabe des Autors jahrelang unverändert ; die neuerdings wegen des für Deutsche hohen Preises der Schweizer Originalapparatur auftauchenden Nachahmungen sind aber wenig zuverlässig. a) Methode von Thomsen-Gram. In ein 5 ccm-Zentrifugenglas, eingeteilt in Zehntelkubikzentimeter, kommen 0,5 ccm 3°/0iges Natriumzitrat, die mit 4,5 ccm Venenblut gemischt werden, das in raschem Strom durch eine kurze, nicht zu enge Kanüle entnommen wird. Blut und Zitrat werden gemischt und der obere Rand des Glases wird mit Filtrierpapier getrocknet. Nach kürzerem oder längerem Stehen haben die Blutkörperchen sich so weit gesenkt, daß man das blutplättchenhaltige Zitratplasma leicht abpipettieren kann, das, je nach dem Grade der Plättchen- verminderung, unverdünnt oder auch bei 10- resp. 20 f acher Verdünnung zur Zählung benutzt werden kann. Zur Verdünnung benutzt man am einfachsten die Leukozytenpipette unl 0,9°/0ige Kochsalzlösung. Ein Tropfen der Ver- dünnung wird in die Thoma-Zeißsche Kammer gebracht und nach 10 Minuten werden die Plättchen in einem Multiplum von 5 großen Feldern gezählt. Die Anzahl der Plättchen in 5 großen Feldern ist die Anzahl in Tausenden pro Kubikmillimeter Zitratplasma. Die Zahl der Plättchen per Kubikmillimeter Blut kann ausgerechnet werden, wenn das Zellvolumen bekannt ist. Um letz- teres festzustellen, braucht man nur das in dem graduierten Zentrifugengläschen enthaltene Blut scharf zu zentrifugieren, bis die Grenzlinie zwischen Zellschicht und Flüssigkeit konstant geworden ist. Bezeichnet man das Blut mitsamt der Zitratlösung als Zitratblut, so ist die Plättchenmenge im Zitratplasma unmittelbar bestimmt worden; kennt man das Zellvolumen in dem angewandten Zitratblut, so ist ohne weiteres die Plättchenmenge im Zitratblut zu berechnen, indem man die Plättchen - menge im Zitratplasma mit dem Faktor: (Zitratblut minus Zell volumen) multi- pliziert. Man muß nun noch vom Zitratblut aus auf das native Blut übergehen, d. h. berücksichtigen, daß dieses nur 9/io^es Zitratblutes ausmacht; die errechnete Zahl im Zitratblut muß also noch mit 10/9 multipliziert werden. Plättchenzahl im Kubikmillimeter Nativblut — - Plättchenzahl im cmm Zitratplasma x (Zitratblut im cbm Zellvolumen). Thrombopenie : Zählung der Blutplättchen. 325 ß) Verfahren von Spitz. Für häufig zu wiederholende Zählungen hat Spitz folgende brauchbare Methode ausgearbeitet : In Leukozytenpipette aus Fingerbeere bis zur Marke 1 Blut, 1,5 °/0ige Natrium citricum-Lösung bis zur Marke 11 aufsaugen, schütteln, in ein spitz ausgezogenes Zentrifugengläschen spritzen, 2 — 6 Stunden ruhig 0 * 1 2 X * * .*> *#* // I % /^ fö * *» Abb. 4. 1—5 und 7 — 11: Verschiedene Formen von Riesenplättchen bei Thrombopenie. 13: Artefakte, d. h. beim Ausstreichen deformierte Riesenplättchen. 2, 4, 5, 7, 9, 10: Einzel- plättchen noch nicht abgeschnürt, sondern noch im plasmatischen Verbände, zum Teil noch (5 und 10) die Formierung der Schriddeschen Granula erkennen lassend. 6 und 12: Sog. Plättchenschwänze (Ogatasche Perlenketten), d. h. Megakaryozytenf etzen , welche die Gliederung und Aufreihung der zukünftigen Plättchen bereits deutlich hervortreten lassen. 18: Normalplättchen. 14: Desgleichen im thrombopenischen Blut. 17: Einzel- plättchen, aus einem Schnittpräparat herausgezeichnet, in welchem sie mitunter als homo- gene Scheiben sich darstellen. 15 und 16: Bilder von Plättchenphagozytose in der Milz durch (15) einen Makrophagen sowie durch (16) Retikulumzellen der Milzpulpa. 326 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. stehen lassen! In dieser Zeit haben sich die Formelemente (Erythrozyten und Leukozyten) des Blutes vollkommen abgesetzt, während das Plasma mit den in gleichmäßiger Suspension befindlichen Thrombozyten oben schwimmt. In dieses Plasma taucht man die Leukozytenpipette und saugt vorsichtig, um möglichst keine Erythrozyten und Leukozyten mit anzusaugen, etwas auf, wovon man einen Tropfen in die Thoma-Zeißsche Zählkammer spritzt, die sofort mit dem zur Zählkammer gehörigen Deckglas bedeckt wird. Man wartet 20 — 30 Minuten und zählt dann 20 — 30 kleinste Quadrate von Vaooo cmm, woraus dann leicht die Menge im Kubikmillimeter folgt. Diese Zahl multi- pliziert mit 11 (== Stärke der Verdünnung in der Leukozytenpipette) ergibt die Anzahl der Thrombozyten im Kubikmillimeter Gesamtblut1). 4. Das qualitative Plättchenbild. In dem nach May-Grünwald-Giemsa gemäß der panoptischen Methode Pappenheims gefärbten Blutpräparat erkennt man ebenfalls aufs deutlichste die Spärlichkeit der Plättchen, die sämtlich einzeln liegen und meist auffällig groß sind. Bei der kombinierten Färbung zeigen die Plättchen einen ganz matt ge- färbten Randsaum, während im Innern eine Anzahl von rotvioletten, mit dem Azur der Lösung gefärbten Körnchen sichtbar sind. Der Durchmesser eines Thrombozyten dürfte im Durchschnitt 3 ju betragen und zwischen 1 — 4ju schwan- ken. Größere Formen kommen wohl auch bei gesunden Menschen vor, sind aber doch im allgemeinen recht selten. Dagegen findet man sie häufiger bei Anämie, Leukämie, Malaria, Lymphogranulomatose. Bei der Thrombopenie sind dagegen die vorhandenen Exemplare häufig vorwiegend Riese nplättchen. Sie haben vielfach runde Formen und können, wenn die Azurgranula besonders dicht zusammengeballt sind, einem Lymphozyten ähnlich werden. Häufig sieht man auch längliche, streifenförmige Gebilde , sog. Plättchenschwänze, die aus mehreren Plättchen zusammengesetzt erscheinen, welche noch von einer einheit- lichen Grundmasse umgeben sind. Besonders zahlreich finden sich diese ab- normen Exemplare nach der Splenektomie. Abb. 4 enthält, möglichst natur- getreu von Seeliger gezeichnet, die verschiedenartigsten Plättchenformen, die uns im Blute bei der Thrombopenie vor und nach der Milzexstirpation be- gegnet sind. Glanz mann (b) und Stahl (b) behaupten, daß die Riesenplättchen, aber nicht selten auch kleinere Exemplare, einen basophilen Randsaum besitzen, während dieser bei normalen Plättchen durchweg neutrophil reif sei und nur ganz selten einen schwachen bläulichen Schimmer aufweise. Ich selbst stehe, ebenso wie See liger, nach Durchmusterung einer großen Anzahl von Blut- präparaten, die, wie die Tafelabbildungen wohl zeigen, mit vollendeter Technik angefertigt sind, dem Befund der Basophilie des Zytoplasmas der Plättchen skeptisch gegenüber. C. Synthese des Krankheitsbildes der „essentiellen Thrombopenie4, Prognose und Differentialdiagnose. Der Zergliederung des Syndroms und der Schilderung der individuellen schichten, der „einmaligen" Abläufe, lassen wir in kurzen Strichen chematischerj Aufbau dv* Krankheitsbildes folgen. Wir unterscheiden ') Xi'lit im Kubikmillimeter Plasma (wie Spitz urtümlich angibt und ich selbst in meine Darstellung der hämorrhagische!] Diathesen [Band III der Ergebnisse der ge- samten Medizin] Übernommen habe.) Thrombopenie : Synthese des Krankheitsbildes. 327 eine akute resp. in akut einsetzenden Rezidiven verlaufende, also inter- mittierende, und eine chronische, entweder ganz kontinuierliche oder aus scheinbarem Schlummer exazerbierende Form. Es handelt sich allemal darum, daß erblich nicht belastete Menschen, Frauen ebenso wie Männer, nicht nur Adoleszenten und Erwachsene, auch Kinder in zartester Jugend und ältere, an der Schwelle des Greisenalters stehende Individuen sich mit der Neigung zu Haut- und Schleimhautblutungen dem Arzte präsentieren. Das Prädilektionsalter ist wohl aber doch die präpuberale Zeit und der Beginn der Pubertät. Der Gesamthabitus des Thrombopenischen ist nicht einheitlich charakterisiert: Neben vollkräftigen, robusten, durchaus den Normaltyp ihres Alters und Geschlechts repräsentierenden Individuen findet man schwächliche, blasse, vasomotorisch-übererregbare, im Wachstum zurückgebliebene oder hoch aufgeschossene bis hin zum Habitus asthenicus (Stiller -Kraus) und hypoplasticus mit Genitalinfantilismus und Adipositas x). Bei der akuten oder rezidivierenden Thrombopenie sind sie aus voller Gesundheit heraus, ohne alle Vorboten, mit einer universellen Blutungs- tendenz erkrankt, von welcher abundante Blutergießungen aus einem mit der Außenwelt kommunizierenden Kavum nicht minder wie Sugillationen und Hämatome, gelegentlich eine Rumpf und Extremitäten mit Petechien und kleineren Ekchymosen übersäende Purpura beredtes Zeugnis ablegen. Durch Stich, Stoß oder Stauung kann die Hämorrhagie an beliebiger Körperstelle erzeugt werden. Durch die Pluralität der Blutungen (aus Nase und Mund, Magen-Darmkanal, Harnwegen, Genitale, aus der Wand einer kleinen Kaverne) oder durch den rasch zu schwerster Anämie führenden Blutverlust kann der Eindruck beängstigend sein; doch pflegt allermeist nach einigen Tagen, spä- testens Wochen, mitunter in einem Augenblick, in welchem das Leben nur noch an einem Faden zu hängen scheint, wahrhaft kritisch ein Umschwung einzu- treten, und der Kranke geht rasch der Genesung entgegen. Es kann bei einem Anfall sein Bewenden haben; vielleicht aber hat der Patient schon eine oder mehrere solcher Attacken durchgemacht oder aber dies war die erste und nach einer Periode völliger Gesundheit über Jahr und Tag wird ihn ein heftiges Rezidiv treffen. Solange die Blutflüsse fortdauern oder noch neue Flecken sich bilden, sind aus dem Blute die Plättchen bis auf ganz wenige Riesenexemplare fast voll- ständig verschwunden; ihre Zahl dürfte kaum mehr als 1000 — -10 000 im Kubik- millimeter betragen. Der Umschwung im klinischen Bilde fällt mit einer Plätt- chenkrise zusammen. Im kürzester Frist haben die plötzlich einschießenden Thrombozyten die „kritische Grenze" von 30 000 — 35 000 überschritten und in den nächsten Tagen und Wochen können sie das Blut geradezu überschwemmen und die Norm weit hinter sich lassen. In Fall 1, 3 und 4 ist der Ablauf der Krise in seinen einzelnen Phasen zahlenmäßig festgehalten. Es ist bekannt, daß physiologischerweise auf heftigen Blutverlust Leuko- zytose und Thrombozytose folgt, und man hat manchmal den Eindruck, daß bei unseren Kranken die extreme Blutungsänamie schließlich die Plättchen- krise auslöst, ein heroischer Selbstversuch des Organismus, den Defekt zu repa- rieren. Gerade diejenigen Fälle scheinen — nach zweimaliger Eigenbeobachtung (vgl. die Fälle 5 und 9) zu schließen — ungünstig auszugehen, bei denen — trotz Normoblastose und mächtigster Leukozytose, also trotz stärkster Knochenmarks - reizung — das „dritte Formelement" sich nicht zeigen will. x) Bei chronischer Anämisierung im Kindes- und Pubertätsalter wird es nicht immer leicht sein, auseinander zu halten, was Folge der Thrombopenie, was konstitutionelle» Terrain ist, das irgendwie mit zum Bedingungskomplex der Anomalie gehört. 328 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. In der allgemeinen Blutungsneigung und in dem Verschwinden und Wiederauftauchen der Thrombozyten erschöpft sich das patho- logische Geschehen. Vielleicht daß manchmal ganz im Anfange ein all- gemeines Unbehagen, auch vage Sensationen in den Gliedern vorübergehend vorhanden sind; während des weiteren Verlaufes der Erkrankung fehlen alle „rheumatischen" Erscheinungen; die Kranken haben kein „Gliederreißen". Die Gelenke sind weder geschwollen, noch schmerzhaft; multiforme Erytheme, Urtikaria, ödematöse Schwellungen kommen nicht vor. Die Interdentalpartien des Zahnfleisches sind weder geschwollen noch entzündet. Die Milz ist nicht vergrößert. Fieber ist kein obligatorisches Symptom und kommt unseres Er- achtens dem Krankheitsprozesse an sich nicht zu, wird allerdings während des ganzen Verlaufes oder in einzelnen Abschnitten der Attacke nicht so ganz selten angetroffen. Die Ursache der Temperatursteigerung läßt sich nicht immer aufklären; mitunter ist sie die Folge eines sekundären Infektes, z. B. der bei langdauernder Tamponade des Nasenrachenraumes leicht sich ausbildenden Otitis media, mitunter die Folge der Resorption größerer Blutergüsse oder sich zersetzenden Blutes, mitunter der Ausdruck der bekannten Steigerung des pyrogenetischen Reaktions Vermögens bei zunehmender Anämie. Ätiologisch bleiben die meisten Fälle unklar. Daß ihnen eine Infektion unmittelbar zugrunde liegt, ist ganz unwahrscheinlich, schon deshalb, weil ja der Krankheitsprozeß an sich fieberlos verläuft. Doch scheint besonders bei Kindern manchmal eine Beziehung zu spezifischen Infektions- krankheiten vorzuliegen; denn Henoch hat das typische Bild mehrfach in der 2. — 4. Woche nach der Eruption des Scharlach- resp. Masernexanthems beobachtet und Beispiele in seinem Lehrbuche geschildert. Glanz mann (b) hat vor einigen Jahren einen schweren Fall eines postmor biliösen Morbus macu- losus mit Schleimhautblutungen, der in etwa 10 Tagen abklang, bei einem 15 Monate alten Mädchen beobachten und durch Untersuchung mit den modernen hämatologischen Hilfsmitteln sicherstellen können, daß diese auf akute Exantheme folgenden hämorrhagischen Diathesen zur Werlhofgruppe gehören. In diesem Zusammenhange ist es interessant, daß unser Patient Dr. J., der sich als Arzt sachverständig beobachtete, etwa 11 Tage vor dem Erscheinen der Hämorrhagien zweifellos an einem Erythema nodosum mit leichter Tempe- raturerhöhung erkrankte, das in etwa 5 Tagen abklang. Französische Autoren (Bensaude und Rivet, Robert) haben Beziehungen zur Tuberkulose zu erweisen gesucht. Die ,,Thrombopenie" wäre ein prätuber- kulöses Symptom wie etwa unter anderen die „orthostatische Albuminurie". Anderseits soll sie auch bei kavernöser Phthise und ganz akut verlaufenden Tuberkulosen vorkommen. Da im Verhältnis zur Häufigkeit manifester Tuber- kulose dieses Zusammentreffen zweifellos sehr selten ist (im eigenen Material spielt es gar keine Rolle), könnte es als zufällig bewertet werden. Ob wir in dem prätuberkulösen Stadium oder, wie wir wohl mit Ranke besser sagen, dem sekundären Stadium mit gesteigerter Tuberkulinempfindlichkeit einen begünsl Lgenden Faktor für die Ausbildung einer Thrombopenie erblicken dürfen, scheinl mir ebenfalls weder aus meinen eigenen, noch aus den in der Literatur niedergelegten Erfahrungen bereits sicher beantwortet werden zu können. [eh sah um einen Fall, dvv solche Beziehungen nahe legte (Fall 11 der Kasuistik). Immerhin wird man doch der Tuberkulose nicht jede Bedeutung absprechen. Degwitz hat gezeigt, daß aktiv Tuberkulöse auf Tuberkulininjektion mit einer Senkung der Plättchenzahl reagieren, die länger als 24 Stunden anhält and sich dann recht langsam wieder ausgleicht, während bei Gesunden nach kurzer Verminderung im Laufe von 24 Stunden der Ausgangswert sogar über- sehritten wird, Autotuberkulinisierung eines hochempfindlichen Individuums mit Thrombopenie : Synthese des Krankheitsbildes. 329 Drüsen- oder Lungentuberkulose oder starke Giftproduktion bei rasch sich ausbreitender exsudativer Erkrankungsform wird wohl nicht die Ursache oder der bestimmende Faktor des Bedingungskomplexes sein, könnte aber sehr wohl den letzten Anstoß abgeben, der die Thrombopenie und ihre Folgen in die Erscheinung treten läßt. Die Mehrzahl der Fälle von ,, essentieller Thrombopenie*', schät- zungsweise 75%> sind der chronischen Form zuzurechnen. Die Blutungsbereitschaft verliert sich in dem Nebel der Kindheitserinne- rungen oder aber tritt erst in der Pubertät, in der Menopause oder in noch höherem Alter hervor. Fast niemals scheint sie kongenital zu sein, überhaupt erst nach Abschluß der Säuglingsperiode bemerkbar zu werden. Die in der Thrombopenie zum Ausdruck kommende Diathese ist stets perpetuell, die Krankheit kann kontinuierlich sein oder sie verläuft in ,, Stößen". Die Extreme der Krankheit sind gegeben durch die Purpura simplex vera einer- seits, die reine Pseudohämophilie anderseits. Bei der ,, Purpura simplex vera" findet man entweder regellos über das Integument verteilt, vorzugsweise an den unteren Extremitäten, massenhaft Petechien oder aber wenige, dafür aber räumlich sehr ausgedehnte Ekchymosen und Sugillationen. Diese beiden Typen können sich kombi- nieren oder einander zeitlich ablösen; fast nie wird man ein „Enanthem", d. h. Blutaustritte an der Zunge, Wange, Tonsille, Rachenschleimhaut ver- missen . Im übrigen aber wird eindringendes Befragen eine mindestens temporäre Neigung zu leichtem Nasen- und Zahnfleischbluten doch meist enthüllen, wenn sie auch im Krankheitsbilde sehr zurücktritt. Ganz anders bei der ,, reinen Pseudohämophilie": Hier beherrscht die fast unaufhörliche Blutung aus einem Prädilektionsort das Feld; beim geringsten Anlaß pflegt bei dem einen Blut aus der Nase zu tropfen oder in den Rachen hinunter zu fließen, bei dem anderen ist das Zahnfleisch ständig mit dicken Blutkrusten bedeckt,, hier und da durch Blutinfiltration geschwollen oder — ähnlich wie mitunter die Zunge — infolge des Platzens der durch Blut blasen abgehobenen Epitheldecke erodiert. Eine genaue Inspektion der Körperober- fläche wird übrigens auch bei diesen Fällen die Beteiligung der Haut erkennen lassen; zum wenigsten hier und da einen „braunen. Fleck, d. h. eine verblassende Ekchymose wird man entdecken können. Häufiger als die kontinuierlich manifeste Form sind zweifellos diejenigen Felle von chronischer Thrombopenie, bei welchen klinische Symptome für kürzere oder längere Zeit fehlen. Die „schweigsame Diathese" kann aber ohne weiteres durch das Anlegen der Stauungsbinde, durch stumpfe Traumen, durch Bestimmung der Blutungszeit, durch die Plättchenzählung enthüllt werden. Plötzlich ändert sich das Bild. Die Kranken beginnen zu bluten, erst vielleicht wenig, bald aber so stark, wie wir es bei Schilderung der akuten Attacke dar- gestellt haben. Mehrmals im Jahre mögen sich diese Exazerbationen wieder- holen, die man nicht mit den echten Rezidiven verwechseln darf. Nicht die Diathese entsteht hier intermittierend, sondern das Akzidens, welches die Diathese manifest macht. Es gibt Frauen 2), bei welchen regelmäßig 6 — 8 Tage vor der Menstruation eine „Purpura" in die Erscheinung tritt, heftiges Nasen- bluten gesellt sich hinzu und schließlich entlädt sich dieses unheimliche Wetter- leuchten in eine nicht endenwollende Menorrhagie, die jedesmal beängstigende Grade von Anämie im Gefolge haben kann. Häufiger ist der Sachverhalt so (vgl. die von uns beobachteten Fälle 13, 14, 15 und 18), daß die profusen Monats- blutungen in unberechenbarer Weise auf eine kürzere oder längere Reihe gar x) Besonders instruktiv ist ein von Charlotte Ehrenberg sehr genau beobachteter Fall dieser »Spielart, die schon Hayem durch ein Beispiel kennzeichnet. 330 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. nicht oder wenig von der Norm abweichender Menstruationen folgen. Vielleicht ist auch mancher Fall von vikariierender Menstruation, besonders aus ganz ungewöhnlichen Körperteilen (Blase, Darm. Lunge) hierher zu rechnen. Die Plättchen können bei den kontinuierlichen Thrombopenien ganz so spärlich sein wie bei den akut einsetzenden Formen; sie halten sich aber oft genug dicht an der Grenze, zwischen 25 000 und 35 000 im Kubikmillimeter. Häufig vorgenommene Untersuchungen zeigen dann gelegentlich starke Schwan- kungen unterhalb des kritischen Bereichs, besonders niedrige Werte bei Spontanmanifestationen, die relativ höchsten bei Blutungsfreiheit. Einen tastbaren Milztumor habe ich bei den Fällen, die ich selbst beobachten konnte, mit ganz wenigen — drei oder vier — Ausnahmen vermißt; auch von den fünf Patienten, bei denen wir die Splenektomie ausführen ließen, trug nur einer eine (leicht) vergrößerte Milz. Der echt rezidivierende, mit Plättchensturz und Plättchenkrise verlaufende und der chronische, mit kontinuierlicher Thrombopenie einhergehende Morbus Werlhof sind in den klassischen Fällen scharf gesonderte Typen; doch läßt sich die Natur in kein Schema zwängen, sondern verwirklicht auch hier allerlei Übergänge. Die Krankheit kann brüsk einsetzen, zu völligem Verschwinden der Thrombo- zyten führen, allmählich aber beruhigt sie sich; die spontanen Blutungen sistieren, aber der Plättchenmangel bleibt bestehen und nach einer mitunter Monate währenden Latenz verraten neue Blutungen die Scheingenesung. Die Krankheit ließ sich also an wie die akute Verlaufsform, aber die Krise bleibt aus und so entwickelt sich der chronische Typ (vgl. Krankengeschichte Nr. 9). Anderseits finden wir bei chronischer Thrombopenie nicht nur Schwan- kungen der Thrombozytenzahl nach unten, sondern auch — zumal in Zeiten völliger Blutungsfreiheit — zeitweilige Anstiege auf 50 — 80 000, also ,, Grenz- überschreitungen", die als ,, kleine Krisen" gedeutet werden können, über kurz oder lang aber wieder von Plättchensenkungen abgelöst werden. So sah R. Stahl (a) in seinem Falle chronischer Thrombopenie einen langsamen Anstieg von 7000 auf 50 000, dem alsbald wieder der Abstieg folgte. Es sind nicht die steilen Kurven von „Rezidiv" und ,, Krise", sondern flache, dafür häufiger sich aneinander reihende Wellenbewegungen. Richtiger sieht man die Dinge vielleicht umgekehrt an; es handelt sich um chronische Hypothrombo- zytose, die zeitweilig bis zur Thrombopenie hinabführen. Die bei Fall 15 aufgenommene Plättchenkurve spiegelt einen derartigen Ablauf mit prämenstrueller1) Senkung wieder. Wahrscheinlich gehören hierher auch die beiden Beispiele chronischer Thrombopenie (Fall 17 und 18) mit einem mehr- jährigen Intervall anscheinend völliger Gesundheit, attestiert durch die Unwirk- samkeit auch heftigerer Traumen. Ich nehme an, daß im Intervall eine „supra- kritische" Hypothrombozytose bestand, die ausreichend war, um Hämorrhagien zu vermindern , aber doch sehr weit hinter den Werten der Norm zurückblieb. Endlich haben wir es heute in der Hand, durch den Eingriff der Splenektomie bei fast jedem Falle von chronischem Morbus Werlhof eine Plättchenkrise hervorzurufen und können dadurch erweisen, daß den meisten, auch den hart- nackigsten Thrombopenien die Tendenz zum Plättchenanstieg immanent ist. ätiologisch bleibt auch die chronische Form ganz dunkel; die durch die Milz - exstirpation erschlossene Rück- und Fernwirkung dieses Organs auf das mye- loische Gewebe legi die Vermutung nahe, es könnten manche Formen der ') Die Zunahme der Blutungen im Prämenstruum ist offenbar doppelt determiniert, I. durch einen kapülartoxißohen Paktor, 2. durch eine Steigerung der Thrombopenie resp. der Hypothrombozytose bis eui Throml «reiche in einer bereits physiologischen prämenstruellen Plattehenverminderung ihr Vorbild haben. Thrombopenie: Prognose. 331 essentiellen Thrombopenie durch eine abwegige Milzfunktion aus- gelöst sein. Es fehlt aber bis jetzt, auch nach dem histologischen Studium der entfernten Milzen, noch völlig an zwingendem Beweismaterial. Auch die endokrine Stigmatisierung mancher Fälle führt nicht wesentlich über die Ver- mutung einer „endogenen" Komponente hinaus. Für die Bedeutung chronischer Infektionen ergeben sich aus unserem Material wenig Anhaltspunkte. Einmal sahen wir eine chronische Thrombopenie bei einem hereditär luetischen Indi- viduum, das seit Jahren an geschwürig zerfallenen Hautsyphiliden litt, zweimal war die Frage einer latenten Tuberkulose zu erwägen (das eine Mal wegen einer vorausgegangenen Peritonitis tuberculosa, das andere Mal wegen einer Peri- carditis sicca unklarer Genese). Die Prognose seines Morbus maculosus haemorrhagicus hat Werlhof nach den Aufzeichnungen seines Schülers Wich mann als günstig bezeichnet. Er ging dabei wohl von ähnlichen Beobachtungen aus, wie er sie in seiner para- digmatischen Krankheitsbeschreibung niedergelegt hat. Der in kurzer Zeit sich vollziehende Blutverlust bedingt bedrohliche Grade von Hirnanämie und Herzschwäche; die Sachlage ist verzweifelt ernst, da tritt plötzlich die Wendung ad melius ein. Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, daß dieser wirk- lich sehr charakteristische Verlauf wohl kein zufälliger ist, daß vielmehr der Speer, der die Wunde schlug, sie auch wieder heilt. Die hochgradige Anämie ist ein stärkster Anreiz für das plättchenproduzierende Gewebe und führt denn auch die ,, Plättchenkrise" herbei. Abgesehen davon ist es aber auch eine all- gemeine Erfahrung — • man denke an das Ulcus ventriculi — , daß bei akuten Blutverlusten durch das allmähliche Nachlassen der Herzkraft, das Sinken des Blutdrucks, die Verringerung der Blutmenge die Vis a tergo sich abschwächt und die Blutung sistiert. Der Kranke fristet zunächst eine Vita minima, erholt sich aber dann auffällig rasch. Es kommt aber zweifellos — anscheinend am ehesten bei Kindern und Adoleszenten — doch vor, daß der Kranke an der Verblutung zugrunde geht. Ich habe bereits erwähnt, daß ich selbst diesen unglücklichen Ausgang dreimal beobachten konnte; das eine Mal starb der Patient (Fall 5), ein Knabe von 12 Jahren, im Rezidiv einer ein Jahr zuvor gut überstandenen Attacke an einer Hämatemese bei einem Hämoglobingehalt von 16%. Beim zweiten Fall (Nr. 8), einem Mädchen von 14 Jahren, hatte spontanes Nasenbluten 3 Wochen lang mit großer Heftigkeit angehalten, war aber geringer geworden, als die Kranke mit 2 000 000 Erythrozyten und 22% Hämoglobin in die Klinik gebracht wurde. Sie ging an einer Darmblutung zugrunde, durch welche der Farbstoffgehalt auf 15%, bei 1,3 Millionen roten Blutkörperchen erniedrigt wurde. Sicherlich können auch die Exazerbationen lange bestehender chronischer Thrombopenien, insbesondere die Meno- und Metrorrhagien lebensgefährlich werden. Bensaude und Rivet berichten über mehrere solche Ereignisse. Ich selbst habe ausführlich den Fall eines 11 jährigen Knaben (Nr. 9) beschrieben, der aus einem Zustand chronischer Anämie nicht herauskam, weil, kaum daß die Blutregeneration eingesetzt hatte, meistens eine neue Blutungsattacke folgte. Nach etwa 1/2jähiigem Kranksein war durch die nur für kurze Inter- valle zu stillende Blutungen aus dem Nasenrachenraum der Hämoglobingehalt unter 10% heruntergedrückt, ein Grad von Anämie, der offenbar mit der Fort- dauer des Lebens unvereinbar war. Gelegentlich wird ferner die Blutung in ein funktionell hochwertiges Organ verhängnisvoll. Ich erinnere an die Erblindung durch Glaskörperblutung bei einem unserer Patienten, an die allerdings seltenen zerebralen und meningealen Apoplexien, die, wie Beobachtung 2 unserer Kasuistik lehrt, tödlich ausgehen können. 332 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Prognostisch bedeutsam ist nicht nur die akute Anaemia gravis, sondern auch die bei chronischem Morbus Werlhof viel häufigere sekundäre Dauer- anämie von chlorotischem Typus, welche die körperliche Entwicklung des noch wachsenden, die Leistungsfähigkeit des erwachsenen Organismus erheb- lich beeinträchtigt. Bei vielen dieser an sich schwächlichen und hypoplastischen Individuen werden sich die subjektiven und objektiven Folgen eines dauernd auf die Hälfte reduzierten Blutfarbstoff gehaltes besonders fühlbar machen; es sind chronisch sieche Menschen, zumal die immer und immer wieder sich erneuernden Blutungen gewiß nicht nur als physisches, sondern auch als psychi- sches Trauma wirken. Es verträgt sich durchaus mit dieser quoad vitam nicht immer günstigen und quoad valetudinem oft genug getrübten Prognose, wenn ich vorschlage, den Morbus Werlhof als , ,b e n i g n e " Thrombopenie zu bezeichnen. Die Benignität ist hier in demselben Sinne verstanden wie bei der Beurteilung von Tumoren. Das Epitheton ,, benign" soll besagen, daß im Wesen der Werlhofschen Erkran- kung eine Progression zu einem unfehlbar tödlichen Allgemeinleiden nicht liegt; durch die Hervorhebung der Benignität wird die Krankheit in Gegensatz gestellt zu jenen auch als Morbus maculosus haemorrhagicus mit Plättchen- mangel imponierenden schweren Erkrankungen, denen eine irreparable Zer- störung des hämatopoetischen Apparates zugrunde liegt, die deshalb früher oder später tödlich endigen müssen Und mit Fug und Recht als „maligne" Thrombopenien gekennzeichnet werden können. Differentialdiagnose. Ich werde hier nur die Unterscheidung der ,, Thrombo- penien" von der Hämophilie und der sehr seltenen Fibrinopenie ausführlich besprechen, die Abgrenzung gegen den Skorbut (die bei den malignen Thrombo- penien viel mehr am Platze ist) nur streifen, die differentielle Diagnostik gegen die übrigen hämorrhagischen Diathesen aber erst jeweils im Anschluß an deren Darstellung erörtern. Es wurde bereits erwähnt, daß die Ähnlichkeit zwischen Hämophilie und Thrombopenie eigentlich eine recht äußerliche ist; sie ist in der Neigung zu spontanen Blutungen aus inneren Oberflächen, zu traumatischen Hämatomen, lang anhaltenden Wundblutungen gegeben. Sieht man aber genauer zu, so wird man finden, daß stumpfe Traumen und Läsionen, die bei den Thrombopenien schon höchst wirksam sind, dem ,, Bluter" noch nichts anhaben. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß bei der Hämophilie der Stauungsversuch negativ ausfällt, ferner ist die Blutungszeit keineswegs verlängert und weder beim Einstich in die Fingerbeere noch bei der Venen- punktion werden Blutimbibitionen des Gewebes bemerkbar. Alfred F. Heß (a) hat besonders darauf aufmerksam gemacht, daß nach subkutanen Injektionen beim Hämophilen kein Hämatom entsteht, das doch bei der Thrombopenie nie auszubleiben pflege. Beim Hämophilen ist die Gerinnung des der Vene entnommenen Blutes Btark verzögert und es bilden sich schließlich nur schlaffe, locker gesponnene Ge- rinnsel; bei der Thrombopenie erwies sich uns die Gerinnungszeit als regelrecht niid es entsteht eine feste Gerinnungsmasse. Es verträgt sich also eine manchmal am Stunden verzögerte Gerinnung in vitro durchaus mit einer prompten Hämo - • in vivo (sc. bei Minimalläsion!). Die schlaffen Gerinnsel lassen vermuten, }it nur die verlangsamte Gerinnung, sondern auch die Mangelhaftigkeit (sproduktes Eür die erschwerte Blutstillung und das Nachbluten chon geschlossener Gefäßwände haftbar zu machen ist. So Hämophilen nach eigener Beobachtung aus dem kleinen Ein- stich ; di I die Blut ungszeü lior ma I ist , nach mehreren Stunden Thrombopenie : Differentialdiagnose. 333 d 0) 1 O a m Stauungsversuch negativ. Keine Blutimbibition um die Venen- punktionsstelle Stauungsversuch negativ. Keine Blutimbibition um die Venen- punktionsstelle . 2 SS a) Sehr reichlich im Aus- strich b) 332 000 132 000 bis 350 000 'S Sl bß d d s d P 9 CO Ohrläppchen : Die Blutung steht nach 7 Min. ; kleine Tropfen ; aber nach 3 Stun- den spontane Nachblutung, die schwer zu stillen ist 'S N CO bß 3 1 1 'atplasmas nach atz von 1% iCl-Lösung 2 Tropfen 3 Tropfen d o bC d d | *2 des Ziti Zus 1 Tropfen . d bß d 3 2 oo © d •+3 1 03 00 T3 4. III. 15. a) Beginn nach 1 Std. 30 Min. ; Ende nach 2 Std. 22 Min. 8. III. 16. b) Beginn nach 32 Minuten; Ende nach 2 Std. 9 Min. (sehr schlaffe Gerinnsel) Beginn nach 3/4 bis lx/2 Stunden, Ende nach mehr als 24 Stunden. ( Gerinnsel sehr schlaff) 05 a o | >> Epistaxis, Hämar- thros genu, Nie- renblutungen, Neuralgien Häufig wiederhol- ter doppelseitiger Hämarthros genu sowie Blutergüsse ins Ellenbogen- gelenk mit Nei- gung zu Verstei- fung Heredität '33 u 1 Ijj 'S £ Ein Bruder der Großmutter müt- terlicherseits , 1 Sohn der Schwe- ster dieser Groß- mutter und 1 Bruder des Pat. sind Bluter ge- wesen 3 fe d © o o — £> 1 334 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. - wohl durch zufälliges Aufreißen der kleinen Wunde -- von neuem — und diesmal stark — zu bluten anfangen, während bei der Thrombopenie der Wund- kanal, wenn endlich die Blutung steht, fest verschlossen wird. Nichts cha- rakterisiert den Unterschied von Hämophilie und Thrombopenie besser als dieser Gegensatz; bei der Hämophilie: kurze primäre Blutungsdauer, dann aber nach einem Intervall womöglich inten- sives Nachbluten, bei der Thrombopenie stark verlängerte Blu- tungszeit, aber endgültiger Stillstand. Die Thrombozytenzahl entspricht bei der Hämophilie der Norm, ja ist nach Sahli und Fonio sogar überreichlich; ein Blick in den nativen Zitrat plasma- tropfen oder ins gefärbte Präparat, noch sicherer natürlich die Zählung hilft eigentlich sogleich über diagnostische Schwierigkeiten. Wie sich die Verhältnisse im konkreten Falle bei der Hämophilie darstellen, mögen zwei eigene Beobachtungen zeigen. (Siehe die Tabelle auf S. 333.) Die genannten Kriterien dürften zur Differenzierung der biologischen Tat- bestände, die sich hinter den klinischen Bildern der Hämophilie und Thrombo- penie verbergen, wichtiger sein als für die Differentialdiagnose, denn die here- ditäre und familiäre, nur bei männlichen Individuen vorkommende Bluter- krankheit mit ihrer typischen Gelenkkomplikation sollte doch eigentlich nicht verwechselt werden können mit dem Morbus Werlhof , der nicht erblich x) ist, nur ein einzelnes Familienmitglied betrifft, Frauen mindestens so häufig wie Männer, und Gelenkaffektionen nicht kennt. Es ist aber in der Literatur immer noch von sporadischer Hämophilie und von weiblichen Blutern die Rede, und differentialdiagnostische Kriterien sollen hauptsächlich zur Klärung der Frage dienen, was es denn mit diesen Fällen eigentlich für eine Bewandtnis habe. Schon jetzt ist die Gruppe der sporadischen Hämophilie arg zusammengeschmolzen, indem die Mehrzahl der ihr vorher zugerechneten Fälle als kontinuierliche Thrombopenien erkannt sind. Aber es bleibt doch zu entscheiden, ob der Begriff der sporadischen Hämophilie lediglich eine Verlegenheitskonstruktion war, oder ob nicht doch noch eine oder mehrere Sondertypen in dieser Gruppe enthalten sind, die ebensowenig wie die Thrombopenie mit der echten Hämophilie im Wesen etwas gemein haben. Wir dürfen sogar mit Sicherheit annehmen, daß dies der Fall ist; denn neuerdings — bis jetzt allerdings erst in zwei Exemplaren — ist ein Krank- heitsbild beschrieben worden, das durchaus als sporadische Hämophilie im- poniert und doch weder Hämophilie noch Thrombopenie ist: der totale Fibrinogenmangel oder die Fibrinopenie, wie ich diese Anomalie zu nennen vorschlage2). Der Fall von Rabe und Salomon betraf einen zur Zeit der Untersuchung 9jährigen Knaben, der schon 14 Tage nach der Geburt Darmblutungen auf- wies, seit frühester Jugend bei leichtesten Stößen große Blutergüsse unter die Haut bekam und meist wie mißhandelt aussah. Er hat aus Wunden stets außerordentlich lange nachgeblutet und von Zeit zu Zeit heftiges Nasen- und Zahnfleischbluten gehabt. Bei der Einlieferung ins Krankhenhaus floß Blut aus Mund und Nase; es wurden blutige Massen erbrochen und blutige Stühle entleert; gleichzeitig bestanden zahlreiche Hauthämcrrhagien. Plättchenzahl 300 000; Blutungszeit 48 Stunden (!); Gerinnungszeit oo, d. h. es zeigte sich, ') Über die hereditäre hämorrhagische Diathese und ihre Beziehungen zur Thrombo- penie Biene 8. 383. Diesei Satz war schon längere Zeit niedergeschrieben, als ich bei Morawitz (Med. Klin. 1923, Nr. 3) den gleichen Terminus in Vorschlag gebracht fand. Thrombopenie: Differentialdiagn 335 daß das Blut infolge vollständigen Fehlens des Fi brinogene überhaupt nicht gerann; alle anderen Komponenten der Gerinnung waren vorhanden. denn Zusatz von Fibrinogenlösung brachte Plasma und Vollblut alsbald zu fester Gerinnung. Einen ganz ähnlichen Befund erhoben Opitz und Mag da Frei bei einem 81;2 Monate alten Säugling, der gleich nach der Geburt an Blutbrechen und Melaena gelitten und später öfter Neigung zu Blutungen aus Wunden und Entzündungsherden zeigte. Bei der Aufnahme hatte das Kind eine Blutinfil- tration am linken Oberschenkel, einzelne Flohstichblutungen an der Wangen- schleimhaut, am rechten Knie und Unterschenkel. Aus dem Einstich zur Blut- entnahme blutete es ununterbrochen nach bis zum Todes des Kindes, der unter Ausbildung extremer Anämie wahrscheinlich durch innere Blutung verursacht war. Plättchenzahl 103 000-114 000. Auch das Blut dieses Kindes gerann in vitro überhaupt nicht: eine genauere Analyse ergab, daß es kein Fibrinogen enthielt . so daß es nach Zusatz von Fibrinogenlösung ohne weiteres gerann. Im Tierexperiment gelingt es durch schwerste Leberschädigung (Phosphor- und Chloroformvergiftung) das Blut fibrinogenfrei zu machen, und Whipple und Hurwitz haben bereits darauf hingewiesen, daß bei extremer Reduktion des Fibrinogens (aber nicht bei mäßiger Verminderung!) eine hämorrhagische Diathese mit sehr stark verlängerter Nachblutung aus kleinen Stich- oder Schnittwunden zu finden ist. Bei sporadischer ,,Hämorjhilie;" wird also in Zukunft besonders darauf zu achten sein, ob nicht ein kompletter Faserstoff mangel. eine Fi brinopenie , vorliegt. Man wird derartiges vermuten dürfen, wenn einerseits die Thrombo- zyten keine Verminderung aufweisen, anderseits das Blut in vitro überhaupt nicht gerinnt. Bei der hereditären Hämophilie ist zwar die Gerinnung außer- ordentlich verlangsamt und unvollständig, aber sie kommt doch schließlich nach einigen Stunden zustande. Gegen die Verwechslung der Thrombopenie mit dem Skorbut (und der Möller-Barlowschen Krankheit der Säuglinge] schützt schon die eigenartige Lokalisation der Blutungen bei letzterem. Die oberflächlichen Hämorrhagien beim Skorbut sind stets an die Haarbälge gebunden, bei der Thrombopenie dagegen regellos, höchstens auch mit Beteiligung mancher Follikel. Die cha- rakteristischen weit ausgedehnten Suffusionen in der Subkutis. die tiefliegenden Blutergüsse in Faszien und Muskelinterstitien, unter das Periost, allgemeiner die Blutungen ins Stützgewebe sind dem Skorbut wesentlich, der Thrombo- penie fremd. Das Vorquellen der schwammigen, düster verfärbten, womöglich ulzerierten Interdentalpapillen ist Eigentümlichkeit des Skorbut; die intensive Stomatorrhagie bei der Thrombopenie erfolgt, wie öfter betont, aus dem Häutchen zwischen Gingiva und Kiefer, das Zahnfleisch ist intakt, höchstens an einer oder der anderen Stelle blutig imbibiert oder durch Blut- infiltration geschwollen. Die Zahnfleischränder sind wohl mit Blutkrusten und -schorfen bedeckt, vielleicht stellenweise erodiert, aber nirgends mit fetzig- membranösen. mißfarbenen Auflagerungen versehen. Beim Skorbut geht Anämie und Kachexie der hämorrhagischen Diathese voraus, bei der Thrombopenie sind beide höchstens Folge erschöpfenden Blutverlustes. Blutplättchenzahl und Blutungsdauer zeigen beim Skorbut keine Abweichung von der Norm, der Stauungsversuch bringt nur perifollikuläre Blutaustritte zuwege. 336 E.Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. D. Pathogenese. 1. Entstehung der Hämorrhagien. a) Die pseudohämophile Komponente. Der Morbus maculosus haemorrhagicus gehört zu den wenigen Krank- heiten, die man deduktiv hätte finden können, d. h. man hätte nach Entdeckung der wichtigen Rolle, welche die Plättchen bei der Thrombose und Hämostase spielen, die Folgen des Platt chenmangels konstruieren und sich dann umtun können, ob nicht durch ein experimentum naturae das Phantasiegebilde längst verwirklicht sei. Im Jahre 1882 haben Hayem (b) und Bizzozero gleichzeitig und unab- hängig voneinander die seither als eine Grundtatsache der allgemeinen Patho- logiegeltende Entdeckung gemacht, daßder weiße Thrombuse ein Plättchen- aggregat ist. Die beiden Autoren fanden, daß an jeder lädierten Stelle der Gefäßwand, an jedem ins Gefäßlumen eingeführten Fremdkörper das vorüber- strömende Blut sich gewissermaßen morphologisch entmische: Die Plättchen sammeln sich in ungeheuren Mengen an der defekten Wandstelle, an der rauhen Oberfläche des Fremdkörpers, werden klebrig und agglutinieren . Auch wenn man das der Ader entnommene Blut mit einem Stäbchen oder einem Pinsel aus Zwirnsfäden schlägt, so überzieht sich deren Oberfläche zunächst mit einer dicken Schicht von Plättchen. Hayem (c) konnte weiter nachweisen, daß bei der Hämostase sich ganz ähnliche Vorgänge abspielen. Er setzte an der Jugularis externa von Hunden kleine Schnittwunden und untersuchte nach dem spontanen Stillstand der Blutung den „nageiförmigen Verschlußknopf" der Wunde, dessen Spitze ins Gefäßinnere hineinragte, während der Kopf sich auf der Außenwand der Vene ausbreitete. Die Spitze und auch die zentrale Partie des Nagelkopfes waren grau, zäh, aus einer teils körnigen, teils bereits amorphen Masse zusammen- gesetzt. Diese ganze Masse stellt nichts anderes dar als eine Unsumme zusammen- gesinterter Plättchen; in den körnigen Partien sind sie noch wenig geschädigt und lassen sich jedenfalls noch voneinander abgrenzen; bei weitergehender Alteration bilden sie das amorphe Konglomerat. Nur die äußerste Lage des Nagelkopfes durchzieht ein Fibrinnetz, das rote Blutkörperchen einschließt; der eigentliche Verschlußknopf enthält keine roten und nur ganz vereinzelt weiße Blutkörperchen, wird also fast ausschließlich aus Blutplättchen gebildet. Eberth und Schimmelbusch haben 1886 den spontanen Verschluß von Venenschnitt- und Stichwunden studiert und kommen ebenfalls zu dem Resultat, daß der Wundkanal nicht durch ein Fibringerinnsel , sondern durch einen weißen Thrombus verstopft werde, ein Gebilde also, das lediglich aus Blutplättchen bestehe und keines der anderen Blutelemente einschließe. Ich entlehne ihrer Arbeit eine Figur, die den bei der Hämostase entstehenden ,, Verschlußknopf" sehr gut wiedergibt. Daß in ihren Versuchen nicht eine ,, Nagelspitze", sondern eine pilzförmige Kuppe in das Gefäßlumen hineinragt, liegt lediglich daran, daß der geschädigte Gefäßabschnitt, nachdem die Blutung sistiert hatte, noch etwa fünf Minuten vom Blutstrom durchflössen war, ehe er reseziert wurde (Abb. 5). Den Verschluß von Arterienwunden hat Sophie Lubnitzky verfolgt, indem sie zur Herabsetzung des Ausströmungsdruckes das Gefäß zentral etwas komprimierte und die Wunde alsbald wieder nähte; auch hier überspannte, wie Eberth und Schimmelbusch bestätigen konnten, eine Plättchenbrücke die Lücken in der Gefäßwand. Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 337 Bei Kaltblütern hatte Zahn schon früher den Prozeß der Blutstillung nach Stichverletzung kleinster Mesenterialgefäße direkt unter dem Mikroskop be- obachtet und festgestellt, daß auch hier nicht durch Gerinnung, sondern durch Anhäufung farbloser zelliger Elemente die Wunde sich schließt. Er hatte diese Zellen, die nach seinen Untersuchungen auch den weißen Thrombus des Kalt- blüters am Orte mechanischer oder chemischer Läsionen der Gefäßwand auf- bauen und sich in Massen an jedem Fremdkörper festsetzen, für Leukozyten gehalten. Zahn hatte ja durch seine Untersuchungen der Lehre Geltung ver- schafft, daß der weiße Thrombus auch der Säugetiere aus Leuko- zyten sich zusammensetzt. Nun hatte Hayem (b) bereits 1876 gezeigt, daß im Blute der Oviparen Wirbeltiere, also der Tiere mit kernhaltigen Erythrozyten, die Blutplättchen nicht vorkommen oder vielmehr, daß an Stelle der winzigen farblosen Scheibchen ziem- lich voluminöse kernhaltige Ele- mente von unzweifelhaft zelliger Natur sich finden. Bei Wiederho- lung der Experimente von Zahn erkannte er (unabhängig von ihm auchBizzozero), daß nicht Leuko- zyten , sondern die , gekernten" Plättchen den Verschlußknopf kon- stituieren, in der gleichen Weise miteinander und den Wandrändern verkleben , körnig werden und schließlich homogene, fest verbak- kene Massen bilden wie die Plätt- chen beim Warmblüter. Diese Zel- len sind also „Thrombozyten" im strengen Sinne des Wortes; man hat aber die Bezeichnung wegen ihrer funktionellen und substan- tiellen Verwandtschaft mit den Plättchen auch auf diese, wie wir heute wissen, kernlosen Elemente ausgedehnt. Man kann also sagen: Im allgemeinen gerinnt nur stagnierendes Blut, im strömenden spielt die Fibringerinnung primär keine Rolle. Der aus dem eröffneten Gefäß sich ergießende Strom wird dadurch eingedämmt, daß an den vital geschädigten Rändern des angerissenen, ange- schnittenen oder angestochenen Gefäßes die Plättchen wie an einem Fremd- körper in Massen haften bleiben, so daß eine Zementschicht formiert wird, die, durch immer neue Ankömmlinge verstärkt, sich allseitig von den Rändern nach dem Zentrum vorschiebt. Der endgültige Schluß der Gefäß wunde wird zweifellos noch dadurch begünstigt, daß die Substanz der Plättchen in aus- gezeichneter Weise die Eigenschaft der Retraktilität besitzt, hörten wir doch schon früher, daß nur solche Blutkoagula von den Wänden eines Glasgefäßes sich zurückziehen und Serum auspressen, welche in den Knoten des Fibrin- netzes Plättchenhaufen enthalten. Hayem schließt 1889 in seinem Lehrbuch der Hämatologie die Darstellung seiner Untersuchungen über die Ursache des spontanen Stillstandes von Abb. 5. a Gefäßwand, b Schnittkanal mit Thrombus, c Äußeres Blutgerinnsel, d Innerer Blutplättchenpfropf. (Aus Virchows Arch. Bd. 105, 1886. Tafel XII, Fig. 2.) Blutkrankheiten. II. 22 338 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Blutungen mit folgenden Worten : ,, Das Blut trägt also inseinem Schöße ein mäch- tiges hämostatisches Agens und — um meine Vorstellung ganz klar zu machen - ich behaupte, daß, falls es möglich wäre, im normalen Blute alle Plättchen auszuschalten, eine jede Gefäßverletzung eine Blutung im Gefolge haben müßte, welche von allein nicht mehr zum Stehen käme." In den nächsten Jahren überzeugt er sich davon, daß die Möglichkeit, mit der er hier in Gedanken spielt, in der menschlichen Pathologie verwirklicht ist. Angeregt durch die Mitteilungen von Denys stellt er in mehreren Fällen von „Purpura haemorrhagica" die Spärlichkeit der Plättchen fest. Es ist naturgemäß für ihn kein Zweifel, daß durch diesen hämatologischen Befund der pseudohämophile Symptomenkomplex eine befriedigende Erklärung findet. Schon Denys hatte in Hinblick auf die ihm wohlbekannten Forschungen Hayems es leicht verständlich gefunden, daß ein plättchenarmes Blut trotz gut erhaltener Gerinnbarkeit im Falle einer Gefäßverletzung sich stärker ins Gewebe und aus dem Gewebe ergieße als Normalblut. Hayem pflichtet ihm 1895 in einer klinischen Vorlesung durchaus bei, indem er sagt: Es sei evident, daß in diesen Fällen von Purpura haemonhagica infolge der enormen Reduktion der Thrombozyten der ,, Verschlußknopf" sich nur schwierig wird bilden können; es ergibt sich also eine Erschwerung der Blutstillung, die in Menorrhagien, Epistaxis, starken Blutverlusten aus den unbedeutendsten Wunden, Sugil- lationen und Hämatomen nach leichten Traumen sehr wohl ihren Ausdruck finden könne. Besonders nachdrücklich ist später Duke auf Grund seiner klinischen und experimentellen Untersuchungen über die Beziehungen von Plättchenzahl und Blutungszeit dafür eingetreten, daß die Verarmung des Blutes an Platt chen vollauf genüge, auch ohne Interferenz anderer Faktoren Stärke und Dauer der Blutungen zu erklären. Ich möchte mich, wie die scharf zugespitzten Einleitungssätze dieses Kapitels erkennen lassen, ebenso wie Duke dem klaren und einfachen Gedankengange von Denys und Hayem durchaus anschließen. Die logische Konsequenz aus der Lehre vom Plättchenthrombus und seiner Beteiligung am hämostatischen Effekt kann allerdings nur eine allgemein gehaltene Vorhersage erschwerter Blutstillung bei Plättchenmangel sein ; erst die an möglichst zahlreichen Einzel- fällen gewonnene Erfahrung vermag den Grad der Plättchenverminderung zahlenmäßig festzulegen, bei welchem die Hämostase notorisch zu versagen beginnt. Auf Grund meiner persönlichen Studien, denen wohl jetzt etwa 100 Fälle von essentiellen und symptomatischen Thrombopenien zugrunde liegen, glaube ich, die folgende Formulierung als gültigen Satz betrachten zu dürfen: Sinkt bei einem Individuum die Thrombozytenzahl unter die kritische Grenze von 30 — 35 000 im Kubi kmillimeter, so ist — bei ungestörten allgemeinen Kreislaufsverhältnissen und gleich- bleibender lokaler Einstellung des G^fäßapparates — eine (durch stumpfe oder schneidende Gewalt erzeugte) Rhe xisblutung aus Kapillaren und kleinsten Venen zwangsläufig nach Größe und Dauer in erheblichem Maße intensiviert; ist das Blut als praktisch plättchenfrei zu betrachten (bei Thrombozytenzahlen von 1000 bis 5000 im Kubikmillimeter), so ist die Gefahr schwersten Blut- stcs, ja der Verblutung ernstlich zu fürchten. Damit ist nun durchaus nicht gesagt, daß alle diejenigen, welche so niedrige Plättchenzahlen aufweisen, unbedingt stark bluten müssen; neigen sie nicht zu Schleimhaut - blutungen und wird eine Gefäß Verletzung vermieden, so wird die Diathese bei ihnen vielleicht nur durch mächtige Hämatome bei den unvermeidlichen stumpfen Traumen zum Ausdruck kommen (z. B. im Fall 11). Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 339 Besonderer Nachdruck ist auf den Passus „bei ungestörten Kreislaufs Ver- hältnissen und bei gleichbleibender lokaler Einstellung des Gefäßapparates" zu legen. Weicht infolge eines Vasomotorenkollapses das Blut aus dem Antlitz, dann kann die bedrohlichste Epistaxis oder Stomatorrhagie alsbald aufhören; sinkt infolge des zunehmenden Blutverlustes, zumal bei nachlassender Herz- kraft, der arterielle Druck ab und ist das Gefäßsystem schlecht gefüllt, dann wird trotz fehlender Plättchen die Blutung zum Stehen kommen und sich zu- nächst nicht wieder erneuern. Nicht minder bedeutungsvoll ist das Verhalten der Gefäße, insbesondere der Kapillaren, am Orte der Hämorrhagien. Die Kontraktilität der Haar- gefäße, die heute sichergestellt erscheint, ist ein wichtiger Faktor bei der Hämo- stase. Wenn nach Krogh die Kapillaren unabhängig von dem Verhalten der Arteriolen ihr Lumen fast vollständig zu schließen vermögen, dann können sie einen Wanddefekt durch Zusammenrücken der Wundränder so verkleinern, daß der ,, Platt che npfropf" fast überflüssig wird. Unter solchen Umständen wird naturgemäß auch bei hochgradigem Plättchenmangel die „Blutungszeit" sich der Norm wieder annähern : es ist verständlich, daß aus einem kreideweißen doigt mort bei vasomotorischer Neurose selbst beim Thrombopenischen nach Stich - inzision kaum ein Blutstropfen austreten wird. Durch die regionär schon in der Norm sehr verschiedene Blutfülle der Kapillaren erklärt es sich wohl auch — worauf Roskam kürzlich die Aufmerksamkeit gelenkt hat — , daß die ver- gleichende Prüfung der „Blutungszeit" an Ohrläppchen und Fingern oder selbst an symmetrischen Punkten sehr verschiedene Resultate geben kann. Die Tatsache ferner, daß bei gleicher Plättchenzahl vor und nach der Milzexstirpation die Blutungstendenz eine ganz verschiedene zu sein scheint, wird durch die Be- rücksichtigung der Eigentätigkeit der Kapillarröhren dem Verständnis näher gebracht. Umgekehrt wird maximale Erweiterung der Kapillaren natürlich Anlaß geben können, daß an einer leicht lädierbaren Stelle die Thrombopenie in einer besonders profusen Blutergießung sich auswirkt. Wir müssen bedenken, daß nach Krogh in der Ruhe die größte Zahl der Kapillaren eines Organs geschlossen ist und daß maximale Eröffnung von Kapillaren und Erweiterung der geöffneten die Kapazität z. B. eines Muskelkapillargebietes auf das 750fache erhöhen kann. Zweifellos ist das unvermutete Einsetzen einer Schleimhaut blutung bei chronischer Thrombopenie, die bei niedrigsten Plättchenzahlen eine Zeitlang symptomlos verlaufen war, häufig genug darauf zurückzuführen, daß an dem Locus minoris resistentiae („der Achillesferse") des betreffenden Individuums durch einen banalen Infekt oder durch das Kreisen einer kapillartoxischen Substanz eine Kongestion, d. h. eine maximale Dilatation der Kapillaren sich etabliert. Ohne Thrombopenie käme es dann unter Umständen auch zu einem kräftigen Blutfluß, etwa zu starkem Nasenbluten, wie es als Initialsymptom mancher Infektionskrankheit bekannt ist; aber die Maßlosigkeit der Parenchymblutung wird doch selbst bei strotzend gefüllten Kapillaren erst durch die Plättchen- armut des ausströmenden Blutes bedingt. So führt z. B. im Prämenstruum, das in dieser Zeit in der Zirkulation befindliche kapillarerschlaffende Agens allein nicht bis zum merklichen Blutaustritt, erst im Verein mit der gerade zu dieser Zeit noch zunehmenden Thrombopenie kommt das Symptom der plötzlich enorm verlängerten Blutungszeit oder des ungestümen Nasenblutens zustande1). x) E. Weil sah bei thrombopenischen Individuen mit einer Blutungszeit von 10— 12Minuten nach intravenöser (und subkutaner) Injektion von 0,25 Pepton Verlängerungen auf 30 bis 42 Minuten mit Auslösung von Epistaxis und Purpura. Bei der Wirkung des Peptons spielt sicherlich neben einer Steigerung der Thrombopenie und der Gerinnungs Verzögerung der „Kapillarfaktor" (cf. Seeliger und Gorke) eine wichtige Rolle. 22* 340 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Ebenso wie das funktionelle Verhalten der Gefäße kann natürlich auch die anatomische Beschaffenheit ihrer Wand Entstehen und Eigenart des Symptoms in maßgebender Weise beeinflussen. Das Zusammentreffen von Arteriosklerose und Thrombopenie kann in dieser Hinsicht besonders deletär sein; so wurde früher hervorgehoben, daß kleinste, vielleicht an sich punktförmige Gehirn- hämorrhagien bei älteren Thrombopenischen zu schwerem apoplektischem Insult werden können. Eine besondere Zartheit und Leicht verletzlichkeit der kleinsten Hautgefäße, wie sie als konstitutionelle, in manchen Familien ver- erbliche Eigentümlichkeit beobachtet wird, muß natürlich bei der Thrombo- penie die Entstehung blauer Flecke, die auch vorher dem Betreffenden nicht unbekannt waren , aber doch lange nicht in dieser Mächtigkeit und Häufung auftraten, besonders begünstigen. Niemand wird also leugnen, daß die ,, Gefäß wand" für die Manifestation des pseudohämophilen Symptoms wesentliche Bedeutung gewinnen kann, aber dieser Faktor bleibt doch ein durch exogene oder endogene Reize ver- mitteltes oder auch in der Individualkonstitution begründetes Akzidens: davon war bis jetzt nicht die Rede, daß eine funktionelle Umstellung oder eine materielle Läsion der Kapillaren einen integrierenden Bestandteil der ,, Diathese", eine unweigerlich von dieser mitgebrachte und der „Thrombopenie" gleich- oder gar übergeordnete Bedingung bilde. Eines wäre allerdings denkbar, daß näm- lich die Koinzidenz des Plättchenschwundes mit fluxionärer Überfüllung eines oder mehrerer Kapillar bereiche nicht immer nur zufällig sei; es wäre möglich, und ist nicht einmal unwahrscheinlich, daß — zumal in den ganz akut mit Blutungen aus mehreren inneren Oberflächen und generalisiertem Purpura- exanthem einsetzenden Fällen — die unbekannte Noxe sowohl das Schwinden der Thrombozyten als auch eine temporäre Erschlaffung der Kapillarwände bedingt. Aber dieser, eine noch durchaus physiologische Reiz- oder besser Hemmungswirkung auf die Kapillarwand in Rechnung ziehende Zusammen- hang, der sich bei unbefangener Würdigung des klinischen Bildes mitunter aufdrängt, ist es nicht, der gemeint wird, wenn einige Autoren zur Erklärung der Pseudohämophilie ohne die Annahme einer Schädigung der Gefäßwand nicht glauben auskommen zu können. Keiner dieser Autoren hat zwar bis jetzt die Alteration der Gefäßendothelien, die eine Conditio sine qua non der langen Nachdauer der Blutungen sein soll, nachweisen oder auch nur scharf definieren können; die Existenz dieser Schädi- gung wird meist angenommen, weil man sie früher als Grundlage einer jeden hämorrhagischen Diathese für selbstverständlich hielt und die radikale Um- stellung von der „Gefäßwand" auf den „Gefäßinhalt" als das eigentlich Wesent- liche nicht ohne weiteres vollziehen möchte; man sucht deshalb die alte Position dadurch zu retten, daß man mittels klinischer und experimenteller Erfahrungen die numerische Reduktion als belanglos für die Entstehung der Blutungen hin- stellen zu können glaubt. Öfters, so besonders von Klinger und Schultz (b) wird als Argument angeführt, daß die Blutungszeit, wie das Beispiel der Hämophilie lehre, trotz der Anwesenheit zahlreicher Plättchen außerordentlich verlängert sein könne. Wenn die Autoren hier die Blutungszeit im Sinne von Duke meinen, so ist ihr Argument schon deswegen nicht stichhaltig weil die Blutungszeit bei der Hämophilie, wie früher ausführlich gezeigt wurde, durchaus normal ist. Aber es lassen sich andere pathologische Zustände heranziehen, bei denen tatsäch- lich bei durchaus zureichenden Thrombozytenwerten die Blutungszeit stark verlängert ist. Morawitz (b) berichtet, daß bei der experimentellen Hirudin- vergiftung Blutungen, selbst aus kleinen Gefäßen, spontan überhaupt nicht mehr stehen und erwähnt, daß nach Derewenko die Zahl der Plättchen dabei Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 341 nicht wesentlich herabgesetzt sei. Roskam hat neuerdings, offenbar ohne die Angabe von Morawitz zu kennen, genau den gleichen Befund erhoben. Bei totalem Fibrinogenmangel des Blutes liegen die Verhältnisse ganz ähnlich: im Experiment ist dieser durch Phosphor Vergiftung zu erzielen, die bei hohen Plättchenwerten ebenfalls zu Dauerblutungen führt; beim Menschen sind bis jetzt, wie wir früher mitgeteilt haben, zwei Fälle von Fibrinopenie beobachtet, die sich wie schwerste Pseudohämophilie verhielten, ohne daß man die Plättchen - zahl dafür hätte anschuldigen können. Morawitz sieht in den von ihm angeführten Beispielen abnormer Blutungs- dauer bei normaler Plättchenzahl keinen Beweis gegen, sondern ein wichtiges Argument für die Lehre von der ,, Thrombopenie". Er weist darauf hin, daß in diesen Fällen das Blut total ungerinnbar sei; im ungerinnbaren Blute aber agglutinieren die Plättchen nicht, bilde sich also auch kein Plättchenthrombus resp. Verschlußpfropf. Es sei prinzipiell völlig dasselbe , ob die zahlreich vorhandenen Plättchen im ungerinnbaren Blute ihre Agglutinabilität verloren hätten oder ob bei gut erhaltener Gerinnbarkeit die Plättchenzahl numerisch außerordentlich reduziert sei; der Endeffekt ist eben das Ausbleiben oder die hochgradige Un Vollkommenheit des Gefäßverschlusses. Fälle von pathologischer Blutungszeit bei normalen Plättchenwerten und ungestörter Gerinnbarkeit sind nach Morawitz nicht bekannt. Dem Gedankengang von Morawitz ist unbedingt beizupflichten; ich brauche nur daran zu erinnern, daß wir uns ja die stundenlange Auf rechter halt ung einer gleichmäßigen Verteilung der Plättchen im Zitrat- oder Oxalatplasma zunutze machen, um sie zu zählen. Es erwächst also die Aufgabe, in Fällen, welche den Aspekt des Morbus Werlhof , aber keine Thrombopenie sensu strictiori zeigen, eine sorgfältige Gerinnungsanalyse vorzunehmen, ehe man mit ihrer Hilfe die Bedeutung des Plättchenmangels für die Genese von Blutungen und für die Entstehung einer verlängerten Blutungszeit zu erschüttern versucht. Diese Gerinnungsanalyse wird sich nicht immer nur mit der einfachen Prüfung der Gerinnungszeit des Venenblutes im gewöhnlichen und paraffinierten Glase begnügen dürfen, sondern stets auch die Gerinnung des rekalzifizierten Zitrat - plasmas zu berücksichtigen haben, gelegentlich sogar Menge und Wirksamkeit der einzelnen, am Gerinnungsvorgang beteiligten Komponenten (Fibiinogen, Serozym, Thrombozym, Antithrombin, Kalzium), am besten nach der Methodik von Bordet, ermitteln müssen. Insbesondere die Tatsache, daß bei manchen spleno-hepatischen Syndromen eine ,, suprakritische" Thrombopenie von etwa 40 — 50 000 Platt chen doch mit hämorrhagischer Diathese einhergeht resp. bei Thrombopenien, die sich gerade an der kritischen Grenze halten, auffallend heftige Blutungen erfolgen, wird dann ihre Aufklärung dahin finden, daß eine Kombination von Plättchenminderung und erschwerter Gerinnbarkeit vor- liegt. Ich werde später Beispiele dieser Art anführen. Es wäre interessant, zu wissen, in welchen Beziehungen die Ungerinnbarkeit des Blutes zur Erhaltung der Stabilität der Plättchensuspension steht. Besteht hier das Verhältnis von Ursache und Folge oder sind es die nämlichen Faktoren resp. Bedingungen, die einerseits als Präliminarien des Gerinnungsvorganges, anderseits als Begünstiger der Platt chen verklebung und -adhärenz wirk- sam werden? Morawitz möchte sich für die erstgenannte Mögüchkeit ent- scheiden. Er schreibt: ,,Und nun die Freiheit des ,, Kopfes" eines Thrombus von Fibrin! Gewiß, man kann meist in gewissen Teilen des Pfropfes mit der Weigert sehen Färbung keine Fibrinfäden sehen, man sieht nur die dicht zusammenliegenden Massen der Blutplättchen. Ich möchte aber glauben, daß es doch feine Fibrinfäden sind, die die Plättchen bei ihrer Agglutination miteinander verbinden, mit anderen Worten; daß die Agglutination nur das 342 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. allererste Anzeichen der beginnenden Fibrinausscheidung ist. Kann man das Fibrin auch nicht färberisch darstellen, so liegt das vielleicht daran, daß die Fäden zu fein sind. Bei der Phosphor Vergiftung erscheint im Blute ein Fer- ment, das scheinbar lediglich Fibrinogen und Fibrin, nicht aber die anderen Bluteiweißkörper, auch nicht die Blutzellen verdaut. Trotzdem besitzt dieses Ferment die Eigenschaft, schon entstandene Thromben aufzulösen, so daß alte Wunden wieder zu bluten beginnen. Es ist meines Erachtens daraus der Schluß zu ziehen, daß der Kitt, der die agglutinierten Plättchen zusammenhält, doch aus feinen Fibrin fäden besteht. Doch will ich einräumen, daß diese Frage noch weiterer Forschung mit modernen optischen Hilfsmitteln bedarf." Meines Erachtens spricht diese von Morawitz herangezogene Tatsache durchaus nicht gegen die zweite Alternative, daß nämlich Einleitung der Ge- rinnung und Platt chenagglutination ein- und derselben Mi Heu Veränderung ihre Entstehung verdanken, so daß sie möglicherweise beide auch wiederum durch ein- und dieselbe Einwirkung rückgängig gemacht werden können. Unter- suchungen von Govaerts haben gelehrt, daß die Plättehen nur dann an Fremd- körpern haften, wenn diese vorher mit Plasma oder Serum behandelt, sozusagen „opsonisiert" worden sind. Govaerts und le Fevre de Arric glauben, direkt nachgewiesen zu haben, daß die Normal- und Immunopsonine des Plasmas und Serums identisch sind mit denjenigen Stoffen, welche Bakterien und benetz- bare Fremdkörper so vorbereiten, daß sie nun von Plättchenagglutinaten umschlossen werden. Roskam denkt sich den Vorgang der Plättchenadhärenz und -agglutination an Fremdkörpern und ebenso auch an den Rändern der Gefäßwunde etwa folgendermaßen: Eine Plättchenemulsion ist ein stabiles Suspensoid, dessen Elemente dispergiert gehalten werden durch Pla?makolloide, die von ihnen, d. h. von jedem einzelnen Plättchen adsorbiert sind und quasi eine Hülle des Plättchens bilden. Kommen die Thrombozyten mit einem opsonierten Fremd- körper in Berührung, so wird das kolloidale Gleichgewicht der Plättchen - atmosphäre sofort empfindlich gestört : Die Kolloide dieser Atmosphäre flocken aus, können die Plättchen nicht mehr in Dispersion halten, tragen wohl noch zur Verklebung der sich anhäufenden Plättchen mit der fremden Oberfläche und untereinander bei. Roskam hat nun neuestens zeigen können, daß eine Reihe von Agenzien und Einwirkungen, welche die Gerinnung hindern, z. B. Kälte, Natriumsalze (Azetat, Tartrat, Sulfat, Chlorid, Nitrat, Oxalat, Zitrat) und Kokain auch die Opsonisation von Fremdkörperpartikeln (chinesische Tusche), Bakterien und Hefen hintanhalten, so daß eine Umhüllung dieser Gebilde mit Plättchenagglu- tinaten unterbleibt. Sind aber die fremden Oberflächen vorher opsonisiert, so wird die Plättchenadhärenz in der Kälte, in jenem Salzmilieu, durch Kokain nicht mehr beeinträchtigt x). J) Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, daß das Problem der Plättchenadhärenz und -Agglutination eine interessante Beleuchtung erfährt durch die neuerdings von Fah- r aeus sowie Höber und seinen Mitarbeitern angestellten Untersuchungen über die Ursache jener Agglutination der roten Blutkörperchen, welche die Grundlage ihrer gesteigerten Senkungsgeschwindigkeit im Plasma ist. Die Agglutination der roten Blutkörperchen hängt nach Höber, Mond, Ley, Kanai durchaus von der Beschaffenheit und dem Mischungsverhältnis der an ihre Oberfläche adsorbierten Eiweißkörper, d.h. von ihrer „Hülle" ab. Die Eiweißkörper der Hüllen er- teilen eine in bald stärkerer, bald schwächerer Abstoßung sich äußernde elektrische Ladung. sie erteilen ihnen auch diejenige Flockungstendenz, die sie selber besitzen. Eine Albumin- hülle ist am stabilsten; die Globulin;, besonders die Fibrinogenfraktion verschiebt die Ladung gegen den Neutralpunk! und flockt außerdem bedeutend leichter aus. Je mehr also Pseudoglobulin und Fibrinogen das Albumin aus der „Hülle" verdrängen, desto stärker wird die Agglutinationstendenz. Kanal hat nun neuerdings gezeigt, daß die Phago- Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 343 Gerinnungshemmung und mangelnde Opsonierbarkeit der Ränder der Gefäßwunde scheinen übrigens nicht immer durchaus Hand in Hand zu gehen, denn Roskam hat nach Hirudininjektionen bei Hunden beobachten können, daß die Blutungen aus Stich- und Schnittwunden weitergingen, auch wenn das Blut seine Gerinnbarkeit zu einem guten Teil wiedererlangt hatte und normale Thrombozytenzahlen aufwies. Dieser Befund steht im Gegensatz zu der Angabe von Morawitz, daß beim Fehlen einer Thrombopenie Blutungs- und Gerinnungszeit stets parallel gingen. Ich habe aber schon bei Besprechung der Anschauungen von Morawitz darauf hingewiesen, daß die übliche Gerinnungsprüfung des Venen Vollblutes doch ein sehr grobes Verfahren ist, das Schwankungen der Gerinnungsbeendigung zwischen 10 und 25 Minuten noch als physiologischen Spielraum anerkennen muß. Es könnten sehr wohl Störungen des Gerinnungsprozesses vorhanden sein, die bei dieser Art der Prüfung unbemerkt bleiben. Auch in der klinischen Pathologie sind sehr wohl Fälle denkbar, bei denen — ähnlich wie bei der Hirudineinwirkung — trotz hoher Plätt- chenzahlen und einer normalen Gerinnungszeit schwere Anomalien zytose (Aufnahme von Kohleteilchen in Leukozyten) den gleichen Regeln folgt wie die Agglutination der Erythrozyten ; Plasma begünstigt sie stärker als Serum, Fibrinogenlösung stärker als Pseudoglobulinlösung und diese wieder stärker als Albuminlösung. Nun habe ich berichtet, daß nach Govaerts und le Fevre de Arric der erste Akt der Bakterienphagozytose und der Einhüllung von Bakterien durch Plättchenagglutinate wesensgleiche Vorgänge sind. Beide Male muß eine ,,Opsonisation" der Bakterien, d. h. eine Konzentrierung von Plasma oder Serum an ihrer Oberfläche vorausgehen. Diese Opsoni- sierung ist aber auch Vorbedingung, wenn Plättchen an Fremdkörpern, z. B. an kleinsten mineralischen Körnchen, die man in die Zirkulation einführt, haften sollen: Goeverts hat ferner schon darauf hingewiesen, daß gewisse Bakterien und die allerfeinsten, mit den stärksten Vergrößerungen eben wahrnehmbaren Körnchen der chinesischen Tusche offenbar gegen Fibrinogensol ganz besonders empfindlich sind; denn sie flocken im Plasma bereits zu Häufchen, ohne daß Plättchen anwesend zu sein brauchen, während im Serum sich nach Govaerts ein solcher Vorgang überhaupt nicht, nach Roskam jedenfalls in sehr abgeschwächtem Maße, vollzieht. Die Phagozytose könnte also bereits als verbindendes Glied zwischen Erythrozyten- agglutination (im Sinne von Fahraeus und Höber) und Plättchenagglutination be- zeichnet werden. Wir würden dann zur Deutung der Plättchenagglutination in vivo etwa folgende Auf- fassung entwickeln: Wundränder oder — allgemeiner gesagt — geschädigte Endothelbeläge sind Fremdkörper, an denen sich eine Opsonisation, d. h. eine Konzentrierung von Globu- linen, in unserem Falle vor allem von Fibrinogen, vollziehen kann. Wir denken uns die Plättchen, ebenso wie die Erythrozyten, von einer dünnen Schicht adsorbierten Plasma- eiweißes, von einer „Hülle" umgeben. Werden die Plättchen bei starker Stromverlang- samung oder Wirbelbildung in größeren Mengen an eine ,,opsonierte" Stelle geschleudert (Wundrand, verätzte, erkrankte Gefäßwand), so ist Gelegenheit zu einer Verdrängung der Albumine aus der Hülle der Plättchen und zu einer relativen Anreicherung dieser Hülle mit Fibrinogen gegeben. Das aber würde eine außerordentlich gesteigerte Flockungstendenz der Hüllschicht und damit der Plättchen selbst, d. h. eine Verklebung untereinander und mit der Gefäßwand bedeuten. Viele der sog. gerinnungshemmenden Faktoren haben, wie wir oben ausgeführt haben, die Fähigkeit, jene Konzentrierung von Plasmaglobulinen an rauhen Oberflächen, die wir als „Opsonisation" bezeichneten, hintanzuhalten. (Wir wollen hier nicht darauf eingeben, welcher innere Zusammenhang zwischen dieser Leistung und der eigentlichen Gerinnungs- hemmung besteht.) Manche gerinnungshemmenden Mittel wirken vielleicht auch dadurch, daß sie das Fibrinogensol stabilisieren, d. h. in seinem Charakter mehr dem Albumin an- nähern. Stuber hat z. B. zu zeigen gesucht, daß Oxalat- und Zitratzusatz zum Blut nicht nur durch Kalziumfällung gerinnungshemmend wirkt, sondern auch durch unmittelbare Verbindung mit dem Fibrinogen dieses schwerer fällbar macht. Fehlt das Fibrinogen vollständig, wie in den Fällen von Rabe und Salomon, sowie Opitz und Mag da Frei (und vielleicht fehlen in solchen Fällen auch die am wenigsten stabilen Anteile der Globulinfraktion überhaupt), so ist die mangelnde Agglutinierbarkeit der Plättchen, d. h. das Fehlen des Plättchenthrombus und damit die schwer stillbare Blutung trotz normaler Plättchenzahl zwangsläufig gegeben. 344 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. der Blutstillung da sind. Ich glaube sogar, daß solche Fälle, nachdem einmal die Lehre von der Thrombopenie fest gegründet ist, die besondere Auf- merksamkeit des Forschers verdienen. Bei der „hereditären Thrombasthenie" Glanz mann s (b), ferner bei der hepatischen Pseudohämophilie, schließlich bei manchen Fällen „sporadischer Hämophilie" werden uns derartige Beispiele begegnen, die vorläufig noch Aufgabe und Rätsel darstellen. Zu ihrer Ent- rätselung wird sich höchstwahrscheinlich das Prinzip von Morawitz -Roskam, daß der Thrombopenie im Effekt die mangelnde Agglutinabilität der Plättchen gleichzusetzen sei, durchaus fruchtbar erweisen. Aber nur die feinere Analyse des Gerinnungsvorganges und das histologische Stu- dium kleinster Gefäßverletzungen wird der Idee die tatsächliche Grundlage geben können. Roskam ist auf der so gewonnenen Grundlage zu einer neuen Konzeption von der Genese der Blutungen beim Morbus Werlhof gelangt. Er lehnt die „Thrombopenie" als wesentlichen Faktor ab, weil er nachgewiesen zu haben glaubt, daß der Plättchenmangel allein nicht genüge, um eine beträcht- liche Verlängerung der Blutungszeit herbeizuführen. Da nun bekanntlich die Gerinnungszeit bei der „essentiellen Thrombopenie" normal ist, bleibt nach seiner Meinung nur die Annahme übrig, daß es sich um eine Abartung der Gefäßendothelien handele. Diese haben beim Morbus Werlhof infolge einer krankhaften Störung (Endotheliitis) die Fähigkeit eingebüßt, sich mit den Opsoninen des Plasmas zu beladen, so daß ein Haftenbleiben der Thrombo- zyten unmöglich ist. Man würde einer solchen Deutung per exclusionem viel- leicht beipflichten, wenn wirklich bewiesen wäre, daß die „Thrombopenie" an sich die Blutungszeit nicht wesentlich verlängert. Das Beweismaterial von Roskam besteht vor allem in einer Versuchsreihe beim Hunde, in welcher es ihm gelungen ist, durch intravenöse Gelatineinjektionen die Thrombozyten- zahl stark herabzusetzen, ohne die Gerinnungszeit zu ändern und die Zirkulation zu schwächen. Er nimmt den Durchschnitt der Einzelergebnisse und findet, daß einem Absinken der Plättchenzahl von 411 147 auf 33501 eine Zunahme der Blutungszeit von 2 Minuten 42 Sekunden auf 9 Minuten 41 Sekunden entspricht. Ich würde das einen recht erheblichen Einfluß auf die Blutungszeit nennen, der durchaus den klinischen Erfahrungen entspricht: Plättchenzahlen um 30000 ist auch klinisch eine Blutungszeit von etwa 8 — 10 Minuten zugeordnet. Zu betonen ist aber vor allen Dingen, daß ja in diesen Tierversuchen das gar nicht verwirklicht ist, was wir „Thrombopenie" im prägnanten Sinne nennen, daß es offenbar nicht gelungen ist, die Plättchen unter die „kritische Grenze" zu treiben oder gar aus dem Blute verschwinden zu lassen. Wirklich interessant und belangreich wäre das Experiment nur dann ausgefallen, wenn bei Platt chen- zahlen zwischen 1000 und 20 000 die Blutungszeit nicht — und zwar sehr stark und unstetig — weiter zugenommen hätte. Auch die spärlichen klinischen Beispiele, die Roskam bringt, können wenig beweisen. In einem Falle betrug bei 35 761 Thrombozyten die Blutungszeit 5 Minuten, was oberhalb der „kritischen Grenze" gar nicht selten beobachtet wird. In einem zweiten Falle waren die relativen Blutungsdauer- und Plätt- chenwerte folgende: Intervall manifeste Blutungen. Thrombozyten Blutungszeit 49 929 5 Min. 30 Sek 13 321 10 „ 11017 8 „ — „ 22 939 7 „ — „ 11 131 6 „ - „ 8 625 35 „ 30 „ Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 345 Es ist gewiß auffällig — und sicherlich selten — , daß bei Thrombozyten- mengen zwischen 10 000 und 20 000 die Blutungszeit zwischen 6 und 10 Minuten schwankt, aber es ist wohl nicht nötig, die Gründe, die hierfür maßgebend sein können, noch einmal breit zu erörtern : es ist genugsam auseinander gesetzt worden, warum zeitweilig im einzelnen Falle und am einzelnen Orte die Blu- tungszeit im Verhältnis zu der starken Plättchenreduktion relativ verkürzt sein mag. Die Annahme von Roskam,daß die Blutungstendenz bei der Thrombopenie nur auf der fehlenden Agglutinabilität der Plättchen und diese wiederum auf einer eigenartigen Störung der Endothelfunktion beruhe, entbehrt meines Ermessens der tatsächlichen Unterlagen. Eine andere Frage ist es, ob außer der durchaus dominierenden Spärlichkeit der Platt chen noch eine mangelhafte Agglutinabilität dieser wenigen mitspielt. In diesem Sinne ist es auffällig, daß die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen in den sämtlichen fünf von uns darauf untersuchten Fällen ganz abnorm langsam ist, daß also wahrscheinlich die roten Zellen wenig aggluti- nieren. Was für die Erythrozyten gilt, könnte auch für die Thrombozyten zutreffen. Neuerdings hat sich auch W. Schultz (b) auf den Standpunkt gestellt, daß diejenigen Theorien abzuweisen seien, welche im Plättchenmangel sowohl die Ursache der spontanen Blutungen als auch der verlängerten Blutungszeit erblicken. Soweit er in der Existenz der Hämophilie einen Beweis für die Ent- behrlichkeit der Thrombozytentheorie sieht, ist bereits das Erforderliche gesagt. Er stützt sich aber wohl vor allem auf von ihm veranlaßte Versuche von L. König und W. Schäffer über Beeinflussung der Blutungszeit beim Gesunden. Die Untersuchungen haben das (in seiner Paradoxie merkwürdigerweise von den Autoren gar nicht diskutierte) Resultat ergeben, daß durch Kälteeinwiikung die Blutungszeit bis auf 12 Minuten gedehnt, durch strahlende Wärme sogar auf Bruchteile einer Minute verkürzt werden konnte. Die Versuche sind meist so angestellt, daß entweder vor Feststellung der Blutungszeit der Finger zu- nächst durch Eintauchen in Wasser von abgemessener Temperatur vorbehandelt wurde oder daß man den Finger nach dem Einstich in verschieden temperiertes Wasser ausbluten ließ und wenn sichtbar zu erkennen war, daß kein Blut mehr abfloß, durch Abtupfen mit Fließpapier das Ende der Blutung ermittelte. Schultz schließt aus diesen Versuchen, daß kapillare Blutungen einer Art „Selbststeuerung" unterliegen, wobei unter Selbststeuerung das Zusammen- wirken aller vom Gefäßinhalt unabhängigen Kräfte verstanden sein soll, die in der Gefäßwand und auf die Gefäßwand wirken : Kontraktilität, Verklebungs- fähigkeit durchschnittener Gefäßenden, Wirkungen der Gewebsspannung, nervöse Einflüsse und anderes mehr, sowohl im Bereich des kapillaren sowie des diesem benachbarten Gefäßabschnittes. Ich muß gestehen, daß mir dieser Schluß nicht zwingend zu sein scheint. Wenn Kälte, welche doch die kleinen und kleinsten Gefäße kontra- hiert, blutungsverlängernd, Wärme, die doch die Gefäßwand erschlafft, blutungs verkürzend wirkt, liegt doch eigentlich die Frage nahe, ob nicht am Ende der Temperaturfaktor gerade am Gefäßinhalt sich geltend macht. Und man wird in dieser Gedankenrichtung noch bestärkt werden durch den von König und Schäffer erhobenen Befund, daß Hirudin- zusatz zur Lösung den Einfluß der Wärme fast vollständig paralysiert. Die Versuche von König und Schäffer sind einer anderen Ausdeutung fähig, als Schultz annimmt. Ich habe bereits, als ich die neueren Forschungen über die Bedingungen der Platt chenagglutination referierte, erwähnt, daß nach Koskam die Kälte (wie andere gerinnungshemmende Faktoren auch) die 346 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Bildung von Plättchenagglutinaten an Bakterien, Hefen und Fremdkörpern sehr stark beeinträchtigt: in der durch den Einstich gesetzten Gefäßwunde wird sich also in Leitungswasser von 5° der ,, Verschlußknopf" nur schwierig bilden können, fast so schwierig, als ob die Plättchen nur in minimalen Quanti- täten vorhanden wären. Diese „thermischen Versuche", mit deren Hilfe Sc hult z das Schwergewicht der Betrachtung vom Gefäßinhalt weg auf die Funktion der Gefäßwand verlegen zu können glaubt, sind meines Erachtens eher geeignet, die Bedeutung des Gefäßinhaltes noch mehr ins rechte Licht zu setzen. Die verlängerte Blutungszeit in der Kälte ist eigentlich nur ein spezieller Fall des allgemeinen Satzes, daß alle Faktoren, welche die Gerinnung stark verzögern, gleichzeitig auch die Plättchenagglutination erschweren und deshalb der Blut- stillung entgegenwirken . Ich glaube, am Schlüsse dieses Abschnittes noch einmal stark betonen zu müssen, daß durch Änderungen der Kapazität des Kapillargebietes allein weit- tragende Änderungen der Blutungsdauer nicht hervorzurufen sind, daß Mangel- haftigkeit der Plättchenagglutination immer die wesentliche Rolle spielt, sei es, daß keine Plättchen, die miteinander verklebt werden könnten, da sind, sei es, daß die im Übermaß anwesenden Platt chen infolge besonderer Umstände ihre Suspensionsstabilität bewahren. Es braucht anderseits kaum nochmals hervorgehoben zu werden, daß bei gegebener Thrombopenie das funktionelle Verhalten der Kapillaren für die Gestaltung des Symptoms große Bedeutung erlangen kann. b) Die Purpura. Nach Durchprüfung und Wägung aller experimentell -klinischen Einwände und logischen Argumente glauben wir also, den Satz vertreten zu dürfen: In- soweit der Morbus Werlhof als Pseudohämophilie in die Erscheinung tritt, wird ein anderes diathetisches Moment als die Thrombopenie, d. h. die Erniedrigung der Thrombozytenzahl unter die kritische Grenze nicht erfordert: Die Thrombopenie gestaltet im Verein mit dem Trauma und der jeweiligen allgemeinen und lokalen Einstellung und Beschaffenheit der Gefäße das Symptom. Wir wenden uns nun zu dem zweiten Teilstück des Krankheit sbildes und fragen: Genügt die Thrombopenie als alleiniger Faktor der Diathese, um die „Purpura" -Komponente, d. h. das spontane Aufschießen multipler Petechien und kleinerer Ekchymosen verständlich zu machen ? Oder muß in diesem Falle eine Gefäßschädigung als zum Wesen der Diathese gehörig unbedingt supponiert werden? Nicht damit verwechselt werden darf die Gefäßschädigung als akzi- denteller Faktor, also die bei zarter Beschaffenheit oder seniler Atrophie der Haut, bei Vasoneurose, Hypertonie, im Prämenstruum und im Klimakterium durch das Rumpel-Leedesche Phänomen nachweisbare Resistenz Verminde- rung der Hautgefäße. Kombiniert sich eine der eben skizzierten angeborenen oder erworbenen Konstitutionsanomalien oder temporäre Dispositionen mit der Thrombopenie (und das wird bei der Häufigkeit des ßu mpel-Leedeschen Phänomens nicht so gar selten der Fall sein), dann wird unter Umständen das l'urpuraexanthem im Krankheitsbilde besonders dominieren. I)aü die Spärlichkeit der Thrombozyten bei der Entstehung der Purpura- flecke eine entscheidende Bedeutung besitzt, wird durch die klinische Erfahrung hinreichend nahe gelegt. Es gelingt bekanntlich sehr oft, durch venöse Stauung ein imposantes Purpuraexanthem zu erzeugen, das an Großartigkeit in dem Maße einbüßt, in welchem die Plättchen nach ihrem Wiedererscheinen der kritischen Grenze zustreben; wird der Grenzwert von 25—35000 übersehritten, dann fälll ofl genug mit einem Schlage der Stauungsversuch negativ aus oder Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 347 man findet nur noch feinste Blutpünktchen, welche anzeigen, daß bei diesem Individuum — unabhängig von der Thrombopenie — das neben jenem gewaltigen Effekt der Stauung allerdings durchaus als Bagatelle anmutende Rumpel- Leedesche Phänomen auslösbar ist. Im klinischen Bilde dürfte nach dem Schema des Stauungsversuchs die für die Mehrzahl der Fälle gültige Beschrän- kung der Petechien auf Unterschenkel und Füße aufzufassen sein, Bevorzugung also derjenigen Körperteile, in welchen das abströmende Blut einen starken hydrostatischen Druck zu überwinden hat, zumal bei Insuffizienz der Venen- klappen und Varikosis. Was nun die Erklärung universeller Purpuraexantheme angeht, so dürfen wir wohl vermuten, daß der grob mechanischen Abflußbehinderung des Blutes gleichzusetzen sein wird eine erhebliche Verlangsamung der Strömung ledig- lich in den kleinsten Venen und den venösen Schenkeln der Kapillaren, wie sie etwa durch abnorme (nervös oder toxisch) bedingte Erschlaffung dieser Gefäße mit und ohne Spasmen hervorgerufen sein könnte. Man könnte meinen, daß die Schwankungen der Thrombozytenwerte nur den Indikator einer Gefäßwandschädigung abgeben. Sollte aber wirklich diese Gefäßwandschädigung gerade immer dann, wenn die Plättchenmenge einen ziemlich eng zu umgrenzenden niedrigen Wert erreicht, so hochgradig geworden sein, daß Blutkörperchen durch die Wand hindurchdringen und sollte die Gefäß- schädigung momentan rückgängig werden, wenn der Grenzwert wieder über- schritten wird ? Diese hypothetische Gefäßwandalteration hat überdies noch keiner von den Autoren, die sie — ich möchte sagen aus logischen Gründen — hier noch für unerläßlicher halten als bei der Genese der Wundblutungen, näher zu charakterisieren gewußt. Eines ist ganz sicher : die sehr typischen, funktionell oder anatomisch zu begreifenden Schädigungen des Endothelrohres, die uns bei anderen Formen der hämorrhagischen Diathese (Morbus Schönlein-Henoch, Endocarditis lenta) begegnen werden, sind hier sicherlich nicht im Spiele. Meines Erachtens sollte die Problemstellung zunächst folgende sein: Vermag die durch die Diathese gegebene Bedingung ,, Thrombopenie" im Verein mit dem akzidentellen Faktor ,, stark erhöhter Druck und außerordentlich ver- mehrte Füllung im venösen Quellgebiet" das Werden der Petechie verständlich zu machen? Wir erinnern uns aus der allgemeinen Pathologie des bekannten Experimentes von C o h n h e i m , in welchem durch Ligierung der abführenden Vene die Diapedese der roten Blutkörperchen durch die Kapillaren und kleinsten Venen der Froschzunge und -Schwimmhaut zu lebendigster mikroskopischer Anschauung gebracht wird. Und wir fragen uns: Bedeutet nicht Thrombopenie, daß eine Hämorrhagie, die in der Norm von mikroskopischem Ausmaß wäre, sich zur Sichtbarkeit fürs unbewaffnete Auge auswächst? Es wird zu untersuchen sein, ob unsere Kenntnisse von dem Verhalten der Thrombozyten bei hochgradiger Erschwerung der venösen Zirkulation gestatten, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Wir wissen, daß bei normaler Strömungsgeschwindigkeit die morphologischen Elemente in den größeren Kapillaren und postkapillaren Venulae nicht gleich- mäßig über den Gefäßquerschnitt sich verteilen, sondern den zentralen Anteil des Gefäßinhaltes bilden und durch eine langsamer fließende rein plasmatische Randzone von der Gefäßwand abgetrennt sind. Bei mäßiger Stromverlang- samung, wie sie etwa dem Prozeß der „Entzündung" eigentümlich ist und in dem tief dunkelroten Kolorit des Gewebes zum Ausdruck gelangt, kommt es bekanntlich zur Randstellung der Leukozyten; die weißen Blutkörperchen treten in großen Mengen, oft mehrere Schichten bildend, in die Randzone über. Verlangsamt sich der Blutstrom noch weiter, wie es wohl bei hochgradiger venöser Stauung oder bei maximaler Erschlaffung der Kapillaren und Venen- 348 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. wurzelgefäße der Fall ist, dann ändert sich die Szene von neuem: Die Zahl der Leukozyten in der Randzone nimmt wieder ab; es tritt aber eine andere Erscheinung auf, die bis zu den klassischen Beobachtungen von Eberth und Schimmelbusch am Mesenterium kleiner und großer Säuger übersehen worden war. „Man bemerkt zunächst, wie ab und zu ein Blutplättchen aus dem Achsen- strom herausfliegt und zwischen den Leukozyten in der plasmatischen Rand- zone erscheint. Bleibt die Stromenergie gering, so häufen sich die Plättchen sehr bald in der Randzone an und man erblickt nicht mehr einzelne, sondern ganze Gruppen derselben, in denen die einzelnen Elemente teils parallel zur Gefäßwand, teils schräg gestellt, teils flottierend forttreiben. Es kommt also zu einer völligen Randstellung der Blutplättchen." Verbindet sich mit der gehörigen Stromverlangsamung auch nur die gering- fügigste Schädigung des Endothelrohres, so erfüllen geradezu ungeheure Massen von Plättchen die Randpartien des Gefäßes und engen das Lumen zunehmend ein. Wir entnehmen der Arbeit von Eberth und Schimmelbusch zwei Abbildungen, welche die Austapezierung der Kapillare mit Plättchen aufs deutlichste erkennen lassen (Abb. 6). Die Autoren sind so vorgegangen , daß sie mittels eines mit gelöstem Ätzmittel befeuchteten Pinsels eine Stelle des Mesenteriums tuschierten und sie dann mit indifferenter Salzlösung sofort wieder abspülten. Bei der mikro- skopischen Betrachtung konnte man dann wahrnehmen, daß nach kurzer Stase der Blutstrom sich wieder herstellte und nun stundenlang sehr lang- sam das betroffene Kapillargebiet durchfloß. Diese Experimente sind natür- lich keine Paradigmen reiner, ganz unkomplizierter Stauung; es war sicher- lich eine, wenn auch milde, Wandschädigung vorhanden; denn die Plättchen blieben bereits fester an der Wand haften und begannen miteinander zu ver- kleben. Nur durch dieses Haftenbleiben erklärt sich ja die enorme Überfülle von Plättchen, die schließlich nur noch ein ganz schmales axiales Strombett freigeben. Es handelt sich also schon um Übergänge zur Thrombusbildung. Aber solche Bilder sind gewissermaßen das Extrem, dem sich die Verhältnisse bei stärkster Stromverlangsamung immer mehr annähern. Je träger die Strömung wird, um so mehr Plättchen werden ausgesondert; von der arteriellen Seite werden (besonders wenn man noch durch Heißluft hyperämisiert) immer neue plättchenreiche Blutmengen in das Kapillargebiet hineingepumpt, welche die völlige Stillegung des Stromes hintanhalten und so zur Anreicherung mit immer neuen Plättchenmassen führen. Die Konzentrierung der Plättchen wird noch weiter gefördert durch die Transsudation des Blutwassers im gestauten Bezirk. Wie sollen nun diese die Randzone erfüllenden Thrombozytenscharen der Diapedese der roten Blutkörperchen hindernd in den Weg treten? Soviel ich sehe, kann dies nur so geschehen, daß sich vor die weiche, halbflüssige Kitt- substanz zwischen den Endothelzellen, welche für die Erythrozyten durch- dringbar ist, ein Plättchenwall legt. Nun entsteht aber nach den bis jetzt ent- wickelten Vorstellungen ein mit der Wand verhaftetes Plättchenagglutinat erst dann, wenn hochgradige Minderung der Stromgeschwindigkeit mit einer Schädigung des Endothelbelages zusammentrifft. Das ist gewiß richtig; aber es wäre zu fragen, ob nicht dem irreversiblen Plättchenaggregat, das wir Throm- bus nennen, ein temporärer, reversibler Plättchenkontakt vorangehen kann, ei iic ganz Lockere Verklebung, die noch keine Strukturänderung der Plättchen im Gefolge hat, sozusagen mit der Erhaltung ihrer Vitalität noch vereinbar ist. Es winde sich also um eine Art ., Präthrombus" handeln, für dessen Genese durch weitgehende Abflußbehinderung des Kapillarblutes schon alle Bedingungen gegeben sein konnten. Wir dürfen uns die Folgen der Absperrung des venösen Blutstroms nicht zu groh mechanisch vorstellen; seitdem wir durch Krogh Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 349 über die weitgehende Selbständigkeit des Kapillarapparates unterrichtet sind, wissen wir auch, daß nicht einmal starke Erhöhung des arteriellen Druckes, geschweige denn der vermehrte Venendruck genügt, um das Kapillarsystem zu öffnen. Wahrscheinlich sind es erst die infolge der erschwerten Abfuhr sich sammelnden Stoff Wechselprodukte (H-Ionen, Histamin), welche in ziemlich unregelmäßiger Weise die Venenkapillaren erweitern und gleichzeitig die Durch - dringbar keit der Kapillarwand verändern. So geht nach Krogh und Harrop Vitahot und Stärke nicht durch die Wand zusammengezogener oder normal weiter Kapillaren, tritt aber ins Gewebe über, wenn diese durch nervöse oder chemische Reizung stark erweitert sind. Das Kapillar endo thel eines gestauten Bezirkes ist also in seiner physikalisch- chemischen Beschaffenheit ein anderes als in der Norm und es wäre wohl möglich, daß es in diesem Zustande sich nicht mehr der Opsonierung durch das Plasma erwehren kann, welche nach den früher ge- m a d c Abb. 6. a Langsamer Blutstrom, b Dicke Schicht von Plättchen, c Einzelne schon veränderte Plättchen, d Leukozyten. (Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. Bd. 103, Tafel III, Abb. 5 B u. C.) schilderten Prinzipien eine Plättchenadhärenz und -agglutination begünstigt. Wird nun in einer Kapillare der Seitendruck so stark, daß Erythrozyten durch die Kittsubstanz hindurchgepreßt werden könnten, dann werden natürlich an dieser Stelle zunächst die Plättchen der Randzone zusammengepreßt werden und gehen dabei vielleicht eine Bindung untereinander und mit der Wand ein, schaffen ein wenn auch locker gesponnenes Aggregat, das aber genügen könnte, um die Diapedese in engen Grenzen zu halten: es kommt lediglich zur mikro- skopischen Extra vasation, höchstens zu den Flohstichblutungen des Rumpel- Leedeschen Phänomens. Dadurch, daß die Thrombozyten fehlen, wird also nicht der Akt der Diapedese gegeben, sondern es wird lediglich die Menge der durchtretenden Erythrozyten erstaun- lich vermehrt. Werden die speziellen, zur Diapedese führenden Bedin- gungen (Stauungen in gröberen, Erschlaffung der feinsten Venen) nicht her- gestellt — und bei vielen chronischen Thrombopenien werden sie es niemals — dann wird natürlich trotz völlig plättchenfreien Blutes die spontane Purpura stets vermißt werden müssen. Um es abermals und abermals zu wiederholen: Die Diathese ist noch lange nicht das Symptom, und Thrombopenie erzeugt niemals, sondern intensiviert nur die Blutung, sei sie per rhexin oder diapedesin entstanden. Die große Selbständigkeit der Kapillaren, die ,, aktive" Rolle, 350 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. die sie sogar beim Stauungsversuch spielen, macht es auch verständlich, daß nicht allenthalben Blutaustritte erfolgen, sondern nur an solchen — offenbar ganz unregelmäßig angeordneten — Stellen, an welchen die Kapillaren autonom (nicht durch passive Dehnung) ihre Lichtung besonders stark erweitern. Man darf sich also auch nicht die Vorstellung bilden, daß im gestauten Gebiet sämt- liche Kapillaren mit Plättchen bedeckt sind: die Bildung des ..Präthrombus" beschränkt sich vielmehr auf ganz bestimmte Stellen. Dem Standpunkt, den wir hier vertreten, steht der andere gegenüber, daß — speziell für die Genese der Purpura — eine Gefäßwandschädigung als inte- grierender Bestandteil der Diathese angenommen werden müsse und daß die Plättchenverminderung ein wohl konstanter, aber pathogenetisch minder bedeutsamer Faktor sei. Klinger z. B. stellt sich die Sache folgendermaßen vor: Die normale Kapillarwandung besteht aus Endothelien, deren Zwischen- räume nicht durch eigentliche Membranen verschlossen, sondern freie, aber sehr feine Lymphspalten sind, welche durch die anliegenden Endothelien so eng gehalten werden, daß die geformten Elemente nicht oder jedenfalls nicht passiv durchtreten können. Bei starker Stauung, entzündlicher und anderer Gefäßlähmung werden die Zwischenzellspalten so erweitert, daß sie jetzt Kolloide mit gröberen Teilchen durchtreten lassen. Solange die Endothelien aber nicht wirklich geschädigt sind, werden die Spalten auch unter diesen Verhältnissen fein genug sein, um Blutzellen den passiven Durchtritt zu verlegen. Gesellt sich aber zu der mechanischen Erweiterung noch eine chemische Schädigung hinzu (eine teilweise Auflockerung oder Lösung der Eiweiß- oder Lipoidstoffe der Zellränder), so werden nunmehr die Spalten so groß sein, daß die kleinen und schmiegsamen Erythrozyten durchtreten können. Daß die Thrombozyten der Schwere der Purpura entsprechend vermindert sind, erklärt sich dadurch, daß diese ebenfalls sehr labilen Bestandteile des Blutes proteolytischen Ein- flüssen gegenüber ähnlich empfindlich sind wie das Endothelzellenplasma und daher durch Toxine leicht aufgelöst werden können. Wir wollen einmal ganz davon absehen, daß die spezielle Form, die Klinger seiner Hypothese gegeben hat, nicht glücklich ist. Er nimmt die längst ver- lassene Lehre von den ,,Stomata" wieder auf, gegen die schon Cohnheim das treffende Argument vorgebracht hat, es sei angesichts der Eiweißarmut des Stauungstranssudates nicht leicht, einzusehen, warum durch die erweiterten Lücken zwar rote Blutkörperchen, nicht aber die gelösten Eiweißkörper des Plasmas hindurch gelangten. Wir könnten aber an Stelle der von Klinger gewählten die schon von Arnold, ursprünglich einem Verfechter der Stomata, bevorzugte Formulierung setzen, die Kittsubstanz zwischen den Endothelien verflüssige sich durch die Gift Wirkung so weit, daß Formelemente durch sie hindurchgepreßt werden können und im Sinne Klingers hinzufügen, daß dieser Erweichungsprozeß auf das Endothelzellenplasma selbst übergreife. Derartige Schädigungen der Substanz des Kapillarrohres kommen vor; nur Bind sie unseres Ermessens nicht die Grundlage des Morbus Werlhof, sondern des davon streng zu scheidenden Morbus Schönlein-Henoch, den wir geradezu als hämorrhagische Kapillartoxikose bezeichnen. Sie verraten sich nicht nur durch die Hämorrhagie, sondern auch durch Erythem und Quaddelbildung; Hie H ä niorrhagie ist, wie ich in der Einleitung sagte, gewissermaßen dann nur die blutige Spur, die der flüchtige Krankheitsherd hinterlassen hat. Sie ist in ihrer Größe durch die Ausdehnung des Herdes von vornherein determiniert; die Petechie des Morbus Werlhof hingegen ist zu gleicher Größe erst heran- • weist auf einen mikroskopisch kleinen Ursprungsort; sie macht eine I Kap dese sinnfällig, die sich normalerweise in einem Erythrozytenhäufchen, höchstens in einer Flohstichblutung erschöpft hätte. Soviel ich sehe, ist die Thrombopenie : Entstehung der Hämorrhagien. 351 Gefäßwandschädigung als integrierender Bestandteil der Diathese weder durch positive Befunde gestützt, noch auch ein logisches Postulat; als Gestalterin des Symptoms und seiner Mächtigkeit kann sie natürlich im einzelnen Falle eine große Rolle spielen x), aber für die Symptomentstehung ist eine Gefäß- wandschädigung entbehrlich; unentbehrlich ist nur eine die äußerste Grenze der funktionellen Möglichkeiten ausschöpfende Erweiterung der Venen- kapillaren und der kapillaren Venen. Wir wollen nicht leugnen, daß bei stürmisch sich entwickelndem Morbus Werlhof die krankhaften Vorgänge, die in der Thrombopenie zum Ausdruck gelangen, auch jene „Kapillarkonstellation" mit hervorrufen können, ohne die das „Symptom" nicht möglich ist. Aber auch hier ist die „Gefäß Verände- rung" nicht integrierender Bestandteil der Diathese, sondern ein zwar von der Krankheit mitgegebener, aber doch gewissermaßen ein „akzidenteller" Faktor, der nicht in allen Fällen vorhanden zu sein braucht und durch ein von der Krankheit ganz unabhängiges biologisches Geschehen, z. B. die Vor- gänge im Prämenstruum, vollwertig ersetzt werden kann. Die Thrombopenie muß von der Krankheitsnoxe auf alle Fälle erzeugt werden, für die Kapillar - konstellation können auch andere Umstände sorgen 2) . x) Die Vorstellungen, die Hayem (a) (und auch Denys) von der Entstehung des Purpura- exanthems sich gebildet hat, wollen war nur anhangsweise erwähnen, da sie wohl sicher irrig ist. Hayem glaubte, daß das Schwinden der Plättchen im peripheren Blut auf einer Agglutination dieser Elemente beruhe, die zur Embolisierung einer Anzahl von Kapillar- gebieten und zu konsekutiver hämorrhagischer Infarcierung führe. Wir werden auf diese Lehre, die Entstehung der Blutung und Genese der Thrombopenie verknüpft, noch kurz zurückkommen. Hayem hätte wahrscheinlich seine Ansicht erheblich modifiziert, wenn ihm das „Stauungsphänomen" bekannt gewesen wäre. 2) Nagy (Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 100) hat kürzlich versucht, dem Wesen der Krank- heit durch eine „Umkehrung der Frank sehen Auffassung", wie er sich ausdrückt, gerecht zu werden. Er sieht die primäre Schädigung beim chronischen Morbus Werlhof in einer im allgemeinen durch Überfunktion der Ovarien hervorgerufenen Zerreißlichkeit der Kapil- laren und glaubt, daß das Sinken der Thrombozyten im peripheren Blut überhaupt erst etwas Sekundäres sei, einfach dadurch hervorgerufen, daß diese Formelemente durch das Übertreten in die zahlreichen Petechien und Ekchymosen aus dem Blute verschwinden müßten. Er glaubt, nachgewiesen zu haben, daß im gestauten Armvenenblute bei posi- tivem Rumpel - Leedeschen Phänomen die Zahl der Thrombozyten in der Zeitspanne sich als stark vermindert erweise, in welcher die Petechien sich entwickelten. Ähnlich stellt er sich auch den Thrombozytensturz bei der Werlhof sehen Krankheit vor. Gegen- über dieser Auffassung ist von vornherein geltend zu machen, daß vielfach exzessive Throm- bopenien bestehen können, ohne daß überhaupt gleichzeitig Petechien oder Hautblutungen vorhanden sind, sei es, daß sich die Krankheit nur durch eine schwere Schleimhautblutung verrät, sei es, daß sie überhaupt klinisch latent ist. Auch haben wir bei unserer Darstellung oft genug hervorgehoben, und wir müssen im Gegensatz zu Nagy durchaus dabei bleiben, daß die hämorrhagische Diathese niemals zu einer Zeit einsetzt, zu welcher die Plättchen- zahlen noch über dem kritischen Werte liegen. Des ferneren aber hat Hart mann bei Nachprüfung der Angaben Nagys über das temporäre Schwinden der Plättchen im gestauten Armvenenblut bei positivem Rumpel - Leedeschen Phänomen seine Angaben nicht bestätigen können; im Gegenteil, zu der Zeit, in der die Blutfleckchen entstanden, eher einen Anstieg der Plättchen wahrgenommen. Auch die ovarielle Genese der chronischen Thrombopenie ist vorläufig durchaus hypothetisch. Nagy behauptet, daß die Krankheit sofort sistiere, wenn das Ovarium schlummere. Während der Schwangerschaft z. B. komme die hämorrhagische Diathese zum Stillstand, ihre Symptome zeigten sich nie und die Throm- bozytenzahlen bewegten sich zwischen normalen Grenzen. Dem kann ich nach meiner Erfahrung nicht ohne weiteres beipflichten. Wir haben erst kürzlich eine Kranke mit chronischer Thrombopenie beobachten können, die im VII. Monat der Gravidität von außerordentlich heftigem, mehrfach sich wiederholendem Nasenbluten (bei gleichzeitig sich ausbildenden Hautsuggillationen) befallen wurde und während der Beobachtung in der Klinik eine Thrombozytenzahl von etwa 25 000 aufwies. Ich verweise ferner auf Fall 17 der Kasuistik, bei dem wir erörtern mußten, ob nicht die Neigung zum habituellen Abort mit der hämorrhagischen Diathese in engen Zusammenhang zu bringen sei. Die Auffassung Nagys, daß die Thrombopenie die Folge, nicht die Ursache der Blutungen sei, scheint mir vorläufig nicht in zureichender Weise begründet. 352 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. 2. Die Genese der Thrombopenie. Wenn ein Formelement des Blutes, dessen Menge unter physiologischen Bedingungen in engen Grenzen schwankt, in erheblich verringerter Zahl in peripheren Kapillaren und Venen angetroffen wird, so liegt entweder eine ab- norme Verteilung dieses Elementes in der Blutbahn oder eine Störung der Korrelation von Bildung und Zerstörung vor. Wir kennen Thrombopenien, die lediglich auf geänderter Verteilung be- ruhen : Bei der Pepton- und bei der Histaminvergif tung, sowie in dem mit diesen Vergiftungsbildnern symptomatologisch und dem Wesen nach verwandten ,,anaphylaktischen Schock" schwinden die Plättchen temporär aus dem peri- pheren Blute und werden, wie noch Gorke und Seeliger kürzlich bei der Peptonvergiftung eingehend studiert haben, in den mächtig erweiterten Kapillar- gebieten der Lunge, Leber, Milz und anderer Viszeralorgane wiedergefunden. Aber diese ,,Verschiebungsthrombopenien" sind kurzfristig und gehen mit Zurückhaltung auch der Leukozyten in den genannten Organen einher, so daß zur Thrombopenie durchgängig die Leukopenie sich gesellt. Schon aus diesen Gründen kommen sie für eine Erklärung des lang dauernden und von einer charakteristischen Änderung des weißen Blutbildes nicht begleiteten Thrombo- zytenschwundes bei der essentiellen Thrombopenie kaum in Betracht. Eine andere Art abnormer Verteilung wäre dann gegeben, wenn die Plättchen durch Giftwirkung bereits im strömenden Blute agglutiniert werden. Haye m (a) hat nach Injektion primär toxischer Sera (z. B. von Rinderserum bei Hunden) diese Bildung von unzähligen kleinsten Plättchenagglutinaten erzielt und den daraus resultierenden Zustand des Blutes als „etat grumeleux" bezeichnet. Er nahm an, daß ein dieser experimentellen Serumintoxikation nahestehender Vorgang auch bei der „Purpura haemorrhagica" im Spiele sei. Er stellte sich vor, daß es auch bei dieser Krankheit, wenn auch natürlich lange nicht in so massiver Weise wie im Experiment, zu Zusammenballungen von Plättchen käme und daß diese Häufchen dann als Emboli in den verschiedensten Kapillar- gebieten stecken blieben. Auf diese Weise wollte er ja, wie bereits erwähnt wurde, die Entstehung der Petechien erklären, die für ihn (auch für Denys) sozusagen multiple hämorrhagische Mikroinfarkte waren. Irgend einen Beweis für seine Lehre hat Hayem nicht erbracht, und wir dürfen die aus der Analogi- sierung der Krankheit mit eingreifenden Tierexperimenten geschöpfte Vor- stellung als der tatsächlichen Unterlage entbehrend, heute ablehnen. Eür die Entstehung des Plättchenmangels beim Morbus Werlhof kommt wohl lediglich eine Störung im dynamischen Gleichgewicht zwischen Plättchen- bildung und Plättchenverbrauch in Betracht. Man muß also Abstammung und Schicksal der Plättchen kennen, um über den speziellen pathologischen Vorgang einigermaßen begründete Vermutungen hegen zu können. Über wenig Gegenstände der Biologie ist mehr gefabelt worden als über Herkunft und Entstehung des „dritten Formelementes" 1) : des Rätsels Lösung ') Wer sich über die zahlreichen, heute obsoleten Hypothesen, die über die Entstehung der Plättchen aufgestellt worden sind, informieren will, sei auf die ausführliche historische Darstellung bei Beneke (Handb. der allgem. Pathologie von Krehl-Marchand, Bd. 11,2) lind bei Hanger (VirchowsArch. f. pathol. Anat.u. Physiol. Bd. 213) hingewiesen. Ein letzter Ausläufer dieser älteren Hypothesenbildung ist die Anschauung V. Schillings. Der Lehre W rights gegenüber verteidigt dieser die eigenartige Behauptung, daß die Thrombozyten Erytnrozytenkerne seien. Er glaubt, daß die Plättchen im strömenden Blut nicht präexi- stieren, (Onderrj erst im Moment der Ktromverlangsamung oder der Extravasat ion aus den Erythrozyten herausfallen. Durch eine besondere Art der Fixierung glaubl er die „plättchen- kernigen" Roten auch im extravasierten Blut darstellen zu können. Brieger, der auf meine Veranlassung die Befunde Schillings nachprüfte, hat die gleichen, sehr schönen Thrombopenie : Genese. 353 fand 1906 J. H. Wright (a), der die Plättchen im Knochenmark noch im Zusammenhange mit ihren Mutterzellen, den Megakaryozyten, darstellen konnte. Diese Riesen des Gewebes sind die Väter der Zwerge des Blutes. Die Megakaryozyten sind einerseits ausgezeichnet durch den großen, vielfach gelappten, kranzförmigen Kern, anderseits durch die zuerst von Schridde und Wright (a) beschriebenen azurophilen, d. h. mit dem Azur- farbstoff der R o ma n o ws ky - Gie ms a- Lösung rötlich- violett sich färbenden Granula, welche das Protoplasma dicht gedrängt erfüllen und nur eine relativ schmale hyaline — schwach bläulich gefärbte — Randzone freilassen. Wright (a) hat nun beobachtet, wie der Megakaryozyt pseudopodienartige Fortsätze aussendet und durch Wandlücken in das Lumen von Knochenmarkskapillaren vorstreckt. Diese Pseudopodien, in welche sich die rötlich-violetten Körnchen- massen des Zelleibes fortsetzen, werden abgeschnürt und zerfallen nun weiter in einzelne Körnchengruppen, die jeweils noch von einem schmalen Saume von Plasma umgeben sind: das Blutplättchen ist fertig. Vielfach haben auch die Plättchen des strömenden Blutes noch die längliche Form des Zellfortsatzes beibehalten. Ogata (unter Schridde) hat die Schilderung von Wright durchaus be- stätigt und insbesondere beschrieben, wie die azurophilen Granula sich in der Peripherie der Zelle zu Gruppen ordnen, welche durch eine homogene — matt- blau gefärbte — Substanz getrennt sind. Die Gruppierung der Granula geht der Entsendung der Pseudopodien voraus: diese bestehen dann aus kleinen, unregelmäßigen Häufchen oft stark zusammengeballter Granula, welche noch durch feinste Brücken von Plasma zusammenhängen und das Bild einer Perlen- kette bieten. Seeliger hat im hämatohistologischen Laboratorium unserer Klinik zeigen können, daß bei der Peptonvergiftung des Kaninchens die Ordnung der azuro- philen Körnchen zu Gruppen und die daraus resultierende Felderung des Proto- plasmas ganz besonders deutlich wird, so daß man die künftigen Plättchen im Inneren des Protoplasmas sozusagen werden sieht und sie noch als Bestand- teile des Zelleibes vor sich hat. Seine Präparate zeigen ferner den ausgeprägt amöboiden Habitus des Megakaryozyten: die Zelle streckt bizarr gestaltete Fortsätze aus, in denen die Azurkörnchen noch diffus verteilt sein können oder aber der Felderungsprozeß sich gerade vollzieht. Aus dem Zelleib ragen Plättchenbilder erhalten wie der Autor, aber die Deutung, daß die an den Erythrozyten haftenden Plättchen als Kerne in ihnen enthalten seien, als subjektiv bezeichnen müssen und ein ,, Drauf geschobensein" für wahrscheinlicher erklärt als ein „Darinenthaltensein". Ich glaube nicht, daß die Lehre von der Kernnatur der Plättchen haltbar ist, wenngleich Schilling so hartnäckig an ihr festhält wie früher Hayem an seiner Idee, daß sie „Hämato- blasten", die physiologischen Bildner der roten Blutkörperchen seien. Über den Parallelis- mus zwischen Steigerung resp. Hemmung der Erythropoese und Plättchenzahl, den Schil- ling statuiert, läßt sich meines Erachtens ebenfalls sehr heftig streiten. Kaznelson (d) z. B. hat die Schillingsche Theorie vollständig abgelehnt auf Grund eines Falles von Anaemia gravissima mit normalen Blutplättchenwerten, bei welchem sich autoptisch ein vollkommener Schwund des erythropoetischen Gewebes (nirgends ein Normoblast) fand, während der Gehalt des Markes an Myelozyten und Megakaryozyten noch reichlich war. Aber selbst wenn dieser Parallelismus zu Recht bestünde, könnte er ja doch wohl kein entscheidendes Argument zugunsten der Schillingschen erythrogenen Theorie dar- stellen. Daß er mit seiner Lehre für die Deutung der „essentiellen Thrombopenie" nichts leisten kann, gibt Schilling selbst zu; hier erkennt er ein Nebeneinander von „normaler Erythropoese" und Plättchenverminderung an; er macht sich wohl die Erklärung dieser Ausnahme von seiner Regel sehr leicht, wenn er einfach eine peripherische Thrombozyto- lyse ohne jede Störung der Plättchenbildung als Grundlage des Morbus Werlhof behauptet. Gegen die Lehre Schillings haben Rosenthal und Falkenheim auf Grund serologischer Untersuchungen Stellung genommen, nach denen der Rezeptorenapparat der Säugetier- plättchen und der Vogelthrombozyten sich von dem der Erythrozyten durchaus unter- scheidet (Erythrozytenimmunsera agglutinieren Plättchen und Spindelzellen nicht!). Blutkrankheiten. II. 23 354 E.Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. aber auch an vielen Stellen kleine Buckel und Spitzen hervor, die sich unmittel- bar als Plättchen abschnüren; anderseits wird wieder der Zerfall der Pseudo- podien in Plättchen resp. die Abspaltung aus Pseudopodien sehr deutlich. Abb. 7. 1, 2 und 3. Ich bringe die von See liger nach seinen Präparaten naturgetreu gezeich- neten Bilder, die er in den Folia haematologica veröffentlicht hat, hier noch einmal zur Wiedergabe, weil ich glaube, daß sie die Wrightsche Lehre der Plättchengenese in ganz hervorragendem Maße zu stützen geeignet sind. [ch Belbsl rechne, seitdem ich diese Bilder kenne, mit der Entstehung der Platt- chen aus den Megakaryozyten als mit einer gesicherten Tatsache. Thrombopenie : Genese. 355 Mitunter findet man noch im strömenden Blut Pseudopodien, d. h. Plasma- streifen, in denen die Körnchen zum Teil noch diffus verteilt sind, zum Teil sich aber aufs deutlichste zu Häufchen und Gruppen zusammengeordnet haben : v *» i^ f.'**> * ^ Abb. 7. 4 und 5. Abb. 7. 1, 3 und 4: Beispiele zur Bildung und Abschnürung der Plättchen aus Megakaryo- zyten. 3 zeigt die fast vollendete Gruppierung der Schriddeschen Granula zu den sog. Perlenketten Ogatas (vgl. Abb. 4, Fig. 6 und 12). 2 und 5: Megakaryozyten, die nur als Makrophagen, nicht als Plättchenbildner tätig sind. 4: Gleichzeitige Ausübung beider Funktionen durch einen Megakaryozyten. Man sieht einerseits starke Plättchenproduktion, anderseits vier Erythrozyten und die Trümmer eines Leukozyten im Plasma der Riesenzelle. die Plättchen sind eigentlich schon konstituiert, aber ihre Segmentierung ist unterblieben, so daß sie noch von einer einheitlichen Plasmamasse umhüllt sind (Ogatas „Perlenketten"). Bei einem Falle von Thrombopenie habe ich etwa drei Wochen nach der Milzexstirpation fast nur größere 23* 356 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Plasmasegmente mit Granulagruppierung (kaum einzelne Plättchen) gesehen, die ich nach einer Zeichnung von Dr. Seeliger hier wiedergebe (Abb. 8). Dem Eindruck, daß es sich hier um nachträgliche Agglutination, nicht um ein natives Bild handele, läßt sich schon dadurch begegnen, daß die üblichen Plättchenverklebungen ein ganz anderes Aussehen bieten; er wird dadurch hinfällig, daß man auch im Magnesiumsulfatpräparat und im Zitratplasma- tropfen, in welchen die Plättchen isoliert bleiben, fast nur diese einheitlichen Gebilde, die in sich die großen Plättchen bargen, fand. Kaznelson (c) bildet aus dem Blutausstrich eines Patienten mit hämo- lytischer Anämie sogar einen gut erhaltenen Megakaryozyten mit typischem Kern ab, dessen Protoplasma die Granulafelderung, d. h. die Umbildung im Plättchen zeigt. Abb. 8. Nach May-Giemsa gefärbter Blutausstrich von chronischer Thrombopenie, 3 Wochen nach der Milzexstirpation. Aus sechs verschiedenen Gesichtsfeldern zusammen- gestelltes Bild. Pseudopodienartig gestaltete Megakaryozytenfetzen im strömenden Blut, in welchen die Azurgranula meist bereits zu Plättchen formiert sind, zum geringen Teil noch diffus im Plasma verstreut liegen. Über Ausmerzung und Abbau der Platt chen können wir uns ganz sichere Vorstellungen noch nicht machen. Wahrscheinlich sind sie ziemlich kurzlebige Gebilde, die -- ebenso wie schadhaft gewordene Erythrozyten — in der .Milz aus der Zirkulation gezogen und zerstört werden. Bernhardt hat das Schicksal der Plättchen bei akuten Infektionskrankheiten, besonders beim Scharlach, verfolgt. Er fand, daß die Plättchen vorzugsweise in der Milz, aber auch in Leber und M< 'senterialdrüsen der Phagozytose anheimfallen. Seeliger und Gorke haben heim Studium der Peptonvergiftung der Plättchenphago- zytose ihre volle Aufmerksamkeit gewidmet und die Angaben Bernhardts m den wesentlichen Zügen bestätigt. Es sind in der Milz hauptsächlich die ganz allgemein als Makrophagen tätigen Pulpazellen (in der Leber die Endothel- zellen der intraazinösen Kapillarsinus, die als Kupffersche Sternzellen be- kannt sind), welche die Plättchen in sich aufnehmen und zunächst die homogene Grundsubstanz, späterhin auch die eine Zeitlang noch sichtbaren Körnchen Thrombopenie : Genese. 357 auflösen. Seeliger und Gorke betonen aber ausdrücklich, daß sie Makro- phagen und Kupffersche Zellen, die lediglich Plättchen aufgenommen haben, nie zu Gesicht bekommen hätten; immer fanden sich auch Erythro- und Leuko- zyten resp. Trümmer dieser Elemente, Granula, Kernreste, phagozytiert. Ob diese Thrombophagozytose die Hauptleistung beim Untergang der Plättchen vollbringt, muß aber noch dahingestellt bleiben. Wir finden oft genug die schönsten Bilder von Erythrophagie, glauben aber doch nicht, daß der physio- logische Erythrozytenabbau der Hauptsache nach in den Makrophagen statt- findet, wir sind vielmehr, insbesondere nach den Milzbefunden bei den hämo- lytischen Anämien, davon überzeugt, daß die physiologische Erythrolyse sich vorwiegend extrazellular, rein humoral abspielt: das nämliche könnte und wird wohl auch in bezug auf die Thrombotyse gelten. Die Thrombozyten sind also wie die Erythrozyten und granulierten Leukozyten Blutelemente, deren Wiege im Knochenmark steht, deren Grabstätte die Milz ist. Verringert sich die Menge eines Knochenmarkselementes im Blute auf- fällig und für längere Zeit, so pflegt sich die Diskussion über die Ursache dieser Erscheinung immer in den nämlichen Bahnen zu bewegen; auf der einen Seite stehen die Verfechter der gestörten Bildung, welche eine Myelotoxikose an- nehmen, auf der anderen Seite die Vertreter der gesteigerten Lyse, welche eine primäre Splenopathie für das Wahrscheinlichste halten. Die fortschreitende Erkenntnis führt dann meist zu der Einsicht, daß die Problemstellung in Form einer schroffen Alternative schief ist, daß eine Vereinigung der beiden Stand- punkte dem komplexen Naturgeschehen viel angemessener sein dürfte. In der Frage des Plättchenmangels bei der essentiellen Thrombopenie hat Kaznelson (a) mit besonderem Nachdruck die Ansicht vertreten, daß es sich um eine primäre Splenopathie im Sinne einer primär gesteigerten Thrombo- zytolyse bei durchaus intakter Knochenmarks- resp. Megakaryozytenbeschaffen- heit und -funktion handele, und er hielt seinen Standpunkt für so wahrschein- lich, daß er ihm sogar in der Namengebung (,,thrombolytische Purpura") Rech- nung tragen wollte. Seine Argumente sind folgende: 1. Er fand in 4 Fällen essentieller Thrombopenie dreimal einen palpablen Milztumor und zitiert aus der Literatur Fälle, welche ebenfalls eine vergrößerte Milz aufwiesen. 2. Bei zwei Fällen schwerer symptomatischer Thrombopenie (Strepto- kokkensepsis und generalisierte Lymphdrüsentuberkulose) stellte er Anwesenheit von Megakaryozyten in großer Zahl im Mark des Sternums und der Femur- epiphyse fest. Er schließt auf denselben Befund bei der essentiellen Thrombo- penie aus dem Nachweis von Megakaryozyten in den exstirpierten Milzen, die nach seiner Meinung nicht autochthon entstanden sind, sondern als Riesenzell- embolien aus einem übermäßig regenerierenden Mark aufgefaßt werden müssen. 3. In den Ausstrichen der exstirpierten Milzen war die Plättchenzahl größer als dem Blutgehalt der Milz entsprach; insbesondere fand er im Ausstrich des ersten Falles reichlich Thrombozyten bei minimaler Zahl im Blut. (Im Schnitt des zweiten Falles war allerdings die Zahl der Plättchen spärlicher als in einer normalenMilz,in der sie an sich schon recht spärlich sind.) Er nimmt deshalb eine relative Anschoppung der Milz mit Plättchen an. Bei hämorrhagischem Typhus, bei dem die Blutung auf Plättchenmangel beruht, fand er ebenso wie andere reichliche Plättchenphagozytose in der Milz, ferner auch bei den genannten zwei Fällen symptomatischer Thrombopenie (in den Milzausstrichen und -schnitten der Fälle von essentieller Thrombopenie vermißte er allerdings plättchenführende Makrophagen vollständig). 358 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen 4. Der rasche Anstieg der Thrombozyten nach der Milzexstirpation (im ersten Fall von 300 im KubikmiUimeter auf 600 000 in zwei Tagen) lasse sich nur durch den Wegfall der im Übermaß thrombolytisch wirksamen Milz erklären. Die Verhältnisse seien ganz ähnlich wie beim hämolytischen Ikterus, nur daß das eine Mal die erythrolytische. das andere Mal die thrombolytische Funktion der Milz ins Übermaß sich auswirke. Im Sinne der Argumentation in Punkt 2 sei noch hinzugefügt, daß unter- dessen einige Male das Knochenmark von Kranken mit essentieller Thrombo- penie untersucht werden konnte. Förster und Sternberg, neuerdings auch Kaznelson selbst, stellten in ihren Fällen die Anwesenheit der Mega- karyozyten im normalen Ausmaße fest; in einem eigenen, gemeinsam mit Seeliger untersuchten Fall, in welchem nach starken Blutverlusten das Gewebe des Femurmarks ganz außerordentlich zellreich war und die Zeichen höchster Aktivität aufwies, war sogar die Zahl der Knochenmarksriesenzellen stark vermehrt1). Meines Erachtens wird durch keinen dieser Beweisgründe die Annahme einer primär gesteigerten Thrombolyse, d. h. einer pathologischen Überfunktion der Milz wirklich zwingend nahegelegt. Einerseits stellen sich die tatsächlichen Unterlagen der Schlüsse doch wesentlich anders dar. wenn man ein größeres Material überblickt, anderseits sind diejenigen Befunde, an deren Tatsäch- lichkeit nicht gezweifelt werden kann, auch einer anderen Deutung fähig. Was zunächst den tastbaren Milztumor betrifft, so habe ich schon -bei der Schilderung des klinischen Bildes hervorgehoben, daß ich ihn bei der über- wiegenden Mehrzahl eines nun doch schon auf etwa 60 Fälle angewachsenen Materials — sowohl bei akutem wie bei chronischem Morbus Werlhof — vermißt habe. Es soll nicht geleugnet werden, daß gelegentlich der untere Milzpol eben dem Finger erreichbar wird und daß bei der Operation sich eine vorher nicht zu tastende Milz als leicht vergrößert erweisen kann; aber die Betrachtung und Ausmessung des freigelegten und aus dem Körper entfernten Organs hat in vier unserer sechs zur Operation gebrachten Fälle zur Evidenz erwiesen, daß die Dimensionen der Milz des thrombopenischen Individuums sich durchaus in den Grenzen der Norm halten. Und gerade in dem Falle, in welchem die Milz wirklich vergrößert war, blieb der Plättchenanstieg ganz aus. Der Nachweis eines den Rippenbogen um mehrere Querfinger überragenden Milztumors muß meines Erachtens sogar gegen die Diagnose einer einfachen Thrombopenie stutzig machen: Milztumoren mit hämorrhagischer Diathese ex thrombopenia sind mir wohl öfter begegnet, aber dann handelte es sich meist um eine Kombination mit Leukopenie (die manchmal allerdings gegen die Thrombopenie zurücktritt), häufig zugleich um ein hepatisches Syndrom (pseudobantische Zirrhose); ich werde auf solche Fälle noch zurückkommen. Nun verliert zwar ohne Milztumor die Annahme einer primären thrombo- lytischen Hypersplenie an Wahrscheinlichkeit (die hämolytische Hypersplenie isi stets an eine Splenomegalie gebunden!), aber sie könnte durch die übrigen Argumente ja doch noch plausibel gemacht werden: Die Tatsache, daß die Zahl der- Megakaryozyten normal oder sogar vermehrt ist, beweist allerdings nicht allzu viel; sie ist von vornherein zu erwarten, denn wie soll eine spontane oder durch Milzexstirpation herbeigeführte Plättchenkrise über- haupt möglieb sein, wenn nicht Mutterzellen vorhanden sind, die potentiell zur Plättchenbildung fähig sind. Aber es könnte eben sein, daß sie aktuell zur Zeit des Bestehens (\w Thrombopenie — die thrombozytoplastische l) J 1 1 dem durch Sternaltrepan&tion gewonnene!] Markausstrich eines zweiten Falles u.iriii sie ebenfalls zahlreich vorhanden. Thrombopenie : Genese. 359 Tendenz nicht besitzen: nicht auf ihre Zahl, sondern auf ihre Leistung, die sich auch morphologisch in einer Alteration der feinsten Struktur könnte erkennen lassen, kommt es an. Was nun die unmittelbaren Beweisstücke für gesteigerte Thrombozytolyse in Gestalt von Thrombophagozytose und relativer Anschoppung der Milz mit Plättchen betrifft, so scheint es mir damit folgende Bewandtnis zu haben. Thrombophagozytose ist bei der essentiellen Thrombopenie bis jetzt noch von keinem Untersucher — auch von Kaznelson nicht — in der Milz festgestellt worden; wir haben sie bei eifriger Durchforschung der fünf uns zur Verfügung Abb. 9. Gewebsschnitt aus einer wegen chronischer Thrombopenie exstirpierten Milz. Sublimat- Alkoholfixierung, gefärbt mit Giemsas Spezialfärbung für Gewebsschnitte. Gezeichnet bei 800facher Vergrößerung. Der in der Mitte des Bildes deutlich hervor- tretende Venensinus ist fast ausschließlich mit Plättchen gefüllt; außerdem reichlich Plätt- chen teilweise in den Sinus, teilweise in der Pulpa. stehenden Milzen stets vermißt; sie scheidet also als Ursache des Plättchen- schwundes von vornherein aus 1). Den Plättchengehalt der exstirpierten Milzen haben wir an Ausstrichen und Schnittpräparaten einem gründlichen Studium unterzogen: in drei Fällen waren im Ausstrich und im Schnitt die Plättchen ganz außerordent- lich spärlich, in den drei übrigen Fällen hingegen waren sie im Ausstrich recht reichlich zu finden (auch in Agglutinaten und Verbänden) J) Im übrigen glaube ich überhaupt nicht recht, daß die Plättchenphagozytose für irgend eine Form der Thrombopenie verantwortlich gemacht werden kann. Bernhardt findet bei Typhus und Scharlach gleichermaßen die mit Plättchen beladenen Makrophagen in der Milz; aber nur der Typhus geht mit Thrombopenie einher, während beim Scharlach normale Plättchen zahlen [kaznelson, Stahl (b)] beobachtet werden. Niemals findet man wohl großartigere Erythrophagie als beim Typhus, aber der Typhus ist eigentlich kaum durch eine beachtenswerte Anämie ausgezeichnet. Thrombo- und Erythrophagie sind beim Typhus lediglich die Folge davon, daß die Milzpulpa sich makrophagisch umwandelt. 360 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. in auffälligem Gegensatz zum Blutpräparat, in dem sie mit Mühe gesucht werden mußten und stets vereinzelt lagen. Das Studium der Schnitte des ersten dieser drei Fälle lehrte, daß das Organ an manchen Stellen große Mengen von Thrombo- zyten beherbergt, daß Venensinus und Pulpastränge mit Plättchen vollgestopft sind (vgl. die von Seeliger möglichst getreu hergestellten farbigen Zeichnungen, Abb. 9 u. 9a); im zweiten Falle war die Pulpa nicht beteiligt, die Plättchen lagen in größeren Mengen und Verbänden lediglich in einer Anzahl von Venensinus x) . Sichtet man die verwertbaren Fälle der Literatur, so zeigt sich ebenfalls das ganz unterschiedliche Verhalten der Milz: in dem ersten Falle von Kaz- Abb. 9a. Gewebsschnitt aus einer wegen chronischer Thrombopenie exstirpierten Milz Gleicher Fall, wie Abb. 9; Müller -Formol-Fixierung; Pappenheims May- Giemsa- Färbung. Mit Plättchenmassen — unterschiedslos in Sinus und Pulpa — enorm überfülltes Milzgewebe. nelson (a) (in dem allerdings die Schnittfärbung nicht gelang), in den Beob- achtungen von Beneke 2), Cori 3) scheint die Milz reichlich Plättchen ent- halten zu haben, während sie in den beiden anderen Fällen Kaznelsons, im Falle von Steinbrink -Hauke (dessen Ausstriche ich selbst durchsehen konnte), in dem kürzlich von Nägeli (b) mitgeteilten Falle nicht oder nur spärlich zu finden waren. ') In dem dritten Falle zeigte der Schnitt — im Gegensatz zu dem Ausstrich — nur spärlich Plättchen. Durch die Gefäßunterbindungen bei der Operation ist die Milz prall gespannt und sinkt beim Aufschneiden zusammen. Es scheint, daß dabei die Plättchen Doch ans den Venensinus und aus dem Pulpagewebe herausgeschwemmt werden können. Auch in den Fällen, in denen wir sie in den Schnitten reichlich fanden, waren es immer nur bestimmte Stellen im Organ, in denen sie in Häufchen zusammenlagen, während große Partien ebenfalls pl&ttchenarm oder ganz plättchenfrei waren. ' [m Ausstrich „zahlreichste" Plättchen, im Schnitt (Geh. -Rat Benda): Im Gewebe reichlich Leukozyten, Lymphozyten, Plättchen. Pathologisch-histologischer Befund (Dr. Jaffe, Institut für allgemeine und experi- mentelle Pathologie Wien): ..in manchen Sinus größere Mengen von Blutplättchen." Thrombopenie : Genese. 361 Es scheint also — nach dem Plättchengehalt der Milz zu urteilen — zwei Typen zu geben und man könnte sich fragen, ob denn überhaupt alle Fälle von chronischem Morbus Werlhof pathogenetisch einheitlich sind; man könnte daran denken, daß in der einen Gruppe tatsächlich das Abfangen und die ge- steigerte Zerstörung der Platt chen im Vordergrunde steht, in der anderen eine Minderung der Produktion dominiert. Es muß aber hervorgehoben werden, daß gerade in zwei Fällen, in denen wir die Plättchenanschoppung der Milz konstatierten, der Operationserfolg quoad Thrombozytose am ver- gänglichsten war — eigentlich das Gegenteil des nach Kaznelson zu Er- wartenden. Wir werden später sehen, daß es doch wohl nicht angeht, aus dem allerdings sehr charakteristischen Unterschied im Milzbefunde allzu weitgehende Konsequenzen zu ziehen. Ich wende mich nun zu dem letzten Punkt, den Kaznelson ins Feld führt und den er, obwohl es sich nur um einen indirekten Beweis handelt, für sehr wichtig hält: Der rapide Thrombozytenanstieg vom O-Wert zu weit über die Norm hinausschießenden Zahlen im Anschluß an die Milzausrottung ist ihm ohne den Wegfall einer pathologischen Thrombolyse nicht verständlich; er kann sich nicht vorstellen, daß — zumal bei geschädigtem Megakaryozytenapparat — durch die Milzentfernung eine so außerordentlich starke Regeneration in die Wege geleitet werden kann. Das Wiedererscheinen der Thrombozyten, die doch oft monatelang fast vollständig fehlten, vollzieht sich in der Tat — das lehren fast sämtliche genau verfolgte Fälle (vgl. die Tabellen S. 374 ff.) — mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit. Wir zählten einmal x/2 Stunde nach der Operation 60 000 (vorher 28 000), ein anderes Mal nach l1/2 Stunden 32 406 (gegen 12 790), Charlotte Ehrenberg 21/2 Stunden nach beendetem Ein- griff 87 000 (vorher 0), Gerty Cori nach 5 Stunden 109 000. Nach 24 Stunden sind mehrfach (auch in unserem Material) Werte von 100 000 — 200 000 Plättchen ermittelt worden. Der Eindruck aber, den ich bei der Verfolgung dieses Plättchen- anstieges gewonnen habe, ist gerade im Gegenteil der des Einschießens, der Überschwemmung, einer plötzlich ganz ungezügelten Produktion; ich kann mir weniger gut vorstellen, daß einfach durch Fortfall der Plättchenlyse, ohne daß sich an Tempo und Ausmaß der Bildung etwas ändert, ein solcher Umschwung Platz greift. Über die Geschwindigkeit, mit welcher die Megakaryozyten sich auf den Prozeß der Plättchenbildung und -abschnürung einstellen können, haben wir bis jetzt keine rechte Vorstellung gehabt. Gegenüber aprioristischen Behauptungen hat hier die Experimentaluntersuchung von Seeliger und Gorke erst den Einblick in das wirkliche Geschehen eröffnet. Die Bilder, an denen ich die Felderung des Megakaryozytenplasmas, die Pseudopodienbildung und die Plättchenabschnürung demonstriert habe, sind von Tieren gewonnen, die 10 Minuten nach intravenöser Einverleibung des Peptons ge- tötet wurden. Während man normalerweise doch nur gelegentlich und an einzelnen Exemplaren des Kaninchenmarkes die Plättchengenese beobachten kann, ist hier durch die Plättchenverdrängung in die inneren Organe und die konsekutive Verarmung des Blutes an ihnen fast momentan an zahlreichen Megakaryozyten der Plättchenbildungsprozeß angeregt worden und befindet sich in kürzester Frist auf seinem Höhepunkte. Kaznelson steht ganz unter dem Eindruck des Vergleichs mit dem hämo- lytischen Ikterus : hier kann man allerdings durch das rasche Sinken des Harn- und Stuhlurobilins und des übermäßigen Bilirubingehaltes der Duodenalflüssig- keit das Aufhören der Hämolyse erkennen und wird den Wegfall dieses Faktors als ein wichtiges Moment der Rekonstruktion des roten Blutbildes einzuschätzen haben. Aber die Erythrozytenzahl bleibt dann dauernd auf der schnell erreichten Höhe, während in einem guten Teil der Fälle von Thrombopenie nach relativ 362 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. kurz dauernder Normo- und Hyperthrombozytose sich die ursprünglichen niedrigen oder mindestens wieder unter der kritischen Grenze liegenden Plättchen- werte wieder einstellen (vgl. die Tabelle 2 im Abschnitt „Milzexstirpation" des Kapitels „Therapie", S. 376). Für diesen in zwei seiner drei Fälle konstatierten Rückschlag findet Kaz- nelson die Erklärung, daß die Milz nur ein Teil des retikulo -endothelialen Apparates sei und daß das vikariierend eintretende splenoide Gewebe, das in der Leber und den mesenterialen Lymphknoten sich entwickelt, alsbald die gleiche pathologische Hyperthrombolyse entfalte wie die Milz. Das würde aber eine wesentliche Abweichung von dem Geschehen beim hämolytischen Ikterus bedeuten; warum tritt dann bei diesem das retikulo -endotheliale Gewebe niemals vikariierend ein und vereitelt den Erfolg der Splenektomie ? Dies scheint doch eben gerade das Charakteristikum der echten primären Spleno- pathien — des kongenitalen und erworbenen hämolytischen Ikterus, des Morbus Banti und der pseudobantischen Splenomegalien — zu sein, daß nach Ent- fernung des Organs Dauerheilung eintritt. Weiter ist hervorzuheben, daß die fortschreitende Erfahrung Ausnahmen von der „klassischen" Form der Thrombozytenvermehrung nach der Milz- exstirpation kennen gelehrt hat. So berichten Hauke -Steinbrink über einen Fall, in welchem nach dem Eingriff zu keiner Zeit mehr als 18 — 20 000 Thrombozyten zu finden waren und ich selbst habe kürzlich einen Fall (Nr. 9 der Kasuistik) beobachtet, bei welchem überhaupt nur die Andeutung einer Reaktion (eine im Ausstrich eben merkliche, quantitativ kaum zu fassende Zunahme ganz vorübergehender Natur) bemerkt werden konnte. Die Megakaryozyten bei den mit Pepton behandelten Kaninchen zeigen übrigens sehr deutlich, welches Postulat erfüllt sein muß, damit eine wesent- lich gesteigerte Thrombozytolyse anerkannt werden kann. Es genügt nicht, daß reichlich Megakaryozyten nachgewiesen werden; es muß auch gezeigt werden, daß eine Mehrzahl von ihnen in intensiver Plättchenbildung begriffen ist. Wir selbst hatten bis jetzt nur einmal Gelegenheit, Knochenmarkschnitte eines schweren Falles von Thrombopenie, eben jenes, der auch nach der Splenek- tomie den Plättchenanstieg vermissen ließ, zu untersuchen: An keinem der massenhaft vorhandenen Megakaryozyten war auch nur die Spur eines Plättchen- bildungsprozesses zu erkennen. Mein eigener Standpunkt in der Frage nach der Ursache des Thrombozyten- anstiegs nach Splenektomie ist folgender: Dieser Thrombozytenanstieg ist nur ein Teilphänomen einer ganz allgemeinen Knochenmarksreaktion, die als unspezifischer Effekt stets der Entfernung der Milz aus dem korrelativen Gefüge der am Blut leben beteiligten Organe folgt. Es kann heute keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Milzexstirpation wohl das wirksamste Mittel ist, um eine intensivste Reizwirkung aufs Knochenmark, eine überstürzte Pro- liferation sämtlicher Mutterzellen der geformten Blutelemente herbeizuführen. Fast unmittelbar auf den Eingriff erscheinen, wie besonders Hirschfeld hervor- gehoben hat, schon beim Gesunden, wesentlich verstärkt bei der Perniziosa, Jolly -Körperchen. d. h. Kernreste bergende Erythrozyten und Normoblasten ; ferner pflegt eine ganz ungewöhnlich starke Polynukleose sich zu entwickeln und einige Tage nachweisbar zu sein, die auch nach ihrem Abklingen, wie n ow gezeigl hat. noch lange durch leukotaktische Reize in einer den Normaleffekl weil übersteigenden Weise provoziert werden kann. Die Thrombo- zyt ose ist ein weiterer Effek! jeder Milzausrottung, ob sie nun wegen perni- ziöser Anämie, bantiartiger Splenomegalie oder wegen eines hämolytischen [kterus vorgenommen wird. Mit dem Wegfall der physiologischen von der Milz ausgehenden Hemmung aufs Knochenmark ist dessen Tätigkeit so Thrombopenie : Genese. 363 entfesselt, daß selbst eine unter toxischen Einflüssen daniederliegende Funktion eines der Elemente des roten oder weißen Markes sich fast momentan zur Norm erholt. An demjenigen Element, das im Blute stark vermindert ist, wird deshalb die Wirkung der Splenek- tomie immer ganz besonders sinnfällig, also bei der Perniziosa an den roten Blutzellen, bei den Splenomegalien mit Leuko- penie an den polymorphkernigen Leukozyten, beim Morbus Werlhof an den Plättchen. Aber die Milzexstirpation setzt nur einen Iktus: Früher oder später kann der anfangs so heftige Reizzustand des Knochenmarks wieder abklingen, wahr- scheinlich weil die Hemmung sich wieder einstellt und jetzt von neugebildetem splenoidem Gewebe in Leber und mesenterialen Lymphdrüsen ausgeübt wird. Dazu kommt noch, daß die aufs Knochenmark wirkende Noxe allmählich wieder die Oberhand gewinnen kann. Anderseits gibt es Fälle (vgl. Tabelle 1 im Abschnitt ,, Milzexstirpation", S. 374), in welchen zwar die Plättchen nicht auf der in stürmischem Emporklettern erreichten Höhe verbleiben, sich aber doch in monate- oder gar jahrelanger Beobachtung auf Werten halten, die das Individuum jeder Blutungsgefahr entrücken. Offenbar wird durch die Milzexstirpation eine Gleichgewichtsschwankung hervorgerufen, die durch das extrasplenische retikulo -endotheliale System nicht immer ausgeglichen wird, so daß in ,, glücklichen" Fällen nach der Operation der kritische Grenz- wert dauernd weit überschritten bleibt. Es könnte aber wohl sein, daß in manchen Fällen die Noxe, welche auf den Megakaryozytenapparat hemmend einwirkt, mit einer potenzierten physiologischen Hemmungs- wirkung der Milz identisch ist, so daß in solchen Fällen primärer Splenopathie ohne Splenomegalie wirklich ,, ätiologische" Therapie getrieben wird. Ich fasse meine Ansicht über die Hypothese, daß die Thrombopenie auf einer primären Überfunktion der plättchenzerstörenden Apparate beruhe, dahin zusammen, daß sie bis jetzt in keiner Weise bewiesen ist, ja sogar in dieser strengen Fassung als durchaus unwahrscheinlich bezeichnet werden muß. Meines Erachtens kommen wir um die Annahme einer isolierten Mega- karyotoxikose nicht herum. Am beweisendsten sind in dieser Hinsicht die drei schwersten Fälle meines Materials, die sämtlich ihren unstillbaren Blutungen erlegen sind, der letzte sogar, trotzdem die Milzentfernung voran- gegangen war. Bekanntlich reagiert der Gesunde auf heftige akute Blutverluste mit starker Leukozyten- und Plättchenvermehrung, zum Zeichen, daß durch die Anämisierung nicht nur das erythropoetische, sondern das ge- samte blutbildende Markgewebe in stärkste funktionelle Aktivität versetzt wird. Unsere genannten drei Patienten nun (Fall 5, 6, 8) zeigten mächtigst, Leukozytose (bis zu 40—50 000 im Kubikmillimeter), auch reichlich, ja über- reichlich Nor moblasten, aber die Plättchen blieben nach wie vor vollständig unsichtbar; ich weiß hierfür keine andere Erklärung, als daß ihre Mutterzellen versagten. Das Ausbleiben der posthämorrhagischen Thrombo- zytose bei stärkster Leukozytose und Normoblastose scheint ein gewichtiges Argument zugunsten der Anschauung, daß bei unge- störter Funktion des erythro- und leukoblastischen Apparates eine isolierte Untätigkeit der Riesenzellen vorkommen kann. In demselben Sinne spricht die Tatsache, daß der eine dieser Kranken selbst auf die Milzexstirpation (trotz enormer Polyrmkleose und Normoblastose) nicht mehr mit einer zahlenmäßig faßbaren Zunahme der Plättchen, sondern nur noch mit einer ganz vorübergehenden geringfügigen Vermehrung der Riesen- exemplare antwortete. — Abb. 10. Fi«.'. 1 und 2: Normale Megakaryozyten eines 13jährigen Knaben (Femur oberes Drittel). Dichte, staubförmige Granulamassen. (Die Schriddeschen Granula sind beim Menschen bedeutend kleiner als beispielsweise beim Kaninchen.) Ungranulierte Rand- zone. Intakte charakteristische Kerne, gewulstet, ring- und korbförmig. Fig. 3— 6 stellen Megakaryozyten dar, wie sie in der überwiegenden Mehrzahl im Knochenmark eines 12jähr. Thrombopenikers (Femur oberes Drittel) gefunden wurden. Fehlen der Schriddeschen Granula. Teils vakuoliges oder hyalines Protoplasma (Fig. 6), teils Protoplasma von unregelmäßig filamentöser, mitunter konzentrischer Struktur (Fig. -/und 5). Fig. 7 und 8: Knochenmarksriesenzellen, wie sie bei dem gleichen Falle von Thrombopenie nur sehr selten zu finden waren. Azurophile Granula sind in einzelnen Abschnitten des Protoplasmas vorhanden . Thrombopenie : Genese. 365 Die Untersuchung des unmittelbar post mortem entnommenen Sternum- und Femurmarkes hat nun bei diesem Kranken einen, wie mir scheint, prin- zipiell wichtigen Befund ergeben. Es handelt sich — der hochgradigen Anämi- sierung bei einem 11jährigen Knaben entsprechend — um ein außerordentlich zellreiches Mark, das von Vorstufen der roten und weißen Blutkörperchen wimmelt und reichlich Megakaryozyten enthält. Aber diese Megakaryozyten weisen wie die Zeichnungen (Abb. 10, Fig. 3 — 8) lehren, einen eigen- tümlichen Defekt auf; ihr Protoplasma ist außerordentlich zart, luftig und vakuolär, es entbehrt vollständig der Azurgranula1), die sonst für den Habitus des Megakaryozyten so charakteristisch sind. Nicht ein jeder, aber doch die große Mehrzahl der Megakaryozyten, 90°/0, wiesen dieses „ leere" Protoplasma auf2); 6% der Zellen waren teilweise granuliert und nur 4°/0 konnte man als fast normal bezeichnen. Außerdem aber befanden sich auch die Kerne in einem deutlichen, mit Bildung kreisrunder Körner einhergehenden Zerfall3). Um Klarheit darüber zu gewinnen, ob es sich um ein vereinzeltes Vorkommnis handelt oder ob dieser eigentümlichen Beschaffenheit der Knochenmarks- riesenzellen weiterreichende Bedeutung zukommt, haben wir, als der nächste Fall von chronischer Thrombopenie zu klinischer Beobachtung gelangte, mit Hilfe der kürzlich von C. Seyfarth angegebenen Methode der Sternalpunktion Knochenmark vom Lebenden gewonnen. In Ausstrichen, die aus diesem ganz frischen Material hergestellt werden, lassen sich die Zellen färberisch in gleicher Vollendung darstellen wie im Blutpräparat. Wir untersuchten zunächst einen Sternal- und einen Femurausstrich vom Gesunden und fanden unter 200 Mega- karyozyten 92°/0 resp. 76°/0 vou granulierte, 8°/0 resp. 24°/0 mäßig stark granu- lierte, während granulafreie Megakaryozyten überhaupt nicht vorkamen. Im Gegensatz hierzu zeigte der Sternalausstrich des neuen Falles von chronischer Thrombopenie (Käthe W., Nr. 18 der Kasuistik) unter den wiederum sehr reichlichen Riesenzellen 61°/0 vollständig ungranulierte, 22°/o mäßig granulierte und nur 17% voll granulierte Exemplare. Wir haben also einen im Prinzip gleichen Befund erhoben; glücklicherweise war er nicht ganz so schwer. Dementsprechend war die Milzexstirpation, die aus vitaler Indikation vorgenommen werden mußte, noch von Erfolg gekrönt, indem eine Plättchenkrise einsetzte und in monatelanger Beobachtung ein hoher Stand der Plättchenzahlen behauptet wurde (vgl. Tabelle I der Resultate der Milz- exstirpation, eigener Fall III). Das vollständige Fehlen der Granula im Megakaryozytenleib ist vielleicht nur der höchste Grad einer komplexen Schädigung dieser Zellen. Eine leichtere *) Mikrophotogramme dieser Zellen hat Seeliger in seiner Arbeit: Thrombopenie und Aleukie (Klin. Wochenschr. 1924. Nr. 17) abgebildet. 2) Mit Seeliger gemeinsam, dem diese abnorme Beschaffenheit der Riesenzellen sogleich auffiel, habe ich eine Anzahl anderer Knochenmarkspräparate durchgesehen, vor allem vom Femurmark eines etwa gleich alterigen Knaben, das ebenfalls noch lebenswarm ent- nommen, in allen Einzelheiten des Fixier- und Färbeverfahrens ganz gleichmäßig behandelt worden war (Abb. 10, Fig. 1 und 2). Stets ließ sich die Masse der Azurgranula ohne weiteres nachweisen. Man kann auch nicht einwenden, daß infolge der schweren Anämie die Struktur der Zellen gelitten habe; denn in dem, wie gesagt, in höchster Aktivität befindlichen Mark war z. B. die so schwer darstellbare neutrophile Granulierung gut ausgebildet. 3) Neuerdings hat auch Jedlicka an den Megakaryozyten eines Falles von Thrombo- penie einen pathologischen Befund erhoben, der sich allerdings in wesentlichen Punkten von dem oben beschriebenen zu unterscheiden scheint, aber doch hier angeführt sein mag. Die Ränder des Plasmas der Riesenzellen sind nach seiner Angabe unscharf, wie zerfetzt, die Granula grob, zu Gruppen vereinigt, die sich intensiv dunkelviolett färbten. Neben dem Kern fand sich oft eine umschriebene, nicht färbbare Stelle, die wie eine Vakuole aussah und manchmal mehr als die Hälfte der Zelle einnahm. Der Kern färbte sich intensiv und ließ die feineren Segmentationen vermissen. 366 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Form der Schädigung könnte die sein, daß lediglich die Zusammenordnung der Granula und die Art der Abschnürung Schaden gelitten hat. Wir wissen, daß die wenigen Plättchen, die man bei der Thrombopenie findet, meistens riesige Exem- plare sind. Wir können zum Vergleich eine andere Myelotoxikose, die perniziöse Anämie, heranziehen. Bei dieser spielt bekanntlich jene qualitative Alteration der Erythroblastik eine wesentliche Rolle, die man als Rückschlag ins Embryonale, als megaloblastisch-makrozytäre Aberration bezeichnet. Was bei der perniziösen Anämie die Makrozyten, das scheinen bei der Thrombopenie cum grano salis die ,, Riesen plättchen'' zu sein. Es werden nicht mehr zahlreiche kleinste, sondern wenige auffällig große ins Blut abgestoßen. Der Absehnürungs- und Zerteilungsvorgang im Megakaryozytenplasma ist in Unordnung geraten und das kann, wie wir früher gesehen haben (vgl. Abb. 8), sogar so weit gehen, daß zwar die Azurkörnchen sich noch gruppieren, die Segmentierung aber unterbleibt, so daß die Platt chen von einer gemeinsamen Plasmamasse umhüllt bleiben. Riesenplättchen finden sich häufig, wenn der Megakaryozytenapparat in besonders starker Tätigkeit sich befindet (Anämien, Leukämie, bakterielle Infekte, Malaria, Lympho- granulomatose). Stahl (b) glaubt, daß diese Riesenplättchen ebenso wie bei der Thrombo- penie nicht wie in der Norm einen neutrophilen, sondern einen ausgesprochen basophilen Plasmasaum besitzen und schließt daraus nach Analogie mit der Basophihe der roten und weißen Blutzellen auf Unausgereiftheit dieser Gebilde. Gerade dieser (übrigens, wie be- sprochen, noch keineswegs über jeden Zweifel erhabene) Befund der „basophilen Riesen- plättchen" hat bei der Thrombopenie den Gedanken an überstürzte Regeneration bei primär gesteigerter Thrombolyse nahegelegt. Aber wir betrachten heutzutage das Auf- treten von polychromatophilen Makrozyten und basophilen Megaloblasten bei der Per- niziosa auch nicht mehr ohne weiteres als äußerste regeneratorische Anstrengung bei einer primären, ganz besonders massiven Hämolyse. ,, Über stürzte Regeneration" und toxische Schädigung der Plättchenbildung können sich gleicherweise in dem Auftreten „unreifer Riesenformen" äußern. Die Ursache des Granulamangels in den Megakaryozyten ist natürlich noch völlig unklar. Es könnte sich um eine toxisch bedingte degenerative Meta- morphose der Zeilen handeln, wofür der im Schnitt festgestellte beginnende Kernzerfall sprechen würde. Es läßt sich aber auch die Vermutung nicht von der Hand weisen, daß die Reifung der Knochenmarksriesenzellen toxisch gehemmt wird. Es ist nämlich wichtig zu wissen, daß die Vorstufe des Megakaryozyten, der Megakaryoblast — wie wir in Bestätigung der Angaben Ferratas hervor- heben möchten — , ungranuliert ist. Die Giftwirkung auf die Riesenzellen könnte also darin bestehen, daß bei der Entwicklung des Megakaryoblasten zum Megakaryozyten die Ausbildung der Azurgranulierung verhindert wird. Es ließe sich der Einwand machen, daß in den von uns untersuchten Knochenmarks- ausstrichen die Mehrzahl der Riesenzellen überhaupt noch Megakaryoblasten gewesen seien. Dem möchten wir durchaus widersprechen; denn wir haben nur reife Knochenmarks- riesenzellen mitgezählt, d. h. Zellen mit vielfach gebuchtetem, kränz- oder korbförmigem Kern und breitem, kaum färbbarem Protoplasma, das beim Fehlen der Granula eine fein- fädig-netzartige Struktur deutlich erkennen ließ. Der Megakaryoblast hingegen, den wir auch in den Präparaten sahen, ist eine kleinere Zelle mit rundem, höchstens in beginnender Lappung befindlichem Kern, relativ schmalem, tief azurblauen, kaum strukturierten Plasmasaum. Einen weiteren Hinweis, daß die Megakaryozyten eine besonders empfind- liche Zellklasse des Knochenmarks bilden, können wir aus den Erfahrungen entnehmen, die bei dem im nächsten Kapitel zu besprechenden Krankheits- bilde der ..hämorrhagischen Aleukie" oder „Panmyelophtisie" gewonnen worden sind. Bei diesen Krankheit sziisiänden gehen zwar allmählich sämtliche Elemente dea Knochenmarks zugrunde, aber im peripheren Blute können anfänglich and für längere Zeit vorzugsweise die Thrombozyten fehlen, während die Alte- ration des «reißen Blutbildes und die progressive Anämie erst viel später in die Erscheinung tritt. Das Benzol, welches bei längerer Einwirkung oder Throrabopenie : Genese. 367 individueller Überempfindlichkeit ebenfalls das Bild der „Panmyelophtisie" hervorrufen kann, erzeugt in leichteren Vergiftungsfällen nach Santesson und Selling nur eine heilbare hämorrhagische Diathese mit Plättchenmangel; im Experiment gelang es Duke, durch vorsichtige Dosierung des Benzols lediglich ein Schwinden der Plättchen bei normal bleibender Leukozytenzahl hervorzurufen. Das Benzol affiziert also offenbar auch zuerst und zunächst isoliert nur den Megakaryozytenapparat. Die essentielle Thrombopenie wäre somit eine primäre Megakaryo- toxikose, welche durch Fehlen oder Mangelhaftigkeit der Azur- granulier ung charakterisiert ist, in weniger schweren Fällen sich viel- leicht nur in einer durch Riesenplättchenbildung gekennzeichneten Störung und in einer Hemmung des Plättchenabschnürungsvor- ganges kundgibt. Mit dieser Definition ist nun die intrasplenische Thrombolyse als wichtiger Faktor bei der individuellen Gestaltung der Plättchenzahlen im peripheren Blute durchaus nicht abgelehnt : nur die primäre Hypersplenie, eine Hyperthrombolyse als im Wesen der Krankheit liegend, wird für unwahrscheinlich gehalten. Es ist ja selbst bei der hämolytischen Anämie nicht allgemein anerkannt, daß die ge- steigerte Erythrolyse in der Milz das pi imum movens ist ; am ehesten möchte ich die primäre Splenopathie noch beim erworbenen hämolytischen Ikterus anerkennen, bei welchem nach der Milzexstirpation alle Symptome einschließlich der verminderten osmotischen Resistenz schwinden. Die Thrombolyse in der Milz wird gesteigert sein, weil die Plättchen des kreisenden Blutes zum guten Teil minderwertig sein dürften. Sie sind ja doch nichts als Stückchen und Fetzchen des Megakaryozytenleibes, den wir uns von einer Giftwirkung betroffen dachten; es wäre also wohl zu verstehen, daß sie beim Morbus Werlhof besonders kurzlebig sind und deshalb besonders leicht in den Abbauorganen abgefangen werden. Auch Pfaundler und von Seht meinen, es sei plausibel, daß minderwertige Plättchen in vermehrtem Maße einer physiologischen Plättchenmühle, wie sie die Milz darzustellen scheint, zum Opfer fallen Man erinnere sich an die ganz ähnlichen Verhältnisse bei der perniziösen Anämie; zweifellos besteht bei dieser Erkrankung eine gesteigerte — durch die Entfernung der Milz weitgehend einzudämmende — Hämolyse, aber nicht deswegen, weil die Milz primär stärkere blut zerstörende Fähigkeiten gewonnen hätte, sondern weil ihr besonders viel labile und zum Untergange reife Elemente zugeführt werden. Die Fragilität der Erythrozyten bei der Perniziosa aber beruht darauf, daß das erythroblastische Gewebe des Knochenmarks unter der dauernden Einwirkung eines Giftes steht. Die Milz ist ein Sieb, mit der Fähigkeit begabt, beim Durchpassieren des Blutes alle Elemente, seien es nun Erythrozyten, Leukozyten, Plättchen, aus- zusondern, welche irgendwie eine Minderung ihrer Vitalität erfahren haben. Die Anschoppung der Milzsinus und der Pulpa mit Plättchen, welche nun schon bei mehreren Fällen chronischer Thrombopenie (bei spärlichster Zahl dieser Elemente im peripheren Blute!) beobachtet ist, spricht durchaus dafür, daß hier untaugliche Gebilde in größerer Menge zurückgehalten werden und daß diese Thrombokatechie, der wahrscheinlich die Zerstörung auf dem Fußt folgt, zur Verarmung des strömenden Blutes an Plättchen beitragen kann. Diese sekundär gesteigerte Thrombolyse wird sich unseres Erachtens bei sehr vor- sichtig angeordneten Versuchen über die Gerinnung des rekalzifizierten Zrtratplasmas erschließen lassen. Wir wissen, daß die Schnelligkeit der Gerinnung des Plasmas von der Zahl der Plättchen abhängig ist, daß bei sehr niedrigen Pia ttchen werten das Plasma (nicht das Gesamtblut!) oft sehr verlangsamt gerinnt, offenbar deswegen, weil der von den Plättchen zu liefernde Gerinnungsfaktor „Zytozym" in zu geringer Menge zur Ver- fügung steht. Vergleicht man nun ein durch Zentrifugieren künstlich auf die gleiche 368 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. niedt ige Zahl von Thrombozyten gebrachtes Plasma mit dem spontan diese niedrige Zahl enthaltenden Plasma eines Thrombopenischen, so pflegt dieses häufig wesentlich rascher zu gerinnen als das Normalplasma mit reduzieiter Plättchenzahl. Es scheint also, als ob das Thrombopenie-Plasma gelöste Plättchensubstanz (die die Gerinnung ebenso fördert wie der intakte Thrombozyt!) enthalte, die im Xormalplasma fehlt oder wenigstens in viel geringerer Menge vorhanden ist. Die Kolumne 1 der beiden folgenden Tabellen, welche nach den auf meine Veranlassung von Horovitz unternommenen Untersuchungen zusammen- gestellt sind, mag über diese Verhältnisse orientieren. Es ist aber auf diesem Wege noch nicht mit Sicherheit erwiesen, daß wirk- lich gelöste ,,Plättchen"substanz die Ursache der relativ beschleunigten Gerinnung des Thrombopenieplasmas ist. Wäre dies der Fall, dann dürfte durch Zentrifugieren keine Verkürzung der Gerinnungszeit herbeizuführen sein. A. F. Heß (b) hat in der Tat behauptet, daß — im Gegensatz zum Nor- malen — auch durch stundenlanges Zentrifugieren die Gerinnungszeit beim Thrombopenischen nicht geändert wird. Die Untersuchungen von Horovitz haben ergeben (Kolumne 2 — 4 der Tabellen), daß die Plasmata der Thrombo- penischen sich durchaus nicht einheitlich verhalten. In zwei Fällen blieb wirk- lich die Koagulationszeit die gleiche resp. wurde nur wenig verlängert, in drei anderen aber hatte sie nach zweistündigem Zentrifugieren ganz beträchtlich zugenommen. Nur in den beiden erstgenannten Fällen ist die Anwesenheit präformierten Zytozyms wahrscheinlich, nicht in den drei anderen: hier haben entweder die wenigen vorhandenen Riesenplättchen (die ja 5 — 10 mal so groß sein können wie Normalplättchen) auch als funktionelle Riesen bei der Ge- rinnungsförderung (ähnlich wie die Makrozyten bei der Perniziosa) gewirkt oder aber die im Nativplasma noch anwesenden Erythrozyten (die sich merk- würdigerweise, wie bereits einmal erwähnt, bei der Thrombopenie auffällig langsam senken) sind vikariierend eingetreten. Daran ist nämlich nach den Untersuchungen von Horovitz kein Zweifel, daß Erythrozyten resp. alkohol- lösliche Erythrozytensubstanz schon in kleinen Mengen sehr stark gerinnungs- beschleunigend wirkt. Also nicht die gegenüber einem auf die gleiche niedrige Plättchenzahl ge- brachten Normalplasma beschleunigte Gerinnung an sich spricht für Thrombo- lyse, sondern erst die Un Veränderlichkeit der im Nativplasma des Thrombo- penischen festgestellten Gerinnungszeit bei länger dauerndem Zentrifugieren gibt einen Hinweis auf gelöste Plättchensubstanz und damit auf gesteigerten Plättchenzerfall im Blute oder in der Milz. Aus diesen Untersuchungen wird auch klar, warum das der Ader entnommene Gesamtblut des Thrombopenischen bei der üblichen Versuchs- anordnung in der gleichen Zeit oder gar rascher gerinnt als Nor mal - blut . Von drei Faktoren können einer oder alle im Einzelfalle vikariierend für den Plättchenmangel eintreten: 1. Die Vermehrung des Plättchen volumens, 2. gelöste Plättchensubstanz, 3. etwa aus den Erythrozyten frei werdendes Zytozym. Wir werden die Thrombolyse mit in die Definition der Pathogenese hinein- nehmen, indem wir erweiternd formulieren, daß es sich um eine Megakaryo- toxikose mit der Bildung abnorm vergänglicher Plättchen handelt. Von der Art und dem Wirkungsmodus der supponierten Gifte, denen wir elektive Beziehungen zu den Knochenmarksriesenzellen zuschreiben, können Mir uns vorläufig keinerlei begründete Vorstellung machen. Ja, wir wissen nicht einmal, ob wir der Noxe mit Recht ein positives Vorzeichen geben, ob nicht vielmehr «'in Negatives, der Ausfall einer endokrinen Funktion oder ein nach dem Vorbilde der Avitaminosen zu deutender biochemischer Defekt in Bet nicht kommt In dieser Hinsicht interessant sind die Mitteilungen von Cramer, Drew und Mottram, die bei Ratten durch Verfütterung einer an Thrombopenie : Genese. 369 ■4-3 © '5b G o> N a © a £ w. co it des Zitrat- satz von sung 3 Tropfen 1 nungsze izierten 3 bei Zu CaCl-Lö Tropfen s 1 O t> Gerin rekalzil plasma 1% Tropfen s 1 CO b 3§ o o 1000 2 000 u © »2 a © tu c o 1 1 Gerin rekalzil plasma 1 Tropfen 1 s 1 bäi 1 1 J» 'S © o o 0 o 01 o CM lO - 80 38 o o ■■£> Ol M TV. o o o ■4J © 'So »2 'C © © C d CO 1-H it des Zitrat- atz von ung 3 Tropfen CO T* !—■ 1— t $D fc 1 nungsze izierten 3 bei Zus DaCl-Löt 2 Tropfen l-H 1-H cb U3 CO Gerin rekalzi plasma 1% Tropfen CM ^ T— 1 1—1 Tc b O Plätt- chenzahl o o o o o o 0 o 01 CO g o o o o o o 88 o o O Ol CO öS it des Zi trat- atz von sung Tropfen US o iO b CO t* ^O C5 nungsze izierten 5 bei Zug CaCo-Lö Tropfen ih ^ uO o CO ^ o Gerin rekalzil plasma i Tropfen O CO rj« CD co co b Plätt- chenzahl o o 5 o o o o o ^D O co -<* 8 5 oc CO 83 o o 0 co 01 Ol 5 5 8 — 270 000 450 000 120000 'S 1© © 3j 4J © 5 IV. Schmidt . V. Reichelt . VI. Ludwig . VII. Härtel . . VI 11. Wagner . IX. Nerlieh . c3 CD CO y *E a -=■ Ia> I S ® N p, — ? ■»* a ?r ö CD X j^ cd ,_q H IIS J PL. X -=* I CO co -^ I 2 co co Ol b *>i i>T I 2fefc cT oi c^T SP cS =■3 ■a 88 © O o 8 8C o t*< Ol i-^ O iO O ^! Ol ■>— < i—i , ^ Blutkrankheiten. II. ^ ^ ^— ^^ 2 ^^ cTr«3 g^ fe — Cän ^ .Sg S. — ' ^. — ' ai ü r-" . m ^ ZT S ^ ai.2 I ö> ä QU > Eä 24 370 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Vitamin A armen Kost im Laufe der Zeit eine Verminderung der Plättchen von 700000—900000 = auf den dritten Teil beobachten konnten (bei qualitativ und quantitativ unverändertem Leukozytenbilde und einer höchstens ganz geringgradigen Anämie); bei Zulage des Vitamins wurden allmählich die Aus- gangswerte wieder erreicht. Therapie der essentiellen Thrombopenie. Ätiologische Therapie im Sinne einer Beseitigung der „Diathese" läßt sich mangels unseres Wissens um den Ursachenkomplex dieser Diathese nicht treiben ; als ätiologische Therapie im weiteren Sinne aber wird man jeden Ver- such bezeichnen dürfen, die Plättchenzahl über den „kritischen" Wert zu erhöhen. Wir stimmen mit Duke vollständig darin überein, daß in Fällen, in welchen die Plättchen ,,practically absent" sind, schon ein Plus von 10 000 pro Kubikmillimeter die Heftigkeit spontaner Blutungen merklich einschränken, ein ferneres 10 000 die ,, Blutungszeit" bereits sehr deutlich abkürzen kann, und jenseits einer Zahl von 30— 35 000 Thrombozyten pflegt ja nicht nur die Neigung zu Spontanblutungen erloschen zu sein, sondern auch die artefizielle Erzeugung von Hämorrhagien kaum mehr zu gelingen. Die Voraussetzungen, von denen aus wir eine therapeutische Methode, inaugurieren, erweisen sich nicht selten als einseitig oder gar falsch : die Methode aber ist wirksam. So ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß Maßnahmen, die ursprünglich lediglich zur Hebung der Plättchenzahl ersonnen wurden, auch noch aus anderen Gründen gute Waffen im Kampfe gegen die Blutungen sind. Von der Bluttransfusion und von der Milzexstirpation dürfen wir dies wohl bereits mit Sicherheit annehmen. Aus früheren Erörterungen ist klar geworden, daß Intensität und Dauer der Blutungen nicht nur vom ,, Gefäßinhalt", sondern auch von der „Konstellation des Kapillarsystems" abhängen. Wird eine Kapillarprovinz „gesperrt", indem die Mehrzahl der Haargefäße durch Aufeinanderlegen ihrer Wandungen sich schließt und der Rest neben einer Verengerung des Lumens durch Dichtung der Wand dem Austritt von Erythrozyten sich hindernd in den Weg stellt, so wird trotz Thrombozytenmangels in diesem Gebiet die Blutung ins Gewebe und aus dem Gewebe stark eingeschränkt, vielleicht sogar völlig aufgehoben werden können. Es wird also für den unmittelbaren therapeutischen Erfolg sogar in erster Reihe darauf ankommen, Mittel anzuwenden, von denen wir uns eine Konstriktion und Dichtung der Kapillar- wand versprechen. Drittens wird man diejenigen Maßnahmen heranziehen, durch die eine Gerinnungsbeschleunigung der gesamten Blutmasse erzielt wird. Für die un- mittelbare Blutstillung hat dies insofern vielleicht weniger Bedeutung, als ja die int ra vaskuläre Gerinnung sich erst an die Bildung des Plättchenthrombus anschließt, aber das extra vasierte Blut findet doch ebenso wie in vitro wahr- scheinlich in der Wunde, zumal wenn es möglich ist, ein fein verteiltes Pulver, welches die Plättchen ersetzt, von außen heranzubringen, die Gelegenheit zur Gerinnung und kann dadurch als eine Art von Damm wirken. Je schneller durch lokale oder auf die gesamte Blutmasse wirkende Verfahren die Gerinnung herbeigefühii wird, um so wirksamer wird naturgemäß dieser Schutz sein. Audi hier werden wir wieder im Auge behalten müssen, daß Mittel, die wir Lediglich vom Gesichtspunkt der Gerinnungsbeschleunigung anwenden, noch ;mt anderem Wege durch Wirkung auf dir Kapillaren oder durch Reizung der Plättchenmutterzellen sieh nützlich erweisen. Thrombopenie: Therapie, Platt chentransfusion. 371 1. Methoden zur Steigerung der Plättchenzahl, a) Die Plättchentransfusion. Im Zitratblut bleiben die Plättchen intakt und man würde nach Über- pflanzung von 500 — 600 ccm eines plättchenreichen Normalblutes auf mehr als 30 000 Plättchen pro Kubikmillimeter im Empfänger blute, selbst bei ex- tremer Thrombopenie rechnen und schon nach 250 — 300 cmm eine wesentliche Milderung der pseudohämophilen Diathese erhoffen dürfen. Da die Thrombo- zyten aber ziemlich rasch zerstört werden, ist mit dem Nachlassen der Blutungen nur für einige Tage zu rechnen, falls nicht unterdessen eine spontane Plättchen- krise einsetzt. Die relativ einfache Technik der ,, indirekten" Transfusion ist folgende: Man läßt etwa 250 ccm Blut des Spenders in ein 25 ccm einer 2,5°/oigen sterili- sierten Natriumzitratlösung enthaltendes Glasgefäß fließen, rührt kräftig um und fügt für je weitere 200 ccm Blut zunächst noch 20 ccm Zitratlösung zu. Das Blut wird dann unmittelbar in die Vene des Empfängers transfundiert, am besten durch eine Nadel mit Drei we gehahn oder mittels Spritze mit durch- bohrtem Stempel und Gebläse nach Korbsch. Die Infusion soll nicht zu rasch vor sich gehen: man rechne auf 1/2 Liter Blut wenigstens 20 Minuten. Ist der Patient ganz ausgeblutet, kommt es also nicht nur auf die Einver- leibung der Plättchen, sondern auch auf die Überpflanzung von möglichst viel Sauerstoff trägem an, so würde die vitale oder direkte Transfusion in Be- tracht zu ziehen sein, vorausgesetzt, daß ein die Technik der Gefäßnaht beherr- schender Chirurg zur Stelle ist, sowie ein kräftiger Spender, der einen gehörigen Aderlaß verträgt. Coenen hat zur Rettung völlig ausgebluteter Krieger den Spender sein arterielles Blut so lange ins Venensystem des Kranken ergießen lassen, bis jener selber die ersten (übrigens bei vollkräftigen Männern stets ohne Gefährdung vorübergehenden) Zeichen der Anämie in Gestalt von Tachy- kardie, Erblassen, Atmungsvertiefung, Ohrensausen, Mattigkeit und Glieder- schwere zeigte. Unter diesen Umständen wird nicht nur die wunderbar belebende Wirkung der großen, einen Liter und mehr betragenden Blut menge zur Geltung kommen, sondern es wird auch eine so erhebliche Plättchenmenge eingebracht, daß selbst bei raschem Zerfall dieser Elemente fast eine Woche wohl jede Blutung sistiert. Die Ansichten darüber, ob man vor der Transfusion Spender- und Empfänger- blut auf Isolyse und Isoagglutination prüfen solle, sind geteilt. Eine gefahr- bringende intravaskuläre Hämolyse scheint selten beobachtet zu werden; ein Schüttelfrost ist wohl auch, wenn die Vorprüfung befriedigend ausfällt, nicht zu vermeiden und ist vielleicht, wie wir bald noch erörtern werden, als günstige „Nebenwirkung" zu betrachten. Am meisten zu fürchten ist der Kollaps, den das stark geschwächte Herz des ausgebluteten Individuums vielleicht nicht aushält 1). Mit Rücksicht auf das immerhin mit diesen großen Transfusionen verbundene Risiko scheint mir die Indikation zur Über- pflanzung von Blutmengen von 1/2 Liter und mehr nur gegeben, wenn durch profuse oder anhaltende Blutungen die Anämie selber bis zu einem lebensbedrohenden Grade fortgeschritten ist. Unter *) Zur Orientierung über die verschiedenen Methoden der Transfusion, über die Neben- wirkungen und die zu deren Verhütung erteilten Vorschläge verweise ich auf Seifert, Transfusion (Würzburg. Abh. a. d. Gesamtgeb. d. prakt. Med. Bd. 18, H. 3/4, 1919), Klinger und Stierlin (Korrespbl. f. Schweiz. Ärzte 1917, Nr. 14), Opitz (Fortschr. d. Med. Bd. 40, Nr. 26. 1922), K. Meyer und Z. H. Ziskoven (Med. Klinik 1923. Nr. 3), Zielke (Klin. Wochenschr. 1924. Nr. 41) und Schumacher (ebendaselbst Nr. 45), sowie auf die Ausführungen bei der Therapie der Anaemia gravis in diesem Handbuch. 24* 372 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. diesen Umständen kann die große Transfusion auch den vorbereitenden Sehritt zur Milzexstirpation bilden, die der Chirurg bei Anaemia gravissima und an- dauernd fortbestehender Blutung nur ungern ausführen würde. Dieser Stand- punkt scheint um so gerechtfertigter, als die günstigen Einwirkungen, die man außerdem noch von der Transfusion erwartet — Reiz aufs myeloische Gewebe, unmittelbarer styptischer Effekt auch unabhängig von der Plättchenzahl — schon durch viel kleinere Blutmengen zu erzielen sein dürften. b) Die künstliche Erzeugung einer Plättchenkrise. Die Milzexstirpation. Wir wissen, daß der akute Morbus Werlhof mittels einer spontanen Plättchen- krise in Heilung ausgeht; die klinische Erfahrung lehrt weiter, daß intensive Reizwirkung aufs Knochenmark, wie sie bei diesen akuten Formen durch den starken Blutverlust selbst gegeben ist, den Einstrom der Plättchen ins Blut beschleunigt. Die Eigenart der chronischen Thrombopenie besteht nun gerade darin, daß der Organismus mit seinen eigenen Mitteln eine derartige Plättchen- krise nicht zuwege bringt. Wir dürfen aber heute mit Sicherheit behaupten, daß der Plättchenmangel nicht oder nur in den seltensten Fällen auf einer ihrer Natur nach irreparablen Unfähigkeit des Organismus zur Plättchen- bildung beruht : durch die Entfernung der Milz aus dem Körper gelingt es, eine foudroyant einsetzende Plättchenkrise zu erzeugen, so- lange noch funktionsfähige Megakaryozyten vorhanden sind. Wir verdanken diese Entdeckung Kaznelson in Prag, der im Jahre 1917 den Chirurgen Schloffer veranlaßte, bei einer seit 10 Jahren infolge maximaler Thrombopenie fast unausgesetzt an Blutungen leidenden Frau die in diesem Falle palpable Milz zu exstirpieren. Kaznelson (a) ging, wie wir gehört haben, von der unseres Erachtens nicht mehr in dem ursprünglichen Sinne haltbaren Anschauung aus, daß durch diesen Eingriff der Herd einer übermäßigen Thrombozyten- zerstörung ausgeschaltet werde ; aber, welches auch das Leitmotiv gewesen sein mag, das den jungen Kollegen zu dem angesichts der möglichen Blutungsgefahr heroisch erscheinenden Plane bewog: er hat, wie eine jetzt schon nicht mehr ganz geringe Kasuistik erweist, eine segensreiche therapeutische Methode inaugu- riert, die schon manchem durch die dauernden Blutverluste siechen oder wenig- stens völlig arbeitsunfähigen Menschen Gesundheit und Lebensfreude wieder- geben konnte. Wir selbst haben bis jetzt sechsmal Gelegenheit gehabt, diese Operation ausführen zu lassen und fünfmal einen ausgezeichneten Erfolg ver- zeichnen können; eine unserer Beobachtungen lehrt aber, daß es schwerste Formen der Thrombopenie gibt, bei denen auch dieses höchst wirkungsvolle Mittel versagt. Im Hinblick auf das zahlenmäßige Verhalten der Plättchen nach dem Ein- griff lassen sich die mir bekannt gewordenen 18 Fälle x) in drei Gruppen ein- ordnen, über welche die auf S. 374—376 folgenden Tabellen unterrichten. *) Einen von Sternberg mitgeteilten Fall habe ich in die Tabelle nicht mit aufge- nommen, weil 1. die Operation in die Zeit einer spontanen Plättchenkrise fiel und 2. die Linsengroßen Blutfleckchen an den unteren Extremitäten bei der 64jährigen Frau, die kurz vor Einsetzen der Hämorrhagien an einem Ileus (?) operiert worden war, meines Erachtens — unabhängig von der Thrombopenie — wohl durch Gefäßschädigungen, Stau- ungen, bedingt waren. Nach Sternberg war die Operation erfolglos, weil die Blutungen bei L 09 000 Plattchen in aller Stärke auftraten; ich würde den Sachverhalt lieber so aus- drticken: Wenn bei (infolge der Splenektomie oder spontan?) sich entwickelnden befriedi- genden Plattchenwerten die l'.lutf leckchen bei Gehversuchen immer wiederkehren, ist es vranrscheinlioh, daß keine thrombopenische, sondern eine senile „orthostatische", d. h. ;iiiL'i<»|,ai bische Purpura vorliegt, die vielleicht durch eine temporäre Thrombopenie zeit- weilig itfl • kei ausgesprochen war. Thrombopenie : Therapie, Erzeugung einer Plättchenkrise. 373 Tabelle 1 enthält Fälle, bei denen die Plättchen in monatelanger Beobachtung nach der Splenektomie sich dauernd auf sehr befriedigender Höhe hielten oder — bei kürzerer Beobachtungszeit — wenigstens 4 Wochen post operationem eine immer steigende Tendenz aufwiesen. Der Verlauf ist im allgemeinen so, daß sie in den ersten Tagen geradezu stürmisch emporklettern, mindestens bis zur Norm, manchmal aber zum Vielfachen (so im Fall Beneke auf fast 1,8 Millionen, im Falle Cori II auf 1 150 000, in einer neuestens kurz mitge- teilten Beobachtung von Nägeli (b) auf 1,6 Millionen); allmählich sinken sie dann wieder bis zum physiologischen Wert oder gar nicht selten auch tiefer, halten sich, aber mit nicht immer ganz geringen Schwankungen zwischen 100000 und 200000. Läßt schon dieser Umstand vermuten, daß eine vollständige und dauernde restitutio ad integrum in der Mehrzahl der Fälle nicht erreicht wird, so spricht noch mehr in diesem Sinne die von Kaznelson, Cori und Klem- perer gemachte Beobachtung, daß man sich selbst nach einem halben Jahre noch nicht in Sicherheit wiegen darf, sondern daß auch dann noch jederzeit temporäre oder dauernde Stürze vorkommen können (im Falle I von Kaz- nelson vorübergehendes Absinken auf 47 000 fast 1 Jahr nach der Operation, im Falle I von Cori Senkung auf 23 000 erst nach etwa 3/4 Jahren, also auf einen recht niedrigen Wert, der nun in weiterer 21/2 jähriger Kontrolle dauernd festgehalten wird). Solche Beobachtungen bilden den Übergang zu der zweiten Gruppe, welche durch einen lediglich temporären Plättchenanstieg gekennzeichnet ist; nach 8 — 30 Tagen ist die Plättchenzahl wieder unter den kritischen Wert gesunken; nur ein Unterschied scheint gegen die Zeit vor der Entfernung der Milz zu be- stehen, nämlich die viel größere Neigung zu Schwankungen, welche die Werte häufig der kritischen Grenze nähert oder auch über sie hinaus- führt; der Fall wird gewissermaßen in einen Typ umgewandelt, dem wir auch als spontaner Erscheinungsform der Diathese früher begegnet sind (vgl. S. 330) und den wir als eine relativ milde Verlaufsart kennen lernten. In einer letzten kleinen Gruppe endlich, die wir bereits früher zum Beweise gegen die Lehre von der primären Thrombolyse herangezogen hatten, war die Rückwirkung des Eingriffs auf die Plättchen sehr gering oder gar nur ange- deutet. Hauke -Steinbrink sahen in ihrem Falle in den der Operation fol- genden Wochen nie mehr als 18 — 20 000 Plättchen, aber schätzen wohl den Operationserfolg doch etwas zu gering ein; ein Anstieg von 700 Thrombozyten vor der Operation auf etwa 20 000 nachher kann für das Sistieren der Spontan- blutungen doch schon viel bedeuten. Wir selbst haben kürzlich einen (nun schon öfters erwähnten) Fall beobachtet, bei dem man wirklich von einem Ver- sagen der Platt chenreaktion nach der Splenektomie sprechen kann. Die Zahlen zeigen hier vor und nach dem Eingriff überhaupt keine Schwankungen; doch waren im Präparat, etwa am 3. Tage nach der Operation, die sonst ganz spär- lichen Riesenplättchen wohl sicherlich leicht vermehrt; allerdings schon am nächsten Tag sank die Zahl der Plättchen besonders tief und im Blutausstrich wurden sie vollständig vermißt. Wir erinnern uns des eigenartigen Befundes an den Megakaryozyten, der den Mißerfolg erklärlich macht und ganz allgemein verstehen läßt, aus welchen Gründen selbst ein so intensiver Stimulus wie die Lösung der Milz aus ihrem korrelativen Verbände trotz schönster Normoblasten- und Leukozytenkrise keine Plättchen mehr ins Blut zaubern kann. Resümierend dürfen wir also sagen, daß bei chronischer Thrombopenie nach der Milzexstirpation sich allermeist fast momentan ein kritischer Um- schwung im Verhalten der Plättchen vollzieht, daß eine Dauerwirkung durchaus 374 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. T abelle I. Kaznelson Beneke Eigener Fall I (Nr. 15 der Kasuistik) Eigener Fall II Eigener Fall III (Käthe W., Nr. 18 Fall I (Erich F.)') der Kasuistik) Datum Blut- plätt- chen Datum Blut- plättchen Datum Blut- plättchen Datum Blut- plättchen Datum Blut- plättchen 1. 7.16 200 28.3.17 47891 cf. die Zahlen 11. 2. 21 8000 cf. die Zahlen 15. 7.16 360 26.4.17 38 370 in Tabelle S. 318 19.2.21 10 000 in Tabelle S. 317 25. 7.16 350 18.5 17 38420 16.3.22 44 000 10. a.m. Splenek- 10. 4. 23 12 000 1.10.16 300 4.7.17 66053 24 3.22 52 000 tomie 19. 6. 23 40000 10. 10. 16 Splen- 13.7.17 Splenek- — Splenek- 6. p.m. 30 000 2. 8. 23 21000 ektomie tomie tomie 9.3.21 225 000 11.8.23 19200 12. 10. 16 660 000 16.7.17 344076 lV2Std. 80 000 17 3.21 150 000 13.8.23 16.10.16 400 000 28.7.17 1783 514(!) p. oper. 6 Std. p. oper. 78 000 24.3.21 190 000 10°° V. 15 600 18.10.16 460 000 11.8.17 1000000 9.6.22 258 000 5«N. 11200 22. 10. 16 388 000 4.9.17 664000 25.3.22 200 000 580-6 N. Splenektomie 2410.16 1.11.16 3.11.16 200 000 231000 75 000 H.9.17 577800 27.3.22 29.3.22 6.4.22 214 000 432 000 240 000 (wegen und während le- bensgeiähr- denderMen- 5.11.16 11.11.16 28.11.16 66 000 303 000 90 000 27.4 22 22.6.22 208 000 344 000 GS0N. strual-Blu- tungen)2) 14 400 18.12.16 125 000 10°° N. 28000 16. 5.17 128 000 14. 8.23 2. 7.17 74 000 S00 V. 86000 " 7. 9.17 47 000 600N. 197000 2.11.17 107 000 15. 8.23 278 000 Dezb.22 249000 16. 8.23 19. 8.23 23. 8.23 27. 8.23 5. 9.23 17. 9.23 4.10.23 29. 10. 23 10.11.23 25. 5.24 396000 468000 254000 312 000 297000 445 000 440000 246000 286000 264 000 möglich ist und nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen an 18 Fällen mit etwa 60% Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, daß wir aber kein Kriterium haben, um die Zugehörigkeit des Einzelfalles zu dieser Kategorie oder zu der Gruppe mit lediglich temporärer Thrombozytose zu erkennen und daß man auch bei scheinbarem Dauererfolg noch nach Jahr und Tag auf Überraschungen gefaßt sein muß. Die Milzexstirpation hat aber auch unabhängig von der Plättchenreaktion günstige Einwirkungen auf die Blutungstendenz, die bei der Konzeption dieses Eingriffs nicht geahnt wurden, sich mit zunehmender klinisch -hämatologischer Erfahrung über den weiteren Verlauf des Leidens bei den milzlosen Individuen immer deutlicher herausstellten. Die strikte Indikation zur Milzexstirpation werden wir also erst dann herleiten können, wenn wir noch diese in einem fol- genden Abschnitt zu besprechenden Operationsfolgen gewürdigt haben. Röntgenbestrahlung des myeloischen Gewebes. Guggenheimer und Anneliese Witgenstein haben drei Fälle mit- geteilt, in denen sie angeblich durch eine auf die platten Knochen gerichtete 11Mt(J'.-7;l'":"; i.'iniuirt mit ehr seb exazerbierendem Morbus Werlhot Seit 3 Wochen fast un- , ' ";';r"r , ",,i::' ! Nasenbluten das anmittelbar vor dem operativen Eingriff zu erheblicher A„- «führt hatte StauungsverBucb Blutungazeit 28 Minuten. Erythrozyten 2800000, Hämoglobin ' ,' -' •'" •" '; "'" '"; , Neutrophilen. Bestrahlung der Milz nach Stephi bne Effekt. I i'" Ulli W Im Hinblick aal da« kiter des Mädchens als lelchl vergrößert zu betrachten. Thrombopenie : Therapie, Erzeugung einer Plättchenkrise. 375 Tabelle I. Cori Fall I (Paula D.) Datum Blut- plättchen 26.8.20 (20.12.20 31.1.21 7.2.21 22.2.21 24.2.21 5 Std. p. oper. ! 25.2.21 i 26.2.21 3.3.21 22.4.21 13.6.21 20.10.21 17.12.21 Febr. 23 3) fehlend fehlend 700 2200 2 500 Splenek- tomie 109 000 254 000 386 000 740 000 271000 280 000 145 000 23 000 20 000 Cori Fall II (Elischewa R.) Datum 20.10.21 30.10.21 7.11.21 27.11.21 8 Std. p.oper. 28.11.21 30.11.21 3.12.21 14.12.21 18.12.21 26.12.21 Blut- plättchen 2 750 3 500 5000 4 000 Splenek- tomie 63 750 307 000 820 000 862 000 1 150 000 896 000 Exitus infolge eines sub phren. Ab- szesses Na ege Datum Blut- plättchen 5—10 000 Splenek- tomie 1 600 000 24. 5. 22 einige Tage nachd. Ope- ration Novbr. j 500 000 (Exitus an Meningokokken meningitis)4; Klemperer Datum Blut- plättchen Kaznelson (Fall IV)4) Datum 28.11.22 1.12.22 4. 12. 22 5.12.22 6.12.22 7.12.22 9. 12. 22 12.12.22 28.12.22 16.6.23 *) 24 000 18 000 14 000 Splenek- tomie 10 575 58 300 141 120 93 000 150 000 41000 Blut- plättchen Halban5) Datum Blut- plättchen April 21 einige Tage nach d. Ope- ration März 23 30-40000 Splenek- tomie 1 500 000 200 000 7. 7.20 20. 9.20 20. 4. 21 6. 6.21 10.12.21 13. 12. 21 19.12.21 8. 2.22 28. 2.22 im ge- samten Blut- präparat 2 Throm- bozyten 40000 5000 52000 Splenek- tomie 133000 180000 22501)0 176000 Reizbestrahlung einen raschen Thrombozytenanstieg herbeiführen konnten. Ihre Beobachtungen sind aber insofern nicht eindeutig, als jedesmal schon vor Einleitung der Röntgentherapie eine Vermehrung der Plättchen zu konstatieren war; es kann also der Einwand gemacht werden, daß die Bestrahlung gerade in den Beginn einer Spontankrise gefallen sei, die einen Erfolg der Therapie vortäuschte. Auch muß auffallen, daß schon eine einzige Bestrahlung der Kopfknochen oder des Sternums genügen soll, um in der kurzen Frist von 48 Stunden starke Plättchenanreicherungen zu bewirken (einmal von 78 000 auf 190 000, ein anderes Mal von 64 000 auf 150 000). Wir haben bis jetzt fünfmal eine systematische Reizbestrahlung der platten und röhrenförmigen Knochen durchgeführt6). In zwei Fällen blieb die Be- strahlung erfolglos; das wird uns bei dem einen, dem oft erwähnten 11jährigen Knaben, bei dem später auch die Splenektomie versagte, nicht wundernehmen. Die andere Patientin ist die nachher durch Milzexstirpation glänzend beein- flußte Marie Cz. (Nr. 15); bei ihr war am 8. Tage nach Abschluß der Be- 3) Nach freundlicher Mitteilung von Prof. Knöp fei m ach er. 4) Nach persönlicher Mitteilung. 5) 17 jähriges Mädchen mit heftigsten Menstrualblutungen; nach der Milzentfernung stets normale Perioden. 6) Die vor und nach den Bestrahlungen erhobenen Plättchenzahlen der ersten vier Kranken sind mit in der Plättchentabelle S. 316 ff. enthalten. 376 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. 03 2 43 O £ > ja § OOOO OCOQQ Q O Q CO CO lO Q O CO Q CO O CO O O CO O o t> •<* lO "p< \o K5 M lO N © CM O CO tH f-t i-i S CO CO o © »O CO CO t> lO l> t> ^ Äp- Ö 00 W t^ rt rt rt £w s CO V- — © ^ s «e s s £ £ £ £ co co co ^ * * aco CO CO CO CO CO CO CO g CMCMCMJg^lg-CM CM CM CM CM CM CM CM d tH NNN^°^°N CM CM CM CO CO CO Tti "eS P a CM tj! co" oö cd "* ©' -* CM CM CM rt CM CM a +3 o CO 43 ft t> o 12 'S» § lilllilli 1 1 1 1 1 1 $ rt rt CO X © IC © © © co i-i cm a> co i> o i> © O W rt rt I> lO CO CM CM CO rt ,_| +s ■2 iH tH d 5 s 1« © 0©©^rt>©©©© C5 O C3 © © O rt rt rt rt rt CM d ri r! rl N rt a> £ d d © © o i^^oooo S "e8 ■"t''~J^rt''-!'r"l'rH',"J '"l ^ ^ *"! '"! *1 P 3 'l> rt (O Ol . C5 CM rt |> CM • O rt OJ O) CO CM CO CM bj3 d 03 h O CO cö r- co cd ^ ^h co © 'S. Ö CO rt, CO CO rt rt 0) rt co co M Cd Ch —* m co w © -+-> "ö"2 -rts £ i> ■^ ™ 2 t>t-i>i>i> o rt ■i— 1 CC u rt i— 1 rt i— 1 rt rt< d CS IC IC ^ §< 10 1Ö \Ö C l^ o3 P CM in iö« cö oo d w d CM .^0 CM CM CO rt CM lO o ü CM p, C CD H- ( o 43 u >e8 § sis8888S8888SSS88SS [>^jrtOOOOrtCOI>0030COrtrtOI>0 »OOI>COWT|(HrtNNNOOMCM rt 5 o CO 'eö 'S. a rt rt cp vo « CM CM rt fe =5 CD CM CM G O 5 CO OQ U s-i ~ 5 © S CO C P ö CO CO CO CO CO t> t>t>C^-I>I>t>COCOCOCO » N s cd cm ^ ^ cm oi cm cm oi rt rtrti>cd©rt-*cd©d CM - c8 P _; N Zh' Z,1 © rt cci in t^ cd CM03©"CMo6cdrt'*-rjio6 ^i . h :i :i ji oi / / 1-1 -H fl C «8 V 5 1— 1 — £ bO© M Ö 12 S gS2^g88S8 ÖJlOj^OOOOOOOO 8888888888 coooomTtrtrtoco § 8 8 §? rt CO ^Q i :o CO O co i^ cocoococococoortCM © CO CM O g 'S. c oi ->" - CO ce rt rt cc oc cc so cc £ £ E0 CO «O t> t> IN t- 00 XI CO © Sm rt rt r. ■^ ~r T M g _• -' - — '__;_;_:_: — ' N N c4 Pl ci vc t-^ © rt cd M ^H -H . . ^H ^^ — ^- ^< ~H -H i-l ,-H rt -^H rt 1 rt* p K — -r — — 3 — '• B u:0rtJ QI§§'Ö'"S .2 rt< CO 5rt a ©ö 0-3« © 'Ö cS cd O X od£^§ 43 © d N ö — £Srt4-£ £ rtS -d © d k2 © H rn cd ,h< cd d !■§* .«-? |^£+|^ 2 + -S bfi P P CD CDS CO ^ --ca fl b£ö © © o « cS* co M>-i §Eirt 7^ 2 2". X ü es c3.5f.cs cort 5f2j3.2 rt. «- '5^=cs'E2 -* 43 rt— « d tsj :cS © E&moglobingehan 2f)°/0(korr.), Große Mononukleare und Über- Farbeindex 1,0, eangsformen 3%, Zahl der «reißen Blutkörperchen 1200, Eosinophile Zellen fehlen. Polymorphkernige 41°/0, Aleukia haemorrhagica : Kasuistik. 393 Die Blutplättchen sind so außerordentlich spärlich, daß eine Zählung sich erübrigt. Kernhaltige rote Blutkörperchen werden nicht gefunden. Es besteht keine Poikilo- zytose und keine Polychromatophilie. Die Patientin hat in der Zeit vom 11. 3. — 1. 4. in Abständen von etwa 8—10 Tagen drei Injektionen von Neosalvarsan, insgesamt 1,65 g erhalten (außerdem im März und April insgesamt 0,52 Oleum cinereum). II. Fräulein P., 19 Jahre alt, erkrankte vor etwa. 3 Wochen mit Zahnfleischblutungen, die allmählich sehr heftig wurden. Bald darauf stellten sich auch starke Schluckbeschwerden ein. Gelegentlich trat Nasenbluten auf. Am Körper zeigten sich Blutflecken. Im Laufe der Zeit verschlimmerte sich der Zustand, die Patientin hatte mehrmals Schüttelfröste. Bei der Untersuchung fiel ihre hochgradige Blässe auf. Das Zahnfleisch befand sich im Zustande starker Entzündung, Tonsillen und Zäpfchen zeigten einen diphtherieähn- lichen, stellenweise mißfarbenen Belag. Die Untersuchung des Blutes ergab folgendes: Erythrozyten 1 300 000, Hämoglobin 30%, Färbeindex 1,15, Leukozyten (Mittel aus 5 Kammerzählungen) 1 480, Differentialzählung: Polymorphkernige 15,6%, Typische kleine Lymphozyten . . 84,4%. Die Blutplättchen waren außerordentlich spärlich, meist große, vereinzelt liegende Exemplare. Im Präparat fanden sich Makrozyten in mäßiger Zahl, keine kernhaltigen Roten, keine Eosinophilen. Etwa 41/2 Wochen nach Beginn der Erkrankung trat unter dem Bilde schwerster Sepsis und Anämie der Exitus ein. III. Herr Fl., ein 53 jähriger Fleischer, der angeblich immer gesund war, wurde am 9. 6. 1920 in die Klinik aufgenommen. Seit 4 Monaten ist er schwächer und blutärmer geworden. Seit 4 Wochen beobachtete er das Auftreten von Blutflecken am Rumpf und den Extremitäten. Bei kleinen Schnittverletzungen, z. B. beim Rasieren, trat außerordent- lich langes Bluten der Wunde auf. Außerdem litt er häufig an Zahnfleisch- und Nasen- bluten. Befund: Gut genährter, kräftig gebauter Mann von leichenblasser Hautfarbe. Schleim- häute völlig anämisch. Am Körper, an den Unterschenkeln und Unterarmen zahlreiche Stecknadelkopf- bis linsengroße Blutflecken. An dem entzündlich aufgelockerten Zahn- fleisch, an der Zunge und am Weichen Gaumen ebenfalls zahlreiche Petechien. Die Zunge zeigt nicht Hunterschen Typ, Tonsillen frei von entzündlichen Veränderungen. Herz, Lungen, Eingeweide und Nervensystem ohne krankhaften Befund. Milz nicht palpabel, perkutorisch eher verkleinert. Mageninhalt achylisch. Stuhl: von heller Farbe, im Vergleich zu normalen Stühlen sehr arm an Urobilin, Guajak- probe negativ. Harn stets frei von Urobilinogen und Urobilin. Blutuntersuchung: Wassermannsche Reaktion negativ. Bilirubin = 1 : 200 000. Blu- tungszeit äußerst verlängert , mehr als 30 Minuten , Stauungsversuch stark positiv , Re- traktion des Blutkuchens fehlt, Gerinnungszeit in vitro normal, Resistenz der Erythrozyten normal. Erythrozyten sehr blaß, allmählich von 910 000 auf 500 000 abnehmend, Färbe- index ca. 1, Hämoglobin sinkt von 20 auf 10%, keine Makrozyten, wenig Mikrozyten, keine Normo- und Megaloblasten , keine Polychromasie. Weiße Blutkörperchen zwischen 2000 und 1500, Neutrophile sehr stark reduziert (zuerst 600, zuletzt nur noch 300 im Kubikmillimeter). Eosinophile fast ganz fehlend. Relative Lymphozytose, die immer mehr zunimmt und zuletzt 79% ausmacht. Blutplättchen dauernd an Zahl abnehmend, zu- letzt nur noch ca. 20 000 im Kubikmillimeter ; Riesenplättchen. Am 18. 6. 1920 Splenektomie. Ziemlich starke Blutung bei der Operation. Ein zweimalig aufgenommener Blutstatus ergibt, daß die Erythrozytenzahl weiter abgenommen hat, eine Blutplättchenkrise nicht eingetreten ist, daß sich die Leukozyten auf 5100 ver- mehrt haben (davon 90% Lymphozyten!). Am Nachmittag Fieberanstieg, sehr starke Dyspnoe, Tachykardie. 9 Stunden post Operationen! Exitus letalis. Obduktionsbefund: Schwerste Anämie der Haut, der Schleimhäute und inneren Organe. Multiple Petechien am Rumpf und den Extremitäten. Epi- und endokardiale Hämorrhagien. Herzmuskel schlaff, von gelblicher Farbe. Zahlreiche subpleurale Blu- tungen. Hyperplasie des lymphatischen Rachenringes. Kleinste Blutungen in der Öso- phagus-, Tracheal- und Bronchialschleimhaut. Operationshöhle von hühnereigroßem Blutkoagulum ausgefüllt. Peritonealüberzug an dieser Stelle blutig durchtränkt. Punkt- förmige subperitoneale Blutungen. Darmschleimhaut von weißlich-gelber Farbe. Hämor- rhagien in den Nierenbecken, desgleichen in der Schleimhaut der Harnblase. Mesenterial- 394 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. drüsen nicht verändert. Leber verkleinert, von sehr weicher Konsistenz, verwaschener Zeichnung, ockergelber Färbung. Mäßige Hämosiderose. Gallenblase von ganz heller Galle erfüllt. Knochenmark der Rippen, des Brustbeins und der Wirbel schmutzig-gelb verfärbt, gelatinös aussehend, keine Spur von rotem Mark sichtbar. Gehirn stark anämisch. Die exstirpierte Milz ist klein, ziemlich derb, blaurot gefärbt. Der histologische Befund ergab folgendes : Knochenmark der Rippen und des Sternums : Myeloides Gewebe auf ganz kleine Zellinseln beschränkt, Normoblasten fehlen ganz; neu- trophile Myelozyten sehr spärlich vorhanden, außerordentlich wenig eosinophile. Relativ zahlreich sind noch kleine Lymphozyten und lymphoide Zellen, doch besteht keine Lympho- zyten Wucherung. Megakaryozyten nicht vorhanden. Im ganzen ist das völlige Fehlen des bunten Bildes eines normalen Knochenmarkes auffallend. Milz äußerst follikelarm, Keimzentren nur angedeutet. Die rote Pulpa enthält wenig Erythrozyten, fast gar keine myeloiden Zellen. Blutplättchen nicht nachweisbar. Die Follikelzellen haben den Charakter von kleinen Lymphozyten. Starke Entwicklung des kapsulären und trabekulären Bindegewebes. Leber: Weitgehende Verfettung der Zentralpartien der Azini. Kupffersche Sternzellen deutlich erkennbar, an Zahl spärlicher als normal. In den Leberzellen nur geringgradige Pigmentablagerung. In den Leberkapillaren Lymphozyten, aber auch Erythrozyten und Granulozyten sichtbar. Mesenteriale Lymphdrüsen: mäßig atrophisch, Lymphfollikel wenig ausgeprägt, Keim- zentren sichtbar. Wenig Mitosen. Sehr wenig Erythrozyten und Granulozyten aufzufinden. IV. Wilhelm Gr., 60 Jahre alt, erkrankt Anfang September 1922 mit zunehmender Mattigkeit, Kopfschmerzen, Ohrensausen und Appetitlosigkeit und bemerkt alsbald an Rumpf und Extremitäten zahlreiche Stecknadelkopf- bis zehnpfennigstückgroße dunkle Flecken. Späterhin fing das Zahnfleisch an zu bluten. Er brachto beim Räuspern blutigen Schleim herauf und entleerte gelegentlich beim Husten Blutgerinnsel. Am 9. 10. wurde der Patient wegen Anaemia gravissima der medizinischen Klinik überwiesen. Der mittelgroße, 76 kg schwere, in gutem Ernährungszustande befindliche Mann ist wachsbleich, auch jetzt noch sieht man auf der Haut des Rumpfes und der Extremitäten eine Anzahl frischer und älterer Blutungen, teils stecknadelkopfgroße Petechien, teils dunkelblaue Flecke bis zu Pfennigstückgröße. Auch die Schleimhaut der Wangen und des Gaumens weist mehrere kleine und kleinste Bluteinsprengungen auf. Das Zahnfleisch blutet leicht auf Druck, ist aber nirgends entzündet. Auch weicher Gaumen, Tonsillen und Rachenwand scheinen nicht krankhaft verändert zu sein. Beim Husten entleert Patient mit dem spärlichen Auswarf stets etwas geronnenes Blut. An Herz und Lungen ist ein krankhafter Befund nicht zu erheben. Die Milz ist nicht zu tasten und auch perkutorisch nicht vergrößert. Der Magen ist nüchtern leer. Nach Probefrühstück werden 50 ccm nicht sanguinolenten Inhaltes ausgehebert, welcher freie Salzsäure enthält (freie HCl 5, Gesamtazidität 45). Im Stuhl und Urin kein Blut. Der Harn gibt eine schwache Urobilinreaktion. Nervensystem ohne Befund. Der Stauungsversuch fällt stark positiv aus. Die Blutungszeit ist auf etwa 13 Minuten verlängert, die Gerinnungszeit eher verkürzt, da das Venenblut im Uhrschälchen nach 12 Minuten fest geronnen ist. Wassermann: negativ. Die Blutuntersuchung ergibt folgendes: 10.10. Erythrozyten 1300 000, Hämoglobingehalt 22°/0, Leukozyten 6 300, Polymorphkernige 44%, Lymphozyten 54°/0, Monozyten l°/0. Dio Blutplättchen sind außerordentlich spärlich, ihre Zahl ist 6300. 13. 10. Erythrozyten 490 000, Leukozyten 4 700, Polymorphkernige 51°/0, Lymphozyten 48°/0, Eosinophile ] °/0. Unter zunehmender Unruhe und starker Dyspnoe tritt am Nachmittag des 13.10. der Exitus ein. An- dem Sektionsbefunde Bei folgendes hervorgehoben: Die Baisorgane sind ohne besonderen Befund. In der Schleimhaut dos Magens zahl- reiche punktförmige, zum Teil zusammenfließende Blutungen. Aleukia haemorrhagica : JKasuistik . 395 Die Milz ist von normaler Größe, mäßig derb, blaßrot, Pulpatrabekel sind deutlich sichtbar. Bas Mark der Röhrenknochen war reines gelbliches Fettmark. Der histologische Befund der Femurepiphyse ist in der Abb. HS. 404 festgehalten: Hämatopoetisches Gewebe fehlt vollständig. V. Pauline Seh., 45 Jahre alt, erhielt wegen sekundärer Syphilis von Mitte Januar bis Mitte August 1918 2,85 g Salvarsannatrium bzw. Neosalvarsan und vom 21. 12. 1918 bis 21. 2. 1919 die gleiche Dosis. Nach der ersten Kur, bei der sie außerdem 0,3 Oleum cinereum erhalten hatte, traten als Zeichen einer Quecksilberintoxikation Stomatitis und starke Durchfälle auf, welche die schwer geschwächte Patientin zwei Monate ans Bett fesselten. Wenige Tage nach Abschluß der zweiten Salvarsankur hatte Patientin unge- wöhnlich starke und lange andauernde Menses. Am 11. 3. 1919 suchte sie klinische Behand- lung auf, da inzwischen an der Mundschleimhaut, an der Oberfläche des Rumpfes und an den unteren Extremitäten zahlreiche Blutflecken aufgetreten waren. Am 13. 3. wurde sie wegen der hämorrhagischen Diathese in die medizinische Klinik verlegt. Auffallend war außer den Petechien am Rumpf und den Extremitäten eine leichte Rötung und Auflockerung des Zahnfleisches. Die freien Ränder der Zähne, besonders der Eck- und Schneidezähne, waren mit Blutkrusten bedeckt. Bestreichen mit Watte- bäuschchen genügte, um das Zahnfleisch zum Bluten zu bringen. Wenige Tage nach der Aufnahme — 3 Wochen nach der letzten Peiiode — traten außerordentlich starke Uterinblutungen auf. Der Rachenring war gerötet und geschwollen. Die rechte Tonsille zeigte einen schmie- rigen, grau gefärbten Belag mit geschwürigem Untergrund, ebenso erschien die angrenzende Uvula und die andere Tonsille ulzeriert und belegt. Die bakteriologische Untersuchung der Rachenabstriche ergab das Vorhandensein von Kokken, Stäbchen und Spirillen. Die Zirkulations- und Respirationsorgane, die Eingeweide und das Nervensystem waren ohne wesentlichen Befund. Im Urin fehlte jede Spur von Urobilin, weder chemisch noch mikroskopisch ließ sich Blut nachweisen. Der Stuhl war ebenfalls frei von Blut. Die Temperatur war leicht erhöht (zwischen 37° und 38° C). Die Blutungszeit war mit mehr als 30 Minuten erheblich verlängert. Der Gerinnungs- versuch ergab: Nach 4 Minuten Beginn, nach 35 Minuten Vollendung der Gerinnung. Die Reaktionsfähigkeit des Blutkuchens war aufgehoben. Die Anlegung einer Stauungs- binde am rechten Unterarm rief nach 7 Minuten zahlreichste flohstichartige Hautblutungen hervor. Reiben und Beklopfen der Haut bewirkte große Blutaustritte in das Unterhaut- zellgewebe. Der Blutstatus ist aus folgender Tabelle ersichtlich: Datum Zahl der roten Blut- körper- chen Hämo- globin- gehalt Färbe- index Zahl der Leuko- zyten Poly- nukle- äre 0/ aD" /o solut Lym- pho- zyten 0/ 1 aD* /o| solut Eosino- phile o/ 1 ab" /o| solut M m j /o ono- Lkle- ire ab- solut Plätt- chen 14.3. 17.3. 19.3. früh nachm. 1 600 000 1400 000 1032 000 900 000 30 22 15 13 0,97 0,8 0,7 2800 2100 1100 600 20 12 560 132 75 87 2100 957 1 1 28 11 4 112 22 000 16 000 10 000 Im Laufe des 19. 3. ging es der Patientin wesentlich schlechter, die Temperatur stieg auf 39,3° C. Im Urin trat zum ersten Male Urobilin in mäßigen Mengen auf. Am 20. 3. 1919 erfolgte unter sichtlichem Verfall und Temperaturanstieg auf 40,3° C um 9 Uhr der Exitus. Die Sektion ergab zahlreiche Hautblutungen, hochgradige Anämie der inneren Organe, erhebliche Verfettung des Herzens und der Leber und multiple kleine Blutungen des Endo- kards, kleine Milz ohne abnormen Befund. Das Mark in den Röhrenknochen und im Brustbein war gelblichbraun gefärbt, enthielt nur kleine rote Bezirke. Bei der mikroskopischen Durchmusterung der Knochenmarks- schnitte (Sternum und Femurepiphyse) zeigte sich die Zahl der Erythroblasten und vor- nehmlich der Myelozyten im Vergleich zu normalen Abstrichen erheblich vermindert. Desgleichen vermißte man vollkommen Megakaryozyten, die Mutterzellen der Blutplättchen. Die vorhandenen Zellen waren vorzugsweise kleine Lymphozyten. 396 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. VI. Paul Seh., 37 jähriger Landarbeiter, soll vor einem Jahre einmal heftiges Nasen- bluten gehabt haben, das im Krankenhause gestillt werden mußte. Dieses Jahr erkrankte er zur Erntezeit beim Bücken wiederum mit starkem Nasenbluten; ferner begann das Zahnfleisch zunehmend heftiger zu bluten. Gleichzeitig stellte sich Fieber ein. Da der behandelnde Arzt der Blutung nicht Herr werden konnte, wurde der Kranke der Klinik überwiesen. Aus den Nasenöffnungen sickerte bei der Aufnahme Blut hervor. An den oberen Extremi- täten fanden sich punktförmige Hämorrhagien. Die Schleimhaut des Rachens war zyanotisch verfärbt und geschwollen. Es bestand Foetor ex ore. Die Tonsillen waren ohne besonderen Befund. Die ophthalmoskopische Untersuchung zeigte, daß auf der linken Netzhaut ausge- dehnte Hämorrhagien sich fanden. Leber und Milz waren nicht vergrößert. Im Stuhl fand sich reichlich Blut. Harn ohne Besondeiheiten. Die Temperatur war dauernd leicht erhöht. Die Untersuchung der Blutungszeit wurde einmal nach 12, einmal nach 15 Minuten bei großen Tropfen abgebrochen. Unter der Stauungsbinde entwickelten sich zahlreiche Petechien bis zur Mitte des Unterarmes. Die Gerinnungszeit war normal (Beginn nach 7, Ende nach 10 Minuten). Blutstatus : Zahl der rot. Blut- körper- chen Hämo- globin- gehalt Färbe- index Zahl der Leuko- zyten Poly- Lympho- nukleäre zyten Eosino- phile Mono- nukleäre Plätt- 0/ /o ab- solut /o ab- solut 0/ /o ab- solut /o ab- solut chen 10. 9. 23 17. 9. 23 29. 9. 23 3. 10. 23 5. 10. 23 6. 10. 23 1 450 000 1 200 000 900 000 480 000 620 000 540 000 20 16 11 8 0,83 0,89 0,9 0,8 3400 2500 2100 3200 3300 2200 35 33 62 32 - 1190 825 1202 1024 54 58 35 65 1836 1450 735 2080 2 68 7 9 3 3 238 225 63 96 24 500 24 000 8 000 6 000 Bemerkungen. Im roten Blutbild geringe Anisozytose, oftmals keine, gelegentlich ganz vereinzelte Normoblasten, keine Polychromasie. Postvital färbbare Erythrozyten ganz vereinzelt. Über den Krankheitsverlauf ist zu berichten, daß das Nasenbluten sich zunächst durch Afenil- und hypertonische Kochsalzinjektion stillen ließ. Am 27. 9. wurde eine Sternal- trepanation vorgenommen. (Das Bild des Abstrichs s. S. 405 Abb. 12.) Trotz sorgsamster Behandlung der Wunde war deren Infektion nicht zu verhüten und es entwickelte sich von der Trepanationsstelle ausgehend eine tiefgreifende, gangräneszierende, mit starken Blutungen aus der Wundfläche einhergehende Entzündung *•). Bei der Sektion erwies sich das Femurmark als reines Fettmark. Krankheitsbild. Obwohl die Aleukie, wie wir bereits in der Einleitung er- wähnten, seltener zu sein scheint, als sie in Wirklichkeit ist, weil viele Fälle unter falscher Flagge segeln, bleibt sie doch eine recht seltene Erkrankung. Aus der Weltliteratur dürften kaum mehr als 70 Beispiele beizubringen sein. Den richtigsten Maßstab gewinnt man wohl, wenn man — über ein eigenes großes Material an Blutkrankheiten verfügend — nach Ablauf einer genügend weit gespannten Zeitperiode die Zahl der beobachteten Aleukien vergleicht mit der Frequenz derjenigen Erkrankungen, mit denen sie der äußeren Ähn- lichkeit wegen gern verwechselt wird, der Biermer-Ehrlichschen perniziösen Anämie und der Werlhofschen Krankheit, der benignen oder essentiellen Thrombo- penie. Wir sahen in dem Zeitraum von 1915 bis Mitte 1923 nicht weniger als 70 typische perniziöse Anämien und mehr als 50 essentielle Thrombopenien, ') Während bei essentieller Thrombopenie nach unseren Erfahrungen die Sternal- punktioE unbedenklich ist, lehrl der vorliegende Fall, daß bei der Aleukie von diesem die Diagnose sichernde]] Verfahren doch wohl wegen der Infektionsgefahr wird Abstand ge- nommen winlin müssen. Aleukia haemorrhagica : Krankheitsbild. 397 aber nur 6 Aleukien, sogar nur 4, wenn man lediglich die kryptogenetischen Formen zählt. Die Krankheit, die kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern macht, scheint vorzugsweise Adoleszenten und jüngere Erwachsene, das Alter zwischen 12 und 35 Jahren, zu befallen. Einen auch autoptisch verifizierten Fall hat Kleinschmidt bei einem 4L/2 jährigen, Spak bei einem 33/4 jährigen Kinde beschrieben. Jenseits des 5. Dezenniums ist sie wohl besonders selten; doch ist an ihrem Vorkommen im höheren Alter nach den Mitteilungen von Bloch, Zeri, Stones, Caussads und Schaff er und eigenen Erfahrungen nicht zu zweifeln. Von unseren Patienten stand ja der eine im 53., der andere im 60. Lebensjahre. Kurpjuweit beschreibt als letale Anämie im Greisenalter den Krankheitsfall eines 68 jährigen Mannes mit progressiver Blutarmut, dessen Rippenmark sich post mortem als ganz zellarm und atrophisch erwies. Eppinger erwähnt kurz, daß er zwei ähnliche Fälle gesehen habe, darunter den eines 71jährigen, die er geneigt ist, als ,, aplastische" Anämie anzusprechen. Der Fall von Kurpjuweit ist aber streng genommen keine idio- pathische, sondern eine symptomatische Panmyelophthisie, da ein mächtiger Milztumor vorhanden war (vgl. den Abschnitt: Splenogene oder splenopathische Myelotoxikose). Von Zustandsbild und Krankheits verlauf der Aleukia haemorrhagica läßt sich etwa folgende Schilderung geben: Die Kranken präsentieren sich dem Arzte mit einer fahlen Blässe des Inte- guments, die sofort die extreme Blutleere verrät. Manche sind früher sehr gesunde, ja robuste Menschen gewesen, andere waren schon immer asthenisch und anfällig ; seit einigen Wochen oder Monaten fühlen sie alle trotz eines manch- mal noch recht befriedigenden Ernährungszustandes eine sich ständig steigernde Schwäche und Hinfälligkeit, die sie früher nicht gekannt haben. Eine geringfügige Epistaxis, Bluten des Zahnfleisches beim Putzen der Zähne, Vermehrung des menstruellen Blutabganges ist ihnen wohl aufgefallen solange das Krankheitsgefühl besteht, hätte sie aber zunächst noch nicht zum Arzte geführt. Erst Wenn die Blutverluste sich häufen, wenn hier und da auf der Haut große Blutflecken bemerkbar werden oder ein universelles petechiales Exanthem sich ausbildet, wächst ihre Besorgnis. Während der klinischen Beobachtung drängt sich dann die fast unaufhörliche Blutung aus einer be- stimmten Schleimhaut (Nase, Zahnfleisch, Uterus, Darm) mitunter ganz in den Vordergrund. Jede subkutane Injektion, jeder Schlag auf die Haut über knöcherner Unterlage ruft jetzt umfängliche Blutinfiltrationen hervor. Unter der Stauungsbinde häufen sich die Petechien. Aus dem Einstich in die Finger - beere mag das Blut wohl eine halbe Stunde, ja noch länger nachsickern. Mit- unter eröffnet die profuse Schleimhautblutung die Szene, kündet als erstes Zeichen die sich vorbereitende schwere Bluterkrankung an. Sieht man genauer zu, so erkennt man bald, daß die Blutungen meist nicht aus unveränderter Schleimhaut erfolgen. Das Zahnfleisch ist nicht nur mit Blutkrusten bedeckt, nicht nur hier und da durch das Platzen des abgehobenen Epithels leicht erodiert oder an einzelnen Stellen durch Blutimbibition bläulich verfärbt und geschwollen, es ist vielmehr mindestens diffus aufgelockert, mit Blut und exsudierter Flüssigkeit durchtränkt, ist entzündlich verändert; vielfach aber quellen die Interdentalpapillen schwammig hervor, sie sind morsch, zum Zerfall neigend, mißfarben, mit schmierigen Belägen versehen; kurz, man meint, das Bild der skorbutischen Gingivitis vor sich zu haben. Sieht man genauer zu, so erweist sich die schwere Affektion des Zahnfleisches nur als die Teilerscheinung einer sehr allgemeinen ulzerösen Stomatitis, indem auch die Wangen, die Zunge, die Tonsillen, die Pharynxwand der Sitz destruierender Prozesse sind. Die Mundhöhlenerkrankung präsentiert sich nicht nur als skorbutoide Gingivitis, sondern zugleich als Plaut -Vincentsche 398 IE. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. oder diphtheroide Angina mit tiefen Kratern in den Tonsillen, partieller Nekrose des Zäpfchens, mit fetzigen, mißfarbenen membranösen Auflagerungen am weichen Gaumen, an der hinteren Rachenwand, die sich nicht abstreifen lassen, sondern tief im Gewebe verankert sind und nach der Entfernung stark blutende, geschwürig veränderte Flächen zutage treten lassen. Naturgemäß Wechselt von Fall zu Fall Intensität, Ausbreitung und Haupt- sitz des nekrotisierenden Prozesses ; die Lokalisation am Zahnfleisch tritt zurück und man glaubt am ehesten eine ,, maligne Diphtherie" vor sich zu haben oder man findet eine nekrotisierende Entzündung der Wangenschleimhaut, die bis zum Kieferperiost vordringt und bis zu Knochensequestrierungen führt, ja selbst in der furchtbaren Gestalt der Noma bis zur äußeren Haut durch- dringt. Manchmal etablieren sich ähnlich bösartige Prozesse in der Schleimhaut der Nase oder ihrer Nebenhöhlen. Die Gewebszerstörung kann vom Schlünde aus sich weit in den Ösophagus hinein erstrecken ; hämorrhagisch-f ötide Bronchi- tiden und Lungengangränherde werden beobachtet. Mund und Bachen (samt den mit ihnen kommunizierenden Höhlen, Röhren und Kanälen) scheinen zwar der bevorzugte Sitz der gewebsdestruier enden Affektionen zu sein, aber die Häufigkeit dieser Lokalisation ist zum Teil -vor- getäuscht, weil naturgemäß an verborgeneren Stellen des Körpers sich abspielende Erkrankungen leichter übersehen werden. Untersucht man die blutigen Ausscheidungen genau, so wird man häufig feststellen können, daß nicht nur in der Mundhöhle Blutung und Entzündung aufs engste verbunden sind. Die häufigen, unter Tenesmen entleerten Stühle enthalten blutigen Schleim, womöglich Schleimhautfetzen; der Harn ist trübe, übelriechend, enthält nicht nur rote Blutkörperchen, sondern massenhaft Bak- terien, Epithelhaufen, Sargdeckelkristalle; tritt die Uterinblutung zeitweilig zurück, so bleibt starker, an Lochialsekrete erinnernder Ausfluß bestehen. Die Autopsie deckt in solchen Fällen schwere ,,diphtheritische" Entzündungen in der Blasen- und Xierenbeckenschleimhaut, am Endometrium und Dickdarm auf. Ge- legentlich ist der Prozeß vorzugsweise an den lymphatischen Apparaten des Ileozökum lokalisiert: Schwellung, Nekrose, Ulzeration der Payerschen Plaques kann dann noch bei der Obduktion eines klinisch dunklen Falles auf die falsche Fährte eines Typhus oder Para- typhus führen 1). Es ist fast selbstverständlich, daß sich an so ernste Lokalprozesse sehr leicht und sehr rasch die Allgemeininfektion anschließen kann, mit hoher Kontinua oder Schüttelfrösten , Prostration , zerebraler Intoxikation , zunehmender Schwäche des Kreislauf apparates. Gelingt — wie nicht selten — der Bakterien- nachweis im strömenden Blut, so scheint — zumal bei verborgenem Herde — das Bild der kryptogenetischen Sepsis gegeben. In diesem Komplex von hämorrhagischer Diathese und Infekt hebt sich nun noch als etwas Besonderes die Blutarmut hervor. Auch angesichts der Blutverluste und der anämisierenden Wirkung des Infektes erscheint sie dem unbefangenen klinischen Beobachter als unverhältnismäßig schwer und drängt zu gründlicher Analyse des Blutbildes. Bei den zur Zeit der ärztlichen Beob- achtung meist wachsbleichen Kranken fehlt, auch wenn der Farbenton der Haut ') Noch kürzlich haben sich Herzog und Röscher (a) in einem sehr typischen Falle, den Bie klinisch als hämorrhagische Aleukie erkannten, durch den Obduktionsbefund irre- führen lassen. Sie fanden die Payerschen Plaques geschwollen, ulzeriert und im Zökum • ine geschwtirig zerfallende, kleinhandtellergroße Gewebsnekrose, die bis in die Muskularis hineinreichte. Die Annahme einer typhösen Erkrankung stützte sich (bei steril bleibender Bhitkulturl) außer auf diese anatomischen Veränderungen lediglich auf das Vorhanden- em massenhafter n-amnegativer Stabchen, von denen es unentschieden blieb, ob es sich am Vertreter der Roli- oder der Milchsauregruppe handelte. Aleukia haemorrhagica : Hämatologie. 399 ins Gelbliche spielt, doch durchaus ein subikterisches Kolorit; die Serumfarbe ist hell und blaß; der Bilirubingehalt des Serums, bestimmt nach Hijmans van den Bergh, normal oder eher vermindert. Hämatologie. Bei der morphologischen Blutuntersuchung fällt zunächst die hochgradige Verminderung der roten Blutzellen auf; ihre Zahl erreicht häufig noch nicht eine Million im Kubikmillimeter und sinkt während der Beobachtungszeit unaufhörlich weiter. Ebenso ist der Farbstoff gehalt des Blutes ganz außerordentlich niedrig. Trotz der Verarmung an Erythrozyten springt keines der Merkmale in die Augen, die sonst für erhebliche Grade von Blutarmut charakteristisch sind. Die Größenunterschiede zwischen den einzelnen Zellen halten sich im allgemeinen in den Grenzen der Norm, höchstens daß vereinzelte hyperchrome Makrozyten auffallen. Dementsprechend schwankt der Färbeindex etwa zwischen 0,85 und 1,0. Die Blutkörperchen wahren meistens ihre Form, so daß keine aus- gesprochene Poikilozytose besteht. Kernhaltige rote Zellen werden auch bei sorgfältiger Durchmusterung mehrerer Präparate meistens gar nicht oder nur ganz vereinzelt gefunden. Vergeblich sucht man nach Jugendformen, kenntlich an der Polychromatophilie, an der baso- philen Punktierung oder endlich an der — durch postvitale Färbung mit Brillantkresylblau darstellbaren — granulären und retikulo- filamen- tösen Substanz. Die Abwesenheit der letzteren, von Naegeli und Vaquez vermutet, ist zuerst von Minot und Musser dargetan worden. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß man sich bei der Diagnose nicht sklavisch an die Symptomatologie der klassischen Fälle — und besonders nicht an ein einzelnes Symptom — klammern darf . Ehrlich hat aus dem Fehlen der Normoblasten das aregeneratorische histologische Bild erschlossen; aber wir wissen heute, daß bei sehr vielen typischen Fällen stärkst regenerierender Perniziosa Normoblasten nicht im Blute auftreten, und umgekehrt scheint es nach den Beobachtungen von Türk (b) (auch eine neuerdings von Sternberg [a] mitgeteilte Beobachtung lehrt ähnliches) Pan- myelophthisien zu geben, bei denen kernhaltige Erythrozyten (meist mit pykno- tischem Kern) gefunden werden. Türk meint, daß gerade bei schwerer Schädi- gung des Markgewebes die wenigen Erythroblasten, die doch wohl meist noch im Marke vorhanden sein dürften, besonders leicht ausgeschwemmt werden können. Eine solche ,,Ausschwemmungsnormoblastose" bei progressiver Mark- destruktion braucht nicht irre zu führen, wenn man das gesamte sonstige rote und das Weiße Blutbild kritisch würdigt. Ein Färbeindex nahe an 1, das Fehlen von Polychromatophilie, Basophilie und vital färbbarer Substanz wird unter Umständen mehr in die Wagschale fallen als ein paar ,, gealterte" Normoblasten, die im Frühstadium, aber nach Türk auch in den Endphasen der Erkrankung im Blute kreisen. Die weißen Blutkörperchen sind außerordentlich spärlich, meist bewegen 6ich die Werte zwischen 1000 und 2000; ja man hat Senkungen bis zu 600 be- obachtet. Bei der Differentialzählung überwiegen mit 60 — 80% typische kleine Lymphozyten. Es handelt sich also um eine enorme absolute Neutropenie: 800 — 150 polymorphkernige Zellen im Kubikmillimeter — , das bedeutet eine Reduktion dieser vorherrschenden Zellklasse auf den sechsten bis dreißigsten Teil der Norm, und — was besonders bemerkenswert ist — auch leukotaktische Reize (Adrenalin, Nukleinsäure, Proteinkörper) vermögen an diesem Tiefstand nichts mehr zu ändern (s. Tabelle). Die dynamische Prüfung des Blutbildes, im vorliegenden Falle also das Versagen der leukozytären (und der bei schwerer Anämie häufig damit verbundenen normoblastischen und thrombozytären) Reaktion dürfte besonders für die Anfangsstadien, in welchen die 400 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Neutropenie — statisch betrachtet — noch mäßigen Grades ist, diagnostisch sehr wert- voll zu sein. Qualitativ abnorme Elemente der myeloischen Reihe fehlen im Blutbilde durchaus. Die wenigen neutrophilen Zellen zeigen meist die starke Kernsegmen- tierung gealterter Formen. Eosinophile Leukozyten, deren Fehlen Ehrlich einst mit auf die Fährte der „Knochenmarksaplasie" führte, sind in der Tat oft ganz abwesend und zeigen fast in jedem Falle eine erhebliche absolute Ver- minderung, selbst wenn sie prozentisch im normalen Mischungsverhältnis gezählt werden. Die hochgradige relative Lymphozytose muß natürlich bei sehr niedriger Gesamtzahl der Weißen gleichbedeutend sein mit einer Verminderung der normalen Lymphozytenzahl ; aber diese absolute Lymphopenie hat eine sehr geringe Bedeutung ; an ihre Stelle tritt nicht selten eine Vermehrung der Lympho- zyten auf das Doppelte, Vierfache, ja vielleicht Zehnfache der Norm; zur rela- tiven gesellt sich die absolute Lymphozytose. Durch Adrenalin lassen sich solche Lymphozytosen künstlich auslösen oder — anders ausgedrückt — die erste — lymphozytäre — Phase der Adrenalinreaktion ist positiv, mitunter sogar auffällig stark positiv, während die zweite, leukozytäre, ausfällt. Als Beispiel sei das Ergebnis des Adrenalin Versuchs in Fall 3 (nach der Arbeit von Gorke [a]) und in Fall 6 angeführt. Fall 3. Tag Zeit Erythro- zyten Leuko- zyten Neutro- phile °/o absolut Davon Monozyten und Eosinophile °/0| absolut Lympho- zyten % absolut P lättchen 16.6. vor der In- jektion von "0,001 Ad- renalin 550 000 1500 20 300 5 75 75 1 125 20 000 30 Minuten später 520 000 11000 9 990 2 220 89 9 790 24 000 18.6. vor Ad- renalin 500 500 1900 16 304 5 95 79 1501 23 000 30 Minuten später 520 000 10 200 8 816 1 102 91 9 282 28 000 Fall 6. Tat Zeit Erythro- zyten Leuko- zyten Neutro- phile ab- solut Lym- pho- zyten /o I ab- solut Plätt- chen Bemerkungen 22.9. 23 Vor der Injektion v. 1 mg Adrenalin 5 Min. Bp&ter I."» .. 1 200 000 3 200 35 1120 65 2080 8 000 7 500 24 1800 76 5700 11700 20 2340 80 9360 10 000 Keine Normo - blasten Im gesamten Ausstrich zwei Normoblasten Aleukia haemorrhagica : Atypische und. unvollkommen entwickelte Blutbilder^ 401 Diese spontanen oder provozierten Lymphozytenvermehrungen sind das Zeichen einer sekundären lymphatischen Hyperplasie im Knochenmark, eine Art lymphatischer Reaktion (vgl. , pathologische Anatomie"). Die Lymphozyten sind stets die typischen Formen des normalen Blut- bildes, also entweder die schmalleibigen kleinen oder die gealterten breitleibigen mit gebuchtetem Kern, deren Protoplasma aber immer schwach färbbar bleibt. Unreife Lymphozyten, also insbesondere abnorm große Formen, aber auch kleinere mit stärker basophilem Protoplasma oder lockerer gesponnenem Kern- chromatin werden nicht beobachtet; ebenso fehlen zerquetschte Lymphozyten und Lymphozytentrümmer, die sog. Gumprechtschen Schatten. Auf die fast konstante Th.ro mbopenie wurde schon hingewiesen. „Die Plättchen sind zu vernachlässigen", „man konnte sie nicht zählen", „man hatte Mühe, eines zu finden", so etwa lauten die Angaben der Autoren, die früher auf das dritte Formelement bei dieser Krankheit überhaupt geachtet haben. Neuerdings ist die Plättchenarmut natürlich auch zahlenmäßig fest- gelegt worden, man braucht nur einen Blick auf die aus unseren Kranken- geschichten zusammengestellten Plättchenwerte zu werfen, um zu erkennen, daß die Thrombopenie bei der Aleukia haemorrhagica die gleichen exzessiven Grade erreicht wie bei der „essentiellen" Form. Plättchen bei den von uns selbst beobachteten Fällen von Aleukie. Fall I: Außerordentlich spärlich. „ II: Sehr spärlich, groß, vereinzelt liegend. „ III: 20 000, nach Adrenalin kaum vermehrt, große Formen (s. Tabelle auf S. 400). „ IV: 6300. „ V: Abnehmend von 22 000 auf 10 000 im Laufe weniger Tage. „ VI: Abnahme der Plättchen von 24 500 auf 6000 im Laufe von vier Wochen. Andere Autoren sind zu dem gleichen Resultat gekommen (Beneke, Fall I; Plättchen abnehmend von 20 000 auf 12 000, Fall III: Plättchen abnehmend von 30 000 auf 430. Fall II: Plättchen fast völlig fehlend; Herzog und Röscher [a], Fall II: Plättchen 5760, Fall III: Plättchen 30 000). Die wenigen Plättchen sind wie bei der essentiellen Thrombopenie meist sehr voluminös. Atypische und unvollkommen entwickelte Blutbilder. Das Blutbild wurde zunächst so entworfen, wie es sich auf der Höhe der Erkrankung in den klassi- schen Fällen darstellt. Es ist aber von vornherein wenig wahrscheinlich, daß die Zerstörung des myeloischen Gewebes sich unter allen Umständen auf sämt- liche Elemente des Markes gleichmäßig erstrecken wird. Die Empfindlichkeit der drei Gruppen von Stammzellen, der Erythrogonien, der Myeloblasten, der Megakaryozyten wird wohl schon generell eine verschiedene sein und dürfte zudem auch individuellen, konstitutionell bedingten Schwankungen unter- liegen. Vielleicht wird auch je nach der Art der einwirkenden Noxe bald mehr die eine, bald mehr die andere Zellrasse geschädigt. So wird manchmal in den Anfangsstadien, manchmal während des gesamten Krankheitsverlaufes die Blut Veränderung einen mehr monosymptomatischen Charakter tragen. Wir werden noch zu erörtern haben, daß die Megakaryozyten gegenüber den Mykotoxinen besonders sensibel zu sein scheinen. Daraus würde folgen, daß manche Fälle längere Zeit hindurch sowohl klinisch als hämatologisch als Morbus maculosus Werlhofii imponieren werden, indem selbst die genauere morphologische Durchforschung des Blutes nicht ohne weiteres den malignen Charakter des Prozesses enthüllt; ich vermute allerdings, daß die „dynamische" Blutkrankheiten. II. 26 402 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Blutuntersuchung, also die myelozytäre Reizung mittels Adrenalin usw., auch unter solchen Umständen die Insuffizienz des Markes wird erkennen lassen. Im Verlaufe der Erkrankung wird aber in diesen Fällen immer klarer, daß es sich nicht um eine isolierte Megakaryotoxikose handelt, sondern daß diese nur Teilerscheinung einer allgemeinen Schädigung des leukoblastischen und auch des erythroblastischen Apparates ist. Anderseits sind von Herz, Schauman, Parkes-Weber, Heubner Fälle beschrieben worden, bei denen trotz anatomisch nachgewiesener Mark- atrophie Blutflecken und Blutflüsse ganz fehlten oder wenigstens sehr in den Hintergrund traten. Nur Parkes-Weber macht Angaben über die Plättchen, die im Ausstrich stets spärlich gewesen sein sollen. Auch auf die Megakaryo- zyten ist in diesen Fällen wenig geachtet worden. Es ist deshalb chwer, über die Ursache des Ausbleibens der Hämorrhagien sich ein Urteil zu bilden. Am wahrscheinlichsten ist, daß die Thrombozyten sich etwa an der kritischen Grenze bewegt haben und daß durch Stich, Stoß oder Stauung die latente Diathese wohl hätte enthüllt werden können. Vielleicht war auch in einzelnen Fällen die Megakaryozytenschädigung zwar erheblich genug, um eine hochgradige Hypothrombozytose zu erzeugen, aber doch wiederum nicht so intensiv, daß eine „Thrombopenie" resultierte. Das erythroblastische Gewebe scheint am resistentesten zu sein. Diese Behauptung steht, wie im Abschnitt ,, Pathogenese" besprochen wird, mit der Tatsache der Anaemia gravissima nur in scheinbarem Widerspruch. Wir kennen Fälle, in denen trotz der typischen Markatrophie nur eine Oligozythämie mittleren Grades vorhanden war (etwa 2 000 000 in den Beobachtungen von Engel, Bloch, Steinhaus und Stordeur). Ja, gelegentlich kann man geradezu von einer Dissoziation des erythro- und leukoblastischen Apparates sprechen, von einer anscheinend auf das leukopoetische Gewebe beschränkten Schädigung bei relativ intakter Erythropoese. Türk und Helly haben über den Fall einer 45 jährigen Frau berichtet, bei welcher die Neutrophilen fast ganz aus dem Blute verschwunden waren (940 weiße Blutkörperchen, 93,5 °/0 Lymphozyten, 1,5 °/0 Plasmazellen, 4,4 °/0 nicht ganz typische Monozyten, 0,6 °/0 atypische, äußerst große einkernige Zellen), während die Zahl der roten Blutkörperchen über 5 000 000 betrug ; sie fanden autoptisch in dem sehr zell- armen Mark kaum granulierte Zellen, dagegen schien der Erythroblastenapparat ziemlich normal zu sein. Mehrere ähnliche Fälle sind neuerdings unter dem Namen,, Agranulozytosen" von W. Schultz undAliceLeon beschrieben worden. Wahrscheinlich bevorzugt selbst bei dieser Aleukia sensu strictissimo die Noxe das leukopoetische Gewebe nur relativ. Wenn das Mark im ganzen zell- arm war, dürfte die Erythropoese wohl auch gelitten haben. Die hohe Zahl der- Roten im kreisenden Blut ist sicherlich zum guten Teile auf das Konto der Langlebigkeit der reifen Erythrozyten zu setzen, wobei wahrscheinlich eine Herabminderung der physiologischen Hämolyse eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Selling hat nämlich im Tierexperiment mit Hilfe des Benzols ganz ähnliche Bilder erzeugt (Schwund der weißen Blutkörperchen auf 220 — 40 im Kubikmillimeter bei fast ungeschmälerter Zahl der roten); im Knochen- mark hatte sich aber zu dieser Zeit bereits eine schwere Atrophie ausgebildet, welche die Erythroblasten keineswegs verschonte. Der- Kall von Türk (a) und Helly ist schließlich doch wohl nur eine bio- I ie Variante dea nämlich« n Vorganges, der der ,,Panmyelophthisie" zu- grunde liegt. Auch das andere Extrem scheint vorzukommen, nämlich vor- Erythroaplasie bei relativ intaktem leukoblastischen Apparat. So hat K;t ziirlsnn (a) über einen 58jährigen Mann berichtet, hei dem im Ver- laufe von drei Wochen sich eine extreme Anämie entwickelte (552 000 Krvthro- Aleukia haemorrhagica : Die „fehlenden" Symptome. 403 zyten, 13% Hämoglobin, keine Normoblasten und Polychromatophilen), während die Zahl der Leukozyten bei normaler prozentualer Zusammensetzung fast 5000 betrug und die Blutplättchen nicht vermindert waren. Die Autopsie ergab vorwiegend Fettmark in den Röhrenknochen, blaßgraugelbes bis blaß- graurötliches Mark in den platten Knochen. Schnitt- und Ausstrichpräparate zeigten lediglich Myelozyten und Megakaryozyten, während nirgends auch nur ein kernhaltiges rotes Blutkörperchen zu sehen war. Die relativ höhere Widerstandsfähigkeit des leukoblastischen Gewebes scheint sich mitunter nur auf die Stammzellen der Granulozyten zu erstrecken, so daß, wie Eppinger hervorhebt, im klinischen Bilde progressive Anämie und schwerste Thrombopenie prävalieren, im Knochenmark vorzugsweise Erythroblasten und Megakaryozyten fehlen, während Myeloidzellen noch in leidlicher Menge zugegen sind. Bei dem Kranken Eppingers nahm die Erythro - zytenzahl in 6 Tagen von 3,7 Millionen auf 0,67 Millionen ab, die Blutplättchen- zahlen von 1000 auf 200, die Gesamtzahl der Leukozyten hingegen betrug etwa 10 000 mit etwa 3500 — 4000 polymorphkernigen Zellen. Auch in Fall IV unserer Kasuistik tritt die Leukopenie deutlich zurück gegen Erythro- und Thrombopenie. Die „fehlenden" Symptome. Zur Vervollständigung des Symptomenbildes ist auch bei der Aleukia haemorrhagica die negative Charakteristik sehr wesent- lich. Ich brauche kaum zu betonen, daß die hämatologische im Verein mit der „negativen" Charakteristik alle wichtigen Kriterien zur Abgrenzung gegen die Perniziosa birgt, so daß ich später auf diese Differentialdiagnose nur kurz einzugehen brauche. Milz, Leber und Lymphdrüsen sind nicht geschwollen; ja, die Milzdämpfung erscheint gelegentlich sogar verkleinert. Die Huntersche Zunge ist der Aleukie ganz fremd. Der Magensaft braucht keine Abweichungen von der Norm zu zeigen. Bereits Herz und Türk erwähnen die Anwesenheit freier Salzsäure. Eppinger hat bei einem Falle von Aleukie normale Säureverhältnisse notiert (freie HCl 20, Gesamtazidität 45); Stern - berg (b) hat dann besonders nachdrücklich auf das Erhaltenbleiben der Saft- abscheidung hingewiesen. Auch wir haben in unserem letzten Falle bei schwerster Blutarmut freie Salzsäure, wenn auch in verminderter Menge, nachweisen können und eine relativ hohe Gesamtazidität gefunden (freie HCl 5, Gesamtsäure wert 45). Doch gibt es natürlich auch Ausnahmen; im Falle III unserer Kasuistik war der Mageninhalt achylisch. Die mittels des Duodenalschlauchs entleerte Galle war in drei Fällen von Eppinger auffällig hell; der Urobilingehalt der Stühle stets sehr niedrig (0,023—0,08; 0,05—0,07; 0,05; 0,04—0,09 gegen 0,13 in der Norm). Dementsprechend ist Urobilin oder Urobilinogen im Harn, wie die Durch- sicht der Literatur und die Untersuchung unseres eigenen Materials ergibt, ein Zufallsbefund und nur dann zu erwarten, wenn größere oder multiple kleinere Blutungen im Körperinnern stattgefunden haben. Auf die Farbstoff armut des Serums wurde bereits hingewiesen; sein Bili- rubingehalt betrug bei Gorke (a) und Eppinger etwa 1 : 180 000. Eppinger macht noch darauf aufmerksam, daß trotz dieser Befunde, die sämtlich zur Ablehnung einer gesteigerten Blutzerstörung drängen, die Eisenausscheidung im Harn recht hoch sein kann. Die endogene Harnsäureausscheidung erschien schwankend, bald normal, bald aber auch ziemlich stark erhöht. 26* 404 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Die Untersuchung des peripheren und zentralen Nervensystems läßt (falls nicht außerwesentliche Komplikationen vorhanden sind, z. B. eine im Gehirn oder seinen Häuten lokalisierte Blutung) Abweichungen von der Norm nicht erkennen; es gibt bei der aplastischen Anämie keinen spinalen Symptomen- komplex, wie er, zum mindesten rudimentär, bei der Perniziosa ganz gewöhn- lich ist. Pathologische Anatomie und Histologie. Das Verhalten des Knochenmarks ist bereits bei der historischen Entwicklung des Krankheitsbegriffes in großen Zügen geschildert worden. Die Entdeckung Ehrlichs, daß die Umwandlung des Fettmarkes der langen Röhrenknochen in rotes Zellmark ausbleibt, ist immer wieder bestätigt worden. Das Epiphysenmark behält seine schwefel- gelbe oder ockergelbe Farbe, weist höchstens einen rötlich-gelben Farbenton auf; doch kann gelegentlich infolge von Blutungen auch ein roter Farbton vor- herrschen, dann allerdings wohl eine wesentlich dunklere Nuance, als sie dem aktiven Mark eigentümlich ist. Nicht minder bedeutsam ist der Fund Engels, daß der Krankheits- prozeß — weit über die Unter drük- kung von Regenerationsbestrebungen hinausgehend — auch die dauernd funktionierenden Blutbildungsherde angreift und vollständig vernichten kann; in seinem Falle ließ sich aus den Rippen nicht wie sonst eine dicke, rote Masse ausquetschen, son- dern eine schmutzig-graue dünne Flüssigkeit, in welcher unter dem Mikroskop keine einzige Zelle er- kannt werden konnte. Nicht immer ist die deletäre Wirkung auf das hämatopoetische Gewebe der platten Knochen zu solcher Höhe gediehen; aber — wie auch der Sektionsbericht unserer Fälle lehrt — an Stelle des saftigen roten Markes des Sternums, der Rippen, der Wirbel findet man einen grau -rötlichen oder schmutzig-gelben Inhalt. Es ist von vornherein unwahrscheinlich, daß in dem ungeheuren Mark- areale sich nicht Strecken finden sollten, in denen doch Regenerationsbestre- bungen des Organismus zutage treten oder in denen die Vernichtung des funk- tionierenden Blutbildungsgewebes nicht restlos durchgeführt ist; es werden also nicht gar selten in das Fett der Epiphysen, besonders an den Rändern, rote Inselchen eingesprengt sein, im Sternum oder Wirbelkörper noch rote und trüb-grau fettige Bezirke miteinander abwechseln. Bei Betrachtung des Sternums hat man in manchen dieser Fälle den Eindruck, als ob das Mark der permanenten Blutbildungsherde sich in Fettmark zurück verwandele. Die histologische Untersuchung der fortgeschrittensten Fälle zeigt in den Epiphysen reinstes Fett mark, wie es von Seeliger nach den Femur- i des V. Falles unserer Kasuistik in der folgenden Abbildung natur- getreu bgehalteu ist: Zwischen den Fettinseln finden sich schmale Säume mit vereinzelten länglichen, wohl Endothelien angehörenden Kernen; erythro- und ieukoblastisohe Elemente fehlen gänzlich. Abb. 11. Knochenmarksschnitt (Femurepiphyse) bei Aleukie. Aleukia haemorrhagica : Pathologische Anatomie und Histologie. 405 Im Abstrich und Schnitt des Sternalmarkes bemerkt man lediglich ein paar kernlose Erythrozyten und mäßig zahlreiche, klein-lymphozytäre Zellen; Normo- und Megaloblasten, Myelozyten, auch die Eosinophilen sind gar nicht ** * • * * '■r Abb. 12. Sternalausstrich (dick) bei Aleukie. <\ t Är Abb. 13. Dünner Ausstrich von normalem Sternalmark. Zellreiches Mark! Erythrozyten, zwei Megakaryozyten und myeloische Zellen aller Art. oder ganz spärlich vertreten; insbesondere hat man viele Mühe, einen Mega- karyozyten zu finden. Am ehesten sieht man noch ein paar dem Myeloblasten - typ entsprechende Elemente. Die Gegenüberstellung eines durch Trepanation gewonnenen Sternalmarkausstriches von einem Kranken mit Aleukie (Fall VI) t06 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. I von einem Gesunden veranschaulicht die Verhältnisse besser als langatmige Beschreibungen (Abb. 12 u. 13). Sicherlich sind die Veränderungen nicht in jedem Falle so hochgradig; jene schon makroskopisch erkennbaren und viele mikroskopische Inselchen zeigen — wenn auch gelichtet — die normale Zu- sammensetzung des Knochenmarkes, oder auch diffus sind durch den Schnitt oder Abstrich noch Megaloblasten, Myelozyten und Erythroblasten bald mehr vom normoblastischen, bald mehr vom megaloblastischen Typ verteilt; immer aber wird ein Vergleich mit Normalverhältnissen die außerordentliche numerische Reduktion der typischen Knochenmarkselemente erkennen lassen, während doch angesichts der Anaemia gravis höchste Aktivität, ein in energischer Proliferation begriffenes Zellmark zu erwarten stünde. Die Zellarmut des Markes wird in vielen Fällen durch eine Vermehrung klein-lymphozytärer Elemente ein wenig ausgeglichen. Kleinste Lynipho- zytenhäufchen sind, wie Askanazy, Hedinger und Ohme betont haben, schon normalerweise im Mark, besonders auch im Fettmark vorhanden, und diese scheinen sich ebenso wie einzelne in der Adventitia kleiner Gefäße lagernde lymphozytäre Elemente zu vermehren, wenn das myeloische Gewebe in größerem Ausmaß der Vernichtung anheimfällt oder wenn im Fettmark die Entwicklung myeloischer Formationen ausbleibt. So fand Hirschfeld (c) in einem Falle von Knochenmarksatrophie in der rein gelben Femurepiphyse kleine Herde von Lymphozyten, welche, wie er ausdrücklich betont, die auch ihm wohl- bekannten lymphatischen Herdchen Askanazy s bei weitem an Ausdehnung übertrafen. Bei der experimentellen Benzolvergiftung finden sich nach Selling schließlich in dem völlig destruierten Mark nur zahlreiche kleine Lymphozyten und lymphozytäre Plasmazellen, die meist vereinzelt, seltener in Häufchen in der Adventitialschicht der Gefäße liegen. Selling nimmt an, daß diese Zellen, die keinerlei Zeichen von Entartung zeigen, rr^ht nur die einzigen Über- lebenden im Markgewebe sind, sondern höchstwahrscheinlich bereits an Zahl zugenommen haben. Diese sekundäre ,, lymphatische Reaktion" des Knochenmarkes, an der sich vielleicht auch die Leber, Milz, die Lymphdrüsen, das ubiquitäre lympha- tische Gewebe überhaupt beteiligen kann, dürfte manchmal erhebliche Grade erreichen. Fälle, die diesen Typ repräsentieren, sind mehrfach beschrieben worden. Ich führe zwei prägnante Beispiele an. Blum er berichtet über eine klinisch sehr typische Aleukia haemorrhagica mit gelbem Mark der Röhren- knochen, in welchem nur vereinzelt rötliche Inseln sichtbar waren. Die Abstriche des Wirbelmarkes zeigten reichlichst kleine Lymphozyten, die Schnitte durch Femur und Wirbelkörper ließen deutlich einen gewissen Grad von lymphatischer Hyperplasie bei so gut wie vollständiger Abwesenheit von Erythroblasten und Myelozyten erkennen, während in der Tibia auch mikroskopisch lediglich Fettmark nachzuweisen war. Die Milz bot außer leichter Sklerose keinen anormalen Befund. Besondere lehrreich ist eine Beobachtung von Decastello; hier war durch immer wiederholte Milzbestrahlungen bei einer banalen myeloischen Leukämie schließlich das schrankenlos wuchernde myeloide Gewebe nicht nur auf den Normalstatus reduziert, sondern fast völlig vernichtet worden; an seiner Stelle fanden sieh im Marke der Ober- und Unterschenkelknochen lediglich kleine, rundkernige, schmalrand] . wie sie von den Zellen einer chronischen Lymphozytenleukämie nicht zu unterscheiden waren. Myeloblasten und Myelo- ' ' ren nur noch in gering« ■ M< nge vorhanden, die Megakaryozyten äußerst rlich Man konnte t • die Unrw mdlung der myeloischen Leukämie in eine lymphatische denken, um so i aehr, als auch die 6000 weißen Zellen des Bli ii atlich als typisch b ne Lymphozyten anzusprechen waren. Aleukia haemorrhagica : Ätiologie. 407 Und doch handelt es sich wohl nur um eine besonders hochgradige sekundäre mikrolymphozytäre Knochenmarksinfiltration. Aber man wird verstehen, daß in solchen Fällen die Grenzen zur lymphatischen Leukämie oder wenigstens zur medullären lymphatischen Pseudoleukämie sich zu verwischen drohen und daß klinisch Verwechslungen von Aleukie und Lymphomatose leicht vor- kommen können, wenn die reaktive lymphatische Hyperplasie des Markes auch im Blutbild als absolute Lymphozytose in die Erscheinung tritt. Daß normale oder mäßig erhöhte Gesamtzahlen der Weißen mit 80 — 95°/o Lymphozyten durchaus nicht gegen die Diagnose der Aleukie sprechen, wurde bereits bei Besprechung des Blutbildes hervorgehoben. Ebensowenig wie in den Röhrenknochen entwickeln sich extramedulläre Blutbildungsherde. Im Gegenteil: Lymphdrüsen und Milz zeigen eher eine Neigung zur Involution. Gorke (a) fand in einem unserer Fälle die Milz deut- lich geschrumpft, das kapsuläre und trabekuläre Bindegewebe vermehrt. Eine Sklerose der Milz, teils mit Verkleinerung, teils mit leichter Vergrößerung einhergehend, ist nach Accolas die Regel. Im mikroskopischen Präparat fand Eppinger die Milzpulpa an lymphoiden Elementen verarmt, die Kupf fer- schen Sternzellen der Leber besonders spärlich und schmächtig. Gorke hat diesen Befund bestätigt und spricht direkt von einem Untergang des Pulpa- ge webes. Besonders bemerkenswert ist, daß die Venensinus und die Pulpa nicht mit roten Blutkörperchen angeschoppt sind, diese vielmehr nicht selten ebenfalls nur sparsam in der Milz angetroffen werden, d. h. es fehlt das obligate Begleitsymptom intrasplenischer Hämolyse, die ja auch nach dem klinischen Befunde eher vermindert ist. Ätiologie, a) Kritik der älteren Ursachenlehre. Der Komplex von Bedin- gungen, durch welche das katastrophale Ereignis einer totalen Vernichtung der Blutbildung Wirklichkeit wird, bleibt auch heute noch für die Mehrzahl der zu klinischer Beobachtung gelangenden Fälle dunkel. Aber insofern ist doch ein wichtiger Schritt nach vorwärts getan, als an Stelle dei Spekulationen, mit denen gerade die ,, aplastische Anämie" Ehrlichs reichlich bedacht wurde, tatsächliche Unterlagen getreten sind . Früher glaubteman, ,phanerogeneti sehe Fälle zu kennen, jetzt kennen wir sie wirklich und damit ist einer künftigen Forschung, welche die „kryptogenetischen" aufklären will, wenigstens die Richtung gewiesen. Noch im Jahre 1912 befand man sich mitten in der spekulativen Ära. Damals war die ,, aplastische Anämie" Gegenstand einer Besprechung in der Berliner hämatologischen Gesellschaft, und sowohl der Referent, Hirschfeld (b), als auch Pappenheim in der Aussprache, stellten Thesen auf, die heute als irrig bezeichnet werden dürfen. Die aplastische Anämie ist nach diesen Autoren keine eigene Anämieform, sondern Abart beliebiger hämotoxischer Anämien. Das Primäre ist immer die irgendwie bedingte Vernichtung oder der Verlust reifer Erythrozyten des kreisenden Blutes; das Eigenartige ist lediglich der Umstand, daß mitunter der Organismus jegliche Regenerationsbestrebungen vermissen läßt. Entschieden wrird abgelehnt, daß die aplastische Anämie eine primäre Myelopathie sei; auch Hirschfeld, der einen myelotoxischen Faktor anerkennt, stellt sich dessen Wirkung nur so vor, daß er die „regenerative Marktätigkeit" hemmt. „Natürlich ist es keine primäre, auf die Erythroplastik, sondern eine sekundäre, auf die Erythroregeneration sich beziehende Myelo- pathie". Immerhin scheint ihn diese Formulierung wohl nicht restlos zu be- friedigen. Denn er hat selbst im Tierexperiment durch Injektion abgetöteter Typhusbouillonkultur (Bett mann schon vorher durch Arsen, Isaac und Moeckel später durch Saponin) rotes Kaninchenmark in Fettmark umwandeln können und er hat ja nächst Engel als erster darauf hingewiesen, daß auch 408 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Markpartien, welche de nornia der Hämatopoese dienen, in eine strukturlose Masse verwandelt sein können; aber irgendeine klar ausgesprochene Meinung, daß der Sachverhalt umgekehrt sei, daß die mangelnde Regeneration einfach die Folge einer primär myelophthisischen Giftwirkung sei, hat er nirgends zum Ausdruck gebracht. Er sagt lediglich: „Die Tatsache (der Rippenmarksatrophie) ist sicher von prinzipieller Wichtigkeit, denn sie beweist, daß es nicht genügt, für die Mehrzahl dieser Fälle zur Erklärung des Blutbefundes und des deletären perniziösen Verlaufs eine primäre angeborene oder erworbene asthenische Beschaffenheit des Knochenmarkes anzunehmen. Vielmehr weist dieser hoch- gradige Schwund des Markparenchyms wenigstens mit großer Wahrscheinlich- keit auf die Einwirkung irgendwelcher toxischer Schädlichkeiten hin." Wie er diese „toxische" Einwirkung verstanden wissen will, geht aber sehr deut- lich aus einem seiner „Schlußsätze" hervor: „Ich meine also, daß sowohl die experimentelle wie die klinische Erfahrung uns lehrt, sowohl toxische Einwir- kungen wie vielleicht auch Unterernährung und Erschöpfung sowie angeborene Minderwertigkeit der Blutbildungsorgane können die Regeneration des Blutes bei Anämien beeinträchtigen bzw. verhindern." Demgegenüber vertreten wir heute den Standpunkt, daß die „aplastische Anämie" sive Aleukia haemorrhagica das klassische Beispiel einer schwersten primären Myelophthisis ist und daß von einem irgendwie gearteten pri- mären Verlust oder einer primären Zerstörung der reifen Formelemente in der Blutbahn oder den blut verarbeitenden Organen nicht die Rede sein kann. Für eine pathologisch gesteigerte Blutzerstörung, wie sie den hämo- lytischen Splenomegalien und der Perniziosa eigentümlich ist, fehlen bei der Aleukie, soviel wir sehen, alle Anhaltspunkte. Es bejteht kein Subikterus, die Farbe des Serums ist hell, sein Bilirubingehalt noch in physiologischen Grenzen, im Harn fehlt das Urobilin, die Duodenalgalle ist farbstoffarm. Ja, aus den Untersuchungen Eppingers (S. 403) darf man folgern, daß eher eine funktionelle Hyposplenie. eine Herabsetzung der physiologischen Hämo- lyse anzunehmen ist; denn die quantitative Bestimmung des Stuhluro- bilins ergab Werte, die zum Teil ganz erheblich unterhalb der Norm lagen; ferner war die endogene Harnsäureausscheidung schwankend, häutig durchaus normal (woraus man vielleicht das Fehlen einer vermehrten Leukolyse erschließen darf). Der Befund der sklerotischen atrophischen Milz würde zu der Annahme einer verminderten Blutzellenauslese und -Zerstörung durchaus passen. Worauf stützten sich nun eigentlich diejenigen Autoren, die von aplastischer hämolytischer Anämie wie Türk, oder von „sekundär aregeneratorischer Anämie bei Erythro -Hämotoxikose" wie Pappenheim und Hirschfeld sprachen? Sie konnten lediglich ins Feld führen, daß in manchen Fällen von aplastischer Anämie in der Leber eine Hämosiderose anzutreffen sei. Die Beweiskraft dieses Argumentes, die schon damals von mancher Seite (K. Ziegler) bestritten wurde, ist heute noch weit stärker im Kurse gesunken. Die Hämosiderose, d. h. der mikrochemische Nachweis von Eisen (in den retikulo- endothelialen Zellen der Milz und Leber sowie in den Leberzellen selbst) in einer den geringen Normalgehalt deutlich übersteigenden Menge kann nicht mehr ohne weiteres Je Maßstab erhöhten Blutzerfalls anerkannt werden. Das „Hämosiderin" aach Biondi und Hueck kein im Abbau begriffenes Hämoglobin, sondern reines, vielleicht kolloidales Eisen, das höchstens in lockerer Form an Eiweiß oder Fet1 gekuppelt ist. Eppinger sagt: „Meiner Ansicht nach ist das in den Zellen nachweisbare Bämosiderin nicht unbedingt in dem Sinne zu verwerten, dal... wenn yh-I mikrochemisch nachweisbares Bisen vorhanden, auch viel Erythro- zyten zugrunde gegangen Bind, und umgekehrt bei fehlender Hämosiderose eine Aleukia haemorrhagica: Ätiologie. 409 gesteigerte Hämolyse auszuschließen wäre. Sowohl eine vermehrte Eisenaus- scheidung durch die Sekrete als auch die histologisch nachweisbare Hämo- siderose ist auch von anderen Faktoren abhängig, als nur von erhöhtem Blut- zerfall all ein." Im Falle der Panmyelophthisie könnte der Eisen Vorrat des Körpers, ebenso auch die von Eppinger nachgewiesene starke Eisenausscheidung durch den Harn, darauf beruhen, daß das Eisen infolge des Sistierens der Erythroblastik nicht mehr zur Synthese des Hämoglobins verwendet wird. Daneben mögen Hämorrhagien in inneren Organen eine Rolle spielen. Eppinger möchte sogar in dem gelegentlich nachzuweisenden reichlichen Eisenpigment in den Kupi fer- schen Zellen und den Milzendothelien einen Beweis erblicken für die Miterkran- kung dieser Elemente bei der Aleukie, eine Funktionsstörung, sinnfällig durch die Unfähigkeit, gespeichertes Eisen wieder abzugeben. Für das Dahinschwinden der myeloischen Zellen in den permanenten Blut- bildungsherden ist natürlich die Bezeichnung „aregeneratorisch" überhaupt nicht mehr am Platze; hier würde man im Sinne der älteren Auffassung von ,, degenerativer" Markerschöpfung zu sprechen haben. Wir würden dann unter diesem Terminus verstehen, daß die Mut terzeilen des Myeloidgewebes unter der Last dauernd verstärkter Anforderungen schließlich zusammenbrechen, ihre Tätigkeit einstellen, schließlich degenerieren und der Auflösung anheim- fallen. So wenig wir nun bezweifeln wollen, daß bei angestrengter Tätigkeit des erythro- und leukoblastischen Apparates ein Torpor des Markes oder auch ein akuter Knochenmarkskollaps mit den Zeichen funktioneller Erschöpfung sich bemerkbar machen kann 1), so wenig scheint uns anderseits der Beweis erbracht, daß eine anatomische Destruktion, eine völlige Vernichtung des riesigen Blutbildungsareals lediglich die Folge funktioneller Überlastung sein könne. Beim hämolytischen Ikterus, bei dem doch wirklich jahraus, jahrein starke, zeitweilig enorm gesteigerte Ansprüche an die Blutregeneration gestellt werden, ist noch niemals ein Ausgang in Markatrophie beschrieben! Aber x) Das Daniederliegen der Marktätigkeit als Folge der Ermüdung oder Erschöpfung, das, wie gesagt, von der Marktoxikose streng getrennt werden sollte, wird von Türk so treffend geschildert, daß ich seine Worte hier zitieren möchte: „Nur auf eines möchte ich noch besonders hinweisen: Der Erschöpfungszustand des Markgewebes, von dessen Vorkommen ich schon früher gesprochen habe und von dem ich später noch mehr werde sprechen müssen, pflegt sich, wenn nicht auf den leukoblastischen Apparat eine ganz anders- artige Einwirkung ausgeübt wird, nicht nur in einem Daniederliegen der Erythrozyten- regeneration , sondern auch in einer Herabdrückung der Leukozytenbildung zu äußern, ja er tritt im Leukozytenbilde des kreisenden Blutes leichter ersichtlich zutage als an den Erythrozyten. Ich pflege schon seit langen Jahren in bezug auf das Leuko- zytenbiid bei Anämien von einem Erschöpfungsbefunde dann zu sprechen, wenn eine Leukopenie mit absoluter und relativer Verminderung der Ele- mente des myeloiden Systems, insbesondere also der Neutrophilen, bei nor- maler Gesamtlymphozytenzahl und dementsprechend bei prozentischer Vermehrung dieser Elemente besteht. Solche Befunde kommen bei allen möglichen lange dauernden, den Körper und das Markgewebe erschöpfenden Anämien zur Beobachtung; bei der Perniziosa sowohl als bei schweren Formen der Chlorose und sehr häufig bei chroni- schen Blutungsanämien. Mitunter kann man einen solchen Befund auch bei Karzinom- anämie beobachten, zumeist aber nicht, weil hier oftmals eine spezielle Reizung des leuko- blastischen Apparates vorliegt. . . . Ein leukopenischer Befund sagt also im allgemeinen nichts oder nicht viel über die Art der Anämie, sondern er hängt im wesentlichen von dem augenblicklichen Funktionszustande des Mark- gewebes ab, kann demnach auch vorübergehend sein und bei Eintritt anderer Bedingungen z. B. ganz leicht wieder in eine myeloideLeukozytose übergehen.'' Das Kriterium der Erschöpfungsleu kopenie ist demnach ihre Labilität. Ich möchto ferner noch ausdrücklich hervorheben, daß Türk wohl nur eine Leukopenie mittleren Grades im Auge hat, wenigstens könnte ich für extreme Neutropenien seine Schlußsätze nicht mehr unterschreiben. 410 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. selbst wenn die Möglichkeit eines solchen Geschehens an einem Beispiele aus der menschlichen Pathologie erwiesen werden könnte, so wäre noch lange nicht dargetan, daß die ,,Panmyelophthisie", die dem wohlcharakterisierten Krank- heitsbilde der Aleukia haemorrhagica zugrunde liegt, so erklärt werden müßte. Im Gegenteil! Die klinischen Daten reden eine durchaus andere Sprache. Hämotoxische Einflüsse sind nicht am Werke; das haben wir genugsam erörtert. Die heftigen Blutverluste können auch nicht als Ursache der Markerschöpfung betrachtet werden. Sie setzen erst zu einer Zeit ein, in welcher das als Indikator der progressiven Markschädigung dienende Blutbild bereits voll ausgebildet ist; sie sind ja die unmittelbare Folge der Thrombopenie, welche ihrerseits unzweifelhaft bereits eine stärkste Verminderung eines konstituierenden Ele- mentes des Knochenmarks, nämlich der Riesenzellen, anzeigt. Für manche Fälle, deren inniger Zusammenhang mit der ,, aplastischen Anämie" Ehrlich s allerdings nicht erkannt oder wenigstens nicht betont wurde, supponierten namhafte Hämatologen doch einen myelotoxischen Faktor ; sie glaubten, daß die septische Infektion, welche ja so oft einen integrie- renden Bestandteil des klinischen Bildes ausmacht, durch bakterielle Gift- stoffe das Mark schwer schädigen könne; man sprach von einem septischen Granulozytensch wund . Ich habe bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß mir diese Anschauung eine Verkehrung des Kausalnexus zu sein scheint. Nicht die Sepsis macht den Granulozytensch wund, sondern der Granulozytenschwund öffnet den Sepsiserregern Tür und Tor. Im Abschnitt ,, Pathogenese" werde ich die Gründe, die zwingend für diese Auffassung sprechen, darlegen. Hier möchte ich nur folgendes betonen. Falls wirklich die Leibessubstanzen der verschiedenartigsten Kokken und Bazillen eine totale Mark Vernichtung herbeiführen könnten, dann muß es doch sehr auffallen, daß dieser Zellzerstörung niemals auch nur die Andeutung einer Reizwirkung voraufgeht. Die nämlichen Erreger rufen doch im allgemeinen, selbst bei hoher Virulenz, eine reaktive Proliferation des Mark- gewebes hervor. Nun wissen wir zwar, daß bei schwerster Infektion die Leuko- zytose ausbleibt, selbst eine Minderung der Neutrophilen eintritt, aber wir vermissen doch kaum die ,, Links Verschiebung" des Blutbildes; wir sehen reich- lich die nicht segmentierten unreifen Jugendformen, die Metamyelozyten Pappenheims oder gar die Myelozyten selbst. Es ist bis jetzt in keinem Falle von Aleukie nachgewiesen, daß der extremen Neutropenie mit relativer oder gar absoluter Lymphozytose zu irgendeinem Zeitpunkte eine wenigstens pro- zentische Vermehrung unreifer neutrophiler Zwischenformen zwischen Myelo- zyten und Polymorphkernigen vorhergeht. Ich fasse meine Stellungnahme zu der bis zu meinen Arbeiten gelehrten Auffassung über das Wesen der aplastischen Anämie noch einmal kurz zusammen : Die Anschauung, daß jegliche durch Blutzerstörung oder Blutverluste hervor- gerufene Anämie ,, aplastisch" verlaufen könne — nämlich infolge Ausbleibens der regenerativen Metaplasie des Fettmarks und degenerativer Erschöpfung des permanent blutbildenden Markes — , ist endgültig fallen zu lassen. Die Blutzerstörung bei der aplastischen Anämie ist wahrscheinlich geringer als in der Norm; die Blutverluste sind bereits die Folge der Markatrophie, nämlich des durch den Megakaryozytenschwund naturnotwendig bedingten Plättchen- mangels. Schon per exclusionem werden wir also auf eine primäre toxische Myelopathie geführt. Außerordentlich unwahrscheinlich aber ist es wiederum, daß die septische Infektion, welcher wir in der Klinik der Panmyelophthisie begegnen, daß banale bakterielle Giftstoffe die Ursache der schweren Schädigung des Markes Beien; es ist bis jetzl nicht bewiesen, daß es einen septischen Myelo- zytenschwund Lril.t. Aleukia haemorrhagica : Ätiologie. 411 Die aplastische Anämie sive Aleukia haemonrliagica ist weder Abart beliebiger Anämien, noch eine besondere Verlaufsform be- liebiger septischer Infektionen, sondern eine wohlumschriebene Krankheit sui generis. b) Sichergestellte ätiologische Faktoren. Aleukia benzolica, arseno- benzolica, radiotoxica: Während die Konstruktion ursächlicher Beziehungen zwischen abnormer Blutzerstörung, gehäuften Blutverlusten, septischen Pro- zessen einerseits und dem Untergange des Markgewebes anderseits auf einer falschen Deutung der beobachteten Tatsachen beruht, läßt sich die ätiologische Bedeutung der jetzt zu betrachtenden Faktoren einwurfsfrei nachweisen. Ebenso wie wir neben dem Gros der kryptogenetischen Perniziosafälle das gleiche Krank- heitsbild durch die Anwesenheit des breiten Bandwurms oder im Gefolge mul- tipler Darmstrikturen oder bei der tropischen Sprue entstehen sehen , ebenso können wir scharf definierte Potenzen — bestimmte Gifte, eigenartige Erkran- kungen der Milz, Strahlenwirkungen, qualitative Nahrungsdefekte — namhaft machen, welche klassische Beispiele einer klinisch und anatomisch typischen Markatrophie erzeugen. Das Gros der Fälle zwar bleibt ätiologisch unklar, aber die erkannten ätiologischen Faktoren stecken wenigstens Grenzen ab, lassen uns bei einem Versuche , das Rätsel der Aleukie zu lösen , nicht mehr völlig im Dunkeln tappen. Am eindruckvollsten sind die durch chronische Benzol- und Arsenobenzol-(Salvarsan-)vergiftung hervorgerufenen Fälle. Die chronische Benzolvergiftung des Menschen ist zuerst 1897 von Santesson beschrieben, 1910 von Selling erneut studiert worden. Letzterer hat zugleich eingehende Experimentaluntersuchungen angestellt, welche an der mächtigen myelotoxischen Wirkung des chemisch reinen Benzols keinen Zweifel lassen und Koranyi zur Einführung dieses Mittels in die Therapie der Leukämie veranlaßt haben. Santesson und Selling beobachteten die Vergiftung in Fabrikräumen, in welchen der als Lösungsmittel für Kautschuk verwendete Stoff sich verflüchtigte, so daß die Luft rings um die Erkrankten mit Benzoldämpfen geschwängert war. Die schweren Erkrankungen betrafen durchwegs junge Mädchen, welche mindestens drei Wochen, höchstens vier bis fünf Monate in der Benzolatmosphäre sich befunden hatten. Die Krankheits- erscheinungen machten Fortschritte, auch wenn die Kranken sogleich vor jeder weiteren Berührung mit dem Benzol bewahrt wurden. Ja, der Status gravis, der die Kranken zum Arzt führte, war manchmal erst einige Wochen nach dem Ausscheiden der Mädchen aus der Fabrik entwickelt. War also ein be- stimmter Grad der Vergiftung erreicht, so schien sich das Fortschreiten der Krank- heit nicht mehr aufhalten zu lassen, während andere minder schwer Erkrankte nach Entfernung aus der gefährlichen Umgebung sich rasch wieder erholten. Das klinische Bild der chronischen Benzolvergiftung ist, wie gesagt, mit dem der hämorrhagischen Aleukie unklarer Ätiologie absolut identisch. Die Krankheitsgeschichte und der aut optische Befund eines von Selling mit- geteilten Falles, mustergültig durch die Sorgfalt der klinischen Beobachtung, die Vollständigkeit des Blutstatus und die Gründlichkeit der histologischen Knochenmarksuntersuchung wird das ohne weiteres erkennen lassen. Ein 14 jähriges Mädchen, welches vier Monate in der Fabrik die Benzoldämpfe eingeatmet hatte, erkrankte einige Zeit, nachdem sie aus derselben ausgeschieden war, mit blauen Flecken an Armen und Beinen. Bald darauf begann sie aus Mund, Rachen und Nase zu bluten ; ein Anfall von Nasenbluten dauerte zwei Tage. Wenige Tage vor der Aufnahme in die Klinik, welche einen Monat nach Auf treten der ersten Krankheitserscheinungen erfolgte, hatte sie einen sehr heftigen Blutsturz aus dem Halse, der nur schwierig durch lokale Mittel gehemmt werden konnte. Die Patientin ist ein gut gebautes Mädchen in befriedigendem Ernährungszustande. Die Haut und die Schleimhäute sind sehr blaß. Über Arme und Beine und in etwas ge- 412 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. ringerera Maße auch über den Rumpf verstreut finden sich purpurrote bis blaue Blutfleckchen von 1 — 3 mm Durchmesser. Auf dem rechten und linken Unterschenkel befindet sich eine große Ekchymose. Das Zahnfleisch blutet ein wenig. Im Augenhintergrund sind massenhaft kleine Blutungen. Die Gegend der linken Tonsille und des rechten vorderen Gaumenbogens bis zur Uvula ist in eine dunkelbraune nekrotische Masse umgewandelt. Die Lymphdrüsen und die Milz sind nicht vergrößert. Der Harn enthielt kein Urobilin. Während des Aufenthaltes in der Klinik sickerte dauernd Blut aus Mund und Hals, gelegentlich wurde ein Blutgerinnsel herausbefördert. Man bemerkte auch einige frische Blutflecken auf der Haut und am Gaumen. Die Patientin war meist benommen oder bewußtlos, die Atmung war beschleunigt und angestrengt, der Puls rasch und klein. Die Körpertemperatur schwankte zwischen 37,2° und 40,3°. Etwa eine Woche nach der Auf- nahme starb sie unter zunehmender Schwäche. Der Blutbefund war folgender: Zahl der roten mmmrlnhine-ph-ilr Zahl der weißeu Blutkörperchen Hainoglo Dingenalt Blutkörperchen 28. Juni . . 28% (Sahli) 1280 1. Juli. . . 1090 000 11% ,, 480 3. Juli ... 800 000 480 4. Juli. . . 640 000 8% ,, 600 Die am 3. Juli vorgenommene Differentialzählung der weißen Zellen ergab folgendes Resultat: Polymorphkernige 43°/0, Lymphozyten 41%, Große Mononukleäre .... 14°/0, Unbestimmt 2%. In allen frischen Ausstrichen fehlten die Blutplättchen so gut wie vollständig. (Die Gerinnungszeit war dabei ganz normal.) Die roten Blutkörperchen hatten keine besonders großen oder kleinen Formen. Es bestand keine Poikilozytose. ÜSormoblasten wurden nicht gefunden, dagegen ein Megaloblast. Bei der Autopsie zeigte das Femurmark eine ockergelbe Farbe. Die mikroskopische Untersuchung lehrte, daß Abstriche dieses Markes sehr wenig zellige Elemente enthielten. Man findet vorwiegend gewöhnliche Erythrozyten. Leukozyten sind außerordentlich spärlich. Sie haben meist den Charakter von Lymphozyten oder Myeloblasten und ihr Kernchromatin ist stark reduziert. Viele Kerne zeigen Vakuolenbildung und das Proto- plasma ist schlecht gefärbt. Bei sehr sorgfältiger Durchsuchung des Ausstriches konnte nur ein Megakaryozyt gefunden werden. Daß trotz ziemlich weit vorgeschrittener Bluterkrankung eine Heilung noch möglich ist, wenn das Gift keine Gelegenheit mehr hat, einzuwirken, ergibt sich aus einem neuerdings von Brücken mitgeteilten Falle. Hier blieb 4 Wochen nach der Entfernung aus der Gummifabrik, in welcher die Kranke Teile von Bällen mit einer Benzol - Kautschuklösung zu bestreichen und zu bekleben hatte, das schwere Krankheitsbild unverändert, schließlich aber trat doch Besserung ein. Die Kranke hatte sich schon seit einem halben Jahre sehr elend und schwach gefühlt, allmählich wurde die Periode sehr stark, trat verfrüht auf und dauerte 8 — 10 Tage. Sie bekam, wenn sie sich leicht stieß, große blaue Flecke, das Zahnfleisch blutete dauernd und sie verlor öfters mit dem Stuhlgang größere Mengen Blut. Bei der Untersuchung erwies sich das Zahnfleisch als geschwollen und an mehreren Stellen blutend. Der Blut- status auf der Höhe der Krankheit und im Verlaufe der Rekonvaleszenz war folgender: Tag Hämo- globin Färbe- (Sahli, index kurr. ■ / 26 32 1,06 i:: 0,96 66 1.11 71 1,18 B] 1,02 Erythro- zyten Leuko- Thrombo- zyten zyten 2 400 24 240 3 2ö( 1 78 576 4 616 — 6516 — 1 o I- o Ä C , t- O:o3 3 3 3 ss '/. •/■ 42 10 36 12 24 6 Blutungszeit 19. I. II. II. Uli. 10.111. 3i.ra. 22. IV. I 516000 2246 000 2970000 3 130 000 3990000 48 50 69 Nach 16 Min. abgebro- chen bei unverminder- ter Tropfengröße 6 Minuten 2 Minuten Aleukia haemorrhagica: Ätiologie. 413 Die Megakaryozyten scheinen besonders empfindlich gegen das Gift zu sein; denn Santesson und Selling konnten mildere, in Genesung ausgehende Fälle beobachten, die als Purpura simplex verliefen, mit normaler Erythro - zytenzahl und einer eben merkbaren Tendenz der Leukozyten zur Verminderung, und neuerdings verzeichnen Teleky und Weiner als ständigen Befund bei leichteren Formen der chronischen Benzolvergiftung neben Blutarmut und Lymphozytose den Blutplättchenmangel. Ebenso wie bei der kryptogenetischen Form gibt es auch hier eine Spielart, die als Aleukia sensu strictissimo bezeichnet werden darf. Eine Kranke San- tessons stirbt bei fast leukozytenfreiem Blut, ist aber noch kaum anämisch (3 870 000 Erythrozyten und 80% Hämoglobin). Daß im Anschluß an die Salvarsanbehandlung — glücklicherweise wohl nur in sehr seltenen Ausnahmefällen — das klinische Bild der hämorrhagischen Aleukie sich entwickeln kann, hat Gorke (b) an drei in unserer Klinik beob- achteten Beispielen gezeigt. Von Leredde, Kroll, Ziegler, Stranz sind analoge Fälle — im ganzen noch sechs — mitgeteilt worden. Zwei unserer Fälle habe ich wegen des in klinischer und hämatologischer Hinsicht absolut typischen Status und Dekursus in die Kasuistik aufgenommen (Nr. I und V). In dem einen dieser Fälle konnte die Diagnose auch autoptisch erhärtet werden. Die dritte Patientin, deren Krankengeschichte ich hier noch kurz anfüge, ist nach Aussetzen des Salvarsans wieder genesen: Eine 19jährige ledige Fabrikarbeiterin hatte sich im November 1918 eine Lues zuge- zogen und kam Mitte Februar 1919 im Sekundärstadium der Syphilis zur Behandlung in die Hautklinik. Dort wurde sie nur mit Silbersalvarsan (nicht mit Hg) behandelt, sie erhielt in 10 Injektionen zusammen 1,95 g Silbersalvarsan. Nach der 9. Salvarsaninjektion bekam sie starke Kopfschmerzen und Erbrechen. Am 30. März 1919, drei Tage nach der 10. Injektion von Silbersalvarsan, stieg die Körper- temperatur auf 39,2° C. Es trat bald mäßiges Zahnfleischbluten auf, außerdem zeigte sich eine Gingivitis und eine Angina. Auf der linken Tonsille wurde ein gelblicher, glasig aussehender Belag sichtbar. Im Abstrich fand man Spirillen und grampositive Stäbchen, und später im Hygienischen Institut auch Diphtheriebazillen. In den letzten Tagen der Salvarsankur fiel bei der Kranken die blasse Hautfarbe auf. Auch war mehrere Male Nasen- bluten aufgetreten. Am 2. 4. 1919 erfolgte die Aufnahme in die medizinische Klinik. Die Patientin gab noch an, daß sie als Kind häufig Nasenbluten gehabt hätte; die Periode, die mit 16 Jahren zum ersten Male aufgetreten ist, soll manchmal äußerst stark gewesen sein. Zuerst bestanden die nekrotisierende Angina und die Neigung zu Zahnfleisch blutungen fort. Bei der Blutuntersuchung war der Stauungsversuch immer negativ. Die Zahl der Leukozyten und der Blutplättchen verringerte sich allmählich wesentlich. Die Gerinnungs- fähigkeit des Blutes in vitro war normal, die Blutungszeit nicht verlängert, die Retraktilität des Blutkuchens vorhanden, aber ungenügend ausgebildet. Im Harn erschien niemals Urobilin. Es wurde folgender Blutstatus erhoben: Datum Zahl der roten Blut- körper- chen Hämo- glohin- gehalt Färbe- index Zahl der Leuko- zyten Poly- nukleäre Lympho- zyten Eosino- phile Mono- nukleäre 7o Blut- plättchen 3.4. 11.4. 3 500 000 4 280 000 65 70 0,9 0,8 2700 2600 46 50 38 42 2 1 14 7 48 000 38 000 Im Verlauf der weiteren Krankheit besserte sich bald das Blutbild, besonders zugunsten der Leukozyten- und Plättchenzahl. Die Nekrose an der rechten Tonsille stieß sich all- mählich ab. Die Zahnfleischblutungen wurden seltener. Dagegen trat noch mehrere Mal(^ Nasenbluten auf. Am 15. April zeigte die Gingiva noch ein geringes Wundsein, die Rachenabstriche ergaben bakteriologisch keinen krankhaften Befund. Neue Blutungen traten nicht mehr auf. Am 19. April verließ die Patientin geheilt die Klinik. 414 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Warum bei diesen Kranken das Salvarsan eine so fatale Nebenwirkung entfaltete, ist nicht recht klar geworden; die angewandten Einzel- and Gesamt- dosen waren durchaus die bei Frauen üblichen. Als prädisponierender Faktor könnte bei einer Patientin (Fall V der Kasuistik) eine mit heftigen Durchfällen verbundene Quecksilberintoxikation in Frage kommen, die zwar bei Einleitung der Salvarsankur schon mindestens 6 Wochen abgeklungen war, aber eine hoch- gradige allgemeine Schwäche zurückgelassen hatte. Möglicherweise resultiert die Markschädigung aus der Kombination von Lues und Salvarsan. Die von Leder bei der Mehrzahl der mit Salvarsan behandelten Patienten 10—30 Minuten post injectionem konstatierte, zum Teil erhebliche Hypothrombozytose trägt zur Aufklärung wenig bei; denn da sie schon nach 5 — 7 Stunden wieder aus- geglichen ist , kann es sich , wie auch der Autor mutmaßt , wohl nur um einen Verschiebungseffekt handeln, nicht um eine Knochenmarksschädigung. Ganz kurz sei noch erwähnt, daß Herzog und Röscher (b) auch die Kollargol- intoxikation das klinische Bild einer malignen Thrombopenie hervorrufen sahen, die sich auf schwere Zerstörungen im Knochenmark zurückführen ließ. Sie beschreiben zwei tödlich endigende Fälle bei Patienten, die an Gonorrhöe und Lues litten und vor dem Beginn der intravenösen Kollargolkur längere Zeit mit Salvarsan behandelt wurden; bei der Autopsie fanden sie sowohl im Mark der Rippe als auch in dem neu gebildeten Femurmark ausge- dehnte Blutungen und Nekrosen. Das weiße Blutbild war allerdings nicht sehr typisch, insofern im ersten Falle eine enorme Leukozytose bestand, im zweiten ein langsamer Abfall von leukozytotischen Werten zu Leukopenie und Lymphozytose sich vollzog. Der exotoxischen Aleukia benzolica und arsenobenzolica kann man die Aleukia radiotoxica als durch endogene Gifte bedingt gegenüberstellen. Daß nämlich die Röntgenstrahlen direkt und unmittelbar das Knochenmark- gewebe zerstören, ist zwar nach den grundlegenden Tierexperimenten von Heineke möglich, dürfte aber im Hinblick auf die notwendige Strahlenmenge und Einwirkungsdauer beim Menschen nur äußerst selten vorkommen1). Die tägliche Praxis der Leukämiebehandlung lehrt vielmehr, daß die Strahlen auf einem Umwege, durch ein chemisches Zwischenglied, auf das Mark wirken können. Wie will man es' anders als durch humorale Fern Wirkung erklären, daß die isolierte Milzbestrahlung genügt, um bei der myeloischen Leukämie Normalisierung des Blutbildes und symptomatische Heilung herbeizuführen, und zwar in einer unverhältnismäßig kräftigeren und nachhaltigeren Weise herbeizuführen, als es die Bestrahlung der Knochen vermag, die denn auch neuerdings stark in den Hintergrund gedrängt ist. Schon vor Jahren haben Kienböck und Decastello aus dieser Erfahrung den Schluß gezogen, daß die Zellwucherung in dem hyperplastischen Marke und anderen leukämischen Herden von der Milz aus gehemmt werde, daß unter der Einwirkung der Strahlen in der Milz ein Leukotoxin entstehe. Ein kleiner Schritt in Gedanken weiter: sollte nicht durch Überdosierung, durch zu lange fortgesetzte Bestrahlung der Milz über die Zurückdämmung der leukämischen Hyperplasie hinaus eine Reduktion der normalen Zellmenge, schließlich eine Markverödung erzeugt werden können ? Dieses Umschlagen der Leukämie in eine Aleukie haben wir in einem Falle beobachtet, in welchem der Strahlentherapeut durch energische Behandlung hoffte, mehr als nur den üblichen symptomatischen Erfolg zu erzielen : ') .Mir ist nur das unfreiwillige Experiment bekannt, welches der italienische Radiologe Tiraboschi an eigenen Leibe angestellt hat, indem er 15 Jahre lang, jeden Schutz ver- schmähend, sich bei seiner Berufsarbeil der Strahlung harter Röhren aussetzte. Gavazzeni und MinHIi berichten, daß eine, im Laufe von 3 Jahren immer zunehmende Schwache und Blutarmul sein Ableben herbeiführte. Kurz vordem Tode traten leichte Zahnfleisch- blutungen auf. Die Autopsie ließ keinen Zweifel, daß eine allerschwerste Anämie vorhanden war. XonnoUasten und die Zellen der myeloischen Reihe waren im Rippenmark ganz außerordenl lieh sparlioh. Aleukia haemorrhagica : Ätiologie. 415 Frau B., 39 Jahre alt, die seit Juni 1914 anfing, sich schwach zu fühlen und das An- wachsen einer Geschwulst in der linken Oberbauchgegend bemerkte, trat mit einer bis dahin unbehandelten myeloischen Leukämie am 25. 11. in die Behandlung eines Röntgen- institutes. Man erhob dort folgenden Blutbefund: Zahl der roten Blutkörperchen .... 3 750 000 Hämoglobingehalt 70%, Zahl der Leukozyten 287 000, darunter massenhaft Myelozyten. Blutplättchen sind außerordentlich reichlich vorhanden. Die Bestrahlung der Patientin, die anfangs in 8tägigen, später in 14tägigen Zwischen- räumen stattfand, betraf lediglich die in mehrere Felder geteilte Milz. Unter erheblicher Besserung des Allgemeinbefindens schwoll der große Milztumor rasch ab und am 29. 1. 1915 war der Blutbefund fast ganz normal geworden (5 000 000 Rote, 4600 Weiße). An diesem Tage und am 16. 2. wurde sie nochmals bestrahlt, um bei so hoher Radiosensibilität wo- möglich einen mehr als symptomatischen Erfolg zu erzielen. Ende Februar bekam sie plötzlich für einen ganzen Tag heftiges Nasenbluten und Bluten aus dem Zahnfleisch. Anfang März traten an Armen und Beinen etwa zehnpfennig- stückgroße blaue Flecken auf. Am 2. 4. hatte sie einen heftigen Blutsturz, indem sich aus ISfase und Mund reichlich Blut entleerte, das zum größten Teil aus den tieferen Partien des Schlundes zu stammen schien. Nach einer Morphiuminjektion entstand damals eine faustgroße blaurote Beule. Patientin war schwer krank, hatte hohes Fieber und delirierte zeitweise. Die Blutungen aus Mund und Nase wiederholten sich im Laufe des Monats noch öfters. Bei der Aufnahme in die Klinik am 5. 5. hatte die außerordentlich blasse Frau zahl- reiche stecknadelkopfgroße, braunrote Pünktchen an Unterarmen und Unterschenkeln. Am rechten Oberschenkel und am linken Arm war je eine etwa markstückgroße, schwach grün-blau gefärbte Suffusion zu bemerken. Während des Aufenthaltes in der Klinik treten noch ab und zu geringe spontane Blutungen aus dem Zahnfleisch und am Gaumen hervor. Aber nach Einstich in den Finger blutet es stets fast unaufhörlich. Jeder Schlag auf die Haut ruft große Hämatome hervor, unter der Stauungsbinde ent- stehen massenhaft Petechien. Die Milz war nur eben gerade unter dem Rippenbogen zu fühlen. Die Leber ist nicht vergrößert. Blutstatus: Zahl der roten Hämoglobin- Zahl der weißen Zahl der Blutkörperchen gehalt Blutkörperchen Blutplättchen 15. März 4 400 000 70°/0 1400 verschwindend gering 30. April 1200 000 14% 3200 12000 7. Mai 1800 000 15% 2600 19800 15. Mai 1530 000 30% (F. I. 1,0) 1100 19 900 26. Mai 2 100 000 35% 900 2. Juni 1770 000 30% 840 7. Juni 1750 000 33% 600 20 000 20. Juli 1600 000 25% 550 Die Differentialzählung ergab: Am 15. Mai: Polymorphkernige Leukozyten 67%, Lymphozyten 24%, Große Mononukleäre 5%, Eosinophile 4%. Myelozyten waren nicht vorhanden. Am 2. Juni: Polymorphkernige 45%, Kleine Lymphozyten 35%(!) Große Mononukleäre und Übergangsformen . . 10%, Eosinophile 10%. Am 7. Juni: Polymorphkernige 28%, Lymphozyten (meist kleine) 51%(!), Große Mononukleäre und Ubergangsformen . . 11%, Eosinophile 10%. Kernhaltige rote Blutkörperchen wurden nie gefunden; die Poikilozytose war manch- mal nicht unerheblich. Faßt man das Wesentliche dieses Falles nochmals kurz zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Gerade in dem Augenblicke, in welchem unter dem Ein- 416 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. flusse der Strahlen ein glänzender Erfolg erreicht zu sein schien, wird die Patientin von einer schweren hämorrhagischen Diathese befallen, die etwa 5 Wochen lang mit wenig geminderter Heftigkeit anhält, dann in ihren spontanen Äuße- rungen zwar stark zurücktritt, durch die Bestimmung der Blutungszeit, das Stauungsexperiment, die Empfindlichkeit gegen Stoß und Schlag, leichte Schleimhautblutungen aber noch nach 5 Monaten als fortexistierend erkannt werden kann. Die Blutplättchen, auf der Höhe der Schleimhautblutungen völlig fehlend, halten sich dauernd auf ganz niedrigen Werten (zwischen 10 000 und 20 000). Die Leukopenie beim Ausbruch der Purpura haemorrhagica noch, mäßig, steigert sich immer mehr: seit dem 15. Mai ist die Zahl der weißen Zellen von 1100 im Kubikmillimeter auf 550 gesunken. Dabei hat sich das Mischungsverhältnis immer mehr zugunsten der kleinen Lymphozyten ver- schoben, die schließlich 51% aller Zellen ausmachen, bei einer ursprünglich myeloischen Leukämie gewiß ein außerordentlich frappantes Endergebnis. Auf- fallend bleibt die hohe relative Zahl der Eosinophilen; doch ist zu bedenken, daß diese Zellart ja bei der Leukämie weit über das Normalmaß hinaus ver- mehrt ist. Von der kryptogenetischen Aleukia haemorrhagica unterscheidet sich dieser höchst bemerkenswerte Fall lediglich dadurch, daß die Kranke sich monatelang mit einem weißen Blutbild erhalten hat, dem bei jener der Exitus in kurzer Zeit zu folgen pflegt. Zwar ist nach dem Aussetzen der Bestrahlung der Prozeß noch längere Zeit progredient, wie die erst seit diesem Zeitpunkte sich aus- bildende lymphozytotische Leukopenie zeigt; aber trotzdem die Zahl der farb- losen Zellen sich auf diesen niedrigen Werten hält, muß doch der Zerstörung des Markgewebes in einem Augenblicke Einhalt getan worden sein, in welchem noch nicht alles Leben in den Blutbildungsherden erloschen war. Ein ähnlicher Fall, den v. Decastello beschrieb, kam zur Autopsie. Wir haben ihn als Paradigma einer ziemlich hochgradigen sekundären lymphatischen Hyperplasie des Markes, die fast eine Umwandlung in lymphatische Leukämie vortäuschte, bereits früher zitiert (S. 406). Übrigens sind auch bei der Benzolbehandlung der Leukämie Um- wandlungen in Benzolaleukie beobachtet worden (bei Wirth und Neu mann Sinken der Weißen bis auf 200!). Leichtere, rasch der Rückbildung fähige Grade eines Rückschlages von schrankenloser Myeloplastik in zeitweilig myeloische Impotenz unter dem Einfluß der Röntgenstrahlen sind sicherlich nicht ganz selten. Es gibt besonders radiosensible Formen, bei denen trotz rechtzeitiger Unterbrechung der Strahlen- therapie die Abnahme der farblosen Elemente auf leukopenische und thrombo- penische Werte noch eine Zeitlang weiter fortgeht. So wurde bei einem unserer Patienten die Behandlung ausgesetzt, weil im Laufe von 14 Tagen die Leuko- zyten von 115 000 auf 19 000 abstürzten; innerhalb der nächsten Wochen sanken sie aber weiter bis auf 2200; die Myelozyten fehlten und die Lympho- zyten stiegen auf 42°/0- Die Plättchen verminderten sich bis auf 45 000, und es trat eine leichte Neigung zu Epistaxis und Zahnfleischblutung hervor. Skorbut und Aleukie. Wir wollen schließlich wie bei der essentiellen Thrombo- penie die Frage streifen, ob auch das Gegenteil einer Vergiftung, das Fehlen eines physiologischen Bestandteils der Nahrung, zur Entstehung einer degene- rativen Markschadigung beitragen kann: Gibt es eine Aleukia avitaminosa? Die hämorrhagische Diathese beim Skorbut und ihre eigentümliche Lokali- Bation beruht, wie wir mit Aschoff und Koch annehmen möchten, auf einer Minderwertigkeit der Kittsubstanzen nicht nur des Endothelrohres, sondern des die Kapillaren tragenden Stützgewebes. Der Skorbut der Säuglinge und Aleukia haemorrhagica und Skorbut. 417 Erwachsenen ist eine allgemeine Gewebs- und Organschädigung, die auch in der Widerstandslosigkeit gegen Infekte und als Kachexie zum Ausdruck kommt. Er zieht wohl stets das blut bereitende Gewebe in Mitleidenschaft und führt bei voller Entwicklung zu ziemlich hochgradiger Anämie, die aber für gewöhnlich den chlorotischen Typ mit normalen oder erhöhten Werten der Weißen und Thrombozyten, beim Säugling wohl auch Übergänge zur Jaksch-Hayemschen Anämie mit zahlreichen Normo-Megaloblasten und vereinzelten Myelozyten erkennen läßt. Ich führe zwei Beispiele aus eigenem Beobachtungsmaterial an: Fall 1. Bei einem jungen Mädchen mit Struktur des Ösophagus entwickeln sich nach monatelanger Ernährung durch die Magenfistel mit einseitiger Mehlkost: Gingivitis, Waden- hämatome, leicht und stark blutende schlaffe Granulationen einer nicht heilenden Öso- phagoplastik. Blutbild: Erythrozyten 3 100 000, Hämoglobin 38%, Färbeindex 0,61%, Leukozyten 6 600, Thrombozyten 179 000. Fall 2. Bei einem Patienten mit einer Magenfistel, der seit Jahr und Tag nur von Mehlsuppen und Kakao gelebt hatte, war seit einigen Wochen eine Gingivitis mit Zahn- lockerung und Foetor ex ore entstanden, dazu hatten sich punktförmige Hämorrhagien an den Haarbälgen und fiächenhafte Suffusionen der Unterschenkel nebst schmerzhafter Schwellung der Wadenmuskulatur gesellt: Die Zahl der Blutplättchen, die Gerinnungs- zeit in vitro, die Blutungsdauer nach Stichverletzung war durchaus normal. Bier ich hat nun aber zeigen können, daß bei den besonders schweren Fällen die Dinge sich ändern; er wählt aus einem großen Epidemiematerial 20 Fälle aus, bei welchen ein der aplastischen Anämie oder Aleukie sehr nahestehendes Blutbild sich entwickelt hat und unter der Behandlung allmählich wieder rück- gängig wird. Er gibt folgende tabellarische Übersicht über das immer nach Verlauf von 10 Tagen festgestellte Blutbild, dessen Zahlen als Durchschnitt jener 20 Fälle zu betrachten sind: Durchschnittliches Blutbild von 20 schweren Fällen im Verlauf der ersten 7 Wochen (Zählungen nach je 10 Tagen). lOtäg. Peri- ode Hb Ery. F.I. % Leuko. Poly. /o Mono. /o Lymph. % Eo. /u Mast. /o Blut- plätt- chen Path. Formen I. II. 27 41 1328000 2 516 000 1,1 0,8 3620 3380 48,0 54,0 6,5 6,3 43,5 37,7 0,4 1,7 1,6 0,3 19 280 24 836 Normo. 0 punkt. Er.O Normo. 0 punkt. Er.O III. IV. V. 49 76 84 3 260000 4443 000 4 684000 0,75 0,86 0,9 5320 6040 8260 57,5 68,5 72,7 8,0 4,5 4,0 27,5 23,6 21,3 6,5 3,0 1,7 0,5 0,4 0,3 156280 194 120 345 530 Normo. 2 punkt. + + Normo. 4 Normo. 0 Der Sektionsbefund des schwersten Falles (Erythrozyten 980000, Hb 21, Leukozyten 3860 mit relativer Lymphozytose, Plättchen 28650) ergab in den langen Röhrenknochen derbes Fett mark. Danach scheint es nicht zweifelhaft, daß die skorbutische Avitaminose eine (bei rechtzeitig einsetzender Therapie noch der Restitution zugängliche!) Markzerstörung mit fehlender Metaplasie des Fettmarkes im Gefolge haben kann. So interessant die Beobachtungen Bierichs sind, sie dürfen doch in ihrer Bedeutung nicht überschätzt werden: im allgemeinen ist die hämatologische Blutkrankheiten. II 27 418 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Formel des Skorbuts und der Aleukie, wie wir sehen, grundverschieden. Man darf sich durch jene seltenen Vorkommnisse nicht dazu verleiten lassen, zwischen den Avitaminosen und der kryptogenetischen Aleukie eine Brücke zu schlagen. Im Gegenteil, man wird vom praktischen Standpunkte aus gut tun, den auch in seiner schwersten Ausprägung noch der Heilung zugänglichen skor- butischen Prozeß und die unaufhaltsame Primärerkrankung der blutbereitenden Organe streng zu trennen. Diese ist zwar wegen der „skorbutoiden" Mund- höhlenaffektion und der hämorrhagischen Diathese häufig genug als Skorbut verkannt worden; aber eigentlich genügt fast stets eine eingehendere Würdi- gung des klinischen Gesamtaspektes beider Krankheitsformen, um zur richtigen Erkenntnis zu gelangen, noch ehe ein Blick ins Blutpräparat entscheidet. Die Ablehnung des echten Skorbuts wird darauf gegründet werden können, daß bei der Aleukie (und der akuten Leukämie) neben dem schwammig vorquellenden mißfarbenen, zu Blutung und Zerfall neigenden Zahnfleisch auch in anderen Teilen der Mundhöhle sowie im Schlund und Rachen ulzeröse und gangränöse Prozesse nachweisbar werden, während im Falle des Skorbuts auch bei heftigstem Ergriffensein der Gingiva die übrige Schleimhaut der Mundhöhle und des Isthmus faucium sich höchstens durch bläuliche oder dunkelrote Färbung und leichte Schwellung an der Er- krankung beteiligt. Ferner gilt in gleicher Weise wie für die Thrombo- penie: die Beschränkung der Petechien auf die Haarfollikel, die ungemein ausgebreiteten Blutdurchtränkungen der tieferen Subkutis und des epi- und subfaszialen Interstitiums, welche Haut und Muskeln fest verlöten, die schmerz- haften Blutungen in die Muskelscheiden und Muskelinterstitien, die periostalen Hämatome sind für den Skorbut charakteristische Lokalisationen, kommen aber bei der Aleukie nicht oder nur ganz zufällig vor. Sollten dennoch diagnosti- sche Schwierigkeiten bestehen, so wird im allgemeinen schon der Plättchen- befund die Entscheidung bringen: Die hämorrhagische Diathese beim Skorbut geht mit normalen oder wenig verminderten Thrombo- zytenzahlen einher: der Pseudoskorbut basiert in seiner hämor- rhagischen Komponente auf der Thrombopenie. Über die Beziehungen der Aleukie zur essentiellen Thrombopenie und zur Perniziosa, a ) Zur essentiellen Thrombopenie. In der Arbeit, in welcher ich Begriff und Krankheitswesen der Aleukie abzugrenzen suchte, habe ich enge Beziehungen zur essentiellen Thrombopenie für wahrscheinlich gehalten. Ich stellte mir vor, daß die nämliche Noxe, die bei der isolierten Megakaryotoxikose am Werke ist , bei gesteigerter Intensität oder abnormer individueller Empfindlichkeit auch die übrigen Stamm- und Bildungszellen des Markes angreift. Wie ge- legentlich die milde diffuse Hepatose, die wir Ikterus simplex nennen, in akute gelbe Leberatrophie ausgeht, so würde, wenn auch selten, eine Erkrankung, die gewöhnlich die Megakaryozyten nur temporär und reparabel affiziert, in ihrer schwereren Form eine endgültige Megakaryolyse und darüber hinaus allgemeine Zellvernichtung im Marke bewirken können. Ich ging davon aus, daß die hochgradige Plättchenarmut beidemal im Mittel- punkte des Krankheitsbildes steht und daß die Aleukia haemorrhagica gar nicht so selten als Thrombopenie verläuft. So entsteht der Eindruck, der gewiß kein Beweis ist, daß die Thrombopenie erst allmählich den malignen Charakter annimmt. Stärker ins Gewicht fällt schon der Umstand, daß das Benzol in den Leichteren Fällen lediglich die Megakaryozyten zu schädigen scheint, bei genügend langer Einwirkung auf besonders disponierte Personen aber das Mark in Beiner Totalital vernichtet. Bin Schluß von der bekannten Ursache auf die verborgene liegl gew iß nahe. Aleukia haemorrhagica : Beziehungen zur essentiellen Thrombopenie. 419 Ich suchte dann weiter zu zeigen, daß es Zwischenformen gibt, die man mit gleichem Rechte noch der Thrombopenie oder bereits der Aleukie zurechnen kann. Schultz hält das Argumentieren mit solchen Zwischen- oder Über- gangsformen für wenig glücklich, und ich muß gestehen, daß ich heute die Beweiskraft der damals zitierten Beispiele aus der Literatur und einer später von Elisabeth Beneke als ,, Übergangsform" rubrizierten Beobachtung selbst ziemlich gering einschätze. Der Fall von Massary und Weil, den ich als Paradigma eines Überganges von Thrombopenie in Markatrophie besonders hoch bewertete, ist doch von Anfang an eine Panmyelophthisie gewesen, einer jener Fälle, bei welchen die Schädigung der Erythroblasten und der Megakaryo- zyten raschere Fortschritte machte als die Leukophthisie. Im klinischen Bild dominieren dementsprechend die hämorrhagische Diathese und die schwerste aregenerative Anämie, während unter den 5900 Weißen immerhin noch 57% Polynukleäre waren. Bei der Obduktion wurde im Oberschenkel, Oberarm und in den Rippen gelbes Mark getroffen; auf Schnitten durch das Rippenmark fiel die Armut an geformten Elementen auf, die aber hauptsächlich Myelozyten (neben einigen Megaloblasten) gewesen zu sein scheinen. Im Falle von E. Beneke war es ähnlich: Bei einem 3jährigen Kinde Anaemia gravissima mit Thrombopenie, anfänglich auch hochgradige Neutropenie (2000 Weiße mit 80°/0 Lymphozyten), aber unter dem Einflüsse eines stärksten leukotaktischen Stimulans, nämlich einer Pneumonie, doch noch ein Anschwellen auf 10900 mit 80% Neutrophilen. Der Oberschenkel enthielt reines Fettmark, im Rippen- mark waren offenbar noch leidlich viel Myelozyten (aber nur vereinzelte Normo blasten). Diese sog. Zwischenformen sind doch wohl niemals ,, benigne" Thrombo- penien gewesen, ihre Malignität ab origine ist nur dadurch verschleiert, daß nicht alle Komponenten des Markgewebes gleichmäßig und in gleichen Zeit- abschnitten gleich hochgradig atrophieren; geschädigt aber werden sie alle, d. h. es handelt sich um Panmyelophthisien : sie als ,, Zwischenformen" zu reklamieren, war eine gekünstelte Konstruktion. Nicht minder skeptisch betrachte ich heute auf Grund der inzwischen ge- wonnenen Erfahrung eine andere Gruppe von Fällen, die ich damals als Kron- zeugen einer engen Zusammengehörigkeit von essentieller Thrombopenie und hämorrhagischer Aleukie anführen zu können glaubte. Dem Gedankengange, der mich leitete, war an sich die Folgerichtigkeit nicht abzusprechen. Ließe sich zeigen, daß eine intermittierende Thrombopenie im Rezidiv oder eine chronische Thrombopenie nach jahrelangem Verlaufe in Aleukie ausginge, so wäre in der Tat eine starke Stütze für die Anschauung gewonnen, daß die beiden Krankheiten nur verschiedene Grade des gleichen pathologischen Grund- vorganges seien. Jene Fälle der Literatur sollten eben die Realität dieses Ge- dankens erweisen. Die Annahme einer jahrelang bestehenden hämorrhagischen Diathese stützte sich aber bei ihnen nicht auf ärztliche Beobachtung, sondern nur auf anamnestische Angaben von Nasenbluten, Metrorrhagien, traumatische Blutunterlauf ungen und lange Nachdauer von Blutungen aus Schnittwunden. In keinem Falle ist eine universelle Blutungsneigung, ist also für strenge Kritik nicht einmal klinisch, geschweige denn hämatologisch dieser präliminarische Zustand als essentielle Thrombopenie sichergestellt. Ich selbst habe an einem doch sehr großen Material von chronischen Thrombopenien, deren Krankheits- geschichte sich über Jahre erstreckt und die ich zum Teil selbst mehrere Jahre verfolgen konnte, niemals den Ausgang in Aleukie beobachtet und ich habe auch keine Kenntnis von einer in der Literatur niedergelegten Beobachtung, welche eine solche Aufeinanderfolge zwingend beweist. Wenn überhaupt die Fort- entwicklung einer echten essentiellen Thrombopenie zu einer Panmyelophthisie 27* 420 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. vorkommt, dürfte sie jedenfalls außerordentlich selten sein und Schlüsse auf eine Gesetzmäßigkeit dieses Vorkommens kaum erlauben. Der Morbus maculosus Werlhofii (die essentielle oder benigne Thrombo- penie) und die hämorrhagische Aleukie haben zwar das Symptom des exzessiven Plättchenmangels gemeinsam, aber die Bedingungen, die beidemal in der Thrombopenie schließlich zum Ausdruck gelangen, scheinen doch ganz verschiedene zu sein. Dafür dürfte nicht zum wenigsten auch der histologische Befund sprechen. Die Megakaryozyten einer essentiellen Thrombopenie sind, wie wir beschrieben und abgebildet haben, durch den Verlust der Azurgranulation (und durch beginnende Veränderungen am Kern) schwer alteriert, aber ihre Zahl mindert sich selbst nach monatelangem Be- stehen der Krankheit nicht, ja kann selbst bei allerschwerster Schädigung der einzelnen Zelle noch erheblich vermehrt sein. Gerade das Gegenteil ist bei der Aleukie der Fall. Die Megakaryozyten sind im Mark höchst spärlich ge- worden, aber die wenigen Riesenzellen, die man findet, sind, wie Seeliger am frischen Sternalausstrich vom Lebenden und am Femurschnitt gezeigt hat, qualitativ normal, mit dichter Azurgranulation versehen. Im Einzelfalle läßt sich die Differentialdiagnose zwischen benigner und maligner Thrombopenie fast stets ohne besondere Schwierigkeit durchführen. Im Groben ähnliche Bilder können unter zweierlei Umständen entstehen. Die akute Verlaufsform des Morbus Werlhof kann durch vehemente Schleimhaut blutungen in kurzer Frist beängstigende Grade von Anämie im Gefolge haben. Wie soll man mit Sicherheit erkennen, daß eine derartige Kombi- nation von Anaemia gravis mit hämorrhagischer Diathese auf dem Boden der isolierten Megakaryotoxikose, nicht auf dem der fortschreitenden Myelo- phthisie entstanden ist. Hier ist hämatologisch der Haupt nachdruck auf das Verhalten der Weißen zu legen: für die akute benigne Thrombopenie ist die posthämorrhagische Polynukleose, die zu hohen absoluten Werten (40 000 bis 50 000) führen kann, charakteristisch; im Wesen der Aleukie liegt es, daß die schwere posthämorrhagische Anämie mit hochgradiger Neutropenie und Lymphozytose verknüpft ist. Des ferneren ist ja bei der benignen Form der erythroblastische Apparat höchst anspruchsfähig und man wird Normoblasten, Polychromatophilie und vital färbbare Substanzen als Zeichen des Einstroms jugendlicher Erythrozyten kaum vermissen: bei der Aleukie haben wir das Ausbleiben oder jedenfalls die außerordentliche Spärlichkeit solcher Formen, selbst im Anschluß an schwerste Blutverluste, gebührend hervorgehoben. Ernstliche Schwierigkeiten der Abgrenzung bietet die früher S. 403 erwähnte seltene Spielart der Panmyelophthisie mit vorwiegend Erythroaplasie und Thrombopenie, bei welcher die Schädigung der Leukoblastik aus dem statischen Blutbilde nicht ohne weiteres erkennbar ist. Wenn, wie in einem von Stern - berg (a) mitgeteilten Falle eine Leukozytose bei zunehmender Anämisierung ausbleibt, aber Zell- und Mischungsverhältnisse der Weißen sich nicht ver- ändern, und gar noch ausgeschwemmte Residualnormoblasten sich finden, dann kann die benigne Form trotz des tödlichen Ausganges für wahrschein- licher gehalten werden. Denkt man unter solchen Umständen an maligne Thrombopenie, so wird man vor allem bei post vitaler Färbung nach jugend- lichen Erythrozyten mit Substantia reticulo-filamentosa fahnden und eine Leukozytose durch Reizsubstanzen zu erzwingen suchen. Für die differentielle Diagnostik wegweisend ist weiter vor allem die Tat- Baohe, daß das Wesentliche dw essentiellen Thrombopenie die reine unkompli- zierte Blutung ist. daß der nekrotisierende Lokalinfekt der Mundhöhle oder anderer Hohlorgane und Kanalsysteme im Bilde dieser Erkrankung keine Statte bat. Wir betonten oftmals: die Blutung erfolgt bei der essentiellen Aleukia haemorrhagica : Beziehungen zur Perniziosa. 421 Thrombopenie aus einer durchaus normalen, jedenfalls nicht aus einer ent- zündeten Schleimhaut. Hier und da kann eine Interdentalpapille blutig imbi- biert sein, aber niemals sind diese sämtlich in düster verfärbte Wülste um- gewandelt; das Lippenrot, die Zahnfleisch- und Zungenränder sind wohl mit Blutkrusten bedeckt, an einzelnen Stellen auch durch Platzen einer Blutblase aseptisch erodiert, aber niemals tiefer ulzeriert oder gar mit mißfarbenen, fetzig- membranösen Auflagerungen versehen. Bei den chronisch verlaufenden Thrombopenien kann sich als konsti- tutionelles Stigma oder als Erschöpfungssymptom eine Neutropenie mit rela- tiver Lymphozytose finden, die etwa bis zur oberen Grenze der bei Aleukie zu erwartenden Werte absteigt. Meist ist bei diesen Fällen die Anämie nur mittleren Grades, aber wir kennen ja eine Abart der Aleukie, eigentlich die Aleukia sensu strictissimo, welche vor allem durch den Granulozytenschwund ausgezeichnet ist, während die Anämie sich nur langsam fortentwickelt. Diffe- rentialdiagnostisch ist vor allem zu bemerken, daß die Blutarmut bei der benignen Thrombopenie eine typische hypochrome chronische Blutungsanämie ist, während für die maligne Form ja ein relativ hoher, um 1,0 schwankender Färbeindex gefunden wird. Vor allem wird es auch hier wieder darauf ankommen, ob ein Versuch, die Neutropenie durch parenterale Reizkörper oder Adrenalin zu durchbrechen und sie temporär in ein normales oder leukozy totisches Blut- bild überzuführen, von Erfolg gekrönt ist. Je zäher das weiße Blutbild gegen- über einem solchen Eingriff seine Konstanz zu wahren scheint, desto wahr- scheinlicher wird eine anatomisch begründete Insuffizienz des Markes. Im übrigen ist auch in diesen Fällen das Fehlen jedes septischen Einschlages, etwa einer Angina, Stomatitis oder Kiefereiterung, besonders wichtig. b) Zur Perniziosa. In der Frage der Beziehungen der aplastischen Anämie Ehrlichs, eben derjenigen, die wir Aleukia haemorrhagica nennen, zur Biermer- Ehrlichschen perniziösen Anämie hat sich in den letzten Jahren eine tiefgreifende Wandlung vollzogen. Früher hielt man vielfach die „aplastische" Anämie für eine Abart, eine Variante, einen Endausgang der Perniziosa. Diese Vor- stellung konnte aufrecht erhalten werden, solange man glaubte, daß die aplasti- sche Anämie nicht primär myelopathischer Natur sei, sondern lediglich den Bankrott des Knochenmarks, das vollständige Versagen der Regeneration bei primärer Erythrolyse zu erkennen gebe. Warum sollte nicht auch bei der Perniziosa, bei welcher die Blutzerstörung sicherlich eine gewaltige Rolle spielt, gelegentlich die aufgepeitschte Erythroblastik früher oder später erlahmen ? Das etwa ist der Standpunkt, den noch 1911 Hirschfeld in seinem Referate vor der Berliner Hämatologischen Gesellschaft vertrat und dem sich Pappen - heim in der Diskussion anschloß. Nun haben wir bereits des öfteren betont, daß die Annahme einer primär gesteigerten Hämolyse bei der Aleukia haemor- rhagica nicht mehr haltbar ist, im Gegenteil eine Minderung der physiologischen Blutzerstörungsquote die Wahrscheinlichkeit für sich hat. Damit entfällt natürlich ein aplastischer Typ der Biermer-Ehrlichschen Anämie als Ausdruck der Markerschöpfung oder Markasthenie. Durch das konträre Verhalten der intrasplenischen Erythrolyse scheint überhaupt eine Scheidewand zwischen den beiden Krankheitsbildern auf- gerichtet, aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Hämolyse nicht das Ganze des hämatologischen Symptomenkomplexes der Perniziosa ausmacht, daß diese nicht nur eine hämolytische Anämie, sondern auch eine Mykotoxikose ist, welche in der bekannten megaloblastisch-makrozytären Aberration der Erythroblastik und zugleich in einer Hemmung der Leuko- und Thrombo- poese ihren Ausdruck findet. Besonders der letztgenannte Anteil weist in der 422 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Richtung der Aleukie, handelt es sich doch im Blutbilde stets um Neutropenie mit nicht unerheblicher Lymphozytose und um starke Plättchenverminderung. Wohl ist im allgemeinen die Gesamtzahl der Weißen über 2500, der prozentische Anteil der Lymphozyten höchstens zwischen 40 und 50°/0; auch die Thrombo- zyten pflegen sich diesseits der kritischen Grenze zu halten, so daß eine hämorrhagische Diathese (abgesehen von den Retinalblutungen) bei der überwiegenden Zahl der an Perniziosa Erkrankten nicht zur Be- obachtung gelangt. Aber hin und wieder begegnen uns doch Fälle, die eine stärker ausgesprochene Leukopenie oder eine Thrombopenie aufweisen. Die Kombination beider Symptome allerdings, die doch erst ein der Aleukie entsprechendes weißes Blutbild bedingen würde — also Leukozytenzahlen zwischen 1000 und 1500 mit Plättchenwerten unter 30000 — ist recht selten. Ich habe in den letzten 8 Jahren, wie erwähnt, ein Material von etwa 70 Per- niziosaf allen klinisch und hämatologisch genauer verfolgt, aber eigentlich nur zweimal eine wirklich weitgehende Annäherung an die Aleukie konstatiert. Der erste Fall stellt sich der rückschauenden Betrachtung als eine Episode im Rahmen einer typischen, mit Remissionen verlaufenden Perniziosa dar: Frau W., 40 Jahre alt, leidet seit einigen Monaten an lange anhaltenden, schwer still- baren Monatsblutungen, gelegentlich an Zahnfleisch- und Nasenbluten. Die hämatologische Untersuchung der außerordentlich blaß aussehenden Frau ergab folgenden Befund: 24. Juli 1920: Erythrozyten . . 1200000, keine Normoblasten, Hämoglobin . . 24%, Leukozyten . . 1300 (bei normalem Mischungsverhältnis), Plättchen ... 26000. Trotz des Fehlens entzündlich nekrotisierender Erscheinungen in der Mundhöhle ent- steht im Hinblick auf die starke Leukopenie und Thrombopenie und den nicht erhöhten Färbeindex der Verdacht einer Aleukie. Befund am 17. August 1920: Hämoglobin 30%, Thrombozyten 80000. Polychromatophilie, Megalozytose. Urobilinogen positiv; zur Zeit keine Blutungen. Die Milz ist palpabel; die Blutungen haben aufgehört. Die Patientin stellt sich 2 Jahre später wiederum vor. Sie hat jetzt eine Schmerz- empfindlichkeit der Zunge, deren Papillen deutlich gerötet und geschwellt sind (Huntersche Glossitis). Blutbefund am 11. September 1922: Erythrozyten 2060000, Hämoglobin 43%, Leukozyten 7100. Eine nochmals genau aufgenommene Anamnese ergibt, daß die Erkrankung doch wohl schon 2 Jahre vor der ersten Aufnahme mit heftigen Diarrhöen einsetzte und daß sich von dieser Zeit an die Blutarmut schleichend entwickelte. Der zweite Fall zeigt, daß das Finale einer Biermer-Ehrlichschen Anämie im klinisch-hämatologischen Gesamtaspekt zahlreiche Berührungspunkte mit der Aleukia haemorrhagica gewinnen kann. August Seh., 52 Jahre alt, hat angeblich vor 20 Jahren eine Lues akquiriert. Damals Schmierkur, seitdem nicht behandelt, Aufnahme des hochgradig anämischen Patienten in die Hautklinik am 8. 12. 1922. Befund: Auf der Gesäßbacke und dicht neben und über der Gesäßspalte ein serpiginöses Syphilid. Auch an den Unterschenkeln in Abheilung begriffene serpiginöse Effloreszenzen. rmannsche Reaktion im Blute und im Lumbalpunktat positiv. Der Patient wird vom 8. 12. :*0. 12. L922 mit 5 Neosalvarsaninjektionen behandelt (0,15 g pro dosi). Blutbefund am 18. 12. 1922: Erythrozyten 940000, Hämoglobin 22%, Leukozyten 2900. Aleukia haemorrhagica : Beziehungen zur Perniziosa. 423 (Neutrophile 44%, Lymphozyten 46%, Monozyten 10%). Im Blutbild zahlreiche Mikro- zyten, vereinzelte Normoblasten, Thrombozyten außerordentlich spärlich, zum großen Teil Riesenblutplättchen. Urobilin positiv, Huntersche Zunge (bereits seit dem Sommer Schmerzen in der Zunge, die ihm beim Essen sehr hinderlich waren). Freie HCl 0, Gesamt- säure 10. Aufnahme in die medizinische Klinik 9. 1. 1923. Blutbefund : Erythrozyten 940000, Hämoglobin 18%, Leukozyten 900(!) Thrombozyten 40000. Ein Normoblast, ein basophil punktierter Erythrozyt. 10. 1. Thrombozyten 28500, 11. 1. Thrombozyten 21000. Am 11. 1. zeigt sich Trübung des Sensoriums, die allmählich zu tiefer Benommenheit wird. An den seitlichen Thoraxpartien und den oberen Extremitäten treten Petechien und kleinere Ekchymosen hervor. Patient entleert diarrhoische Stühle, die mit Blutkoagula untermischt sind. Er geht im Koma zugrunde. Bei der Autopsie zeigen sich in der Magenschleimhaut multiple Blutungsherde, ferner ein Bluterguß im Frontalhirn linkerseits, sowie ausgedehnte Blutungen in der Gegend des Pons und im Kleinhirn. In beiden Fällen war immerhin bereits aus dem Zustandsbild (nicht erst aus der Entwicklung und dem Gesamt verlauf) die Diagnose zu stellen. Im ersten Falle war zwar der Färbeindex nur wenig über 1,0 und Erythroblasten fehlten, aber im Verein mit der nach etwa 14tägiger Beobachtung hervor- tretenden Makrozytose, Poikilozytose, Polychromatophilie und der auf 80000 sich erhöhenden Plättchenzahl war schon damals die Perniziosa wahrscheinlich, bei der Wiedervorstellung nach 2 Jahren gesichert. Im zweiten Falle blieb das rote Bild bis zum Ende ausgesprochen megalozytisch-hyperchrom. War nun hier auch im Endstadium Hyperchromie und Makrozytose stark ausgeprägt, so könnten wir uns doch denken, daß unter besonderen Umständen die toxische Einwirkung auf die Bildungszellen der Erythrozyten über die megaloblastische Abartung hinaus bis zur Vernichtung des roten Markes weiter- schreitet. Hirschfeld und Naegeli behaupten, je einen solchen Fall klinisch und autoptisch vor sich gehabt zu haben. Hirschfeld (b) berichtet nur kurz, daß einmal unter seinen Augen das hyperchrome megalozytisch-megaloblastische Blutbild sich in das einer schwersten Anämie mit meist hypochromen, gar nicht oder nur wenig vergrößerten Blutzellen und völligem Fehlen kernhaltiger Formen umwandelte; anatomisch fand sich atrophisches Rippenmark fast ohne kernhaltige rote Elemente und im Femur gelbes Mark mit einem erbsen- großen Herdchen von Megalo- und Gigantoblasten. Eva Krantz hat unter Naegelis Leitung einen Fall publiziert, der, von Anfang an als schwerster Morbus maculosus verlaufend und in wenigen Wochen zum Tode führend, im Blutbilde zwar keine Anklänge an die Perniziosa zeigte, aber einen Bothrio- zephalusträger betraf, und bei anatomisch sehr ausgesprochener Markatrophie in dem zellarmen Rippenmark Myeloblasten und Megaloblasten aufwies. Der Fall Hirschfelds wäre als Ausgang einer Perniziosa in Panmyelo- phthisie aufzufassen, der Fall von Krantz -Naegeli als Beispiel dafür anzu- sehen, daß eine notorisch als Ursache der Perniziosa anerkannte Schädlichkeit, der breite Bandwurm, auch ohne jedes hyperchrome Vorstadium von vorn- herein eine Aleukia haemorrhagica als biologische Variante der Perniziosa hervorbringen kann. Beide Beobachtungen bieten der Kritik breite Angriffsflächen. Es sind im Grunde klassische Panmyelophthisien, und es muß sehr ernstlich gefragt werden, ob ein minimales Inselchen aus Megaloblasten oder auch ein paar 424 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. diffus verteilte ausreichen, um die Diagnose einer aplastischen Perniziosa zu begründen. Wer will sagen, ob die kümmerlichen Reparationsbemühungen bei der Aleukie nicht manchmal in der Produktion vereinzelter Megaloblasten- herdchen gipfeln. Wie dem auch sei: Megaloblasten, bald vereinzelt, bald etwas zahlreicher, sind unter den wenigen Myeloidzellen der Schnitte und Ausstriche klassischer Aleukien mehrfach beschrieben worden; diese Fälle lediglich des- halb als aplastische Verlaufsform der echten Perniziosa zu deuten, ist eine Petitio principii, deren Berechtigung mir durchaus zweifelhaft erscheint, ebenso wie ich es für nicht gerechtfertigt halte, aus einer diskreten Beigabe von Mikro- zyten im Blute solcher Fälle gleich die Verwandtschaft zur perniziösen Anämie herauszulesen, wenn sonst der klinische und blutmorphologische Gesamthabitus ein von dieser ganz abweichender ist. Im Falle Hirschfeld fehlt jegliche Angabe über das klinische Gesamt- bild, über den Verlauf und über die Therapie vor jener höchst erstaunlichen Peripetie. Wenn wirklich hier ursprünglich eine Perniziosa bestanden hat, könnte dann nicht ein neuer Giftfaktor hinzugetreten sein? Wir sprachen eben über die weitgehende Ähnlichkeit mit der Aleukie, die das Blutbild und der klinische Verlauf einer Perniziosa bei einem Luetischen annahm, den man mit Salvarsan behandelte. Wäre es nicht denkbar, daß das Salvarsan (das allerdings meist erst in größerer und protrahierter Dosis Myelophthisis macht) bei der Kombination von Lues und Perniziosa besonders deletär aufs Mark wirkt? Im Falle Naegeli-Krantz kann ein arger Zufall seine Hand im Spiele gehabt haben: Nach Schaumann beherbergen in Finnland etwa 15—20% der Bewohner den breiten Bandwurm, aber nur ein Bruchteil eines Prozentes dieser Bandwurmträger erkrankt an perniziöser Anämie: Warum sollte nicht zufällig eine kryptogenetische Aleukie einen Menschen befallen, der einen für ihn harmlosen Bothriozephalus trug. Möglich, daß die spärlichen Erythro- blasten, die der Toxikose entgingen, gerade des akzidentellen Wurmes wegen, Megaloblasten waren. Resümierend möchten wir also sagen: Es muß also noch durchaus unsicher bezeichnet werden, ob der für die Entstehung einer Perniziosa verantwortliche Bedingungskomplex als Variante oder als Finale das klinische und anatomische Vollbild der Aleukia haemorrhagica erzeugen kann. Sollte es der Fall sein, so würde es nur für einen geradezu verschwindenden Bruchteil der so häufigen Fälle von Biermer-Ehrlichscher perniziöser Anämie gelten können. Wir haben uns selbst davon überzeugt, daß das weiße Blutbild bei der Perniziosa alle Züge einer weitgetriebenen Leukoaplasie tragen kann; aber wir sind nicht sicher, ob hier wirklich eine Leukatrophie im Knochenmark vorliegt oder ob nicht vielmehr eine mangelnde Differenzierung der myeloischen Stammzellen, von der bei den symptomatischen Aleukien noch zu sprechen sein wird, an dem Schwinden der Granulozyten und Plättchen die Schuld trägt. Bei dem heutigen Stande unseres Wissens wird man gut tun, Perniziosa undAleukie für klinisch, hämatologisch und ätiologisch differente Krankheitseinheiten zu halten, die auch im konkreten Falle bei eindringender Würdigung aller Krankheitszeichen wohl stets getrennt werden können. Aleukie und Konstitution. Das ätiologische Problem der Aleukie wäre ohne Berücksichtigung des konstitutionellen Faktors nicht erschöpft. Ist zum Zu- standekommen der Erkrankung eine angeborene Minderwertigkeit des bämato- poetischen Apparates erforderlich? Wir können hier wirklich nur fragen und auf mögliche Zusammenhänge hinweisen, aber keine entscheidende Antwort erteilen und werden es vielleicht auch weiterhin sobald nicht können, da natur- Aleukia haemorrhagica und Konstitution. 425 gemäß das Blut von Kranken mit Aleukie nur ganz ausnahmsweise in gesunden Tagen oder bei Infekten wird untersucht worden sein. Darauf aber käme es an, nämlich zu wissen, ob solche Menschen ständig ein sog. ,, degeneratives Blutbild" (Bauer) — Neutropenie mit relativer oder leichter absoluter Lympho- zytose — als Stigma eines Status lymphaticus aufweisen und ob sie auf Infekte mit einer sog. „lymphatischen Reaktion", d. h. mit Lympho-Monozytose statt mit Polynukleose antworten. Türk (c) hat zuerst einen dieser eigenartigen Fälle beschrieben, die man in Unkenntnis des Sachverhaltes geneigt wäre, für akute oder subakute lymphati- sche Leukämien zu halten, um dann durch den ,, glimpflichen" Ausgang nicht wenig überrascht zu werden. Die Kranken — meist Kinder, Adoleszenten und jüngere Erwachsene — leiden an ziemlich schweren, dabei sehr protrahiert verlaufenden Anginen, die nicht nur mit regionären, sondern auch mit uni- versellen Lymphdrüsenschwellungen, mit Lebervergrößerung und Milztumor vergesellschaftet sind. Im Blute findet man eine Vermehrung der Gesamtzahl der Weißen auf 10000 — 30000, an der merkwürdigerweise nicht die Poly- morphkernigen, sondern ganz vorwiegend (bis über 80°/0) kleinere und größere ungranulierte mononukleäre Formen beteiligt sind. Türk und Naegeli (a) sprechen von Lymphoblasten und großen unreifen, atypischen Lymphozyten, letzterer besonders von dem Vorkommen großer, durch das tief basophile Proto- plasma ausgezeichneter lymphoblastischer Plasmazellen. Auch Deussing, der die Krankheit an 9 Fällen, darunter 4 mal bei Kindern im Spielalter, studieren konnte, hebt die Atypie der ,,lymphozytären" Elemente, die große Zahl von ,,Riederformen", von Riesenlymphozyten mit leptochromatischer Kernstruktur und intensiv blau gefärbtem Protoplasma hervor. Schultz und Baader, welche ihre Fälle mit den von Türk beschriebenen identifizieren, sehen in den ver- mehrt kreisenden Zellen lediglich typische Monozyten und schlagen direkt vor, die Krankheit „Monozytenangina" zu nennen. In einem aus der Breslauer medizinischen Klinik von Sandberg mitgeteilten Falle werden unter 26800 Zellen nur 4°/0 als Monozyten bewertet, dagegen 84°/0 als Lymphozyten, meistens als durchaus pathologische Formen, die mit ihrem tief basophilen Protoplasma den bereits von Naegeli (a) in den Vordergrund gerückten lymphoblastischen Plasmazellen entsprechen. Türk (c) hat die Ansicht ausgesprochen, daß bei diesen Individuen der Granulozytenapparat sich in einem Zustande der Verkümmerung befände und seine Reaktionsfähigkeit zugunsten der lympho-monozytären Elemente mehr oder minder vollständig eingebüßt habe. Damit wäre eine Konstitutions- anomalie gekennzeichnet, die naturgemäß schon bei Einwirkung auch geringer Dosen markschädigender Gifte, die für Gesunde vielleicht noch harmlos sein könnten, als progredienter Markzellenschwund sich manifestieren könnte. Ich muß gestehen, daß dieser konstitutionspathologischen Doktrin doch recht viel Unsicheres und Hypothetisches anhaftet. Manche Autoren stellen denn auch nicht die Individualität des Kranken, sondern die des Erregers durchaus in den Vordergrund und leugnen jegliche konstitutionelle Bedingtheit der „lymphatischen Reaktion". Baader führt an, daß der gleiche Patient späterhin, ja schon im unmittelbaren Anschluß an die Monozytenangina auf einen banalen Infekt mit der gehörigen Polynukleose antworten könne. Deus- sing hat sogar bereits auf dem Höhepunkte des pathologischen Blutbildes durch intravenöse Kollargolinjektion große Mengen von Neutrophilen ins Blut locken können. Also kann wohl kaum von einer Verkümmerung des Granulo- zytenapparates, ja nicht einmal von einem Torpor des myeloischen Gewebes gesprochen werden. 426 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. In der Tat gibt es ja eine ganze Reihe wohlbekannter übertragbarer Krank- heiten, die bei allen Betroffenen von vornherein mit (zum Teil recht atypischer!) Lympho-Monozytose verlaufen (Pocken, Mumps, Rubeolen), bei denen also diese zelluläre Blutreaktion unmöglich konstitutionell verankert sein kann. Auch die Neutropenie des Typhus, die so rasch mit Lymphozytose sich kombi- niert, muß doch auf die Eigenart des Erregers, nicht des Infizierten, bezogen werden. Man glaubte, daß bei der lymphatischen Reaktion eine gewöhnliche Kokkenangina vorliege; aber gerade das kann eine durchaus irrtümliche An- nahme sein; diese Angina ist eben der Ausdruck eines besonderen Infektes, der mit den oben genannten in eine Reihe zu stellen und vielleicht nicht einmal selten ist, sondern bis jetzt nur wenig beachtet und deshalb für selten gehalten wurde. Schon der Nachweis einer Häufung solcher Fälle, wie er von Baader und Deussing geführt ist, fällt gegen die ursprüngliche Annahme einer eigen- artigen Reaktion auf banalen pyogenen Infekt in die Wagschale. Meines Erachtens kann man zur Zeit weder aus dem ,, degenerativen Blut- bild"' noch aus dieser ,, lymphatischen Reaktion" eine Konstitutionsanomalie ableiten, die durch mangelnde Entwicklung und mangelnde Ansprechbarkeit des Granulozytenapparates gekennzeichnet ist. Damit aber wird auch die konstitutionelle Basis der Aleukie noch recht unsicher. Es dürfte jedoch eine wichtige Aufgabe künftiger Untersucher sein, bei hypoplastischen und asthenischen Individuen eine „dynamische Blutuntersuchung** durchzu- führen, d. h. die Reaktion auf starke leukotaktische Reize zu studieren (wozu Vorarbeiten von Sieß und Stock sowie Kahler bereits vorliegen). Vielleicht wird man später einmal erfahren, daß es Menschen gibt, deren Blutbildungs- apparat schon auf mäßige Giftreize hin vollständig in sich, zusammenstürzt. Genese der Symptome. Im Interesse der Klarheit der Darstellung wurde bereits an mehreren Stellen die Genese der Symptome gestreift — insbesondere in dem die Ätiologie behandelnden Abschnitt — , weil nämlich von vielen für Ursache der Erkrankung gehalten wird, was unseres Erachtens naturnot- wendig Folge der Panmyelophthisie ist. Im folgenden sei diese Auffassung nicht mehr apodiktisch hingestellt, sondern des näheren begründet. Der Er- klärung bedürftig ist die Trias der führenden Symptome: die progressive Anämie, die hämorrhagische Diathese und der nekrotisierende Lokalinfekt mit konsekutiver Sepsis. a) Die progressive Anämie. Bei fortschreitender Vernichtung des Gewebes der permanenten Blutbildungsherde muß, wenn gleichzeitig die Metaplasie des Fettmarkes und die extramedulläre Blutbildung ausbleibt, allmählich die Zahl der zirkulierenden Erythrozyten abnehmen. Zwar vollzieht sich die physiologische Ausmerzung der abgenutzten Blutkörperchen infolge der Milz- atrophie wahrscheinlich besonders langsam, aber nach Verlauf einiger Monate muß doch wohl, wenn jeder Nachschub aus dem erythropoetischen Gewebe fehlt, eine nicht unbeträchtliche Anämie resultieren. Auf diese „Abnutzungsquote" pfropft sich nun die posthämorrhagische Komponente: Beide zusammen ergeben ungezwungen die Anaemia gravissima. Der Vorgang spielt sich in den klassischen Fällen also wohl etwa 30 ab, daß schleichend eine Abnahme der Roten bis etwa zur Hälfte der Norm stattfindet und daß dann die Hämorrhagien exthrombo- penia, besonders die unaufhörlichen Schleimhautblutungen ein- setzen, welche mm ziemlich rasch —mitunter in wenigen Tagen — jene 'ige Blutleere im Gefolge haben. Schon bei der essentiellen Tlimmbopenie kann schwer stillbares Nasen- bluten oder eine profuse Menorrhagie in 14 Tagen die Zahl der Roten von der Aleukia haemorrhagica : Genese der Symptome. 427 Norm auf eine Million sinken lassen ; um wieviel rascher muß die niedrige Zahl erreicht sein, wenn schon der Ausgangswert ziemlich tief liegt. Im Falle der benignen Thrombopenie erscheinen bald Normoblasten und polychromatische resp. vital färbbare Jugendformen im Blute und mit Aufhören der Blutungen nimmt die Zahl der roten Zellen (bei wegen der Kleinheit der neugebildeten Elemente lange Zeit niedrigem Färbeindex) in schnellem Tempo wieder zu. Das fehlt natürlich bei der ,, aplastischen" Anämie: Sie unterscheidet sich eben von der banalen posthämorrhagischen Anämie dadurch, daß die regeneratorische Tätigkeit des Knochenmarkes vollständig versagt (aber nicht infolge ange- borener Asthenie oder einer Erschöpfung, zu der wirklich kein Anlaß ist, da ja diese Hämorrhagien die erste Anforderung an das Mark stellen). Durch den Blutverlust läuft gewissermaßen das Reservoir allmählich leer, ohne daß die geringste Nachfüllung erfolgt. Selbst wenn die Blutungen auf- hören, bleibt dauernd derjenige Tiefstand fixiert, der durch die Aufrecht- erhaltung des Gesamtvolumens der Blutmasse mittels eilig herangezogener Gewebsflüssigkeit herbeigeführt worden ist. Selbstverständlich wird auch ohne nennenswerte Hämorrhagien eine Anaemia gravissima sich entwickeln können. Was durch die Blutverluste in wenigen Tagen oder Wochen, das muß natürüch durch die Abnutzung allein bewirkt werden können, wenn ihr nur ein genügend langer Spielraum gewährt ist. Kranke mit chronisch-progressiver Anämie suchen erfahrungsgemäß häufig den Arzt erst auf, wenn die Blutarmut schon sehr hochgradig ist; in diesem Zeitpunkte kann der Beginn des Versiegens der Mark- tätigkeit schon sehr lange zurückliegen. Die Krankheit scheint nur akut zu verlaufen, weil sie von dem Augenblicke, da sie für den Kranken Bedeutung erlangte, rasch ihrem Ende zustrebt. b) Der Lokalinfekt und die septische Allgemeininjektion. Wir hoben bei der Schilderung des klinischen Bildes die Häufigkeit einer skorbutoiden Gingi- vitis, einer ulzerösen Stomatitis, einer diphtheroiden Angina gebührend hervor. Wir betonten, daß die Aleukia haemorrhagica manchmal als kryptogenetische Sepsis imponiert, daß aber die Autopsie dann etwa in einem schwer veränderten Endometrium oder Pyelon den Ausgangspunkt der Allgemeininfektion auf- deckt. Vielfach wurde die Sepsis als die Ursache der Blut- und Markschädigung angesehen; ich habe bereits mehrfach im Laufe der Darstellung betont, daß eine solche Auffassung ganz und gar unbewiesen und unseres Erachtens nicht haltbar ist, aber ich habe die umgekehrte Anschauung, daß nämlich der septische Prozeß die naturnotwendige Folge der progressiven Markvernichtung ist, noch nicht im einzelnen begründet. Ich möchte hier an die Ausführungen erinnern, mit denen ich die Erörterung über die Genese der Blutungen beim Morbus Werlhof eingeleitet habe. Ich sagte dort, daß nach Erkenntnis der Rolle der Blutplättchen beim Aufbau des Thrombus und beim Verschluß blutender Gefäße die hämorrhagische Dia- these bei Plättchenmangel eigentlich ein logisches Postulat gewesen sei. Das nämliche gilt meines Erachtens für die Beziehungen der Aleukie zur nekroti- sierenden infektiösen Entzündung und zum Eindringen von Krankheitserregern ins Blut. Niemand zweifelt heute daran, daß der leukoblastische Apparat des Knochenmarks eine mächtige Abwehrvorrichtung des Körpers im Kampfe gegen bakterielle Krankheitserreger darstellt. Die Bakteriophagie , welche der neutrophile Leukozyt, der Mikrophage Metschnikoffs, ausübt, ist zum Nutzen des Gesamtorganismus, selbst wenn das inkorporierte Bakterium sich stärker erweist als das weiße Blutkörperchen; die bakteriellen Giftstoffe werden gewissermaßen auf das Corpus vile der eingewanderten Zelle abgelenkt, die 428 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. in Myriaden von Exemplaren von dem angestrengtest tätigen Mark nachge- liefert werden kann und so tritt der Verlust eines ersetzbaren, weil reproduzier- baren Elementes an die Stelle der Zerstörung unersetzlicher Gewebsstrukturen. Was also steht zu erwarten, wenn im Blute die polymorphkernigen Leukozyten fehlen und das Knochenmark sie auch auf Reize nicht mehr zur Verfügung stellen kann? Dringen Mikroparasiten irgendwo ins Gewebe, dann eilt kein Schwärm von Zellen herbei, bereit, sich zu opfern und so die Gewebszerstörung auf ein Mindestmaß zu reduzieren, da bildet sich kein Leukozytenwall, der die Infektion auf einen ,,Herd" beschränkt. Es bleibt also nicht bei einer Ober- flächenentzündung, einem umschriebenen Infiltrat, einem Abszeß, einem sich reinigenden Ulkus von begrenzten Dimensionen, sondern hemmungslos durch- setzt der Infekt sämtliche Schichten des Gewebes in Breite und Tiefe und frißt sich immer weiter : es entwickelt sich das Bild der ,,diphtheritischen Entzündung" mit mißfarbenen Belägen, tiefgreifenden Ulzerationen, ausgedehnten Gewebs- nekrosen. Alle Lokalitäten, in denen stets oder gelegentlich pathogene Mikroben sich aufhalten (Haut, Nasenhöhlen, Bronchialbaum, Dickdarm, Vagina) können der Sitz dieser destruierenden Affektionen werden; besonders leicht scheint aber unter solchen Umständen den Symbionten der Mundhöhle, Spirillen und fusiformen Bazillen, das Vordringen ins Gerüst der Schleimhaut zu werden. Es ist ferner nicht zu vergessen, daß nicht nur morphologische Blutelemente beim Zugrundegehen des myeloischen Gewebes ausfallen, sondern wahrschein- lich auch antibakterielle und antitoxische Schutzstoffe. Das fällt um so schwerer ins Gewicht, als anscheinend auch andere Produktionsstätten von Antikörpern, insbesondere die Milz, sich in fortschreitender Involution und Atrophie befinden. Wer diesen Deduktionen noch skeptisch gegenüberstehen sollte, den mögen die Tatsachen überzeugen, die bei den phanerogenetischen Aleukien leicht zu beobachten sind. Hier ist ein Gift — das Benzol, das Salvarsan — die Ursache des Markschwundes oder eine protozoäre Splenopathie führt wie bei der Kala- azar zur Hemmung der Knochenmarksfunktion. Finden wir also auch bei diesen Formen den nekrotisierenden Lokalinfekt und die konsekutive all- gemeine Sepsis, dann kann es sich ja wohl nur um Folgen des „aleukozytären Zustandes" handeln, und es ist der Schluß erlaubt, daß auch bei den krypto- genetischen Fällen die Sepsis sich ex neutropenia, nicht die Neutropenie sich ex sepsi entwickelt. Tatsächlich zeigen nun die Fälle von Benzol- und Salvarsanaleukie durchweg das Bild der skorbutoiden Gingi- vitis und der nekrotisierenden Angina (vgl. die Krankengeschichte des Falles von Selling, die Beschreibungen der von Gorke und mir beobach- teten Salvarsanfälle [Nr. 3 und 5 der Kasuistik und S. 413]). Unter 46 Fällen von Kala-azar hat Rogers nicht weniger als 19mal die scheuß- lichste Form der ulzerösen Stomatitis, nämlich jene furchtbare Zerstörung der Weichteile der Wange und der Lippen beobachtet, die man als Noma oder Cancrum oris bezeichnet, hauptsächlich bei Kindern, bei welchen er noch nicht einmal 100 neutrophile Zellen im Kubikmillimeter zählte. Diese Feststellungen lassen keinen Zweifel, daß die septischen Lokalprozesse und die an- schließende Allgemeininfektion — ebenso übrigens bei der akuten Leukämie — nicht in der Ätiologie, sondern unter den Konse- quenzen des Granulozytenschwundes ihren richtigen Platz finden. c) Die hämorrhagische Diathese. Über die Genese der universellen Blutungs- bereitschaft, welche der Krankheit so sehr das Gepräge gibt, daß wir geradezu von einer malignen Thrombopenie sprechen, können wir uns sehr kurz fassen. Die Megakaryozyten scheinen, wie erwähnt, eine gegen Knochenmarksgifte hochempfindliche Zellrasse zu sein und meistens deren erste Opfer zu bilden. Aleukia haemorrhagica : Prognose, therapeutische Versuche. 429 Mit dem Schwund der Riesenzellen ist die Thrombopenie, mit dieser die hämorrhagische Diathese unmittelbar gegeben. Ihren ernsten Charakter, nämlich ihre Abundanz und Unstillbarkeit, verdanken die Blutungen dem Umstände, daß sie für gewöhnlich aus einem schwer erkrankten Schleimhautgebiet erfolgen. Das Blut sickert aus den Gefäßen dort, wo das abgestorbene Gewebe von der bereits stärkst geschädigten Unterlage sich löst; die Wand der aufgerissenen Kapillaren und kleinen Venen ist gelähmt, jeg- licher Kontraktilität bar, vielfach bereits nachweislich lädiert, so daß das Fehlen des Plättchenthrombus sich voll auswirken muß. Da es für das vergossene Blut keinen Ersatz gibt, muß die Haemorrhagia ex thrombopenia dem Kranken nicht minder verhängnisvoll werden wie die Sepsis ex neutropenia. Prognose, therapeutische Versuche. Die infauste Prognose des Leidens ist implicite in unserer Darstellung enthalten. Das vollentwickelte klinisch-hämato- logische Bild der Aleukia haemorrhagica ist ja — das ist der Tenor unserer Erörterung — nichts anderes als das Finale der schleichend um sich greifenden Panmyelophthisie. Wenn das Mark in den Knochen dahinschmilzt, dann schwin- det die Kraft, Blutungen Einhalt zu gebieten, Blutverluste — und sei es auch nur die physiologische Ausmerzung der Roten — zu ersetzen, Infekten zu wider- stehen. In den weit vorgeschrittenen Fällen, mit denen wir es meist zu tun haben, muß auch der mächtigste Stimulus für das Knochenmark versagen: aus dessen Ruinen vermag selbst die Milzexstirpation kein neues Leben er- blühen zu lassen. Dazu kommt noch, daß ja die Milz meist schon stark atrophisch ist, also ihre physiologische Hemmungswirkung schon eingebüßt haben dürfte, so daß durch ihre Entfernung aus dem Körper eigentlich kaum mehr viel ge- ändert werden kann. Mühsam, Gorke, Eppinger, Kaznelson (b) berichten denn auch übereinstimmend, daß der geschwächte Organismus dem Eingriff rasch zu erliegen pflegt, ohne daß bis zum tödlichen Ende auch, nur eine An- deutung der sonst so schleunigen Folgen der Milzentfernung im Blute merkbar würde : der Anstieg der Polynukleären, der Thrombozyten, der Kerne oder Kern- reste bergenden Erythrozyten bleibt aus. In dem von Gorke und mir beob- achteten Falle stieg zwar die Zahl der weißen Blutkörperchen von 1500 auf 5000; aber es waren lediglich Lymphozyten, welche die Vermehrung bedingten. Nichtsdestoweniger wird man den Eingriff, wenn nicht extreme Anämie oder schwere Sepsis sein Gelingen von vornherein in Frage stellen, doch immer wieder als eine wenigstens entfernte Möglichkeit der Rettung in Frage ziehen. Man wird sich sagen, daß vielleicht doch noch ansehnlichere Reste re- generationsfähigen myeloischen Gewebes da sein können, als Anämie, Neutro- und Thrombopenie vermuten lassen. Bei der Indikationsstellung sollte der Ausfall des leukotaktischen Reizversuches mit Adrenalin oder Milch eine Rolle spielen: bleibt jede Neutrophilen- und Thrombozytenvermehrung aus, so ist die Chance der Operation denkbar gering. Daß bei den phanerogenetischen Formen, der Benzol-, Salvarsan-, Röntgen- aleukie, wenn die Giftwirkung nicht bereits deletär gewesen ist, nach Aus- schaltung der Noxe eine Restitutio möglich ist, haben wir jeweils an Beispielen gezeigt; bei den kryptogenetischen Fällen wird der Arzt naturgemäß auf die Beseitigung der ursächlichen Schädigung einen Einfluß nicht nehmen können; aber es liegt immerhin im Bereiche der Möglichkeit, daß bei einem scheinbar schon verlorenen Falle die geheimnisvolle Schädlichkeit zu wirken aufhört und das schwer getroffene Mark sich wieder erholt. Elisabeth Beneke hat einen Fall beschrieben, der diese Deutung zuläßt: Ein 6 jähriger Knabe mit Hautblutungen und blutenden, schmierig belegten Ulzera am Naseneingang und am Zahnfleisch des rechten Unterkiefers weist im Blute 606000 Erythrozyten (mit 10 — 12% Hämoglobin), 1300 Leukozyten (mit etwa 50% Lymphozyten) 430 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. und 4000 Plättchen auf: Nach etwa vierwöchigem Kranksein tritt ein Umschwung ein: Sämtliche Blutelemente beginnen wieder zu steigen und bereits 14 Tage später sind Werte von 2340000 Erythrozyten, 7000 Leukozyten, 336891 Plättchen erreicht, während gleich- zeitig die Blutfleckchen verblassen und die Ulzera (am Kiefer unter Ausstoßung eines Sequesters) abheilen. Vielleicht gehört hierher auch ein von Larabee beschriebener Fall, den ich nach Kaznelson (c) zitiere. Ein 5 jähriger Knabe ist seit 6 Wochen krank und zeigt geringe hämorrhagische Diathese, schwere Anämie und unregelmäßiges Fieber. Die Blutuntersuchung ergibt: 790000 Erythro- zyten, Hämoglobingehalt 12%» Leukozyten 1970, davon nur 173 (8,8%) Neutrophile, wenig Myelozyten, keine Mastzellen, keine Eosinophilen, 1,6% Reizungsformen. Erythro- blasten ziemlich reichlich (24 im Kubikmillimeter). Der Knabe erholte sich bald, die Zahl der Roten stieg innerhalb ganz kurzer Zeit auf 3700000, der Hämoglobingehalt auf 85%. Nach einigen Monaten erfolgte plötzlich ein Rezidiv mit starker hämorrhagischer Diathese und rasch wieder zunehmender Anämie. Einige Tage vor dem Tode: Erythrozyten 1500000, Hämoglobingehalt 25%, Leukozyten 5030, davon wieder nur 161 Neutrophile (3,2%), Lymphozyten 90,8% (4577), wenig Myelozyten, Reizungsformen 5,2%. Normoblasten sehr spärlich. Auffallend ist die Zunahme der Lymphozyten und Reizungsformen. Man könnte in diesem Falle auch an lymphatische Aleukämie (subleukämi- sche Lymphomatose) denken, weil die Lymphozyten im Rezidiv auf das Vierfache der Norm stiegen und bei der Autopsie eine ,, etwas an lymphatische Leukämie erinnernde" Infiltration der Lymphdrüsen und der Leber (jedoch ohne lymphati- sche Hyperplasie des Knochenmarkes!) gefunden wurde. Wir erinnern uns aber, daß wir sekundären lymphatischen Reaktionen, allerdings meist im Knochenmark, seltener schon in Drüsen, Leber und Milz, bei der Aleukie be- gegnet sind und daß wir ausdrücklich sagten, es gebe Fälle, bei welchen sich die Grenzen zwischen Aleukie und lymphatischer Aleukämie verwischen. Nach diesen Beobachtungen von Larabee und Beneke wäre es zuviel gesagt, daß Remissionen, ja Restitutionen bei der kryptogenetischen Aleukie unmöglich sind, aber diese Vorkommnisse sind sicherlich ganz außerordentlich selten und ändern kaum etwas an der Feststellung, daß die kryptogenetische Aleukie als eine unerbittlich und unaufhaltsam vorwärtsdrängende, über kurz oder lang den Faden des Lebens durchschneidende Erkrankung gelten muß, welche leider nur der Erkennung, nicht der Behandlung zugänglich ist. ANHANG: Die Aleukie resp. Hypoleukie durch Myelometamorphose. (Die akute Leukämie und die splenopathische Markhemmung.) Mit dem im Hauptabschnitt umgrenzten Krankheitswesen haben wir noch nicht das Ganze der Aleukie. Wir bezeichneten mit diesem Terminus dasjenige Mark- und Blutbild (nebst seinen klinischen Korrelaten), das aus einem pro- gressiven Schwinden sämtlicher Elemente des myeloischen Gewebes, einschließ- lich der gemeinsamen farblosen Urzelle des erythroblastischen und leukoblasti- Bcheo Anteils resultiert. Wir gingen davon aus, daß dieser Schwund toxisch bedingt sei; aber wir werden auch eine mechanische resp. lokal- toxische Ver- ursachung berücksichtigen müssen: wenn eine dem Knochenmark fremde Zellart als Tumormetastase1) zu wuchern beginnt oder das zwar in ihm ent- *) Das Blutbild der metastatischen multiplen Knochenmarkskarzinose ist allerdings im allgemeinen ein durchaus anderes akdas der Aleukie. Es ist bekanntlich in den klassischen Fallen auagezeichnel durah Anwesenheit zahlreicher Normoblasten und Myelozyten (meist "iit Erhöhung der Gesamtzahl der Weißen). Wahrscheinlich erklärt sich der Blutbefund all Reit- und Verdrangungssymptom dea allmählich in der Markhöhle vordringenden Aleukie: Akute Leukämie. 431 haltene, aber für gewöhnlich auf kleinste Einsprengungen und Knötchen be- schränkte lymphatische Gewebe als Teilkomponente einer allgemeinen lympha- tisch-leukämischen Systemerkrankung in überstürzte Proliferation gerät, dann kann über kurz oder lang das blutbildende Gewebe durch Stoffwechsel- produkte, die in die Umgebung diffundieren, geschädigt oder mechanisch er- drückt, d. h. durch das neoplastische Gewebe substituiert werden. Des ferneren ist zu bedenken, daß das Wesentliche und Folgenschwere der Aleukie der Untergang des differenzierten Myeloidgewebes ist. Unter be- stimmten Umständen hört die Stammzelle der myeloischen Reihe auf, die Spezialformen des neutrophilen und eosinophilen Myelozyten sowie des Mega- karyozyten aus sich hervorzutreiben. Sie vermehrt sich, aber sie veredelt sich nicht mehr. Damit ist trotz zellreichen Markes de facto die Aleukie gegeben. Selbst wenn die bereits ausgebildeten Granulozyten und Riesenzellen sonst keine Schädigung erfahren sollten: einmal werden die ersten sich sämtlich in reife Neutrophile und Eosinophile umgewandelt und das Knochenmark ver- lassen haben, einmal werden die letzteren im Dienste der Plättchenbildung sich verbrauchen. Aber oft genug dürfte ihr Schwinden noch beschleunigt werden; denn bei schrankenloser Wucherung ihrer Mutterzellen werden sie von diesen ganz so überrannt und erdrückt werden wie von einer lymphatischen Hyperplasie oder einer Tumor metastasierung. Wir wollen den nicht durch Gifte, sondern durch Entdifferenzierung des Markes (mangelhafte Spezialisierung der Stammzellen oder fehlende Weiter- differenzierung ihrer Tochterzellen) hervorgerufenen Leukozyten- und Plättchen- schwund zu den Aleukien im weiteren Sinne rechnen und ihn als ,, Aleukie durch Myelometamorphose" der ,, essentiellen Aleukie" oder „Aleukie durch Myelophthise" gegenüberstellen. Wir unterscheiden zwei im Wesen verschiedene Formen : die akute Leukämie und die splenopathische Markhemmung. 1. Die akute Leukämie. Bei der akuten Leukämie im prägnanten Sinne (die wir von der akuten Verlaufsform der myeloiden oder lymphatischen Leukämie trennen) handelt es sich bekanntlich darum, daß die Urzelle des Markes, der große ungranulierte, tief basophile Lymphoidozyt Pappenheims, mit dem Verzicht auf jede Höher- entwicklung die Fähigkeit zu schrankenloser Fortpflanzung, zur Vervielfachung ins Ungemessene, erkauft. Der Symptomenkomplex, in welchem die diffuse Stammzellenwucherung zu klinischem Ausdruck gelangt, ist mit dem der Aleukia haemorrhagica absolut identisch: Man vergleiche etwa mit dem von uns ent- worfenen Symptomenbilde die Darstellung, welche die Klinik der akuten Leuk- Tumors, welches sehr lange nachweisbar sein kann, da die einzelnen Knochen, darunter auch die zunächst erst mit rotem Marke sich erfüllenden Röhrenknochen, nacheinander befallen werden: so kann das Blut immer wieder mit kernhaltigen Roten und Myelozyten gespeist werden. Auf die Markvernichtung weist aber gelegentlich eine gleich- zeitig sich entwickelnde und in Blutungen sich auswirkende Thrombopenie, wie neuere, autoptisch bestätigte Beobachtungen von Dünner sowie Herzog und Röscher (a) lehren. Entgeht in solchen Fällen der Primärtumor der Beachtung und tritt die Schmerz- haftigkeit der Knochen zurück, so kann bei heftigen Schleimhautblutungen die Diagnose auf ,, essentielle Thrombopenie" gestellt und die Anämie samt der Normo- und Myelozytose für posthämorrhagisch gehalten werden. Ich selbst sah zweimal den Symptomenkomplex des Morbus Werlhof mit hochgradigem Plättchenmangel (bei im übrigen wenig charakte- ristischem Blutstatus) sich entwickeln bei Frauen, denen ein oder zwei Jahre zuvor eine karzinomatöse Mamma amputiert worden war und bin geneigt, in diesen Fällen eine sympto- matische Thrombopenie durch metastatische Karzinomentwicklung im Knochenmark anzunehmen. 432 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. ämie an anderer Stelle dieses Handbuches erfährt. Die ulzerösen, gangränes- zierenden Prozesse in der Mund- und Rachenhöhle oder in den aboralen Teilen des Verdauungstraktus und anderen Hohlorganen und Kanalsystemen, die Neigung zu profusen Blutungen aus den schwer veränderten oder auch an- scheinend normalen Schleimhäuten geben im Verein mit der rasch sich ent- wickelnden Anaemia gravis und der nicht lange ausbleibenden septischen All- gemeininfektion ein uns bereits geläufiges Ensemble. Da die Schwellung der Lymphdrüsen und der Milztumor — im klinischen Bilde wenigstens — sehr zurücktritt, ist ohne Blutuntersuchung die differentielle Diagnose von akuter Leukämie und Aleukie häufig kaum möglich . Die Anwesenheit des Lymphoido- zyten, der großen ungranulierten Zelle mit dem basophilen Plasma und dem großen, feinnetz igen, distinkte Kernkörperchen führenden, kreisrunden oder bizarr gebuchteten Kern entscheidet, sei es, daß diese unreifen Elemente — wie meist — das Blut überschwemmen, sei es, daß neben der exzessiven Neutro- penie und Thrombopenie relativ wenige Exemplare auf das Geschehen in den hämatopoetischen Organen hinweisen. Dem Kenner bereiten aber selbst diese Fälle von ,, akuter Aleukämie" keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, da im May-Giemsapräparat der Habitus der Stammzelle unverkennbar ist und selbst bei niedriger Gesamtleukozytenzahl ein qualitativ durchaus abnormes Blutbild erzeugt. Mitunter allerdings sind nur Mikroformen der Stammzelle im Blute, die sehr leicht mit Lymphozyten verwechselt werden können, sich aber durch die eben geschilderte Kernstruktur durchaus unterscheiden. In solchen Fällen pflegen übrigens späterhin, mitunter erst kurz ante finem, die großen Lymphoidozyten im Blute zu erscheinen1). 2. Die splenopathische Markhemmung. Schwieriger als bei der akuten Leukämie ist die Deutung der Vorgänge im Mark .bei der splenopathischen Aleukie. Auch hier kann das Mark schließlich vorwiegend aus ungranulierten Elementen sich zusammensetzen, ist, wie Naegeli sich ausdrückt, Myeloblastenmark ; aber es fehlt jene un- gezügelte Proliferationstendenz. Es scheint sich vielmehr um eine Hemmung der myeloplastischen Potenz der Stammzelle zu handeln oder besser um einen Wechsel der Differenzierungsrichtung: Durch Impulse, die ihr von der Milz her zufließen, stellt sich die Stammzelle anders ein: sie verzichtet auf die komplizierte Ausarbeitung der Protoplasmagranulationen 2) Kürzlich beobachtete ich einen sehr eigentümlichen Fall von akuter „Aleukämie", der hier kurz angeführt sein möge. Ein kräftiger junger Mann von 24 Jahren erkrankte aus voller Gesundheit heraus mit profusen Mund- und Nasenblutungen und Zahnfleisch- schwellungen, ohne Milz- und Drüsenvergrößerung und es entwickelte sich bei ihm im Laufe von etwa 10 Tagen eine erhebliche Anämie von leicht hyperchromem Typus (2,3 Millionen Rote, 50% Hämoglobin) mit reichlich Normoblasten und vereinzelten Megaloblasten. Gleichzeitig sank die Zahl der Leukozyten erst auf 1680, dann auf 880 Zellen. Die Blut- plättchen fehlten ganz. Unter den wenigen Leukozyten machten die neutrophilen Elemente auf der Höhe der Krankheit nur etwa 20% aus, während mit 30—60% sehr große, durchaus pathologische Zellen prädominierten, welche am ehesten als „Riederformen" von deutlich die ( »xydasereaktion gebenden Myeloblasten anzusprechen waren. Nachdem etwa 4 Wochen lang ein außerordentlich schweres Krankheitsbild bestanden hatte, trat ein Umschwung ein. der schließlich zu voller Rekonvaleszenz führte, so daß nach weiteren 4 Wochen kaum mehr eine pathologische weiße Zelle, eine reichliche Plättchenzahl und nach etwa 8 Wochen Überhaupt kein abnormer Blutstatus mehr konstatiert werden konnte. Nach etwa 2 Monaten völliges Wohlbefindens entwickelte sich ein tödlich verlaufendes Rezidiv, wieder unter den Erscheinungen schwerster hämorrhagischer Diathese und des völligen Thrombozytenmangels, diesmal aber mit einer Gesamtvermehrung der Zahl der «reißen Blutkörperchen auf etwa 15 20 noo einhergehend. Aleukie: Splenopathische Markhemmung. 433 und bevorzugt die einfachere Linie der Weiterentwicklung zum Monozyten, Makrophagen, zum „endothelialen Leukozyten" Mallorys. Die Beziehung zwischen Milz und Knochenmark ist dabei wohl folgender- maßen zu denken: Die Urzelle der myeloischen Reihe ist der unmittelbare Abkömmling des Endothels der sinuösen Knochenmarkskapillare. Dieses Kapillarsynzytium bildet mit den Venensinusendothelien der Milz, dem Endothelbelag der intraazinösen Leberkapillaren (den Kupf ferschen Stern - zellen), den Lymphsinusendothelien und den Retikulumzellen der Lymph- follikel ein System, das auf qualitativ besondere zytoplastische Reize gleich- sinnig antwortet. Soviel wir sehen, kommen im wesentlichen zwei Reize in Betracht, der myeloplastische und der makrophagenbildende. Unter normalen Verhältnissen ist im voll entwickelten Organismus nur das Knochenmark myeloid umgewandelt; wächst aber die Intensität des myeloplastischen Reizes, so zeigen sich sämtliche Glieder des Systems, die schlummernden sowohl als auch die de norma makrophagisch differenzierten Milzpulpazellen, zum Aufbau einer myeloischen (aus Erythroblasten, Granulozyten und Megakaryozyten zusammen- gesetzten) Formation befähigt. Normalerweise entwickelt nur das Venensinus - endothel und das Retikulum der roten Milzpulpa monozytär-makrophagische Tochtergenerationen, bei genügender Stärke dieses eigenartigen Reizes greift die nämliche Proliferationstendenz auf die übrigen Anteile des Systems über und wir sehen nun das Knochenmark sich gewissermaßen entdifferenzieren und in eine Schar ungranulierter Zellen sich umwandeln, d. h. die Stammzelle schlägt eine andere Entwicklungsrichtung ein; unter dem Einflüsse eines neuen domi- nanten Reizes erscheint die Myeloplastik gehemmt oder aufgehoben. Die Hem- mung der M^arkentwicklung erstreckt sich wahrscheinlich nicht nur auf die Umbildung der Stammzelle, sondern auch auf die weitere artliche Ausreifung der myeloischen Elemente, der Myelozyten und der Megakaryozyten. Es würde demnach die Fortbildung der granulierten Mark- zelle zur reifen segmentkernigen Blutzelle Schaden leiden; für die Riesenzelle könnte die Hemmung der Weiterentwicklung darin bestehen, daß sich entweder die azurophilen Granula nicht oder nur spärlich bilden oder aber daß sich die Granula zwar bilden, ihre Felderung und Abschnürung aber unterbleibt. Bei den leichteren Formen der Markhemmung würden wir zwar noch genügend Myelozyten und Riesenzellen finden, aber doch verstehen, daß sich im strömenden Blute Neutropenie und Hypothrombozytose bemerkbar macht. Es scheint nicht unbedingt nötig zu sein, daß der plastische Reiz an allen Teilen des Systems unmittelbar angreift; vermöge humoraler Korrelationen, die zwischen den Einzelgliedern des Systems bestehen, erwacht die schlummernde Potenz auch, wenn der Reiz sich an einer übergeordneten oder besonders wichtigen Produktionsstätte lokalisiert. Wird unter dem Einfluß eines belebten Virus in der Milz (und den retroperitonealen Lymphdrüsen) eine großartige makro- phagische Gewebsformation neugebildet, so wird korrelativ das Knochenmark in ähnliche Bahnen gelenkt. In diesem Sinne sprechen wir bei der indischen Leishmaniose Kala-azar, beim Typhus gravissimus, bei der spleno-meseraischen Form der Lymphogranulomatose von einer splenopathischen Aleukie, ohne leugnen zu wollen, daß direkte Einwirkungen der Noxe mit dem korre- lativen Reize zusammenarbeiten, um die myeloplastische Tendenz des Markes zu ersticken oder gar — wie es von Hirschfeld, sowie Käst und Gütig für die Lymphogranulomatose bereits gezeigt ist — eine (wahrscheinlich sekundäre) Vernichtung des Markgewebes herbeizuführen. Wir halten also die spleno- pathische Aleukie für eine Systemerkrankung des hämatopoetischen Apparates, glauben aber, daß sie diesen Systemcharakter nicht unbedingt durch einen Generalangriff der Noxe erhält, sondern nehmen an — vor allem wegen der Blutkrankheiten. II. 28 434 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. fatalen Wirkung der isolierten Milzbestrahlung (vgl. S. 439) und der segensreichen der Milzexstirpation — , daß von einem Punkte aus das ganze System, ins- besondere auch seine Knochenmarkskomponente in gleichartige Schwingungen versetzt werden kann. Die splenopathische Aleukie ist höchstwahrscheinlich nur das Extrem einer lückenlosen Folge von Übergangsbildern, die bis zur Norm hinführen, ja diese eigentlich noch mit einschließen. Wir haben den Erfolg der Milzexstirpation bei der essentiellen Thrombopenie als ,, Wegfall einer physiologischen Hemmung der Milz aufs Knochenmark" gedeutet. Wir verstehen jetzt, was es mit dieser Vorstellung für eine Bewandtnis haben könnte. Die Milz ist ja selber physio- logischerweise ein makrophagisch sich differenzierendes Gewebe wechselnden Umfanges, welches die nämliche Tendenz auf das Knochenmark zu übertragen sucht. Als Kompromiß mit der myeloplastischen Tendenz des Markes resultiert die normale gedämpfte Myeloidentwicklung, die nach Entfernung der Milz sich unmittelbar in der ganzen Großartigkeit des ihr immanenten Wachs- tumstriebes entfaltet. In dem Maße, in dem nach der Splenektomie eine splenoide Pulpa in Leber und retroperitonealen Lymphdrüsen sich entwickelt, werden dem Mark natürlich wieder die Zügel angelegt. Die splenopathische Hypoleukie resp. Aleukie ist die Übertreibung und höchste Übersteigerung einer normalen Milzfunktion; schon in der Norm gibt es eine, wenn man will, inkretorische Milztätigkeit, die dauernd im kleinen das leistet, was wir bei den makrophagischen Milztumoren als schwer pathologische Aberration sehen. Bei den drei vorhin genannten Infektionskrankheiten läßt die Blutunter- suchung eine progressive Neutropenie erkennen, die auch durch schwere „pyo- gene" Sekundärinfektion nicht mehr durchbrochen werden kann. Den höchsten Grad erreichen diese Blut Veränderungen wohl bei der Kala-azar, welche als das klassische Beispiel einer splenogenen Aleukie gelten darf. Diese chronisch- fieberhafte, häufig letal verlaufende Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine immer zunehmende Vergrößerung der Milz, welche schließlich weit unter die Nabelhorizontale reicht. Schon nach einem Monat kann sich nach Rogers die Gesamtzahl der Neutrophilen zwischen 500 und 1000 bewegen; bei Kranken, die mehr als 1/2 Jahr an Kala-azar leiden, ist dies das Gewöhnliche; in 20% der Fälle wurden nicht mehr als durchschnittlich 375 polymorphkernige Zellen ge- zählt und in 13% kann man praktisch von einem Fehlen der Granulozyten in der Zirkulation sprechen. D arling teilt mit, daß, nach Blut- und Milzausstrichen zu urteilen, eine sehr auffällige Verminderung der Platt chen zu konstatieren sei. Es wird nach der Schilderung des Blutbildes nicht wundernehmen, daß der tödliche Ausgang häufig bedingt wird durch septische Prozesse, meistens schwere nekrotisierende Entzündungen der Mundhöhle (Cancrum oris), Skrotalgangrän, Darmwandulzerationen und pneumonische Infiltrationen. Nicht selten ent- wickeln sich im vorgeschrittenen Stadium Purpuraexantheme an den Beinen und am Rumpfe; dazu gesellen sich dann innere Blutungen: Rogers sah einen tödlichen Bluterguß in die Meningen, Darmblutungen, heftige Blutverluste aus ulzerösen Flächen, und er widerrät wegen der Verblutungsgefahr die aus dia- gnostischen Gründen geübte Milzpunktion. Das anatomische Charakteristikum der Krankheit ist die Einlagerung zahl- reicher Häufchen außerordentlich großer , mit massenhaft Leishman sehen Körperchen angefüllter Zellen in die stark hyperplastische Milzpulpa oder, anders ausgedrückt, ein im wesentlichen aus potentiellen und aktuellen Makrophagen zusammengesetzter Milztumor. Was bei der indischen Leishmaniose die Regel — der unaufhaltsame Xndergang der Granulozyten und Plättchen — , ist bei den übrigen nach dem Aleukie: Splenopathische Markhemmung. 435 gleichen Schema aufgebauten Milztumoren die seltene Ausnahme und am ehesten noch bei den übrigen subakut -infektiösen Formen (Typhus, abdominelle Lymphogranulamatose) verwirklicht. Schon in der Mehrzahl dieser Fälle, erst recht bei den chronisch -infektiösen (Malaria, Lues) und den durch nicht parasitäre Noxen hervorgerufenen Formen (der Splenomegalie Typ Gaucher, den endo- phlebitischen Milztumoren und den splenomegalen oder pseudobantischen Leberzirrhosen) ist die Hemmung der Granulo- und Megakaryoplastik minder hochgradig. Wir haben stets makrophagische Pulpahyperplasie (mit- unter auch eine Umwandlung der mesenterialen Lymphdrüsen in splenoides Gewebe) mit Neutropenie und Plättchenverminderung vor uns : aber die Blut- veränderung ist nicht oder nur in langen Zeiträumen oder zwar rascher, dann aber nur bis zu einem gewissen Grade progressiv. Sie ist vor allem nicht end- giltig: bei Rückbildung des pathologischen Milz- und Drüsengewebes oder nach seiner operativen Entfernung kann das statische und dynamische Blutbild wieder zur Norm zurückkehren. Ich habe vorgeschlagen, diese gemilderte Form der Markhemmung, also das Syndrom „Splenomegalie mit Neutropenie und Hypothrombozytose", das uns in der Klinik in mannigfacher Einkleidung begegnet, als Hypoleukia splenica (spleno-hepatica, spleno-meseraica) zu be- zeichnen. Das Schulbeispiel einer akuten Hypoleukia spleno-meseraica ist der Typhus abdominalis: Über die Leuko- und Neutropenie, die hier eine hochfieberhafte Infektionskrankheit begleitet, selbst schweren Sekundär - infektionen (Pneumonie, Otitis) standhält und mit zunehmender Schwere des Falles zu besonders niedrigen Werten führt (zu Gesamtzahlen der Weißen von 1500—1000, der Neutrophilen von 1000—500), brauchen als über eine allgemein bekannte Tatsache kaum viel Worte verloren zu werden. Wir wissen jetzt auch ganz sicher, daß zur Neutro- und Eosinopenie gesetzmäßig eine ganz bedeutende Hypothrombozytose gehört, die auch in günstig ausgehenden Fällen die „kritische Grenze" streifen oder gar überschreiten kann. Mit der Thrombopenie ist natürlich die Neigung zu Haut- und Schleimhaut - blutungen gegeben : Solche Typhen mit hämorrhagischer Diathese müssen nicht immer einen prognostisch besonders ernsten Charakter tragen ; nach den neueren Untersuchungen von Herz,Kaznelson(d), Stahl finden sich alle Übergänge zu jener allerschwersten Verlaufsform, die Curschmann als hämorrhagischen Typhus abgrenzt, und die ich als Aleukia splenica typhosa bezeichnen möchte. Die Fälle Curschmanns sind zwar nicht hämatologisch untersucht, erst recht nicht die der älteren Autoren; aber es ist das wohlbekannte klinische Begleitsyndrom der Aleukie, das Curschmann schildert: „Die ersten Blutungen scheinen aus der Nase zu erfolgen; unmittelbar darauf, zuweilen gleichzeitig, kommen solche aus dem mißfarbenen, aufge- lockerten Zahnfleisch; dann treten auf der Haut des Rumpfes zwischen den Roseolen Petechien auf. Nicht wenige Kranke werden von meningealen und Gehirnblutungen be- fallen; häufiger noch treten Darmblutungen ein; Schwangere abortieren und gehen an unstillbaren Uterusblutungen zugrunde. Im weiteren Verlaufe können sich zu den Blutungen noch brandige Prozesse gesellen, geschwüriger Zerfall des Zahnfleisches und anderer Stellen der Mundschleimhaut, Lungen - gangrän und pseudodiphtheritische Veränderungen der Uterus- und Blasenschleimhaut. Türk (d) hat 1898 zuerst bei einem solchen Falle gezeigt, daß der Blutbefand sich als extreme Neutropenie mit fast vollständigem Platt chensch wund darstellt. Ich möchte übrigens darauf hinweisen, daß die nekrotisierenden Prozesse, wenn auch in wesentlich gemilderter Form, auch dem gewöhnlichen Typhus zukommen; die Roseola ist nach E. Fränkel nichts als eine umschriebene Nekrose der Hautpapillen ; der nämliche Autor hat die charakteristischen mikroskopischen Nekrosen im Knochenmark beschrieben, die sich aber erheblich vergrößern, auf den Knochen selbst fortschreiten und als Spondylitis oder 28* 436 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Rippenkaries in die Erscheinung treten können ; vor allem aber ist unter diesem Gesichtswinkel die typische Nekrose der hyperplastischen Plaques im Darm zu betrachten: ohne jede leukozytäre Infiltration verlieren sich Ränder und Grund des Geschwüres in das noch erhaltene Gewebe ; häufig genug ist die Muskularis bloßgelegt; kein Wunder, daß der Prozeß auf die Gefäßwände über- greift und durch die Muskulatur bis auf den serösen Überzug sich fortpflanzt. Der nekrotisierende Prozeß ist nicht ubiquitär ; er ist lediglich auf die spezifisch typhösen Neubildungen beschränkt; aber daß diese nekrotisch werden, steht wohl mit der mangelnden leukozytären Reaktion in engem Zusammenhang. Wenn man den Typhus als Sepsis bezeichnet, sollte man daran denken, daß es sich wahrscheinlich um eine Sepsis ex neutropenia handelt, daß der Übertritt der Bazillen ins Blut und der ,, Status typhosus" erst durch die Ausschaltung des Myeloidgewebes ermöglicht wird. Fragen wir uns, was sich beim Typhus ,, hinter den Kulissen" abspielt, d. h. welche gewebliche Reaktion der blutbeherrschenden Organe sich in diesem für eine bakterielle Infektionskrankheit so ungewöhnlichen Blutbilde kundgibt, so darf die Antwort lauten: Der Typhus ist das Paradigma einer abdominellen retikulo -endothelialen Wucherung, welche durch humorale Korrelation die Differenzierungsrichtung der Stammzelle des Knochenmarks entscheidend beeinflußt. Es ist das Werk des Typhusbazillus, aus dem lymphatischen Gewebe der Darmfollikel und Mesenterialdrüsen ein lymphophagisches Gewebe zu machen, d.h. die Lymphozyten gehen zugrunde und an ihre Stelle setzt sich eine homogene Masse großer, zweifellos den Lymphsinusendothelien und den Reti- kulumzellen entstammender Elemente, welche mit Kernen und Kerntrümmern der Lymphozyten reichlichst beladen sind : Das gesamte lymphatische Gewebe des Abdomens wird sozusagen zu einer riesigen splenoiden Pulpa, und die Schwellung der Milz selbst beruht ebenfalls zum guten Teil auf der Entwicklung zahlreicher, als Erythro-, Leuko-Thrombophagen tätiger Zellen, die letzten Endes von den Venensinusendothelien ihren Ursprung nehmen.1) ImKnochenmark findenNaegeli (b), Schur und Loewy, Kastund Gütig nur spärlich Myelozyten, vorwiegend kleinere und größere ungranulierte Zellen ; Longcope erhob diesen Befund in 26 Fällen ohne Ausnahme. Das Typhusmark ist also charakterisiert durch eine starke Hemmung der myeloiden Dif- ferenzierung. Als ein weiteres Beispiel einer subakuten spleno-meseraischen Hypoleukie oder Aleukie führe ich kurz die abdominelle Form der Lymphogranulomatose an; es ist sehr bemerkenswert, daß diese Lokalisation des Granuloms mit Leukopenie einhergeht, während der zerviko-bronchialen Form bekanntlich die Polynukleose eigentümlich ist. In zwei solcher Fälle ist, wie ich bereits kurz erwähnte, das Knochenmark genauer untersucht worden : hier war nicht nur die Myelopoese gehemmt, sondern es waren auch die Stamm zellen zugrunde ge- gangen: Hirschfeld fand in seinem Falle aplastisches, gelbes Fettmark und eine dünnflüssige, zellarme Masse in der Markhöhle der Rippen, Käst und Gütig in dem ihren lediglich kleinlymphozytäre Elemente im Markgewebe. Wahrscheinlich hat bei dieser Aleukia splenico-meseraica vera oder myelo- phthisica nicht nur die humorale Korrelation, sondern eine direkte Giftwirkung des Virus der Lymphogranulomatose eine wesentliche Rolle gespielt. ') Von dsach Einnahme von 100 g I^ävulose 2,085 g Lävulose in 310 ccm Harn. Prüfung der osmotischen Resistenz der roten Blutkörperchen: Beginn der Hämolyse bei 0,51 %• Kom- plette Hämolyse bei 0,226%. Die Milz überragt als glatter, harter Tumor den Rippenbogen um 3 Querfinger. Blutstatus: Dat. Zahl der roten Blut- körper- chen Hämo- globin gehalt (korrig.) 7o) Fär- be- in- dex Gesamt- zahl der Leuko- zyten Poly- nukle- o/ I ab- /o solut Lym- pho- zyten o/ I aD" /o solut Eosino- phile o/ I a°- /0 solut Blut- plätt- chen Be- merkungen 1916 11. VII. 20. VII. 28. VII. 20. IX. 4 700 000 4 600 000 4 500 000 4 800 000 93,7 1,0 1900 60 1140 31 589 6 91,0 0,96 975 47 458 44 429 5 92,6 0,95 860 49 421 39 335 11 93,7 0,97 800 52 416 35 280 13 114 48 95 104 66 000 22000! 46 000 Bestrahlung : 12. bis 15. VII. 12 Felder, pro Feld 10 X. ( Filter : 3 mm Aluminium, Haut - Focus- distanz :20cm). Die Bestrahlung der Milz wandelt also die Hypoleukie erst in eine Aleukie und dürfte alle Gefahren heraufbeschwören, die mit dieser verknüpft sind. Der eigen- 440 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. artige Einfluß der Strahlen ist im Grunde nicht sehr verwunderlich. Wir wissen durch die Untersuchungen von Heineke , daß die Strahlen vor allem die Lympho- zyten der Follikel zerstören, während die Betikulumzellen als Makrophagen du Lymphozytentrümmer aufnehmen und in Wucherung geraten, so daß das Knötchen, welches seine Form wahrt, sehr bald aus großen, epitheloiden Zellen in konzentrischer Schichtung zusammengesetzt ist. Zu der bereits bestehenden und vielleicht noch geförderten Pulpahyperplasie gesellt sich also die Betikulum- hyperplasie, und diese Wucherung des gesamten retikulo -endothelialen Apparates der Milz dürfte die korrelative Umwandlung des Knochemarkes in makrophagi- sches Gewebe (,,Myeloblastenmark") erheblich beschleunigen. Im Rahmen einer Abhandlung über die hämorrhagischen Dia- thesen werden uns naturgemäß besonders diejenigen Fälle inter- essieren, bei welchen die Thrombozyten zeitweilig oder dauernd unter den kritischen Grenzwert absinken. Im allgemeinen begegnen wir solchem Verhalten erst in den späteren Stadien der splenomegalen Zirrhosen. Mitunter macht sich — im Blutbilde wenigstens — ein dissoziiertes Verhalten der Granulozyten und Plättchen geltend: der Thrombopenie entspricht durch- aus nicht immer eine besonders weit getriebene Neutro- und Eosinopenie, wie auch umgekehrt bei hochgradiger Verarmung an Neutrophilen die Plätt- chenzahlen relativ hoch bleiben können. Die Diskrepanz zwischen Plättchen und Granulozyten erklärt sich zum Teil vielleicht daraus, daß Leuko- und Thrombophagie in der Milz auf die Zahl der kreisenden Elemente nicht ohne Einfluß sind, und daß aus nicht ohne weiteres durchsichtigen Gründen die Makrophagen bald mehr mit Leukozyten, bald mehr mit Plättchen sich beladen dürften. Wir möchten aber betonen, daß die Entfernung von Plättchen aus der Blut bahn durch Phagozytose allein nicht ausreichen würde, um eine Thrombo- penie hervorzurufen: Besteht aber an sich eine verminderte Plättchenbildung und bleibt vor allem infolge der splenopathischen Markhemmung der Anreiz, den physiologischerweise ein übernormaler Plättchenverlust bedeutet, wirkungs- los, dann wird natürlich die Thrombophagie durchaus ins Gewicht fallen, und gerade die raschen Schwankungen der Plättchenzahl, die wir bei diesen Spleno- pathien wahrnehmen, werden zum Teil durch wechselnde Tätigkeit der Makro- phagen zu erklären sein; zu einem anderen Teil dürften sie vielleicht darauf beruhen, daß die intakt bleibenden Megakaryozyten sich an gesteigerten Be- darf durch stärkere Abschnürungstätigkeit allmählich besser anpassen. Ich führe im folgenden zwei Beispiele solcher splenopathischer Thrombopenien1) oder solcher Milztumoren mit dem rudimentären oder voll ausgebildeten Sym- ptomenkomplex des Morbus Werlhof an. Else G., 12 Jahre alt, ist bereits seit etwa 6 Jahren in wechselndem Maße ikterisch. Vor 2 Jahren entleerte sie 8 Tage lang unter Hustenstößen größere Blutmengen. Einige Zeit darauf schloß sich an eine Zahnextraktion eine heftige Blutung an, die erst nach ein paar Tagen vollständig stand. Wenig später zeigten sich zum ersten Male Zahnfleisch- *) Von diesen splenopathischen Thrombopenien sind zu unterscheiden die essen- tiellen Thrombopenien mit Milzschwellung. Es wurde früher ausgeführt, daß Kaznelson die Milz Vergrößerung für ein Attribut der essentiellen Thrombopenie hält, während wir selbst dem nicht zustimmen können. Immerhin kommen Milzschwellungen, die im allgemeinen im Volumen höchstens die geringsten Grade der hier in Frage stehenden Splenopathien erreichen, in einzelnen Fällen des echten Morbus Werlhof vor. Abgesehen von der geringen Vergrößerung der Milz ist der Hauptunterschied darin gegeben, daß es sich um eine isolierte Megakaryotoxikose handelt, daß der leukoblastische Apparat intakt ist. Dabei könnte allerdings der Umstand Verwirrung stiften, daß bei chronischer Thrombo- penie geringe Neutropenie mit relativer Lymphozytose als konstitutionelles Stigma oder als Erschöpfungssvmptom vorkommt. Doch dürfte diese Neutropenie durch leukotaktische Reize leicht durchbrochen werden. Aleukie: Splenopathische Markhemmung. 441 entzündung und Zahnfleischblutung, die seitdem nicht mehr gewichen sind. Bei der Unter- suchung ergab sich folgendes: Das 12 jährige Mädchen von normaler Körperlänge und Körperentwicklung hat eine ausgesprochen gelbliche Hautfärbung, während die Verfärbung der Skleren nur angedeutet ist. Auf Stirn und Nasenrücken besteht ein ekzematöser Ausschlag. Das Zahnfleisch ist besonders im Unterkiefer sehr locker, stark geschwollen und blaurot verfärbt, quillt zwischen den Zähnen hervor und ist bis weit nach hinten entzündet und schmerzhaft; es blutet fort- während. Im Oberkiefer ist die Gingiva nur im Bereich der Schneidezähne entzündet. Wangenschleimhaut und Rachen sind o. B. An Unter- und Oberschenkeln sieht man das Hautniveau etwas überragende, livid gefärbte, zum Teil von Hämorrhagien durchsetzte Streifen, welche die halbe Zirkumferenz der Extremität einnehmen, in späteren Stadien rotbraun sich färben und schließlich weiße, an Striae erinnernde färben hinterlassen. Stauungsexperiment: Unmittelbar unter der Stauungsbinde flohstichartige, aber auch stecknadelkopfgroße Hämorrhagien, ganz dicht gesät, etwa handbreit; weiter abwärts am ganzen Unterarm vorn und hinten bis auf den Handrücken noch sehr zahlreiche floh- stichartige Blutungen. Die Leber überragt mit hartem, deutlich fühlbarem Rande den Rippenbogen um zwei Querfinger. Die Milz, von mäßig derber Konsistenz, erreicht mit deutlich abgrenzbarem medialen Rande die Mittellinie, während der untere Rand etwa in Höhe der Nabelhorizontale ver- läuft. Aszites und Meteorismus nicht vorhanden. Im Harn findet sich dauernd sehr reichlich Urobilin, nie Gallenfarbstoff , kein Eiweiß, kein Zucker. Zur Funktionsprüfung der Leber werden 100 g Lävulose verabreicht. Nach 2 Stunden werden 30 ccm Harn mit 2,8% = 0,84 g, nach 4 Stunden 30 ccm mit 1,5% = 0,45 g linksdrehender Substanz ausgeschieden. Wassermannsche Reaktion negativ. Blutstatus. Datum Zahl der roten Blutkör- perchen Hämo- globin- gehalt Zahl der Leuko- zyten Poly- nukle- are Lym- pho- zyten Eo- sino- phile Blut- plättchen Bemerkungen 14. VII. 1917 4500000 64% 3600 63% 26% — 24—28000 Mikroskopisch an den roten Blut- körperchen keine Veränderungen 15. VII. 1917 8 Std. post Operation. 15. VII. 13 Std. post Operation. 16. VII. 19. VII. 22. vir. 29. VII. 7. VIII. 9. VIII. 20. VIII. Sl ilenek tomie. 3670000 57%, 12000 — — 4% — 58% 12600 77,5% 18,5% — — — 17500 — — 54% 14000 — — — — 55% 18400 61,5% 27,5% 1% 3600000 56% 8870 55% 32% — — 53% — 44% 36,5% — — — 11500 — — — 4400000 70% 10640 59,5 % 23% 3% Sehr reichlich 100000 145000 360000 95000 a. 100000 40000 Temperatur 37,5. Beginn der Pneu- monie. Temperatur 39,7. Pneumonie des linken U. L. Auffallende Aniso- zytose, (Mikro- zyten) spärliche Erythrozyten mit Jollykörperchen Jollykörper- chen + + 442 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. Blutgerinnung: Beginn nach 17,5 Minuten, Ende ,, 27 Der Blutkuchen retrahiert sich. Osmotische Resistenz: Minimal 0,4°/0, Maximal 0,17%. Blutstatus: Leukopenie und Thrombopenie (vgl. Tabelle S. 441). Diagnose: Splenomegale (Pseudo-Bantische) Zirrhose (Hypoleukia spleno-hepatica). Bei der Patientin wird die Splenektomie ausgeführt. Die Blutungen aus dem Zahnfleisch stehen sofort, die Entzündung und die Stomatitis bildet sich auffallend rasch zurück, ebenso der ekzematöse Ausschlag auf der Stirn; der Ikterus schwindet fast ganz. Über die Veränderungen des Blutstatus, insbesondere den raschen Plättchenanstieg nach der Operation, s. die Tabelle. Eine postoperative Pneumonie wird gut überstanden und danach erholt sich die Patientin wesentlich und fühlt sich viel frischer als in den letzten zwei Jahren. Die Besserung ist aber nur von kurzer Dauer, denn etwa 6 Wochen nach der Operation hat sich die Gelb- sucht wieder eingestellt, ebenso der Ausschlag auf der Stirn. Der Urin ist wieder außer- ordentlich dunkel. Die Zahl der Plättchen ist auf 40 000 gesunken. Die Patientin fühlt sich wieder sehr matt. Sie ist einige Monate später, nachdem sich noch ein Aszites aus- gebildet hatte, zugrunde gegangen. Wilhelm W. wird wegen eines großen Milztumors der Klinik zur Begutachtung über- wiesen und seitdem ständig klinisch beobachtet. Bei der Untersuchung des Nervensystems stellt sich heraus, daß er zweifellos an einer progressiven Linsenkerndegeneration (Morbus Wilson) vom Typ der Pseudosklerose leidet. Auf den nervösen Symptomen- komplex soll hier nicht näher eingegangen werden, es sei nur betont, daß die Diagnose sichergestellt ist 1. durch den Nachweis eines breiten Kaiser-Fleischer sehen kornealen Pigmentringes, 2. durch die Darstellung der typischen, gleichmäßig grobhöckerigen Leber mit Hilfe des Pneumoperitoneums. W. zeigte keine Spur von Subikterus, auch im Blut keine Vermehrung des Bilirubins Osmotische Resistenz der roten Blutkörperchen: minimal 0,34, maximal 0,23. Im Harn monatelang kein Urobilin, später häufig positive Urobilin- und Urobilinogenreaktion. Die Lävuloseprobe und Galaktoseprobe fiel bei mehrfacher Prüfung stets negativ aus. Die Leber ist eben unter dem Rippenbogen erreichbar. Über ihre abnorme Beschaffen- heit hat, wie erwähnt, das Pneumoperitoneum Aufschluß gegeben. Die Milz ist ein großer, ziemlich harter Tumor, der bei der ersten Untersuchung nach rechts bis zur Mittellinie, abwärts bis zur Nabelhorizontale reicht. Er vergrößert sich im Laufe der nächsten Monate noch weiter und reicht jetzt bis ins große Becken. Die Zahl der Erythrozyten hält sich dauernd bei etwa 3,5 Millionen, der Hämoglobin- gehalt bei 60% Ständig findet sich eine im Laufe der Monate immer mehr zunehmende Leukopenie. Die Thrombozytenzahlen schwanken, erreichen gelegentlich thrombopenische Werte. Wenn dies der Fall ist, beginnt Pat. aus den Zähnen und aus der Nase zu bluten und der Stauungsversuch fällt positiv aus, während beim Wiederansteigen der Plättchen die Datum Leukozyten Thrombozyten Bemerkungen 16. IX. 1922 20. X. 2100 2600 160 000 Stets relative Lymphozytose von etwa 40%; stets eine Monozytose von etwa 10%, die nach einer Adre- nalininjektion bis auf 36% steigt, mit einer Zunahme der Leuko- zyten von 2400 auf 4900 31. X. 1400 — — 17. XI. 2200 26 000 Nasen- und Zahnfleischbluten 21. XI. — 31000 v n n r> 1. XII. — 22 000 n » n n 8. 11. 1923 1100 22 000 Zahnfleischbluten beim Putzen der Zähne 9. V. 900 — 2. VI. 1200 80000 29. VI. 2800 30000 17. VIII. 1800 22 500 Nasenbluten Aleukie: Splenopathische Markhemmung. 443 hämorrhagische Diathese schwindet. Über das Verhalten der Leukozyten und Thrombo- zyten orientiert kurz die Tabelle auf S. 442. Der erste Fall ist besonders lehrreich, weil er zeigt, wie durch die Milzexstir- pation mit einem Schlage das Knochenmark seine volle Entfaltungsfreiheit Wiedergewinnt . Eine ganz ähnliche Erfahrung haben wir bei einem anderen Patienten mit Hypoleukia splenica gemacht, bei dem, nachdem die Bestrahlung der Milz sich als blutschädigend erwiesen hatte, zur Splenektomie geschritten wurde. Datum Zahl der roten Blut- körper- chen Hämo- globin- gehalt (korri- giert) /o Färbe- index Zahl der Leuko- zyten nui % )ly- Jeäre ab- solut Lympho- zyten o/ ab- /o solut Eosino- phile o/ ab- /o solut Blut- plättchen Bemerkungen 1916 19. IV. 17. V. 18. V. 19. V. 3. VI. 2 805 000 2 499 999 2 400000 2 400 000 50,0 50,0 44,0 43,0 0,9 1,04 0,9 0,9 1130 860 840 760 599 27 23 32 305 198 192 65 74 65 734 636 390 4 1 1 55 9 6 62 000 66 000 68 000 Bestrahlung : 9.— 13. V. 10 Felder, pro Feld 10 X 16. VI. (6 Stun- den nach der Ope- ration) 17. VI. 19. VI. 21. VI. 1. VII. 7. VII. 15. XII. 16. VI. 1916: Milzexstirpation. 2 100 000 33,7 0,8 3100 85 2635 13 403 2 62 — 2900 79 2291 12 348 — — — 3300 75 2475 16 528 5 165 — 2 800 000 35,0 0,6 3100 72 2132 20 620 4 124 450000 (!) 3 600 000 57,0 0,8 3300 43 1419 45 1485 6 198 — 4300 000 63,7 0,74 3500 40 1440 53 1855 3 105 76 000 4 700 000 72,0 0,76 4200 46 1932 49 2058 2 84 — Auf Grund dieser Resultate haben Wir uns die eingangs dieses Kapitels auseinandergesetzte Vorstellung gebildet, daß das Knochenmark nicht oder jedenfalls nicht nur einer direkten Einwirkung der Krankheitsnoxe unterliegt, sondern daß humoral-korrelative Einflüsse, die von der Milz ausgehen, eine bedeutsame Bolle spielen. Der deletäre Effekt isolierter Milzbestrahlung, welcher die Milz erst recht makrophagisch umwandelt, war dazu angetan, uns in diesem Gedankengange zu bestärken. Wenn bei „Morbus Banti" oder ,,splenomegalen Zirrhosen" zur Milzexstirpation geraten wird, so möchten wir einen wesentlichen Teil des Erfolges, den dieser Eingriff haben kann, auf das Konto der Verbesserung der Blutmischung, die sich ja auch auf das rote Blut erstreckt, setzen. Ob durch die Splenektomie das Fortschreiten des krankhaften Prozesses in der Leber aufgehalten Werden kann, steht an dieser Stelle nicht zur Diskussion ; wir möchten nur darauf verweisen, daß bei Else G. zwar vorübergehend der Ikterus schwand, das Leberleiden aber offenbar doch Weiterschritt. Es muß übrigens bemerkt werden, daß über kurz oder lang die myeloischen Elemente sich doch wieder stark unter die Norm vermindern können (vgl. Else G. : Thrombozyten 40 000 einen Monat post operationem, Neutrophile aber noch hochnormal!); Wahrscheinlich liegt das daran, daß in Nebenmilzen oder in mesenterialen Lymphdrüsen sich eine ,,splenoide Pulpa" entwickelt, die, ähnlich wie beim Typhus, an der Hemmungswirkung aufs Knochenmark sehr Wesentlich mitbeteiligt sein kann. 444 F. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. In dem zweiten oben beschriebenen Falle (Wilhelm W. : Morbus spleno- hepato-subcorticalis) haben wir das Sternalmark vom Lebenden im Ausstrich untersucht und bei der Auszählung der in normaler Zahl vorhandenen Mega- karyozyten folgende durchaus von der Norm abweichende Formel gefunden: 35°/0 voll granulierte, 56°/0 spärlich granulierte und 9°/0 ganz un- granulierte. Es handelt sich also im wesentlichen um ähnliche, wenn auch lange nicht so stark ausgeprägte Verhältnisse wie bei den Thrombopenien (vgl. S. 365). Es werden sich aus diesem einen Falle noch keine weittragenden Schlüsse ziehen lassen; aber zur Erklärung der splenopathischen Hypothrombo- zytose und Thrombopenie trägt er unseres Erachtens bei: Nicht die Bildung der Riesenzellen aus der Stammzelle ist gehemmt, sondern die weitere artliche Differenzierung der Megakaryozyten, die Ausbildung der spezifisch azidophilen Granulation hat Schaden gelitten. Vielleicht werden in Zukunft diese erst- malig bei einer Splenopathie erhobenen Knochenmarksbefunde auch zum Verständnis der Pathogenese der essentiellen Thrombopenie beitragen können; vorläufig ist die Betonung der Tatsachen wichtiger als der Versuch, Brücken zu schlagen. Literatur. Accolas: L'anaemie pernicieuse aplastique. These de Lyon 1910. — Aschoff und Koch: Skorbut. Veröff. ad. Geb. d. Kriegs- u. Konstitutions-Pathol. Jena 1909; siehe auch Salle und Rosenberg: Über Skorbut. Ergebn. d. inn. Med. Bd. 19. — Askanazy: Die Lymphfollikel im menschlichen Knochenmark. 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Es ist seit langem bekannt, daß schwerere Schädigungen des Gesamtparen- chyms der Leber — akute gelbe Atrophie, Phosphor- und Chloroformvergiftung, die Spirochäteninfekte der W ei Ischen Krankheit und des Gelbfiebers, die hyper- trophischen (splenomegalen, pseudo-bantischen) Zirrhosen, seltener die End- stadien der atrophischen Zirrhose, endlich langdauernde Gallengangs verschlusse — von einer hämorrhagischen Diathese begleitet sein können, welche in ihrem klinischen Aspekt bald mehr dem Morbus Werlhof , bald mehr der Hämophilie ähnelt. Manchmal entwickelt sich der von der Thrombopenie her bekannte Symptomenkomplex multipler Ekchymosen mit ,, Blutflüssen" aus einer oder mehreren Schleimhäuten ; unter der Stauungsbinde entstehen reichlich Petechien, beim Beklopfen Hämatome ; aus den blutig unterlaufenen Einstichstellen sickert das Blut lange nach: Bekannt sind die Hämatemesis und Melaena gravis bei akuter Leberatrophie (ohne Pfortaderstauung!). Viele dieser Kranken aber bluten überhaupt nicht spontan; Blutungen und Nachblutungen aus Wunden sind jedoch wie bei den echten Blutern ganz außerordentlich heftig und äußerst schwer zu stillen. So setzte bei einem unserer Kranken mit akuter Leberatrophie, dem beim Versuche, den krampfhaft geschlossenen Mund mit dem Sperrer zu öffnen, ein Zahn ausgebrochen wurde, sofort eine starke Blutung aus der Alveolar - wunde ein, und das Blut ergoß sich nun unaufhörlich; trotz aller Bemühungen 446 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. gelang es nicht, die Blutung bis zu dem etwa 12 Stunden später erfolgenden Exitus zum Stehen zu bringen. Ich erinnere ferner an die von den Chirurgen sehr gefürchteten cholämischen Blutungen aus dem Operationsgebiet, die besonders bei Fällen von chronischem Obstruktionsikterus durch Tumoren vorzukommen scheinen. Über die Häufigkeit einer ernster zu nehmenden hämorrhagischen Diathese unterrichtet eine Statistik von Eppinger: Totaler mecha- nischer Stau- ungsikterus Karzinom Stein Partieller Stauungs- ikterus (Meta- stasen) Ikte- rus catar- rhalis Atrophische Leber- zirrhosen nicht stark ikterisch ikteriscn Hyper- trophi- sche Leber- zirrhosen Akute gelbe Leber - atrophie Zahl der be- rücksichtigten Fälle Hoher Grad von hämorrha- gischer Dia- these 21 3 = 14% 16 14 58 — 4 21 19% 10 4 = 40% 22 10 8 = 35% 4 = 40«/( Zur Erklärung der Blutungsneigung, insbesondere der cholämischen Blu- tungen, hat man gern auf die Schwergerinnbarkeit des Blutes rekurriert, die sich sowohl im Experiment, als in der Klinik bei ausgedehnten Schädigungen der Leber nachweisen läßt. Bevor wir die Berechtigung dieses Gedankenganges einer Kritik unterziehen, wollen wir uns seine tatsächlichen Unterlagen ver- gegenwärtigen. Aus den vielfachen Untersuchungen über die Gerinnung in vitro bei Leber- kranken und Ikterischen ergibt sich zunächst eindeutig, daß der zeitliche Ab- lauf der Gerinnung sowohl bei den leichteren Graden diffuser Leberzellschädigung (z.B. beim Ikterus simplex), als auch bei der Mehr- zahl der Fälle von Stauungsikterus, selbst wenn die Überladung der Säfte mit den Bestandteilen der Galle wochen- und monatelang dauert, durchaus der Norm entspricht. Je länger sich der Abschluß der Gallengänge hinzieht, um so mehr kann allerdings nach den Untersuchungen und Zusammenstellungen Petrens eine deutliche Verlängerung der Gerinnungs- zeit hervortreten. Zweifelsohne haben aber die in vitro gerinnungshemmenden Gallensäuren an dieser Ger innungs Verzögerung in vivo keinen Anteil; denn wie Morawitz und Bier ich sowie Petren betonen, wird im strömenden Blute wohl niemals die im Reagenzglas versuch benötigte Minimalkonzentration von 0,2—0,5% erreicht. Es spricht sich vielmehr in der zunehmenden Ver- zögerung der Gerinnung nicht die „Cholämie", sondern die zunehmende Störung der Leberfunktion aus. Das geht mit Sicherheit schon daraus hervor, daß Fälle mit Subikterus (mit Bilirubinämie ohne Bilirubinurie) die nämliche Gerinnungs- verzögerung aufweisen; nach meinen Erfahrungen kommen vor allem die im vorigen Abschnitt besprochenen Fälle von Hypoleukia spleno-hepatica (die meist als splenomegale Zirrhosen geführt werden) in Betracht; bei Kranken dieser Art, bei denen die funktionelle Minderwertigkeit der Leber durch stärkste Urobilinurie, kräftige Lävulosurie und Galaktosurie sich kundgibt, habe ich mehrfach eine Verspätung von Beginn und Ende der Gerinnung des Venenblutes gefunden, welche auch sehr weit gesteckte Grenzen der Norm (Beginn 15Minuten, Ende 28—30 Minuten) noch erheblich hinter sich läßt (z. B. in einem Falle: Beginn 25 Minuten, Ende 56 Minuten). Pseudohaemophilia hepatica. 447 Ein solcher Wert unterscheidet sich kaum mehr von denjenigen, die bei höchstgradiger hepatischer Insuffizienz, man könnte sagen, kurz vor dem Zusammenbruch der Leberfunktion, meist bei Individuen, deren Leben nur noch nach Stunden oder Tagen bemessen war, ermittelt worden sind. In vier Fällen von akuter gelber Leberatrophie, die Schultz und Scheffer mit des ersteren ,, Hohlperlenmethode" untersuchten, war die Ge- rinnung des venösen Gesamtblutes erst nach 45 — 60 Minuten beendet, während 20 Minuten den Autoren als äußerste Grenze der Norm gelten. Zwei Fälle von Morawitz und Bierich betrafen ,, hypertrophische Leberzirrhosen" im klinischen Endstadium; auch hier war die Gerinnungszeit des der Ader ent- nommenen Blutes etwa auf eine Stunde, d. h. auf das Dreifache des bei Gesunden erhaltenen höchsten Normalwertes verlängert. In einer dritten Gruppe endlich, die einen Fall von Morawitz und Bier ich und zwei Beobachtungen von Petren umfaßt, handelt es sich um weitgehende Beeinträchtigung der Leber- zelltätigkeit durch chronischen Obstruktionsikterus bei Karzinom der gröberen oder kleinen Gallenkanäle. Petren, der ebenfalls Venenblut verwendet, konnte in seinen Fällen die Entwicklung der Gerinnungshemmung verfolgen: so hatte sich das eine Mal die Gerinnungszeit, die bei der ersten Prüfung noch normal gewesen war, in einem Zeitraum von fünf Tagen verdoppelt, wiederum nach Ablauf der gleichen Zeit vervierfacht. Morawitz und Bierich sowie Petren haben noch in einer anderen, recht interessanten Weise die schwere Störung des Gerinnungsmechanismus dar- getan: die erstgenannten konnten zeigen, daß Zusatz kleinster Mengen von Hirudin (3 Tropfen einer l%0igen Lösung zu 5 ccm Blut) die Gerinnungszeit von Normalblut kaum beeinflußte, die Gerinnung des Blutes ihrer Kranken aber um mehrere Stunden hinauszögerte. Petren wies nach, daß der prozentische Gehalt an gallensauren Alkalien, der eben für die totale Gerinnungshemmung von Blut Normaler oder Ikterischer benötigt wurde, bei mit Leber insuffizienz ein- hergehendem Ikterus um ein Viertel, ja um die Hälfte erniedrigt werden kann. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß akute und chronische Leberdegenerationen, sofern sie genügend weit fortgeschritten werden, eine bedeutende Verlangsamung der Blutgerinnung im Gefolge haben können. Es muß aber sogleich hervorgehoben werden, daß es sich nicht um ein gesetzmäßiges Attribut der schweren Leberinsuffizienz handelt. Diese Dinge sind anscheinend unberechenbar; gleich schwere Erkrankungen, die in dem einen Falle die Gerinnungs Verzögerung aufweisen, lassen sie in anderen ver- missen, so haben wir in unserem Material von akuter Leberatrophie (6 Fälle) durchaus der Norm entsprechende, ja nicht einmal der Grenze sich nähernde Gerinnungszeiten festgestellt. Von unseren splenomegalen Zirrhosen, die — an der Störung der Urobilinfixation und des Kohlehydratstoffwechsels gemessen — etwa die nämliche, jedenfalls eine erhebliche Mangelhaftigkeit der Leber- funktion aufwiesen, boten einige normale Gerinnungsverhältnisse, während andere, wie erwähnt, eine sehr deutliche Hemmung erkennen ließen. Worauf die Gerinnungs Verzögerung beruht, ist noch wenig durchsichtig. Im Tierexperiment gelingt es durch diejenigen Gifte , welche eine besondere Affinität zur Leberzelle haben, vor allem durch Phosphor und Chloroform, dann aber auch durch Ausschaltung der Leber aus der Zirkulation, das Blut vollständig ungerinnbar zu machen. Die Ursache der Ungerinnbarkeit ist hier das Schwinden des Fibrinogens, teils durch mangelnde Bildung, teils durch gesteigerte Zerstörung. Diese Tierexperimente scheinen kein Analogon in der menschlichen Leberpathologie zu haben; Fibrinogenmangel scheint auch bei den stärksten hepatogenen Gerinnungshemmungen keine besondere Bolle zu spielen. Das geht, wie Morawitz und Bierich mit Recht betonen, schon daraus 448 E. Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. hervor, daß das schließlich sich bildende Gerinnungsprcdukt derb und fest ist ; ferner konnten diese Autoren zeigen, daß das spontan sehr langsam gerinnende Blut durch Zusatz von Gewebssaft in wenigen Minuten koaguliert wird. Auch nach Schultz und Scheffer scheint es kaum möglich, bei denjenigen Fällen von akuter Leberatrophie, die stark verzögerte Gerinnung aufweisen, Fibrino- genmangel als Ursache anzuschuldigen. Nicht von der Hand zu weisen ist es, daß gerinnungshemmende Stoffe in vermehrter Menge im Blute kreisen ; die Gallensäuren zwar haben wir als Anti- thrombine in vivo abgelehnt, es könnte aber wohl sein, daß die kranke Leberzelle Substanzen abgibt, welche die Eigenschaft haben, die Bildung oder die Wirkung des Thrombins hintanzuhalten. Diese Vermutung stützt sich darauf, daß nach Nolf die gesunde Leberzelle auf gewisse Reize hin, z. B. nach intravenöser Peptoninjektion oder im anaphylaktischen Schock, ,, physiologische" Anti- thrombine sezerniert. Vielleicht vermag die schwer geschädigte Leberzelle diese in ihrem Leibe aufgestapelten Körper nicht mehr zurückzuhalten, welche normalerweise nur bei Verschiebungen der Kolloidstabilität dem Bedarf ent- sprechend abgegeben werden. Vergleichen wir das Verhalten der Gerinnung bei der hepatischen Pseudo- hämophilie und der echten hereditären Hämophilie, so darf wohl die Störung des Gerinnungsvorganges bei letzterer als die ungleich schwerere bezeichnet werden. Das einmal gebildete Gerinnsel ist bei der hepatischen Form derb und fest, während gerade das qualitativ minderwertige, schlaffe und locker gesponnene Gerinnungsprodukt für die Bluterkrankheit bezeichnend ist. Was den zeitlichen Ablauf anlangt, so ist es kaum zu viel gesagt, daß im allgemeinen das Maximum der Verzögerung bei Leberinsuffizienz etwa dem Minimum bei Hämophilen entspricht. Bei den echten Blutern, die wir beobachteten (vgl. S. 333), waren zu der Zeit, zu welcher bei schwerster Lebererkrankung die Gerinnung abgeschlossen zu sein pflegt, noch nicht einmal die ersten Fäden zu bemerken. Eppinger erwähnt allerdings, daß einmal das kurz ante exitum entnommene Aderlaß -Blut eines Kranken mit akuter Atrophie auch am nächsten Tage noch flüssig war. An den Vergleich mit der Hämophilie läßt sich sehr gut zur Erörterung der Frage anknüpfen, ob die hämorrhagischen Phänomene, die bei Leberkranken zur Beobachtung gelangen, durch die Gerinnungshemmung erklärt werden können. Wir haben bei der Scheidung von Thrombopenie und Hämophilie den Satz begründet, daß das Mikrotrauma (Einstich mit der Nadelspitze oder Pravazkanüle, Schlag mit dem Perkussionshammer) ebensowenig wie die venöse Stauung hinreicht, um beim Hämophilen Blutextra vasationen hervorzurufen; erst die grobe Kontusion oder die Kontinuitätstrennung der Gewebe durch Schnitt oder Quetschung gibt im allgemeinen den Anlaß zu der anhaltenden Blutung. Daraus folgt, daß die spontan und artifiziell sich äußernde hämorrhagi- sche Diathese der Leberkranken, soweit sie vom Charakter des Morbus Werlhof ist, aus der Anomalie der Gerinnung allein nicht begriffen werden kann. Angesichts der Tatsache, daß die Gerinnungs Verzögerung wesentlich geringer, die Beschaffenheit des Gerinnungsproduktes wesentlich besser ist als beim Bluter, wird auch der Zweifel rege, ob die traumatischen Hämorrhagien, z. B. die tödlichen cholämischen Blutungen aus dem Operationsgebiete bei Ikterus chronicus oder die unstillbaren Hämorrhagien aus akzidentellen Wunden bei akuter Leberatrophie, lediglich die Folge der verlangsamten Gerinnung sein können. Dieser Zweifel wird dadurch gestärkt, daß nach Petren die fatale postoperative Blutung auch erfolgen kann, wenn die Gerinnungszeit wieder normal geworden is1 und daß in unserem Falle unbeherrschbarer Wundblutung bei akuter Atrophie die Geririnungszeil sich nicht als verlängert erwies. Es Pseudohaemophilia hepatica. 449 hat danach den Anschein, daß die Gerinnungshemmung da, wo sie vorhanden ist, nur den Indikator einer Störung der vitalen Blutstillung abgibt, die auch — ohne daß die grobe Gerinnungsanalyse wenigstens einen Ausschlag gibt — vorkonmen kann. Ich glaube, daß wir auch zum Verständnis der hepatogenen Blutextra - vationen erst gelangen, wenn wir das Eingreifen der Plättchen und des Plättchen- thrombus in den Prozeß der Hämostase berücksichtigen. Nun ist es zwar nach eigenen Untersuchungen sicher, daß die Zahl der Plättchen sowohl bei der akuten Leberatrophie als auch bei langwierigem Stauungsikterus durch Karzi- nom nicht oder nicht beachtenswert verringert ist; aber wir wissen, daß auch ein reichlich thrombozytenführendes Blut sich verhalten kann wie ein thrombo- penisches, indem nämlich die Adhärenz und Agglutination der Plättchen, ihre Verklebung mit den Rändern der Gefäßwunde und untereinander aufgehoben sein kann. Ich habe dieses Vorkommnis bei den Erwägungen über die Patho- genese der thrombopenischen Blutungen ausführlich besprochen (S. 343 ff.) und dort auseinandergesetzt, daß die Bildung des Plättchenthrombus gesetz- mäßig immer dann ausbleibt, wenn das Blut total ungerinnbar ist, Ich ver- weise auf das dort Gesagte und möchte hier nur daran erinnern, daß die sog. gerinnungshemmenden Faktoren eben nicht nur die Gerinnung hemmen, sondern auch die „Opsonisation" von Fremdkörpern und rauhen Oberflächen hintan - halten, d. h. die Adsorption und Konzentration bestimmter Plasmakolloide an diesen Oberflächen, welche die Conditio sine qua non des Haftenbleibens der Plättchen ist, hemmen. Ich habe ferner dargelegt, daß Gerinnungshemmung und Konservierung der Plättchensuspension nicht immer Hand in Hand geht. Roskamhat gezeigt, daß nach Hirudininjektionen das Blut seine Gerinnungs- fähigkeit weitgehend wieder erlangt haben kann, während doch die Wunden (trotz normaler Plättchenzahl!) weiter bluten, die Plättchen also nicht agglu- tinieren und nicht an den Endothelien der Gefäßwundränder haften. Ich stelle mir nun vor, daß auch bei schwerer Leber Insuffizienz die Gerinnungs- verzögerung lediglich der Indikator eines Vorganges ist, der auch die Bildung des Plättchenthrombus hindert und daß manchmal, wie im Experiment von Roskam, eine Gerinnungsanomalie kaum erweislich ist, während das Plätt- chenaggregat nicht zustande kommt. Der Mechanismus der Hämorrhagie ist also bei der hepatischen Pseudo- hämophilie ähnlich wie bei der Thrombopenie : Er beruht auf dem Fehlen oder wenigstens auf dem allzu lockeren Gefüge des Plättchenthrombus. Es handelt sich also um eine Thrombopenie im eigentlichsten Wortsinne ; da aber der Name Thrombopenie bereits für die Thrombozytopenie vergeben ist, möchte ich das Ausbleiben der Thrombusbildung bei numerisch ausreichender Pia ttchen zahl als Athrombie bezeichnen. Naturgemäß wird es sich nicht immer um eine komplette Athrombie handeln. Ist die Neigung zur Agglutination nicht vollständig aufgehoben, so dürfte die Störung der Blutstillung um so schwerer sein, je geringer die Zahl der Platt che n ist. »Diese Kombination von Hypothrombie und Thrombopenie begegnet uns bei den mit splenopathischer Markhemmung vergesellschafteten Leberzirrhosen, also den pseudobantischen Formen im Sinne Naunyns oder der Hypoleukia spleno -hepatica. In diesen Fällen scheint der ,, kritische Wert" nicht wie bei der essentiellen Thrombopenie bei etwa 30 000 Plättchen, sondern etwas höher zu liegen: wenigstens weisen sie spontane Blutextra vasationen bereits bei 40 000-50 000 Plättchen auf und zeigen bei 25 000—30 000 Plättchen manchmal schon recht heftige und anhaltende Schleimhautblutungen (vgl. Fall Else G., S. 440). Wahrscheinlich beruht es auf dem Zusammentreffen Blutkrankheiten. II. 29 450 E.Frank: Die hämorrhagischen Diathesen. von Hypothronibie und Tbrombopenie resp. starker Hypothrombozytose, daß von allen Lebererkrankungen die „hypertrophische Zirrhose" der älteren Autoren am häufigsten die Symptome der hämorrhagischen Diathese auf- weist. Es kommt aber zweifellos, wie wir uns erst kürzlich überzeugen konnten, auch vor, daß bei befriedigend hohen Plättchenwerten eine hypertrophische Leberzirrhose den ausgeprägtesten Symptomenkomplex des Morbus Werlhof darbietet. Wir waren geneigt, in unserem Falle eine vollständige Athrombie (bei übrigens nicht verlängerter Gerinnungszeit!) anzunehmen. Diese Fälle bieten noch viel Problematisches. Man wird in Zukunft versuchen müssen, durch histologische Untersuchungen angestochener Hautgefäßchen das Fehlen des aus Plättchen bestehenden Verschlußpfropfes trotz befriedigender Plättchen, zahl direkt nachzuweisen. Es sei schließlich betont, daß, wenn wir auch der Blutbeschaffenheit die wesentliche Rolle in der Genese der hepatischen Pseudohämophilie zuschreiben, das Verhalten der Gefäße keineswegs gleichgültig sein dürfte. Da bei der hepati- schen Autointoxikation möglicherweise auch Kapillargifte in den Kreislauf gelangen, so wird sicherlich die pathologische Einstellung der Kapillaren Ge- staltung und Lokalisat ion der Symptome im Einzelfalle beeinflussen können. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, daß nach unserer Auffassung bei intakter Plättchenzahl und Plättchenfunktion auch durch maximale Kapillar- dilatation ein pseudohämophiles Bild nicht hervorgerufen, sondern nur ein in dem Fehlen der Plättchenagglutinate begründetes modifiziert werden kann; so wäre es sehr wohl möglich, daß bei der akuten Leberatrophie die massiven Blutungen mit Vor Hebe aus dem Magendarmkanal deshalb erfolgen, weil die toxische Kapillarlähmung vorzugsweise im Bereich der Baucheingeweide Platz greift und dementsprechend die Wände des Verdauungstraktes strotzend mit Blut angefüllt sind. Die abdominelle Kapillarlähmung werden wir bei der Purpura Henoch auch antreffen, ohne daß jedoch die Blutextra vasationen im Magendarmkanal jenen alarmierenden Charakter tragen wie bei der akuten Leberatrophie. Literatur. Eppinger: Allgemeine und spezielle Pathologie des Ikterus. Handbuch von Kraus- Brugsch, Bd. 6, 2, S. 161—163 u. S. 246—247. — Morawitz und Bierich: Über die Patho- genese der cholämischen Blutungen. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 56. 1907. — Nolf : Ergebn. d. inn. Med. Bd. 12. — Petren: Untersuchungen über die Blutgerinnung bei Ikterus. Bruns Beitr. z. klin. Chirurg. Bd. 120. 1920. — Roskam: Contribution ä Feinde de la physiologie normale et pathol. du globulie. Arch. internat. de physiol. Vol. 20, p. 71 ff. 1923. — Schulz: Über Ikterus, Hämorrhagien und Blutkoagulation. Berl. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 29. Durch unsere Erörterungen über den Morbus Werlhof zog sich wie ein Leit- motiv der Gedanke, daß das Wesen der Diathese in einer Änderung der morpho- logischen Blutmischung begründet sei, während eine — häufig genug nur lokale — Alteration der Gefäßwand irgendwelcher Art lediglich ein ,,Accidens" sei, notwendig zur Manifestierung des klinischen Symptoms, aber kein integrierender Bestandteil der Diathese selbst. Den Thrombopenien essentiellen und sympto- matischen Charakters lassen sich nun Formen der hämorrhagischen Diathese gegenüberstellen, > «2 „., _ 4P - - o s 7. "SoQ - ü ä s - « 53 (H < 1« » E ojj s ,* o -*i Q CO £ Mastzellen unterscheiden lassen. Diese Körnelung ist verschieden grob und verschieden stark. Nach der Feinheit und der Dichte der Körner geordnet läßt sich eine aufsteigende Reihe farbstoffspeichernder mesenchymaler Elemente darstellen : 1. Die Endothelien der Blut- und Lymphgefäße; sie speichern nur bei besonders hochgetriebener Färbung und nur in Gestalt aller - feinster Körnchen. 2. Die Fibrozyten oder die gewöhnlichen Bindegewebszellen; sie speichern bei genügend starker Färbung in wechselnder Stärke, aber auch ziemlich feinkörnig, sind jedoch leichter zu färben, als die Endothelien. Die Retikulumzellen der Milzpulpa, der Rindenknötchen und der Markstränge der Lymphknoten und schließlich des sonstigen lymphatischen Gewebes. Sie speichern relativ leicht und stärker wie die Bindegewebszellen, bleiben aber an Schnelligkeit und Stärke der Speicherung noch deutlich gegenüber den folgenden Gruppen zurück. Die Retikuloendothelien der Lymphsinus der Lymphknoten, der Blutsinus der Milz, der Kapillaren der Leberläppchen (Kupffer- sche Sternzellen), der Kapillaren des Knochenmarks, der Neben- nierenrinde, der Hypophyse. 5. Die Histiozyten, wie wir die beweglichen Bewohner des Binde- gewebes, die Klasmatozyten Ranviers usw. im Gegensatz zu den Bildnern des Bindegewebes (den Fibroblasten bzw. Fibrozyten) x) bezeichnet haben. Sie speichern fast ebenso leicht wie die Gruppe 4, zumal wenn sie sich in einem besonderen Tätigkeitszustand befinden. 6. Die Splenozyten und farbstoff speichernden Monozyten (Endo- thelioleukozyten, Bluthistiozyten), welche von den Histiozyten (Gruppe 5) und den Retikuloendothelien (Gruppe 4) ihren Ursprung nehmen. Wie sollte man nun diese so nahe verwandten Zellarten zusammenfassen? Wir schlugen seinerzeit vor, die Gruppe 1 und 2, die sich entweder gar nicht oder nur sehr schwach färben und die sich auch, wie wir noch sehen werden, funktionell anders verhalten als die übrigen Gruppen, ganz auszuschalten. Diese Zellen sind auch die relativ unbeweglichsten, am meisten fixierten. Dagegen schien es wünschenswert, die Gruppe 3 und 4 wegen ihrer gleich- artigen Funktion als Retikularbildner und Bekleider sinuöser Lymph- und Blut- räume unter einem Begriff, nämlich dem des retikulo - endothelialen Systems zusammenzufassen. Dies war um so nötiger, als dieselbe Zelle aus- kleidende Endothelzelle und gleichzeitig Bildner des Retikulum sein kann, wie bei den Sinusendothelien der Lymphknoten und bei den Kupfferschen Stern- zellen, welche man ja als Quelle der Gitterfasern bezeichnet. Die neueren Auf- fassungen über die synzytiale Natur des Mesenchyms, über die Differenzierung der verschiedenen Fasersysteme (Gitterfasern, Bindegewebsfasern, elastische Fasern) innerhalb des Synzytiums, aus welchem sich die weniger differenzierten Teile (Nukleus und perinukleäres Protoplasma) als freiwerdende Zelle auslösen können (ich verweise auf die Arbeiten von Weidenreich, Downey, O. Ranke, Hu eck), lassen die Annahme solcher, mehrfache Funktionen ausübender Retikuloendothelien durchaus berechtigt erscheinen. ') Von Schaffer als [noblasten, [nozyten bezeichnet. Siehe dort auch über den Begriff „Endothel". (Ergebnisse der Anatomie XXIII, 1921.) Tafel I. ks ) ;ermediäre Zone Wandzellen ive Endothelien istiocytäre Endothelien 1. Oxyd. Phagocyt. + + Supravit. ( + ) Phagocyt. + + Mesenchym zellen Vit. 1. Oxyd. Phagocyt. + 4- + + ( + ) + + + Gewöhnliche Gefäßendothelien Vit. 1. Oxyd. Phagocyt. ( + ) oder + ( + ) oder + + Vit. + Fibroblasten 1. Oxyd. Phagocyt. ( + ) (+; festimmt Vit. = Vitale Farbstoffspeicherung 1. Oxyd. = labile Oxydase st. Oxyd. = stabile Oxydase Supravit. = supravitale Färbung mit basischen Farbstoffen Phagocytose = Cytophagie Azur. = Azurgranula Hämatologische Granula = postvital durch hämatologische Methode färbbare Granulation Verlag von Julius Springer in Berlin. QC CD W 3 et- O o CD CO CD QO CD w go: B P o O CD CG CD Ul Einteilung des retikulo-endothelialen Systems. 481 Kiyono hat die retikulo-endothelialen Zellen auch als Histioblasten be- zeichnet, weil aus ihnen sehr leicht bewegliche Zellen, die ganz den Histiozyten des Bindegewebes gleichen, hervorgehen können. Die Gruppe 5 und 6 wurde nämlich von Kiyono unter dem Namen der histiozytären Elemente zusammengefaßt. Ihnen gehörten die Histiozyten des Bindegewebes (Gewebshistiozyten, Klasmatozyten Ranviers), Splenozyten und die Bluthistiozyten an. Letztere entstehen aus beweglich gewordenen, in das Blut abgestoßenen oder in das Blut eingewanderten Retikuloendothelien, Splenozyten und Gewebshistiozyten. Kiyono beschreibt die Histiozyten folgendermaßen: „Der Kern der- selben ist rundlich-oval oder nierenförmig, kleiner als der der Fibroblasten. Das ganze Kerngerüst ist aber dichter und dicker formiert, hin und wieder mit größeren nukleolenähnlichen Körnern ausgestattet, infolgedessen auch dunkler. Das Protoplasma liegt in den Gewebespalten und sendet überall Ausläufer aus. Es hat eine feine retikuläre Struktur, ist dunkler gefärbt und die Umrisse des Zelleibes sind viel schärfer begrenzt als die Umrisse der Fibro- blasten. Die Grundform dieser Zellen ist gewöhnlich rundlich und sie sind kleiner als die Fibroblasten, trotzdem die Größe der Klasmatozyten oft sehr stark varriiert. Sie liegen vereinzelt zwischen den Gefügen der kollagenen Fasern, insbesondere sind sie zahlreich in der Adventitia der Gefäße, wo sie zumeist ihre rundliche Form bewahrt haben." Er hebt dabei hervor, daß besonders im Netz gelegentlich Zellen vorkommen, die wegen der Feinheit ihrer Farbstoffgranula, wegen des zarteren Chromatin- netzes ihrer Kerne, wegen ihres großen, mit vielen Ausläufern versehenen Zell- leibes eine Zwischenstellung zwischen den Klasmatozyten und den Fibroblasten einnehmen. Man könnte daraus schließen, daß , wie auch Marchand, Maximow u. a. annehmen, eine Umwandlung der Histiozyten in Fibrozyten möglich wäre. Die Explantations versuche von Carrel sprechen allerdings nicht dafür. Gräff hat die Retikuloendothelien (also die Gruppe 3 und 4) auch als Ortshistio- zytender Gruppe 5 und 6, d. h. den Wanderhistiozyten gegenübergestellt. Wenn wir hier solche Zusammenfassung vornehmen, so soll damit nicht gesagt sein, daß etwa die Kupfferschen Sternzellen und die Sinusendothelien der Milz völlig gleiche Elemente wären. Schon die Gestalt, die Anordnung, die verschieden schnelle Speicherung spricht dagegen. Es handelt sich nur um eine gewisse grundsätzliche Ähnlichkeit in bezug auf Phagozytose und Speicherung. Aber das sind Ähnlichkeiten und keine Gleichheiten. Wenn man so in das einzelne geht, wäre überhaupt keine Möglichkeit gegeben, von einem System oder auch nur einem Teilsystem zu sprechen. Das ist sicher. Es wird auch die Aufgabe der Zukunft sein, diese Differenzierung noch sorgfältiger durch- zuführen. Aber so gut wir die Nierenepithelien als etwas Zusammengehöriges ansehen, obwohl wir auch hier von der Notwendigkeit weitgehender Gliederung überzeugt sind, so dürfen wir auch hier vorläufig von einer besonderen Zellgruppe sprechen. Auch der Aus- druck „Milzgewebe der Leber" für die Kupfferschen Sternzellen ist nur mit dieser Ein- schränkung zu verstehen. Besonders bemerkenswert ist die Beziehung der Gewebshistiozyten (adventitiellen Zellen) zu den Endothelien. Während in den genannten Organen, z. B. der Leber, Endothelien und adventitielle Zellen sozusagen ein und dasselbe sind, liegen im gewöhnlichen Bindegewebe den Kapillaren außen Zellen an, die sich so verhalten, wie die Endothelien der genannten Organe. Diese sind sozusagen nach außen gerückt. Man könnte auch sagen, den Leberkapillaren, den Milzsinus, den Lymphsinus fehlen die gewöhnlichen Endothelien. Die Bluträume oder Sinus liegen hier nackt im retikulären Gewebe. Die Kapillaren haben hier keine besondere Hülle erhalten. Man könnte sie als Kapillaren I. Ordnung bezeichnen, die gewöhnlichen Kapillaren als solche II. Ordnung. Die nach außen gerückten histiozytären Elemente, die adventitiellen Zellen, zerstreuen sich im übrigen Bindegewebe, bilden dort große Anhäufungen, z. B. im Netz usw. Hier sei nur bemerkt, daß zwischen der endothelialen Form und der retikulären Form bei den sog. Retikuloendothelien fließende Übergänge bestehen. Es würde einer besonderen Abhandlung bedürfen, wenn wir hier die ganzen Streitfragen über die Natur und die Morphologie der einzelnen im retikulo-endothelialen System verknüpften Zellarten aufrollen wollten. Endothelzellen und Retikulumzellen, Retikulum- Blutkrankheiten II. 31 482 L. Asch off: Morphologie des retikulo -endothelialen Systems. zellen- und Retikulumbüdung, Retikulumzellen- und Pulpagewebe, offene oder geschlossene Leberkapillaren, offene oder geschlossene Milzsinus, alle diese Probleme haben noch keine endgültige Lösung gefunden. Über die Kupfferschen Sternzellen findet man alles Wissens- werte bei Schilling, über die Retikuloendothelien der Lymphknoten bei Downey und Heudorfer, über die Milz bei Weidenreich, Mollier, Neubert, Thoma. Jedenfalls ist die Frage, wieweit die sog. Sinusendothelien der Lymphknoten gleich- zeitig Bildner des Retikulums der Sinus sind, bei Anwendung der modernen Retikulum- färbung dahin entschieden worden, daß in der Tat „Endothel-" und „Retikulumzellen" ein und dasselbe sind. Ich stimme hier mit Downey, der diese Frage erst neuerdings sehr sorgfältig geprüft hat, vollkommen überein. Wenn er aber meint, daß Fibroblasten, Retikulo- endothelien und Lymphozyten je nach den Bedingungen, unter denen sie sich befinden, funktionell gleichartige Bilder aufweisen können, so möchte ich dem nicht folgen. Lewis und Webster sahen in Plasmakulturen menschlicher Lymphdrüsen schon nach 2—3 Stunden lebhaft phagozytierende Elemente auftreten. Sie leiten sie von den Retikuloendothelien, nicht von den Lymphozyten, ab. Die später auftretenden Fibroblasten sind an der Phagozytose unbeteiligt. Über die intrazelluläre Entstehung und Lagerung des Retikulums der Lymphknoten und die Beteiligung der Endothelien an der Bildung desselben berichtet auch sehr anschaulich Orsos (Dtsch. Pathol. Ges. 1925 Würzburg). Bei den Knochenmarksendothelien ist die Doppelnatur ebenfalls wahrscheinlich. H. Braß gibt eine Schilderung der physiologischen Pigmentierungen der Retikuloendothelien des Knochenmarks bei den Haustieren. Für die Sinusendothelien der Milz ist allerdings eine Beziehung zum Retikulum noch nicht von allen Autoren anerkannt (Weidenreich), doch von Mollier wahrscheinlich gemacht. Sicher gilt das für die Retikulumzellen der Pulpa, in deren Maschen die Pulpazellen liegen und für die Retikulumzellen der lymphati- schen Stränge der Lymphknoten, von deren Maschen die ganz anders gearteten Lympho- zyten eingeschlossen sind. Ich möchte hervorheben, daß die selbständige Kapillarwandung, die einen geschlossenen Kreislauf ermöglicht, in Stauungslebern mit erweiterten perikapillären Lymphräumen sehr gut zu erkennen ist. Anderseits müssen die normalerweise der Kapillarwand außen anliegenden Sternzellen sehr leicht ein Teil der WTand selbst werden können oder vorüber- gehend sein. Sonst wäre die fast sofort einsetzende starke Speicherung gröberer Partikelchen durch dieselben und der schnelle Übertritt derselben in das Blut selbst gar nicht zu ver- stehen. Und umgekehrt stehen die Zellen mit den interzellulären Spalträumen der Leber- zellen in Verbindung, reichen bis an die Gallenkapillarwand heran, so daß förmlich direkte protoplasmatische Verbindungen zwischen Gallenkapillaren und Blutkapillaren durch die Kupfferschen Sternzellen hergestellt zu sein scheinen. Daß einem solchen Zellsystem ganz andere Aufgaben als den gewöhnlichen Endothelien zufallen müssen, ist wahrscheinlich. Sie können sich nicht in der Bildung der Kapillarwand und der Gitterfasern erschöpfen, falls letztere überhaupt von den Kupfferschen Sternzellen abstammen, was aber wahr- scheinlich ist. Der von Schilling geprägte Name „Schutzorgane" der Leber ist zu einseitig. Welchen besonderen Schutz diese Zellen den Leberzellen gewähren, ist nicht gesagt. Das Auffangen von Eisen, roten Blutkörperchen, Hämoglobin usw. braucht jedenfalls einen solchen nicht zu bedeuten, vielleicht das Gegenteil, nämlich beschleunigte oder verstärkte Zufuhr zu den Leberzellen. Bei der Phagozytose von Parasiten handelt es sich mehr um Schutz für den Gesamtorganismus als um einen solchen für die Leberzellen. Es scheint mir daher kein glücklicher Gedanke von Rosenthal, den Begriff des „Schutzorgans" in der Leber wieder zu Ehren bringen zu wollen, zumal Schilling selbst die Eingliederung der Kupfferschen Sternzellen in den umfassenderen Begriff des R.E.S. vollzogen und für die Bedeutung des letzteren in Hinblick auf den Gesamtorganismus (Blutbildung, defensive Reaktionen) wertvolle Beispiele gebracht hat. Auf die Frage, wieweit Pigment und Bilirubin- gehalt stets als reine Fremdkörperphagozytose im Sinne einer Schutzeinrichtung für den übrigen Körper, wieweit als Ergebnisse lokaler Spaltungs- und Umbildungsvorgänge zu betrachten sind, komme ich an anderer Stelle zurück. Eher könnte man von einem besonderen Stoffaustauschorgan der Leber sprechen. Jedenfalls sind die Kupfferschen Sternzellen nicht nur Absorbenten der im Blut befindlichen gelösten Stoffe, die sie gegebenenfalls der Leberzelle zuführen können, wenn ich dafür auch keinen Beweis erhalten habe, sondern auch Absorbenten für Stoffe, die in der Galle gelöst sind, oder für die gestaute Galle selbst. Daß das Fettgewebe Beziehungen zu dem histiozytären System hat, wird durch allerlei experimentelle Untersuchungen über die Neubildung desselben wahrscheinlich gemacht (s. II. rzo_'. F. Wassermann). ._'. koutietschen Zellen, die neuerdings von Vimtrup eine besondere Bearbeitung erfahren haben, sollen besondere kontraktile Elemente der Kapillarwand sein. Soweit eigene Beobachtungen an einem von Herrn Dr. Yekizo Ohno untersuchten Material ein Urteil gestatten, sind fliese Zellen nichts anderes als die advent it iellen Zellen Marehands. Auch Marchand hat die gleiche Ansicht geäußert. Einteilung des retikulo-endothelialen Systems. 483 Was die Deckzellen der serösen Häute anbetrifft, so sind sie nach den Speicherungs- bildern durchaus von den Histiozyten und Fibrozyten zu trennen. Sie beteiligen sich auch wenigstens nach unserer und Kiyonos Untersuchung (neuerdings von Kamiya bestätigt) nur in sehr beschränktem Maße an der Phagozytose. Trotzdem wird die enge Zusammen- gehörigkeit zwischen Deckzellen (Mesothel) und Mesenchym von vielen Forschern betont, auch die Fähigkeit zur Bindegewebsbildung den Mesothelien zugesprochen (Marchand, Herzog). Die nahen Beziehungen der Mesenchymzellen zum Mesothel konnte Lewis in Gewebskulturen vom embryonalen Hühnerherz aufweisen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß auch beim Erwachsenen die Serosaepithelien den Bindegewebs- zellen in allen Punkten gleichzustellen sind und aus letzteren hervorgehen. Lu barsch hat den Vorschlag gemacht, die perivaskulären Spindelzellen des Hoden- zwischengewebes, die perivaskulären Zellen der Grenzschicht der Nebenniere, die perivaskulären Zellen in der Grenzschicht der Niere, das Retikulum des Thymus, das Retikulum der Bauchspeicheldrüse, ebenso wie eisentragende Zellen der nervösen Zentren des Großhirns (Globus pallidus usw.) zum retikulo-endothelialen System hinzuzurechnen. Was die perivaskulären Elemente anbetrifft, so gehören sie ohne weiteres zu dem retikulo- endothelialen System hinzu. Wegen der Thymusretikulumzellen verweise ich auf das Folgende. Das Retikulum der Bauchspeicheldrüse kann wohl zu dem retikulo-endothelialen System im weiteren Sinne, aber nicht zu dem retikulo-endothelialen System im engeren Sinne gerechnet werden. Die teils gliozytären, teils gangliozytären eisenspeichernden Elemente der striären Zentren im Gehirn gehören aber nicht zum retikulo-endothelialen System, auch nicht im weiteren Sinne. Ich stimme hier mit Askanazy vollkommen überein und verweise auf die Diskussion in der Dtsch. Pathol. Ges. in Würzburg 1925. Umstritten ist heute die Stellung der sog. Zwischenzellen des Hodens, mit denen die Zellen der Theca interna der EierstocksfolhLkel verglichen werden können. Die Ergebnisse der vitalen Färbungen lassen zweifellos reichlich Histiozyten im Zwischengewebe des Hodens hervortreten (Goldmann). Zweifelhaft bleibt nur, ob es sich dabei um die echten Zwischen- zellen handelt. Es wird das von verschiedenen Autoren bestritten. So weist Katsunuma auf das Vorkommen von Oxydasegranula in den echten Zwischenzellen hin, während die farbstoffspeichernden Histiozyten des Hodenbindegewebes keine solche enthalten. Daß die vitale Färbung der Zwischenzellen des Hodens im Gegensatz zu der relativ leichten Färbung der histiozytären Elemente im Hodenbindegewebe nur schwer gelingt, betont auch Taka- mori. Dagegen steht fest, daß sich die Zwischenzellen des Hodens in ganz ähnlicher Weise wie sonst das retikulo-endotheliale System an der Speicherung lipoider Substanzen betei- ligen. Eingehende Untersuchungen darüber verdanken wirLeupold. Bekannt ist der Streit über die Bedeutung dieser Lipoide für die Samenzellenbildung. Stellen die Zwischen- zellen selbständige Organe dar mit besonderer Funktion (Pubertätsdrüse?), oder sind es nur trophische Organe (Auf- und Abbauorgane) des spezifischen SamenbilcLnergewebes ? Alle Beobachtungen neuerer Zeit sprechen gegen die erste, für die letztere Annahme (K. Sternberg, Stieve). Auf die Beziehungen der lipoidspeichernden Zwischenzellen zur lipoidspeichernden Nebennierenrinde weist Leupol d hin. Über die Speicherung im Eierstock (Ribbert, Goldmann) liegen neuere Untersuchungen von Boreil vor. Dabei zeigte sich, daß die Verhältnisse bei den verschiedenen Tieren (Maus, Kaninchen, Ratte) verschieden liegen. So erklären sich wohl auch widersprechende Befunde (Bela Eisler). Auch die Dauer und die Stärke der Färbung bedingen Unterschiede. Immerhin muß man zugeben, daß von einem besonderen Speicherungsvermögen der Theca-interna- Zellen gegenüber vitalen Farbstoffen keine Rede ist. Wohl aber speichern sie bei allen Tieren Lipoide. Daß auch echte Blastombildungen auf die Zwischenzellen zurückgeführt werden und gegebenenfalls zu den histiozytären Blastomen gerechnet werden müssen, ist bekannt. Sie sind auch bei Tieren beobachtet (Poll). Über die Stellung der Retikulumzellen des Thymus, besonders der Thy musrinde, müssen wir eine Entscheidung aufschieben. Sie fallen jedenfalls genetisch — wenn ihre epitheliale Natur auch für das Rindenretikulum feststeht — aus dem Rahmen heraus, müssen aber nach ihrer färberisch funktionellen Eigenschaft hierher gestellt werden. Sie bilden sozusagen den Übergang zu einer weiteren besonderen Zellklasse, den Glia- zellen. Bezüglich der feineren Histologie der Abraumzellen des Gehirns muß ich auf Spiel meyer. Jakob und Spatz verweisen. Sie entsprechen — trotz epithelialer Abkunft — ganz den Retikulumzellen anderer Organe, insofern sie neben dem Aufbau der Gerüst- substanz als Abraumzellen besonders wichtig werden. Sie werden aber intravital von der Blutbahn aus nicht gespeichert, weil der Gliarandsaum undurchlässig für den Farbstoff erscheint. Spritzt man direkt in das Gehirn, so bekommt man ganz schöne Färbungen der Gliazellen. Trotzdem sollten die Gliazellen wegen ihrer Sonderstellung in färberischer Hinsicht nicht zu dem retikulo-endothelialen Apparat gestellt werden. Dagegen heben Schulemann und Goldmann, sowie Rachmanow die vitale Speicherung der Pigment- zellen der Neurohypophyse hervor. Rachmanow betont auch die vitale Färbbarkeit der Zellen des Tuber cinereum. Daß es außer den Gliazellen innerhalb der Nervensubstanz 31* 484 h. Aschoff: Morphologie des retikulo-endothelialen Systems. noch eine wahrscheinlich mesodermale Speicherungszelle gibt, die dem retikulo-endo- thelialen System näher stehen würde, ist durch neuere Untersuchungen wahrscheinlich gemacht (Ramon y Cajal, Herzog, Spatz). Es muß hier ausdrücklich hervorgehoben werden, daß die Phagozytose allein kein entscheidendes Merkmal für die Zugehörigkeit zum retikulo-endothelialen System ist. Denn außer den Gerüstzellen epithelialer Abkunft (Thymus-Retikulumzellen, Gliazellen), über deren Zuordnung zum retikulo-endothelialen System man noch streiten kann, gibt es auch epitheliale Parenchymzellen, die phagozytieren (Dottersackepithelien, Epithel der Eihäute, Lungenalveolarepithelien, Leberzellen, Nierenepithelien usw.). Man findet Genaueres bei Ernst (Krehl - Marchand, Handbuch). Alle diese Zellen gehören aber nicht zum retikulo-endothelialen System, weil die Phagozytose und Speicherung sozusagen nur eine gelegentliche oder eine Nebenfunktion oder eine auf bestimmte Abschnitte der Entwicklung beschränkte ist. Marchand hat schon davor gewarnt, den Ausdruck Makro- phagen als spezifisch für diese Zellen zu benützen. Die geringfügige Beteiligung der epithelialen Zellen an der Speicherung (Nierenzellen, Leberzellen, Nebennierenzellen, Plexusepithel) wird von allen Untersuchern betont. Eine besondere Stelle nehmen, wie schon erwähnt, die Deckzellen der serösen Höhlen ein, welche auch die Farbstoffe, allerdings in sehr feiner Form speichern (Kiyono). Doch ließ sich zeigen, daß die Zellen zwar der entzündlichen Desquamation verfallen, aber sich niemals in echte histiozytäre Elemente umwandeln. Ebenso wurde es mit Hilfe der vitalen Färbung möglich, den etwaigen Anteil der Deckzellen an der Bildung bindegewebiger Membranen klarer zu stellen. Wir kommen später auf diese Frage zurück. Die Alveolarepithelien der Lunge werden von den meisten Autoren als Phagozyten angesehen. Sie haben aber mit dem retikulo-endothelialen System nichts zu tun. Ob die bei entzündlichen Reizungen der Lunge intraalveolär auftretenden Zellen, besonders bei der käsigen Pneumonie Alveolarepithelien oder ausgewanderte Histiozyten sind, wird heiß umstritten (Sakamato, Westhues). Die von Goldmann beschriebene Auswanderung der Pyrrolzellen in die Bronchien konnte von Kiyono nicht bestätigt werden. Neuere Untersuchungen von Sacks im Freiburger Pathol. Institut haben gezeigt, daß bei gleich- zeitiger Vitalfärbung und intratrachealer Einführung disperser Lipoidlösungen nur die Alveolarepithelien an der Lipoidspeicherung beteiligt sind, dagegen nicht die histiozytären Elemente des Lungenbindegewebes. Auch die Schnelligkeit, mit welcher die Speicherung ver- schiedenartigsten Materials seitens der Alveolarepithelien im Experiment erfolgt, spricht dafür, daß in der Regel die im Alveolarlumen auftretenden speichernden Elemente epithelialer Abkunft sind. Damit soll natürlich nicht bestritten sein, daß bei chronischen Reizzuständen auch histiozytäre Elemente in das Alveolarlumen übertreten können. Jedenfalls gehören die Alveolarepithelien zu den wichtigsten Makrophagen, die wir kennen, aber doch nicht zum retikulo-endothelialen System. Noch eine Zellart, deren Natur viel umstritten ist, sei hier erwähnt. Das sind die Chromatophoren der Haut. Da diese Karminkörnchen speichern, die Epithelien selbst aber nicht, so liegt der Schluß nahe, daß es sich um histiozytäre Elemente handelt, die entweder selbst Pigment bilden oder von dem Hautepithel abgegebenes Pigment speichern. Doch betont Kiyono, daß man nicht wissen könnte, ob nicht die Epithelien, falls sie sich zu beweglichen Chromatophoren umwandeln sollten, Farbstoffe speichern würden. Askanazy betont, daß die Riesenzellen lupöser Tuberkel Melanin führen können, was für histiogene Abstammung derselben spräche. D. Vergleichende Histologie des retikulo-endothelialen Systems. Es wäre erwünscht, auch eine vergleichende Embryologie, Ortho- und Pathohistologie des retikulo-endothelialen Systems geben zu können. Es liegen schon allerhand Vorarbeiten vor. Ich verweise hier vor allem auf die Arbeiten Kiyonos und seiner Schüler. Kiyono selbst hat die Ergebnisse derselben in einem Referat in der Japanischen Pathologischen Gesellschaft (Tokio 1918) niedergelegt. Ich gebe die Hauptsätze daraus wieder, da die japanischen Originalarbeiten schwer zugänglich, zum Teil für uns nicht lesbar sind: Die histiozytären Zellen sind in der ganzen Reihe der Wirbeltiere im postembryonalen Stadium als eine präexistierende Mesenchymzellart des Bindegewebes, sowie auch der hAmatopoetischeE Gewebe vorhanden. In ihrem gesamten morphologischen Habitus und Vergleichende Histologie des retikulo -endothelialen Systems. 485 in ihrem biologischen Verhalten stellen die Zellen durchaus eine ganz bestimmte Zellform dar. Sie kommen entweder in isoliertem Zustand vor, oder sie bilden im Synzytium spezi- fische Retikuloendothelien. Im Bindegewebe existieren die Zellen als Klasmatozyten und sind in großer Menge in der Gefäßadventitia zu finden. In den Taches laiteuses des serösen Gewebes entwickeln sie sich sehr mächtig. In der Lymphdrüse und der Blutlymph- drüse der Säugetiere bestehen diese Zellen aus den Sinusendothelien und den Retikulum- zellen. Bei den niederen Vertebraten existieren ebenfalls Retikulumzellen im lymphatischen Gewebe. Sowohl in den Mengenverhältnissen der lymphatischen und der histiozytären Zellen, als auch in der Gewebsanordnung der beiden Zellarten zeigt das lymphatische Gewebe in der Phy löge nie der Wirbeltiere dem Gewebe der Taches laiteuses gegenüber einen graduellen Unterschied. Die Leberkapillaren sind bei allen Vertebraten von histiozytären Endotheiien umsäumt, die unter dem Namen Sternzellen bekannt sind. Bei den Vögeln gibt es außerdem zahlreiche Histiozyten in der Adventitia der Leberkapillaren, welche bei den Amphibien und Reptilien, auch bei den Fischen im Protoplasma massenhaft Melaninpigment enthalten. In der Milz bestehen die histiozytären Zellen aus den Sinusendothelien, den Retikulum- zellen der Pulpa und des Follikels und den daraus isolierten Splenozyten. Bei den Reptilien, Amphibien und Fischen wird eine minimale Entwicklung des Milzfollikels konstatiert. Dazu kommt bei den Fischen eine schwache Entwicklung des pulpösen Milzgewebes vor. Infolgedessen besteht die primitive Milz der Zyklostomen hauptsächlich aus den erweiterten Venensinus, wo die Splenozyten fast ausschließlich in den Venensinus liegen bleiben. Im Knochenmark bestehen die histiozytären Zellen aus den Retikuloendothelien, während sie im Knochenmark der Anuren sich nur schwach entwickeln. Bei den Urodelen und den Fischen fehlen die Retikuloendothelien des Knochenmarks vollständig. Außerdem findet man mächtig entwickeltes hämatopoetisches Gewebe in den Kopf- nieren der Fische. Die Retikuloendothelien werden auch in der Wand der Portalkapillaren der Niere konstatiert. In der Wand der feinen Nebennierengefäße bei den Säugetieren und in den Gefäßsinus der Kiemenfalten bei den Zyklostomen beobachtet man wieder die histiozytären Endotheiien, in der Thymusrinde die histiozytären Retikulumzellen. Aus den oben erwähnten Befunden geht hervor, daß die histiozytären Endotheiien in bestimmten Abschnitten der Blutgefäße als selbständige Endothelzellen Bluträume um- säumen, wobei man andere Leukozytenformen nicht zahlreich anzutreffen pflegt. Hierzu gehören in der ganzen Reihe der Vertebraten die Sternzellen der Leber, bei den Säugetieren die Kapillarendothelien der Nebenniere und bei den Zyklostomen die Sinusendothelien der Kiemengefäße. In den übrigen Organen begleiten die histiozytären Zellen stets eine mächtige Entwicklung bald der lymphatischen, bald der myeloischen Zellen. Zur ersteren Art des Gewebes rechne ich die Taches laiteuses des serösen Gewebes und die lymphatischen Gewebe bzw. die Lymphdrüsen, zur letzteren Art das Knochenmark und die Kopfniere der Fische. In der Milz existieren die Granulozyten und die Lymphozyten mit den histiozytären Zellen zusammen. In allen Fällen stehen die histiozytären Zellen in Form der Retikuloendothelien sowohl zu den Granulozyten als auch zu den Lymphozyten in inniger Beziehung. Da die Granulopoese im lymphatischen Gewebe der niederen Wirbeltiere stets gewissermaßen mit den Lymphozyten zusammen auftritt, so ist eine scharfe Abgrenzung der myeloischen Gewebe von den lymphatischen unmöglich. Diese Tatsachen sprechen also dafür, daß die Existenz der histiozytären Zellen meistens notwendigerweise das Vorhandensein lymphatischer oder myeloischer Zellen voraussetzt. Bei einigen Organen erleidet diese Regel jedoch eine Ausnahme. Die Erklärung dafür folgt in den nächsten Kapiteln. Wir halten die Spezifität der histiozytären Zellen aufrecht, da diese Zellen von gleichartiger morphologischer Beschaffenheit in der ganzen Reihe der Wirbeltiere, vom Menschen hinunter bis zu den Zyklostomen, in gleichartiger Verteilung im Bindegewebe, zahlreicher aber in den blutbil- denden Organen konstant vorkommen. Zweifellos stellen die histiozytären Zellen keine den lymphatischen oder den myeloischen Zellen zugehörige Zellart dar. Diese Zellen sind vielmehr den beiden letzteren Zellen gegen- über in Parallele zu stellen; denn die histiozytären Zellen verteilen sich in bezug auf Gewebsanordnung in den ly mphopoetischen Geweben und in den granulopoetischen stets gleich. Die histiozytären Zellen, welche im 3. Stadium der Hämatopoese in den Wirbeltieren existieren, sind schon eine differenzierte Zellart mit spezifischen biologischen Eigenschaften. Eine postembryonale Umwandlung der Histiozyten in andere Zellformen ist bisher von mir noch nicht festgestellt worden. Was die gewöhnlichen Endotheiien der Blut- und Lymphgefäße anbelangt, so zeigte sich, daß diese sich unter verschiedenen pathologischen und physiologischen Bedingungen bei 486 L. Aschoff: Morphologie des retikulo-endothelialen Systems. den Säugetieren in Histiozyten verwandeln. Die Endothelien der Lymphgefäße, insbesondere diejenigen der Fische, produzieren die Histiozyten leichter, als es die Endothel-Zellen der höheren Wirbeltiere tun. Die Farbstoffspeicherung der mj'eloischen Zellen untersuchten bei der experimentellen myeloischen Metaplasie des Kaninchens Jo und Takamori, bei den experimentellen Knochenverletzungen Hayashi und Tanaka. Die myeloischen Zellen werden dabei nicht von den histiozytären Zellen erzeugt und die Myeloblasten, in denen stabile Oxydase nach- zuweisen ist, verwandeln sich dabei nicht in histiozvtäre Zellen. Ob die Myeloblasten, welche ausschließlich labile Oxydase enthalten, unter Umständen nicht in histiozytäre Zellen übergehen können, ist zur Zeit noch nicht von der Hand zu weisen. Die Histiozyten vermehren sich entweder durch Mitose der einzelnen Histiozyten oder durch Abrundung und Loslösung der synzytialen Retikuloendothelien. Die Histiozyten werden nur selten im zirkulierenden Blut der Vögel und der Säugetiere nachgewiesen. Da nach der Farbstoffspeicherung stets eine Vermehrung der Bluthistiozyten zu konstatieren ist, so konnte ich nur aus dem Vorhandensein von Bluthistiozyten in wenig gespeicherten, sonst gesunden Tieren auf die Existenz von Bluthistiozyten im allgemeinen schließen. Die Anzahl der Bluthistiozyten scheint beim gesunden erwachsenen Kaninchen 0,2 °/0 der gesamten Leukozytenzahl nicht zu überschreiten. Das embryonale Blut der Vögel enthält schon nach einer schwachen Farbstoffspeicherung mit Trypanblau die Histio- zyten zahlreicher als das der erwachsenen Vögel. Dasselbe ist der Fall beim embryonalen Blut der Amphibien, der Reptilien und der Fische. Doch auch hier machen die Bluthistio- zyten höchstens 0,5 °/0 der gesamten Leukozytenzahl aus. Merkwürdig ist aber, daß sich die Histiozyten im strömenden embryonalen Blut der Vögel mitotisch vermehren, wie das bei den übrigen Blutzellformen der Fall ist. Diese Art der Teilung der Bluthistiozyten sistiert natürlich bei den erwachsenen Vertebraten. Außerdem gibt es, wie Kiyono schon gesehen hat, im zirkulierenden Blut der niederen Wirbeltiere eine funktionelle Abart der Histiozyten, die melaninhalt igen Leukozyten. Im allgemeinen sind die histiozytären Zellen, welche direkt mit dem zirkulierenden Blut in Berührung kommen, die Wächter oder Regulatoren des Blutes. Zu dieser Gruppe gehören in der ganzen Vertebratenreihe die histiozytären Zellen der Leber und Milz, bei den Säugetieren, Vögeln und Anuren die Zellen des Knochenmarks, bei den Fischen die Zellen der Niere, bei den Säugetieren die Zellen der Nebennieren, bei den Zyklostomen die Zellen des Kiemengefäßes und schließlich die der Blutlymphdrüsen bei den Säuge- tieren. Dagegen sind die Retikuloendothelien der Lymphdrüsen und des lymphatischen Gewebes und die Klasmatozyten des Bindegewebes bei allen Vertebraten nur Wächter oder Regulatoren der Lymphflüssigkeit. Die gewöhnlichen Endothelien der Blut- und Lymph- gefäße und die Fibroblasten spielen dabei nur eine nebensächliche Rolle, ausgenommen die Lymphgefäßendothelien der Herzwand, des subkutanen Bindegewebes und der Darm- schleimhaut bei den Fischen. Merkwürdig ist auch, daß das Lumen der Blut- und Lymph- gefäße in allen Fällen, wo sich stark phagozytierende Endothelien vorfinden, sinusartig eingebuchtet ist, was eine Verlangsamung der Flüssigkeitsströmung an den betreffenden Stellen zur Folge hat. Eine große Rolle spielen die Histiozyten bei der Ausscheidung und Resorption ver- schiedener Substanzen. Die Herzfehlerzellen im Sputum sind nach der experimentellen Untersuchung von Iwao Histiozyten, so auch die Staubzellen (Hayashi und Yuki). Bei der Lungentuberkulose treten nach Murata und Sakamoto zahlreiche bazillenhaltige Histiozyten in das Sputum ein. Außerdem beobachtete Iwao bei der experimentellen Siderose des Kaninchens eisenhaltige Histiozyten im Sputum, welche mit den Herzfehler- zellen identisch sind. Bei ihren experimentellen Versuchen mit Eigelbfütterung fanden Kawamura und Nakanoin beim Hunde eine intensive Cholesterinausscheidung in den Epithelzellen der Bronchiolen, während sie beim Kaninchen nicht deutlich zutage trat. Bei beiden Tierarten aber konstatierten sie die Ausscheidung zahlreicher cholesterinhaltiger Histiozyten im Sputum. Bei den melaninhaltigen Zellen der Dickdarmmelanose handelt es sich nach Hattori um Histiozyten, welche z. T. in die Kotmasse übergehen sollen. Iwao berichtet bei der Eisenausscheidung des Kaninchens, Sawai und Okubo schilderten nach den intravenösen Injektionen von Kolloidalsilber und Kolloidalwismut, daß die metall- haltigen Histiozyten durch die Darmschleimhaut hindurch in das Lumen übergehen. Bei dem ».'»Idfisch ist es nach Kokitsu sehr auffallend, daß das Tier in einem gewissen Ent- ui< klun_'sstadium farblos wird. Dabei gehen zahlreiche melaninhaltige Histiozyten durch che Haut- und Darmschleimhaut ins Freie fort. Nach den experimentellen Untersuchungen von Koso spielen die Histiozyten bei der Resorption verschiedener Substanzen in der Tu Im -um ■hl.-imhaut eine Rolle. Über eine wichtige Funktion der Darmschleimhaut wurde neuerdings ron Kawamura und Nakanoin bei der Fett- und Lipoidresorption genau berichtet. Komura fand ebenfalls nach der lokalen Injektion einer Lithionkannixüöaung in die Nascnschlcimhaut. daß die Histiozyten im menschlichen Nasenschleim vorkommen. Vergleichende Histologie des retikulo- endothelialen Systems. 487 Aus dem allen erhellt, daß die Lokomobilisierung der Histiozyten ein wichtiger Faktor der Stoffresorption und der Stoffausscheidung ist. Das fertige retikulo-endotheliale System verhält sich bei den ver- schiedenen Warmblütern sehr verschieden. Schon bei Metschnikoff finden wir Hinweise darauf. Für uns ist wichtig, zu wissen, daß die grobe Verteilung bei den gewöhnlichen Experimentiertieren (Vögeln und Säugetieren) insofern Unterschiede zeigt, als bei Vögeln die Hauptmasse des retikulo -endo- thelialen Systems in der Leber, dagegen nur kleine Abschnitte in der Milz und im Knochenmark angehäuft sind, während bei den Säugern die Milz Haupt - trägerin des Makrophagensystems ist. Freilich bestehen da auch noch Unter- schiede. Jedes Tier (Hund, Maus, Ratte, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen) hat da seine Eigentümlichkeiten. Bis jetzt liegen irgendwelche auch nur an- nähernd verwertbare Zahlen über die quantitative Verteilung bei den einzelnen Tieren nicht vor, sind auch wegen der Durchmengung mit anderen Geweben schwer zu erzielen. Aber nicht nur die quantitative Verteilung wechselt nach der Tierart, sondern auch die Anspruchsfähigkeit des ganzen Systems oder seiner einzelnen Provinzen. Bei manchen Tieren (z. B. den Vögeln) tritt schon normalerweise eine lebhafte Beteiligung der retikulo-endothelialen Zellen, be- sonders der Leber, an dem intrazellulären Abbau roter Blutkörperchen, z. B. des Hämoglobins, hervor. Bei anderen Tieren ist unter gewöhnlichen Ver- hältnissen kaum etwas davon zu finden, so daß es zweifelhaft erscheint, ob hier überhaupt eine Beziehung besteht. Bei manchen Tieren (Ratte, Maus) reagiert das retikulo-endotheliale System der Leber sehr lebhaft auf Milz- exstirpation (Bittner, M. B. Schmidt, Lepehne, Kuczynski), bei anderen sehr wenig (Kaninchen, Meerschweinchen); dagegen sollen die Kupfferschen Sternzellen der Leber beim Pferd wieder sehr reaktionsfähig sein (R. H. Jaffe). Beim Hund (Winigradow) und bei der Maus läßt sich nach Milzexstirpation eine besonders lebhafte Phagozytose roter Blutkörperchen in den retikulo- endothelialen Zellen der mesenterialen und retroperitonealen Lymphknoten nachweisen. Damit ist das, was über die Morphologie zu sagen wäre, gesagt. Es ergibt sich also für das Gesamtsystem folgendes Schema: Retikulo-endotheliales System (R.E. -System). [Retikulo-endothelialer oder histiozytärer Stoffwechselapparat] Retikuloendothelien (Histioblasten) Histiozytäre Elemente (Histiozyten) [Retikulo-endotheliales System im engeren Sinne [Wanderhistiozyten] Ortshistiozyten] Retikulumzellen der Milzpulpa d. lymphat. Gewebes d. Thymus? i Endothelien der Leberkapillaren d. Lymphsinus d. Milzsinus d. Nebennierenkapil- laren d. Hypophysenkapil- laren Spleno- Gewebs- -* zyten-» — * histiozyten > Blut- Histiozyten (Endothelio leukozyten, Histiomono- zyten) 488 L. Aschoff: Morphologie des retikulo- endothelialen Systems. E. Übertritt der Retikuloendothelien in das Blut. Histio-Monozyten. Wir wenden uns jetzt der Frage der Beziehungen des retikulo-endothelialen Systems zum Blute zu. Wir haben bereits kurz erwähnt, daß dasselbe Blut- z eilen zu bilden vermag. Sowohl die histiozytären Endothelien oder Retikulumendothelien wie die adventitiellen Zellen (histiozytäre Zellen des Bindegewebes) können in die Blut- und Lymphbahn eintreten (Endothelial-Leukozyten, Histioleukozyten), des- gleichen auch die Splenozyten, deren Abstammung aus den Retikulumzellen oder den Retikuloendothelien der Milzpulpa wohl als sicher anzunehmen ist. Daß solcher Übertritt vorkommt, ist von allen früheren Autoren, von Ran vier an, vermutet oder wahrscheinlich gemacht worden. Wegen ihrer nahen Be- ziehungen zur Blutbahn und ihrer verwandtschaftlichen Stellung zu den übrigen Blutzellen nannte Mallory sie auch ,, Endothelial leucocytes". Für ihn war das ganze endotheliale System der Blut- und Lymphgefäße sowie die Endo- thelien der Spalträume des Bindegewebes Quelle der ,, Endothelial leucocytes* '. Sie wandern bei entzündlichen Reizen ähnlich den übrigen weißen Blutkörperchen aus den Gefäßen aus. Die Bedeutung der Gewebshistiozyten tritt im ganzen etwas zurück. Trotzdem kann man die Endothelialleukozyten Mallorys mit den Makrophagen Metschnikoffs identifizieren und von einem endothelial - leukozytären Apparat sprechen. Den genauen Nachweis ihrer Ausbreitung im Blute erbrachte erst Kiyono. Er konnte zeigen, daß die venösen Abfuhrwege des Netzes, der Milz, der Leber (gewiß auch des Knochenmarkes) verhältnismäßig reich an farbstoffgespeicherten Zellen sind, die ihrem ganzen Aussehen nach nur von den Retikuloendothelien oder den Gewebshistiozyten bzw. Splenozyten abstammen konnten. Sie lassen sich bis zur Lunge, wo sie größtenteils zugrunde gehen, ja zum Teil bis in die Lungenvenen verfolgen, um dann im linken Herzen einen weiteren Unter- gang zu finden. Denn das periphere arterielle Blut enthält nur sehr wenige derartige Elemente. Damit gewinnt das retikulo-endotheliale System die nächsten Beziehungen zum Blute selbst. Ein Teil der retikulo-endothelialen Zellen oder Bluthistiozyten passiert Lunge und Herz und kommt in die all- gemeine Blutbahn. Ist der Beitrag zu den morphologischen Elementen auch noch so gering, so ist er doch vorhanden und darf nicht unberücksichtigt bleiben. Welche Bedeutung hat das Übertreten der Histiozyten in das Blut ? Zunächst ist es für uns ein Hinweis darauf, daß es sich bei dem retikulo -endothelialen System nicht um ein starres, sondern um ein in dauernder Abnutzung und Wiedergeburt befindliches System handelt. Das muß bei allen Versuchen, dieses System irgendwie (durch Blockierung verschiedenster Art) auszuschalten, immer berücksichtigt werden. Eine solche Blockierung ist nur für ganz kurze Zeit denkbar; wir kommen darauf noch zurück. Da sich der Übertritt in das Blut hauptsächlich in den Bauchorganen vollzieht und die Auflösung schon in der Lunge, zum Teil erst im linken Herzen oder in der arteriellen Blutbahn stattfindet, so besteht hier eine schon physiologisch bemerkenswerte Beziehung von Bauchorganen zu Brustorganen, insbesondere zwischen Leber und Lunge. Auf solche Beziehungen hat, allerdings in ganz anderem Sinne, Gold mann hingewiesen. Kr fand bei intravital gefärbten Tieren, deren Leber heller gefärbt war, besonders stark gefärbte Lungen und umgekehrt. Dabei waren dann in der Lunge auffallend viel „IVrrolzellen" im peribronchialen Gewebe gefärbt. Übertritt der Retikuloendothelien in das Blut. Histio-Monozyten. 489 Von den in tra vaskulären Vorgängen erwähnt Gold mann nichts. Auch ver- mochte er keine Erklärung für diese Gegensätzlichkeit von Leber und Lunge zu geben. Über den von uns hier behandelten Zelltransport von Leber zur Lunge läßt sich nur so viel sagen, daß dabei irgendwelche Stoffe, die im retikulo- endothelialen System gespeichert worden sind, in der Lunge wieder frei werden. Ob die Lunge dabei eine besondere Rolle als Verdauungsorgan spielt, ob gewisse Belastungen und Störungen des Lungenkapillarkreislauf es durch Lebererkrankung denkbar sind, muß vorläufig unbeantwortet bleiben. T hörne und Evans konnten bei Anwendung der Vitalfärbung zeigen, daß die im Blut auftretenden Monozyten nicht aus dem Ductus thoracicus stammen konnten, dessen Gehalt an derartigen Zellen keine erheblichen Schwankungen aufwies. Man hat von anderer Seite behauptet, daß auch die myeloischen Zellen, insbesondere die Leukozyten, Farbstoff speichern, daß daher diese Methode ganz ungeeignet für die Dif- ferenzierung der Blutzellen wäre. Jedoch konnten die Beobachtungen von Downey und Jounkin von Reit an o nicht bestätigt werden. Schon Kiyono weist auf die Irrtümer hin, die Downey unterlaufen sein müssen. Es kommt bei der von ihm angewandten Injektions- methode leicht zu korpuskularen Niederschlägen, die dann natürlich von Leukozyten auf- genommen werden. Sehr viel hängt hier von der Geschwindigkeit ab, mit welcher die Injektion erfolgt. Man hat gegen das Vorkommen der histiogenen Monozyten als regelmäßige Bestandkörper des Blutes eingewandt, daß es sich nur um alternde Formen handelt, die in der Blutbahn schnell zugrunde gehen, jedenfalls in dem peripheren Blut nicht zu finden sind (Naegeli). Dem ist entgegenzuhalten, daß alle Blut- körperchen alternde Formen sind, daß sie alle — in der Regel wenigstens — innerhalb der Blutbahn, außerhalb oder innerhalb der Organe (Lunge, Milz, Leber usw.) zugrunde gehen. Es besteht zwischen den verschiedenen Blut- körperchen nur ein zeitlicher, aber kein prinzipieller Unterschied des Zerfalles. Selbst wenn die histiogenen Monozyten nur auf Teilstrecken der Blutbahn vor- kämen, so wären sie doch physiologische Bestandteile des Blutes. Das Blut ist aber nicht überall gleichmäßig zusammengesetzt, obwohl es eine Flüssigkeit ist (siehe die Verschiebungsleukozytose von Gräff). Im übrigen soll gerne zugestanden werden, daß es schwierig ist, beim lebenden Menschen diese Zellen im peripheren Blut zu erkennen, und daß sie für das periphere Blut keine große Rolle spielen. Eppinger und Stolz fanden sie aber bei Kranken, die mit Ferrum saccharatum intravenös behandelt waren. Kiyono fand in nicht gespeicherten Tieren schon normalerweise Zellen, die ganz den histiozytären Monozyten glichen. Auch der andere Einwand, daß es sich nur um patho- logische Zustände, um Folgen des durch die Speicherung gesetzten Reizes handelt, trifft nicht zu. Konnte doch Wentzlaff wenigstens beim Kaltblüter zeigen, daß auch bei nichtgespeicherten Tieren die retikulo-endothelialen Zellen in die Blutbahn übertreten und ihre Zirkulation in der freigelegten Lunge beim lebenden Tier mikroskopisch beobachtet werden kann. Diese im Blut der Kaltblüter auftretenden Melaninleukozyten, die schon von früheren Autoren beschrieben worden sind (Friedson), speichern nach Kiyono Karmin, aber nur dann, wenn sie nicht zu stark mit Pigmentkörnchen beladen sind. Sie gehören also in der Tat zu den Endothelioleukozyten. Sie sind hier an ihren physiologischen Pigmentierungen leicht zu erkennen. Dabei ließ sich auch feststellen, daß ihre Zahl gar nicht so gering ist, um sie, wie es noch in modernen Lehrbüchern der Hämatologie geschieht, ganz ver- nachlässigen zu dürfen. Selbstverständlich soll zugegeben werden, daß bei intravitalen Färbungen eine das physiologische Maß überschreitende Anzahl der retikulo-endothelialen Zellen in das Blut übertritt. In sehr interessanten Versuchen haben Mori und Zakai es verstanden, den Nachweis des normalen Vorhandenseins von Histiozyten im peripheren Blut zu erbringen. Sie erzeugten durch Verletzung einer Vene einen Thrombus und injizierten kurz danach dem Tier eine 490 L. Aschoff: Morphologie des retikulo-endothelialen Systems. Tuscheaufschwemmung und wieder später (einige Stunden) eine Lithionkarminlösung. Während die Tusche sich um den Thrombus herum niedergeschlagen hatte, war die Karmin - lösung in ihn eingedrungen und ließ durch typische Färbung einige Histiozyten in ihm hervortreten. Nach der ganzen Versuchsanordnung mußten diese vor der Bildung des Thrombus in dem Blute vorhanden gewesen sein. Eine weitere Frage ist: Sind alle Monozyten histiozytärer Natur? Kiyono hat mit Hilfe der supra vitalen Tolidinblaufärbung diese Frage zu lösen gesucht. Er konnte nachweisen, daß es mindestens drei Arten mononukleärer Zellen im Blute gibt: 1. Die Bluthistiozyten — intra vital färbbar (histiogene Monozyten). 2. Die wahrscheinlich zur myeloischen Reihe gehörigen, mit hellgefärbtem, blasen- oder bohnenförmigem Kern versehenen Übergangsformen Ehrlichs — supravital färbbar (myeloische Verwandtschaft aufweisende Monozyten). 3. Rund- und buchtkernige Mononukleäre, die auch in den Lymphgefäßen vorkommen, wahrscheinlich lymphatischer Herkunft. Weder intra vital noch supravital färbbar (lymphogene Monozyten). Kiyono nimmt dabei kritische Stellung zu den verschiedenen Theorien über die Abstammung der Monozyten. Hier, wo es sich nur um die Beteiligung des retikulo-endothelialen Systems am gewöhnlichen monozytären Blutbilde handelt, ist ein Eingehen auf diese Frage wegen der geringen Zahl der Monozyten überflüssig. Wir kommen in der Pathologie noch einmal auf die Frage zurück. Nur muß vor jeder Einseitigkeit gewarnt werden. Kiyono betont ausdrücklich, daß es neben den histiozytären Monozyten noch andere Arten von Monozyten gibt. Er hebt dabei hervor, daß die endotheliale Abstammung der Monozyten schon von Patella vertreten worden ist. Doch glaubt Patella, daß es sich nur um degenerierende Endothelien handelt, läßt auch alle Endothelien an der Monozytenbildung beteiligt sein. Ich möchte hier ausdrücklich hervorheben, daß die Abstammung bestimmter Monozyten von den Endothelien der Blut- und Lymphgefäße von Patella schon vor 18 Jahren be- hauptet und auf Grund seiner Beobachtungen über Phagozytose dieser Zellen bei Malaria so gut wie sicher gestellt worden ist. Patella beschwert sich bitter, daß wir die Priorität des Nachweises solcher endothelialer Monozyten für uns in Anspruch nehmen wollten. Das ist uns schon deswegen nicht eingefallen, weil schon vor Patella der Nachweis makro- phager Elemente im Blute durch Metschnikoff geführt worden war. Auch hat Kiyono ausdrücklich erklärt, daß seine Befunde eine Stütze für Patellas Anschauungen bringen. Neu ist nur der exaktere Nachweis der Herkunft dieser Elemente von bestimmten Endo- thelien (nicht von allen) und die genaue Verteilung im Blut. Allerdings wird von anderen Autoren, vor allem von Foot, auch heute noch eine Abstammung der Bluthistiozyten von den gewöhnlichen Endothelien behauptet. Auch Wollenberg läßt neben der retikulo- endothelialen eine rein endotheliale Abstammung der Blutmonozyten zu. Naegeli hält die Monozyten für eine besondere Zellreihe, die weder mit der leukozytären noch mit der lymphozytären Zellreihe etwas zu tun hat, ihre eigene Granulation besitzt, die Oxydasereaktion aufweist. Es handelt sich um die oben an zweiter Stelle genannten sog. myeloischen Monozyten. Über die Morphologie der Monozyten, d. h. der eigentlichen Monozyten i. S.Naegelis, über die Altersveränderungen ihrer Kernform, über das. Auftreten der spezifischen Granu- lationen berichtet Alder. Während Naegeli für seine Monozyten trotz aller Selbständigkeit einen ge- n Parallelismus zum myeloischen System anerkennt, glaubt Schilling in ihnen ein, nur eigenen Gesetzen folgendes, drittes System von weißen Blut- zöllen sehen zu müssen. Er hat für diese Anschauung auch klinische Befunde (die leukämische Retikuloendotheliose) verwertet. Schilling und seine Mit- arbeiter sind nach Aufstellung des R.E.S.- Begriffs mit aller Entschiedenheit für eine Abstammung aller Monozyten (von den großen Lymphozyten ab- gesehen) viiii den Retikuloendothelien eingetreten. Damit ist der von Kiyono Vergleichende Histologie des retikulo-endothelialen Systems. 491 aufgestellte Gegensatz von Histiomonozyten und Na egelischen Monozyten gefallen. Von amerikanischer Seite sind für diese Auffassung gemeinsamer Abstammung aller Monozyten von dem R.E.S. auch experimentelle Beweise erbracht worden. So konnte M. Simpson feststellen, daß bei Reizung des R.E.S. durch Färbst off Speicher ung nicht nur die färbst off gespeicherten Mono- zyten, sondern auch die nichtgespeicherten Formen vermehrt werden. Da die von Naegeli für seine Monozyten angegebene Oxydasereaktion von anderen Forschern (Schilling und Reschad, Schienner) geleugnet wird, so fällt auch dieser Unterschied zwischen Histiomonozyten und Naegelis Monozyten dahin. Nach Adler ist auch die Azurgranulation nur ein Reifungsprozeß, der sich noch im Blute vollzieht. Das Fehlen dieser Granulationen in den farb- stoffspeichernden Histiomonozyten würde also nicht gegen ihre Verwandtschaft mit Naegelis Monozyten sprechen. Auch Fl. R. Sabin glaubt, auf Grund von Supravitalfärbungen mit Janusgrün und Neutralrot die Identität aller Monozyten bewiesen und den Gegensatz zwischen Histiomonozyten und Naegelis Monozyten aufgehoben zu haben. Diese experimentellen Arbeiten bilden eine wertvolle Stütze für die aus klinisch-hämatologischen Beobachtungen gewonnene Anschauung von Schilling über die retikuloendotheliale Abkunft aller Mono- zyten. Sabins Experimente würden, falls sie zutreffend gedeutet sind, die Monozytenfrage endgültig entscheiden. Wir hätten dann nur histiozytäre Monozyten und große Lymphozyten in der Gruppe der großen Mononukleären zu trennen. Es gäbe also keinen Trialismus der Mononukleären, wie Kiyono angenommen, sondern nur einen Dualismus. Nun glauben aber Cunningham, Sabin und Doan (Contributions to Embryology Nr. 82 — 84; Extracted from Publ. 361 of the Carnegie Institution of Washington) die früheren Angaben Sabins zurücknehmen zu müssen. Bei Anwendung der supravitalen Janusgrün-Neutralrot-Färbung kommen sie zu der Überzeugung, daß doch drei Arten großer Mononukleären bestehen: 1. die großen Lymphozyten, 2. die Monozyten Naegelis, welche nur spärlich den Farbstoff speichern, eine besondere Anordnung der Mitochondrien besitzen und von den Retikulumzellen abgeleitet werden; 3. die Klasmatozyten (histio- zytäre Monozyten Kiyonos), die sehr reichlich speichern, keine charakte- ristische Anordnung der Mitochondrien zeigen und von den Endothelien ab- stammen. Man sieht ohne weiteres, daß Cunningham und seine Mitarbeiter das R.E.S., auch im engeren Sinne, noch weiter auflösen. Sie unterscheiden noch schärfer als wir die unter 3. und 4. unserer Einteilung getrennt aufgezählten Retikulumzellen einerseits, Retikuloendothelien andererseits, die wir unter dem Begriff des engeren R.E.S. zusammenfassen zu dürfen glaubten. Ob die An- schauung Cunninghams, die mit der von Kiyono mehr oder weniger zu- sammenfällt, das richtige trifft, müssen Nachuntersuchungen zeigen. Jeden- falls ist die Frage der Monozyten noch ganz und gar nicht geklärt. 492 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo -endothelialen Systems. IL Normale und pathologische Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Von Alfred Schittenhelm - Kiel. Mit 15 Abbildungen. Das retikulo -endotheliale System hat in der letzten Zeit immer größere praktische Bedeutung gewonnen. Es ist vor allem das große Verdienst von Aschoff, durch die eingehenden Forschungen, die von ihm selbst und auf seine Anregung hin von seinen Schülern durchgeführt wurden, auf die funktionelle Zusammengehörigkeit der das retikulo-endotheliale System zu- sammensetzenden Zellverbände des mesenchymalen Gewebes der verschiedensten Organe des Körpers hingewiesen zu haben. Allerhand Anfänge auf dem Wege dieser Erkenntnis waren schon durch die Forschungen von Metschnikoff , Ehrlich, Goldmann, Renaut, Marchand u. a. gegeben, aber die Vielseitigkeit des Systems und seine Bedeutung für die Physiologie und Pathologie ist erst durch Asch off ins hellste Licht gerückt worden. Nicht nur das retikulo-endotheliale System, sondern das ganze Mesenchym muß heute von der Klinik in den Kreis ihrer Betrachtungen gezogen werden. Besonders wertvoll für die Beleuchtung der grundlegenden Funktion des Bindegewebes, auch im erwachsenen Organismus, ist die Arbeit von Hueck. v. Möllendorff , Herzog, Siegmund u. a. haben in letzter Zeit wichtige Beiträge geliefert. Die Beziehungen des Mesenchyms und besonders des retikulo-endothelialen Apparates zu allerhand Stoffwechselvorgängen, wozu auch die Abwehr aller parenteral zur Wirkung kommender körperfremder Substanzen gerechnet werden muß, seine Fähigkeit, auf die verschiedensten Reize durch lebhafte Neubildungen von Zellen zu reagieren, welche gegen die durch die Reize drohen- den Schädigungen eingesetzt werden, und seine mannigfachen Beziehungen zum Blut und dessen Zusammensetzung sind für die Klinik ein zwingender Grund, sich eingehend mit ihm zu beschäftigen. Es stellt ganz allgemein einen wichtigen konstitutionellen Faktor dar dadurch, daß seine Tätigkeit in vieler Beziehung direkt oder indirekt in die gesamten Funktionen des gesunden und kranken Körpers eingreift und für diese entscheidend sein kann. Man kann mit Hueck von einer ,, schlaffen und straffen Konstitution" reden, die auf der ,, schlafferen" oder ,, strafferen" Beschaffenheit des mesenchymalen Netzes beruht. Die Konstitutionsforschung muß sich in Zukunft besonders mit dem Mesenchym beschäftigen. So weist z. B. auch Gigon neuerdings mit Recht darauf hin, daß die Asthenie unter anderem am Bindegewebe lokalisiert sein kann, z. B. die mangelnde Lipophüie des Unterhautzellgewebes, und spricht folgerichtig von ,,Bindegewebsasthenikern". Es Hegt heute schon so viel Material vor, daß man diese Zusammenhänge weitgehend ausführen könnte; freilich ist noch vieles — man kann fast sagen alles — in diesen Fragen im Fluß. Bei der grundlegenden Bedeutung des mesenchymalen Gewebes und besonders des retikulo-endothelialen Apparates für die Blutbildung und deren vielseitigen Beziehungen zum zirkulierenden Blut und dessen Morphologie, von denen die Monozytenfrage wegen ihres besonders engen Zusammenhanges mit dem rct ikulo-endothelialen System in ihrer klinischen Auswirkung eine eingehendere Berücksichtigung erfährt, erscheint es notwendig, einen kurzen Überblick über Vitale Speicherung des retikulo -endothelialen Systems. 493 den heutigen Stand unserer Kenntnisse zu geben, auf den sie durch die For- schungen, an denen sich die Anatomie, Physiologie, pathologische Anatomie und die Klinik beteiligten, gebracht worden sind. 1. Vitale Speicherung des retikulo-endothelialen Systems. Die Methode der Vitalfärbung des retikulo-endothelialen Systems durch allerhand kolloidale Farbstoffe und deren Speicherung in den Zellen ist der Ausgangspunkt für zahlreiche Untersuchungen, welche die Erforschung der Funktion zum Ziele haben. Man muß sich also zunächst mit den Vorgängen der vitalen Färbung und Speicher ung näher beschäftigen. Gold mann hat bereits in Übereinstimmung mit früheren Versuchen von Schlecht über vitale Karmininjektionen festgestellt, daß bei Farbstoff- speicherung zwar das Blutserum sich intensiv färbt und diese Färbung mehr oder weniger lange behält, daß aber weder Erythrozyten noch Leukozyten die Farbe aufnehmen, ganz besonders aber Granulafärbung an ihnen vermißt wird. ,, Anders dürfte es sich freilich verhalten, wenn körniges Karmin im Blute zirkuliert, da dann die phagozytäre Fähigkeit der Leukozyten in Frage käme. Die abweichenden vereinzelten Befunde von gefärbten Leukozyten dürften auf die intravaskuläre körnige Ausscheidung des Karmins zurückzuführen sein" (Schlecht). Durch Goldmanns Untersuchungen wurde gezeigt, ,,daß wir vermittels der blauen Farbstoffe mit größter Elektivität am Bindegewebe des gesamten Organismus eine granulierende Zelle nachweisen können, welche allenthalben zu finden ist, wo wichtige Stoffwechsel- prozesse sich abspielen. Diese Zelle erscheint unabhängig von der Gefäß - bahn in allen Spalträumen des Bindegewebes, vermag sogar in Epithelverbände einzudringen und selbst diese zu durchdringen. Ihre nähere Beziehung zu den Bindegewebsbildnern, ja selbst zur fixen Bindegewebszelle, wird nicht allein durch ihre örtliche Verteilung am Bindegewebe dargetan, sondern vor allem auch durch die gleiche Reaktion ihres Granuloplasmas den vitalen Farbstoffen gegenüber. Es ist sicher nicht bedeutungslos, daß ihr ähnlich sich Zellen ver- halten, wie die Sternzellen der Leber, die interstitiellen Hodenzellen, das Reti- kulum des gesamten Blut- und Lymphdrüsenapparates, endlich auch dasjenige des Knochenmarks, alles Gebilde, die ontogenetisch jener Zelle sehr verwandt sind. Gemeinschaftlich dieser ganzen Gruppe ist das Vermögen, gelöste Substanzen des Blutes in ihren Granulis zu binden und sie außerordentlich lange darin zu fixieren". Goldmann weist dann darauf hin, daß diese Bindegewebszellen, die schon unter normalen Verhält- nissen eine so bedeutungsvolle Rolle spielen, sie erst recht unter pathologischen Verhältnissen haben müssen. Dabei ist der ,,hämatogenen" und ,,histiogenen" Wanderzelle eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Aus seinen Unter- suchungen leitet er die wichtige Tatsache ab, daß die Bindesubstanzen die wunder- bare Fähigkeit besitzen, aus sich selbst Zellen hervortreten zu lassen, welche gleich den granulierten Elementen der Blutbahn auf chemotaktische Reize mit größter Sicherheit reagieren und in hohem Maße wanderungsfähig sind. Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung Goldmanns, daß die ,,Pyrrholzellen" sich stark häufen in den Zitzen der graviden Maus oder Ratte, wo jede oberflächliche Läsion der Haut zu einer starken Ansammlung derselben führen kann. Am intensivsten geschieht diese Vermehrung der Pyrrholzellen an Hautstellen, die zu einer Tumorimpfung verwandt wurden. Die stärkere Blaufärbung der Haut über solchen Impftumoren verdankt ihre Entstehung der Häufung solcher Pyrrholzellen. Auch für die Wundheilung und Ent- zündung, deren histologische Aufklärungen wir besonders Marchand, Ziegler, 494 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo -endothelialen Systems. Maximow u.a. verdanken, sowie für die von tierischen Parasiten erzeugten pathologischen Veränderungen erbrachte er den Nachweis der Anhäufung seiner Pyrrholzellen. Er untersuchte das Verhalten der chinesischen Tusche, des Terpen- tins und des pulverisierten Karmins in ihrem Einfluß auf die Bindegewebszellen der verschiedensten Organe. Unter Benutzung nachgelassener Präparate von Goldmann, welche die zellulären Vorgänge im Gefolge des Verdauungsprozesses zum Ziele hatten, und auf Grund eigener Versuche kam Kuczynski zu dem Resultat, daß eine Zotte im Hungerzustand nur eine geringfügige vitale Anfär- bung erkennen läßt, während sie sofort intensive vitale Färbung aufweist, wenn das Stroma in gesteigertem Maße funktionell beansprucht, d. h. gereizt wird. Aus allem geht hervor, daß mannigfache Stoff Wechselsteigerungen die Speicherung innerhalb der Zelle vermehren. Es gibt nicht Phago- zyten schlechthin, weder Mikro- noch Makrophagen, sondern mannigfache Körperzellen werden ingestiv tätig im Sinne der Aufnahme geformter Bestand- teile in ihrem Leib, wenn ihre besondere Umgebung dazu Veranlassung gibt (Kuczynski). v. Möllendorff hält es für unbewiesen, daß die Erscheinung stärkerer Farbstoffspeicherung als eine besondere Aktivität der an der Speicherung beteiligten Zellen aufzufassen ist, ein Schluß, den Kuczynski aus dem wechseln- den Bilde zieht, das man häufig erhält, besonders, wenn ausgiebig Farbstoff einverleibt worden ist. Dann liegen stets alle möglichen Grade von Farbstoff - speicherungen in sonst gleichwertig zu erachtenden Zellen vor, woraus nun auf verschiedene Tätigkeitsgrade geschlossen wird. Wenn man für langsame Farbeinwirkung sorgt und die ersten Grade der Speicherung untersucht, ist die Gleichartigkeit der Speicherung in analog gelagerten Systemen gerade das Charakteristische. Die Ungleichartigkeit entsteht immer als Folge einer Überladung des Speichergewebes, das zu der so viel erörterten Ablösung einzelner ,, Zellen" und Ergänzung derselben durch Kern- und Zyto- plasmavermehrung führt. Die neugebildeten Teile fangen nun an zu speichern, stehen aber den älteren nach. Die stärkere Speicherung an Orten er- höhten Stoffwechsels erklärt sich durch die Steigerung des Blut- umlaufes und die wahrscheinlich erhöhte Gefäßdurchlässigkeit. Die Verteilung der Farbstoffe im vielzelligen Organismus ist unzweifelhaft als ein hochkompliziertes physiologisches Problem anzusehen. Es ist ganz sicher verfrüht, aus den gegenwärtig bekannten Ergebnissen auf besondere Zell- eigenschaften zu schließen und aus der Färbbarkeit bzw. Nichtfärbbarkeit gewisser Zellen weittragende Hypothesen aufzubauen (v. Möllendorff). Mit diesen Vorstellungen stimmen neuere Experimente von Anitschkow und seinen Schülern Kusnetzowsky, Rogowitsch und Sjawtzillo gut überein, welche zeigen, daß lokale arterielle Hyperämie, die entweder durch Wärmeapplikation oder durch Nervendurchschneidung bzw. -Reizung (N. lingualis) hervorgerufen wird, von einer stärkeren Färbung der hyperämi- sierten Partien begleitet ist, wenn man gleichzeitig Indigkarmin intravenös verabreicht. Der Farbstoff häuft sich in großen Massen vorerst diffus im Binde- gewebe, dann wird er allmählich in den Bindegewebszellen gespeichert. Auf diese Weise ist es möglich, eine atypische Verteilung des Farbstoffes im Organis- mus zu erzeugen, und zwar mit vorwiegender Lokalisation an den hyperämi- sierten bzw. gereizten Stellen. Verfolgt man die Vorgänge bei intravenöser Applikation von Kolloidfarb- stoffen, so kann man mit Anitschkow und Okuneff zwei Stadien unterscheiden: Im ersten Stadium geht die Abwanderung der in die Blutbahn injizierten Blutfarbstoffe aus diesem so schnell vor sich, daß kaum anzunehmen ist, daß die Gesamtmenge der Farb- stoffe sich in so kurzer Zeit nur in den rctikulo-endothelialen Zellen anhäuft. Es müssen, Vitale Speicherung des retikulo -endothelialen Systems. 495 wie direkte mikroskopische Beobachtungen an lebenden Tieren ohne weiteres zeigen, be- trächtliche Mengen der Vitalfarbstoffe die Kapillarwände passieren und im Bindegewebe erscheinen, das mit ihnen diffus imbibiert wird. Das Eindringen einiger Kolloidfarbstoffe findet auch durch die Wandungen größerer Blutgefäße statt, und zwar zum Teil direkt von dem Lumen her (Pe troff). In der Gefäßwand selbst werden größere Mengen der Farb- stoffe adsorbiert und häufen sich hier in der Zwischensubstanz an der Oberfläche der elastischen Fasern an. Die Fähigkeit der Gefäßwände, größere Mengen der im Blute kreisenden Substanzen zu adsorbieren, stellt wahrscheinlich ein Analogon zu der Erschei- nung dar, daß bei manchen Infektionen bzw. Intoxikationen gerade die Gefäßwandungen am schwersten geschädigt werden. Es wird also nur ein gewisser Teil des Farbstoffes zu- nächst in körniger Form in den retikulo-endothelialen Zellen abgelagert, ein anderer, wohl größerer Teil, häuft sich in diffuser Form in den Gefäß Wandungen und überall im Binde- gewebe an. Das ist das erste Stadium der Wanderung des kolloidalen Farbstoffes, die primäre Verteilung Anitschkows, die so lange dauert, bis der Farbstoff aus der Blut- bahn verschwunden ist. Freilich wird gleichzeitig ein Teil des Farbstoffes durch die Nieren entfernt, jedoch verhältnismäßig wenig. Okunef f konnte zeigen, daß durch Nierenexstirpa- tion die Abwanderung des Farbstoffes aus dem Blute nicht verlangsamt, sondern gar be- schleunigt wird. Die diffuse Durchtränkung des Bindegewebes, vor allem der Zwischensub- stanz desselben mit dem Farbstoff, bleibt nicht lange bestehen. Er verschwindet aus dem Bindegewebe sowie aus den Gefäßwänden viel schneller als aus den histiozytären bzw. retikulo-endothelialen Zellen (Petrof). Das Verschwinden des Farbstoffes geht dabei in zwei Richtungen vor sich: 1. wird ein Teil in den histiozytären Zellen des Bindegewebes in körniger Form abgeschieden, ein anderer gelangt allmählich in die Gefäßbahn zurück und wird durch die Nieren entfernt. Dieses Stadium bezeichnet Anitschkow als die sekundäre Wanderung des Farbstoffes. Man kann diesen Ausführungen ohne weiteres beistimmen. Eigene Untersuchungen mit den verschiedensten kolloidalen Farbstoffen und anderen Substanzen führten mich zu den gleichen Anschauungen. Die Erklärung der Farbstoffaufnahme in die Zellen ist noch strittig. Nach v. Möllendorf ist die Farbstoff auf nähme — auch für lipoidunlösliche Stoffe — offenbar die Regel; dagegen existieren bestimmte Gebiete der lebenden Masse, in die unter den gegebenen Organisationsbedingungen kein Farbstoff eindringt. Diese Unterschiede, die noch aufgeklärt werden müssen, liegen wohl einmal in sekundären Veränderungen der betreffenden Gewebeoberfläche begründet (Basalmembran, Kutikula u. a.), ferner in der Art der Einordnung der betreffenden Gewebe in die Zirkulation der Körpersäfte. Der Organismus ist eben nicht einfach ein Konglomerat von Zellen. Die Organisation besteht zu einem sehr wesentlichen Teil in der Ausbildung von Grenzmembranen, die für die Regula- tion der Flüssigkeitsströmung, für Diffusionen usw. von der größten Bedeutung sind (v. Möllendorff). Nach de Haan wird je nach der Richtung, in der sich der Zellstoffwechsel bewegt, je nach der Stellung, welche eine Zellart im Gefüge des Organismus einnimmt, die Struktur einer Zelle und infolgedessen auch die Struktur der äußeren Zellbegrenzung eine verschiedene sein und verschiedene Permeabilitäts Verhältnisse aufweisen. Ja, selbst bei ein und derselben Zelle wird während der aufeinanderfolgenden Phasen des Stoffwechsels die Zellhülle sich fortwährend ändern; so ist Höbers „physiologische Permeabilität" zu verstehen, der er die „physikalische" gegenüberstellt, um damit die Tatsache zu erklären, daß die Zellen für Substanzen, die infolge ihrer Lipoidunlöslichkeit in diese nicht hineingehen dürfen, den- noch durchgängig sind. Höber stellt sich damit in Gegensatz zu v. Möllendorff. Während die Speicherung basischer Farbstoffe von ihrer Lipoidlöslichkeit abhängig ist (Nierenstein), handelt es sich bei der Speicherung saurer Farbstoffe um ein anderes Phänomen. Hier kommt es zu einer allmählichen Ausflockung des Farbstoffes, wobei die Farbstoff körnchen in keiner näheren Beziehung zu bestimmten Strukturgebilden der Zelle stehen (Schule - mann). Der Dispersitätsgrad der Lösung ist für die Aufnahme entscheidend (v. Möllen- dorff). Höber denkt sich den ganzen Vorgang als eine Art Phagozytose. In de Haans Versuchen ließ sich nachweisen, daß im allgemeinen für diese Verankerung von indifferenten Partikeln und deren Aufnahme in die Zelle die Anwesenheit von Serumstoffen fast ausnahms- los eine notwendige Vorbedingung ist, wenigstens insofern man es mit der Phagozytose von höheren Tieren zu tun hat. An der Phagozytose von Reiskörnern durch Leukozyten ließ sich nachweisen, daß die Partikel im allgemeinen nur dann phagozytiert, d. h. adsorbiert werden, wenn sie sich mit einer eiweißartigen Hülle umgeben haben, was durch vorheriges Schütteln der Reiskörner mit Serum erreicht wird. De Haan meint also, daß die Phagozytose und Speicherung des Säurefarbstoffes eine sekundäre Nebenerscheinung des normalen Zellstoffwechsels ist, wobei er bemerkt, daß die polymorph- kernigen Zellen deshalb keine stärkere Speicherung zeigen, weil diese Zellen nur eine sehr kurze Lebensdauer haben. 496 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Zu Speicherungs versuchen wurden außer den Farbstoffen noch aller- hand andere kolloidale Substanzen herangezogen, wie Tuschelösungen, Eisenpräparate (Elektroferrol, Ferrum saccharatum oxydatum), Kollargol u. a. m. Es hat sich dabei gezeigt, daß die verschiedenen Substanzen verschieden rasch und verschieden intensiv speichern, und daß auch die einzelnen Zellgruppen in besonderer Weise darauf reagieren. Boerner-Patzelt, die sich auf Ver- anlassung von H. Pfeiffer damit besonders beschäftigte, führt die verschie- dene Speicherung der einzelnen Elemente des retikulo-endothelialen Systems auf zwei Momente zurück: 1. auf die spezifische Eigenschaft der Zell- art und die dadurch hervorgerufene differente Affinität den eingebrachten Stoffen gegenüber und 2. auf die Art und Weise, wie der Stoff den Tieren beigebracht wird (intravenös, subkutan, intraperitoneal). Schon Schulemann wies darauf hin, daß ein großer Unterschied in der Speicherung besteht, je nachdem die Injektionsflüssigkeit auf dem Blut- oder Lymphwege weiterverbreitet wird, da sich nur jene Zellen mit den injizierten Substanzen beladen, die mit ihr ausgiebig in Berührung kommen. Ähnlich äußert sich Siegmund. Die vergleichenden Untersuchungen von Boerner-Patzelt sind mit sieben verschie- denen kolloidalen Stoffen angestellt (Farbe, Tusche, Eisenpräparate). Tusche verhält sich, was die Weiterverbreitung anbelangt, in vielen Punkten ähnlich wie Eisen, d. h. es steht ihm in staffelungsfähigen Quantitäten nur der Blutweg offen. Intraperitoneal und subkutan eingebracht, wird die größte Menge an Ort und Stelle ausgeflockt und nur die Elemente in der nächsten Umgebung der Einstichstelle stapeln. Wie schon Nissen hervor- hob, besteht eine ungleiche Vorliebe der verschiedenen retikulo-endothelialen Zellen für Tusche. Es haben immer zuerst vorwiegend die Zellen von Knochenmark und Milz gespeichert. Demgegenüber ist die Aufnahmefähigkeit der Sternzellen etwas schwächer als beim Pyrrholblau und Eisen. Auch die Korrelation zwischen Leber und Lunge ist gerade eine umgekehrte wie beim Eisen, d. h. die Leber gibt ihre Tusche im Laufe der Zeit zugunsten der Lunge ab; ein weiterer Unterschied besteht in der mangelnden Tusche- speicherung in den Kapillarendothelien der Lunge und Niere bei einmaliger Injektion. Die Sternzellen der Nebenniere weichen von der Norm nicht ab. Die verschiedene Speiche- rung in einzelnen Organen für differente Stoffe zeigt folgende Zusammenstellung Nissens: Elektro- Elektro- kolloidales kollargol ferrol FeAs- Gemisch Milz ++ ++ ++ Knochenmark ....++ ++ + + Leber + ++ + Lunge +-f + + Lymphdrüsen ....(+) ++ + Die Verschiedenheit, die sich bei den einzelnen Teilen des retikulo-endothe- lialen Systems und ihrer Speie her ung der sieben eingebrachten Substanzen ergibt, zeigt, daß es sich hier um Zellen handelt, welche, wenn sie auch in vielen Fällen auf Reize gemeinsam reagieren, doch eine weitgehende Selbständigkeit besitzen. Auch andere Beobachtungen dürften diese Anschauungen bestätigen. Besonders deutlich werden derlei Differenzen, wenn man mit mehreren Sub- stanzen gleichzeitig speichert, etwa mit Tusche und einem Farbstoff. Man erkennt dann sehr deutlich, wie verschieden sich die Aufnahme des einzelnen kolloidalen Farbstoffes vollzieht. Man findet Zellen, welche nur den einen aufnehmen neben solchen, die beide nebeneinander stapeln. Ich habe zu- sammen mit Erhardt viele derartige Bilder verfolgt und versucht, das Spiegelbild der zellulären Organreaktionen im Blutbild wiederzufinden. Ich werde darauf später zurückkommen. Hier muß aber noch angeführt werden, daß Seiffert über Beobachtungen berichtet, wo die retikulo-endothelialen Zellen blauen Farbstoff und Kollargol nebeneinander speicherten und daneben sich noch an der Verarbeitung der Erythrozytenzerfallstoffe aktiv beteiligten. Schon Kiyono berichtete über Doppelspeicherung mit Lithionkarmin und Trypan- blau. Nissen versuchte aufeinanderfolgende Injektion zweier kolloidaler Lösungen. Er Vitale Speicherung des retikulo-endothelialen Systems. 497 0 sah nebeneinander liegend elektroferrol- und karmingespeicherte Retikuloendothelien, aber so gut wie keine Doppelspeicherung der einzelnen Zellen. Ein Teil ist durch die voraus- gegangene Injektion von Elektroferrol so stark gespeichert, daß in ihnen für die nachfolgende Injektion keine Möglichkeit weiterer Aufnahme besteht. Auch nach Migai ist Doppel- speicherung der einzelnen Zelle mit Fe und Karmin selten. In Versuchen über die Phago- zyten der Lunge konnte Westhues dadurch, daß er bei Kaninchen Tusche intravenös und Karminlösung intratracheal injizierte, neben karmingespeicherten Alveolarepithelien in den Alveolen, die keinen Ruß aufnehmen, doppeltgespeicherte Histiozyten in Blutgefäßen angesammelt finden. Es geht aus diesen Ver- suchen mit Sicherheit her- vor, daß durch die „Blök - kierung" mit einem Kolloid die Aufnahme- fähigkeit für ein ande- res nicht oder nicht völlig unterdrückt wer- den kann. Auch Petrof , der nach vor- heriger „Blockierung" des reti- kulo-endothelialen Systems mit Tusche, Vitalfarbstoff oder kol- loidalem Eisen nach nunmehr verabreichter Kollargolinjektion die Menge des in der bereits ge- stapelten Leber sich ablagern- den Silbers bestimmte, stellte fest, daß die Menge des abge- lagerten Silbers im Verhältnis zur eingespritzten Menge nur als etwas kleiner sich erweist als beim normalen nicht blok- kierten Tier. Die Silberteilchen lagern sich elektiv in den Kupfferschen Sternzellen der Leber ab und diese Ablagerung ist von einer starken Volumzu- nahme der Zellen begleitet, die nach wiederholten Silberinjek- tionen eintritt und entsprechend der injizierten Menge zunimmt. Die stark ausgeprägte Fähig- keit dieser Zellen zu Hyper- trophie ist nach Petrof der Grund für die L'nmöglichkeit, die weitere Aufnahmefähigkeit zu unterdrücken. Hierzu ist der Einwand zu machen, daß Petrof die vermehrte Ablage- rung von Silber in den Leber- zellen selbst nicht berücksich- tigte (Aschoff). Alle diese Resultate sind wichtig für die Beurteilung der Frage, ob es gelingt, durch die Speie her ung die Zellen des retikulo-endothelialen Systems so zu blockieren, daß man ihre Funktion wenigstens vorübergehend ausschalten kann, wie es von Lepehne u. a. versucht wurde. Auf diese Weise suchte man herauszubekommen, ob gewisse Funktionen, deren Vorhandensein allerhand pathologisch-anatomische und klinische Erfahrungen nahelegten, wirklich dem retikulo-endothelialen System zukommen. Die Frage der „Blockierung" des retikulo-endothelialen Systems ist noch keineswegs klargestellt. Vieles spricht dafür, daß es bei diesem Zellsystem 10, 5 cem 2° /«ige : 10 , 5 cem Kar- 6» Abb. 1. Tier erhielt 8 cem Tusche 1 : Karminsodalösung, 10 cem Tusche 1 minsoda, 15 cem Tusche, 5 cem Karminsoda, 10 cem Tusche in die Ohrvene je mit 1 Tag Abstand. Leber bei der Sektion schwarz , enthält im Abstrichpräparat massenhaft Tusche in Zellen und freiliegend. Karmin nur schlecht zu erkennen. Mäßig grobtropfige Verfet- tung der Leberzellen. Alle Kupf ferschen Sternzellen mit Tusche, eine mit Tusche und Karmin gespeichert. Der größte Teil der Leberzellen zeigt starke Karmin- speicherung, keine Tusche. Blutkrankheiten. II 32 498 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. ebenso geht wie bei allen Reizen lebender Substanz, wonach sie zunächst mindestens bis zu einem gewissen Grade funktionssteigernd wirken. Erst hochgetriebene Speicherung kann vielleicht einen Ausfall herbei- führen. Eine scharfe Grenze läßt sich, wie v. Möllendorff hervorhebt, dort nicht ziehen, wo durch die Farbstoffeinwirkung sicher eine Schädigung erzielt wird, die man an der Diffusfärbung der ganzen Zelle oder eines Teiles derselben erkennt (Nekrose) ; hier findet man alle Übergänge von unzweifelhaft lebenden, geschädigten bis zu den Zellen, bei denen eine nicht wieder rückgängig zu i <$» »ä ■ W Sic, ■ Abb. 2. Tier erhielt: 4x5 ccm Tusche 1 : 10, 3 X 5 ccm Karminsoda 2°/0, 3 X 10 ccm Tusche 1 : 10. Lunge bei der Sektion grauschwarz, zeigt im Abstrichpräparat zahlreiche große Zellen mit runden und gelappten Kernen und teilweise riesengroßem Protoplasma mit Tusche gespeichert, einzelne Doppelspeicherungen, ziemlich viel freie Tusche. Stark vollgeblutete Alveole, darin gespeicherte Tuschezellen. Im ganzen sehr große Zellen mit starker Speicherung; vereinzelt Doppelspeicherung. Spärliche Speicherung in Wandzellen von Kapillaren, vereinzelt freie Tuschekörnchen. machende Veränderung ihrer Eigenschaften den Zelltod anzeigt. Darin liegt auch nach v. Möllendorff die Schwierigkeit, zu definieren, was man als vital bezeichnen soll. Es läßt sich durchaus verstehen, daß Speicherung einer Zelle mit Farbstoff, Tusche, Eisen usw. noch lange nicht gleichbedeutend mit Funktionsausfall ist, wenn man sich die Vorstellungen v. Möllendorffs zu eigen macht, wonach saure Farbstoffe nicht in den lebenswichtigen Plasma- anteilen des Retikuloendotheliums, sondern zwischen ihnen in Saftkanälchen gespeichert werden, die alle ohne trennende Zellhaut unmittelbar mit dem Säfte- strom außerhalb der Zelle verbunden sind. In erst entstehenden Vakuolen fällt hier das Kolloid, teils durch Zunahme seiner Konzentration, teils durch Elektrolytfällung aus. Die vorgebildeten natürlichen Granula solcher Zellen Vitale Speicherung des retikulo- endothelialen Systems. 499 sind den künstlich erzeugten sauren Kolloidkörnchen gleichzusetzen. Die Speicherung betrifft also nicht funktionell wichtige Anteile der Zelle. Die Speicherung kann sogar einen Reiz ausüben, welcher, wie bereits bemerkt, die funktionelle Aktivität der Zelle steigert; dafür liegen allerhand experimentelle Beweise vor. Ich erwähne hier nur die Erfahrungen von Kuczynski, wonach Überfüllung der retikulo-endothelialen Zellen mit bestimmten Substanzen ihre Fähigkeit der weiteren Aufnahme für andere nicht vermindert, im Gegenteil sogar erhöhen kann. Zu ähnlichen Anschauungen sind auch Pfeiffer und Standenath bei ihren Versuchen gekommen. Anderseits berichtet Paschkis, daß Tiere, welche mit Streptokokkenvakzine vorbehandelt sind, eine viel geringere Karminspeicherung zeigen als normale Ticie; bei gleichzeitiger Verabreichung sind die Unterschiede geringer. Er kommt zu dem Ergebnis, daß eine Funk- tionsausschaltung des Retikuloendotheliums tatsächlich möglich ist; in vielen Fällen liegt dabei keine mechanische Verstopfung, auch keine Lähmung durch Überfunktion, sondern eine Vergiftung vor. Kodama zeigt, daß bei mit Phenylhydrazin vergifteten Tauben durch Kollargolspeicherung des retikulo-endothelialen Systems die Aufnahme und Weiterverarbeitung der geschädigten Erythrozyten und des Hämoglobins sichtlich gehemmt und die Bildung eisenführender Granula in den genannten Zellen verringert ist. Er sieht mit Aschoff, in dessen Institut die Arbeit aus- geführt ist, darin den Beweis für eine gelungene Blockierung. Durch Kollargolspeicherung des R. E. -Systems beim Hunde gelang es, das Auf- treten der Bilirubinreaktion nach Toluylendiaminvergiftung zu beschleunigen, ein Beweis für eine Reizung des R. E.- Systems (s. darüber auch im Abschnitt 7). Eine kurze Erwähnung verdient endlich die Frage, inwieweit die Größen- verhältnisse der zu speichernden Substanzen Berücksichtigung verdienen. Dazu ist mit Aschoff u. a. zu sagen, daß Speicherung mit feindispersen Phasen die Speicherung mit grobdispersen Phasen nicht aufhebt und umgekehrt, daß es aber auch hierbei Ausnahmen geben kann. Wir werden uns mit der Frage der Blockierung und Funktionssteigerung noch mehr beschäftigen müssen. Hier sei nur so viel bemerkt, daß sich nach dem Speicherungsvermögen kein Schluß auf die anderen Zelleistungen ziehen läßt. Das Speicherungs vermögen einer Zelle kann ganz gut sein, wenn auch andere Zellfunktionen daniederliegen. Ob die Beobachtungen von Eppinger und St öhr an moribunden Menschen, wonach bei Speicherung mit Ferrum sacch. oxyd. die Zellen verfetteter Lebern weniger speichern als normale, ein Zeichen geschädigter Funktion bedeutet, muß noch dahingestellt bleiben. Die Zahl der retikulo-endothelialen Zellen, welche speicherungsfähig sind, wird um so größer, je mehr die Speicherung in die Höhe getrieben wird. Es liegt hier eine funktionelle Anpassung vor, welche im Rahmen der Leistungsfähigkeit zu erhöhter Leistung führt. Eine Erschöpfung ließe sich vorstellen durch Überspannung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Zelle oder dadurch, daß ihr Ersatz durch Neubildung aus irgendwelchen Gründen mangelhaft ist. Auch die Vergiftung im Sinne von Paschkis ist sicher ein wesentlicher Grund. Der Reiz, der eine intensive funktionelle Mehrbeanspruchung des retikulo- endothelialen Apparates zur Folge hat, kann eine ausgiebige Neubildung von Zellen auslösen. Dadurch erweitert sich das aktive mesenchymale Gewebe. Wie Hueck hervorhebt, hat ganz besonders das retikuläre Bindegewebe sich einen dem fötalen Zustand ähnlichen Charakter bewahrt, das uns förmlich als ein junges, noch nicht völlig ausgereiftes Keimgewebe erscheint. Dadurch ist es zur Zellneubildung besonders befähigt. Diese Befähigung betrifft nicht nur Zellen gleichen (Ortshistiozyten, Wanderhistiozyten, Bluthistiozyten), sondern auch andersartigen Charakters (Neubildung von lymphozytoidem und myeloidem Charakter, polyblastische Stammzelle). In besonders schöner Weise tritt diese 32* 500 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Eigenschaft in der Gefäßwand in Erscheinung, vor allem in der fast rein zelligen Netzstruktur der kapillären Adventitia, aus der nach Marchand und Herzog bei der Entzündung alle Arten von Blutzellen entstehen. 2. Ernährung und retikulo-endotheliales System. Eine lebhafte zelluläre Reaktion tritt nach den Untersuchungen von Goldmann und vor allem von Kuczynski über den Einfluß verschieden- artiger Ernährung bei Mäusen und Ratten schon unter den physiologischen Verhältnissen der Ernährung ein. Diese spielt sich nicht nur in der Darmwand ab, sondern kann auf andere Organe, vor allem die Leber und die Milz übergreifen, wo sie von Kuczynski aufs genaueste verfolgt und eingehend beschrieben sind. Was die Leber, welche die klarsten Bilder zeigt, anbelangt, so führt Kuczynski aus, daß zellige Wucherungen, sei es in der Adventitia der größeren Gefäße oder intra- kapillar um so seltener sind, je mehr die Kost einer normalen entspricht. Kostformen, welche cholesterinreich sind wie Eigelb oder Cholesterinolivenöl, bewirken in der Leber Sternzellenwucherungen, die diffus sein können, aber auch knötchenförmig umschrieben beobachtet werden, ganz entsprechend den zwiebelschalenartigen ,, Pseudotuberkeln", die in der Milzpulpa zuweilen in solchen Fällen anzutreffen sind. Auch Käsefütterung ruft manchmal das Bild hervor. Die Eiweißüberschwemmung führt im wesentlichen zu einer lymphoblastischen Reaktion; dazu gesellen sich Lymphzellen mit wechselnd starker Aus- bildung des Protoplasmas, in viel geringerer Menge meist unreife leukozytäre Zellen. Dort, wo die Herde größeren Umfang annehmen, mischen sich ihnen häufig gestreckte Zellen zu, die im Habitus den Retikulumzellen entsprechen und auch durch Speicherung von Hämo- siderin und Farbstoff diese Gruppierung rechtfertigen. Gerade diese Zellen fallen häufig durch ihre besonders starke natürliche und künstlich bewirkte Pigmentierung vor allen anderen auf. Es würde zu weit führen, hier auf die Einzelheiten der von Kuczynski beschriebenen Befunde, die auch eine weitgehende Beziehung zur extramedul- lären Blutbildung haben, näher einzugehen. Es erübrigt sich um so mehr, als zwar bemerkenswerte Resultate vorliegen, aber doch noch keine vollkommene Klärung darüber erreicht ist, ob der einzelne Nahrungsstoff tatsächlich eine vollkommen spezifische Reaktion auslöst. Ob eine spezifische Reaktion überhaupt nachzuweisen sein wird, erscheint fraglich, denn Kuczynski bemerkt mit Recht, daß jede Veränderung im Eiweißstoffwechsel notwendig auf den Um- satz der Fette und Kohlenhydrate übergreife und umgekehrt, jedenfalls in beträchtlichem Maße dann, wenn die Grenzen der Norm überschritten werden. Gesichert erscheint nur der Zusammenhang zwischen Nahrung und Resorption einerseits, den zellulären Reaktionen anderseits. Interessant ist der Hinweis Kuczynskis, daß die embryonale Blutbildung ungefähr den Orten des Nährstromes folgt. Das Auftreten mehr oder weniger intensiver zellulärer Reaktionen in Leber und Milz, speziell im Retikuloendothel als histiozytär-endotheliale Reaktion, aber auch in anders gerichteter zelliger Form vom Typus des Blutbildungs- gewebes und damit auch des Knochenmarks unter sozusagen physiologischen Verhältnissen, erscheint von größter Wichtigkeit. Man wird Kuczynski bei- pflichten müssen, wenn er meint, daß diese Reaktion ausgelöst werde durch den Übertritt von im Darm nicht genügend abgebautem und damit nicht ohne weiteres anpassungsfähigem Nährmaterial in den Blut- und Lymphstrom, der sie zu den Organen (Leber, Milz) führt. Hier wirken sie sich in deren Mesen- chym aus, dessen große Bedeutung als Durchgangs-, Umschalte- und Regulations- stolle für den Organstoffwechsel wir immer mehr erkennen lernen, eine Funk- tion, auf die auch von Hueck besonders eindringlich hingewiesen wurde. Hier liegt die Verbindung einerseits zu den Reaktionen, wie sie z. B. bei der parenteralen Reizt hera pie bewußt hervorgerufen, und den pathologischen Störungen anderseits, wie sie als Infektion, Anaphylaxie, Idiosynkrasie Milzexstirpation. 501 u. a. m. beobachtet oder durch pathologische Steigerung der physiologischen Verhältnisse hervorgerufen werden. Individuelle Besonderheiten der Konstitution werden nach den verschiedensten Richtungen mitwirken. Kuczynski weist auf Beziehungen hin, die auf diese Weise z. B. zur B an tischen Krank- heit und zur Leberzirrhose hinführen, in deren Frühstadium ähnliche Prozesse, besonders interazinäre retikuläre Wucherungen eine Rolle spielen und deren Entstehung mit enteral alimentären Störungen erwiesen scheint. Er spinnt auch Fäden zu dem Status lymphaticus des abnormen Kindes und Jugend- lichen, wobei Czerny einen Zusammenhang der lymphatischen Hyperplasien, insbesondere auch des Milztumors und der Größe der Thymus mit fortgesetzt reichlicher, unzweckmäßiger Ernährung besonders hervorhebt, und zu der Leukämie und perniziösen Anämie. Insonderheit gehören sicherlich viele der von Eppinger als hepatolienale Erkrankungen zusammengefaßte Affektionen hierher. Vielleicht verbindet auch das Amyloid gewisse Be- ziehungen mit dem retikulo-endothelialen Apparat. Schon Kuczynski hat die Möglichkeit der experimentellen Erzeugung von Amyloid durch enterale und parenterale Verabreichung von Eiweiß bei Mäusen bewiesen. Domagk hat diesen Weg weiter beschritten und gefunden, daß ein ununterbrochener Weg über vermehrte Phagozytose von eiweißhaltigen Schlacken bis zur Entstehung des Amyloids führt. Da die Gefäßwandzellen und das ganze retikulo -endo- theliale System besondere phagozytäre Eigenschaften zeigen, so erklärt sich die Lokalisation des Amyloids und die Prädisposition der Gefäßwand. 3. Milzexstirpation und retikulo-endotheliales System. Die zelluläre Reaktion hat defensiven Charakter im Sinne Aschoffs und ist gewissermaßen eine Abwehraktion des Organismus gegen parenteral wirkende Schädigungen der verschiedensten Art, die sich natür- lich auch in verschiedener Weise auswirken müssen, je nach der Einstellung der Gesamtkonstitution, nach der Reaktionsfähigkeit des Mesenchyms, nach der Art des einwirkenden Stoffes und seiner mehr oder weniger spezifischen Wirkung auf bestimmte Zellgruppen im Mesenchym, zu deren Funktion er in Beziehung steht. Die Pathologie gibt hier — abgesehen von den bereits genannten Affek- tionen — zahlreiche Beispiele. Daß Einengung des retikulo-endothelialen Systems an einer Stelle, wie sie durch die Milzexstirpation oder den Aus- fall von Milzgewebe zustande kommt, zu einer Vermehrung der retikulo- endothelialen Zellen andernorts führt, ist sichergestellt. M. B. Schmidt hat zuerst an weißen Mäusen die Wirkung von Milzexstirpation auf die Leber untersucht. Nach kurzer Zeit bilden sich Zellwucherungen in der Leber, die bald — sicher nach 4—5 Wochen — zu kleinen Knötchen werden, deren morphologische Übereinstimmung mit Milzpulpagewebe gut erkennbar ist. Sie liegen an den Gefäßen, vor allem in Pfortader und auch den Zentralnervenästen und nehmen zum Teü von den Kapillaren, d. h. den Kupfferschen Sternzellen, ihren Ausgang. M. B. Schmidt hat ferner gezeigt, daß dieses neue Gewebe den Abbau der roten Blutkörperchen an Stelle der Milz mindestens qualitativ besorgt, aber etwas träger wie das normale Milzgewebe. M. B. Schmidt schließt aus diesen Versuchen, daß die Speicherungs- fähigkeit des neuentstandenen Gewebes innerhalb der unter- suchten Zeiträume beschränkter sei als in der Milz. Diese Befunde konnten von Lepehne u. a. vollauf bestätigt werden. Seifert hat unter Beobachtung der Versuchsanordnung von M. B. Schmidt die Funktion der in dem neugebildeten Milzgewebe vor allem vorhandenen retikulo-endo- thelialen Zellen geprüft, besonders ihre Speicherungsfähigkeit an sich. In Versuchen, in denen er Meerschweinchen subkutan oder intraperitoneal Isaminblau einspritzte und während der Speicherung die Milz exstirpierte, zeigte sich, daß in der Leber zunächst 502 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. ausschließlich die Kupfferschen Sternzellen den Farbstoff aufnahmen, daß jedoch nach der Milzexstirpation auch die durch sie hervorgerufenen intrahepatischen Sternzeil Wucherungen sich an der Speicherung beteiligten. Diese steht jedoch quantitativ demjenigen der normalen Leberkapillarendothelien nach. Dasselbe Resultat erhielt er mit Kollargol und auch bei Hämolyse versuchen durch subkutane Injektion von Toluylendiamin beteiligten sich die neuen Zellwucherungen qualitativ richtig, quantitativ aber beschränkt. M. B. Schmidt hat ferner zwei Fälle untersucht, in denen die Milz wegen perniziöser Anämie entfernt worden war. Im einen Fall hatte sich das Blutbild nicht gebessert und nach 8 Wochen war der Exitus eingetreten ; im anderen Falle wurde der Blutbefund normal und er überlebte die Operation 6V4 Jahre. Bei beiden Fällen war in der Leber eine starke Vergrößerung der Sternzellen nachweisbar, aber keine nennenswerte Vermeh- rung. Ziemlich verbreitet war die Aufnahme von Erythrozyten in Zellen der Kapillar- wand und besonders Einlagerungen von braunem eisenhaltigem Pigment. Verglichen mit Lebern von Fällen ohne Milzexstirpation, wiesen die Sternzellen hier keine deutliche Mehrleistung in der Verarbeitung von Erythrozyten auf. Die starke Vergrößerung der Sternzellen ist aber als Folge der Splenektomie anzusehen; sonstige Zeichen kompensa- torischer Milzgewebeneubildung, wie sie von anderen Autoren im Netz usw. gesehen waren, fehlten. Auch Knochenmark und Lymphdrüsen boten keinen anderen Befund als man ihn bei nichtoperierten Fällen feststellen kann. Kuczynski berichtet, daß er bei seinen Mäusen die auffälligen Zellneubildungen in der Leber in großartiger Ausbildung nach Milzexstirpation bei gleichzeitigem Ernährungsreiz gesehen habe; sie seien aber auch ohne diesen operativen Eingriff manchmal mit ebenso starker Intensität aufgetreten. Endlich ist noch zu erwähnen, daß auch Domagk in ausgiebigen Untersuchungen an Ratten 5—7 Tage nach der Splenektomie eine auffällige Wucherung der Leberendothelien mit starker Phagozytose roter Blutkörperchen feststellt und eine diffuse Blaufärbung der vergrößerten Kupfferschen Sternzellen bei der Eisenreaktion findet. Die Kupfferschen Sternzellen der Leber übernehmen also die Funktionen der Milz, wobei sie eine mehr oder weniger große Wucherung zeigen. 4. Parabiose und retikulo-endotheliales System. Eine Überleitung zu pathologischen Zuständen stellt gewissermaßen der Parabioseversuch von Sauerbruch dar. Zwischen den beiden Parabiose- partnern bildet sich gesetzmäßig ein gegenseitiger Abwehrkampf, eine wechsel- seitige Vergiftung heraus. Innerhalb dieses zellulären Lebenskampfes wuchert im lebenskräftigeren der beiden Tiere das lymphatische Zellgewebe und bildet viele Plasmazellen. Verbunden mit solchen Proliferations Vorgängen haben sich besonders bei langdauernden Parabiosen weitere Veränderungen im mesen- chymalen Zellapparat, zumal der Leber, gefunden. In der Leber des reaktions- fähigen Parabionten wurden mehrfach Bilder von erheblicher Neubildung der retikulo-endothelialen Zellelemente in Gestalt von knötchenartiger Wuche- rung der Sternzellen beobachtet. Daraus geht hervor, daß Funktionssteigerung und Hyperplasie der mesenchymalen Zellen einen allgemeinen Abwehrversuch bedeuten. Diese Untersuchungen sind nach Sauerbruch wichtig für die Auf- fassung, daß die Anlage und die Lebenskraft des Mesenchyms Grundlagen körperlicher Konstitution und Disposition sind. 5. Geschwülste, Infektionen, Entzündungen und retikulo-endotheliales System. Bei Mäusetumoren hat bereits Gold mann darauf aufmerksam gemacht, daß in der Umgebung der Impfgeschwulst sich mit ihrer zunehmenden Ent- wicklung vital gefärbte granulierte Makrophagen in geradezu stupender Menge ansammeln. Bei zustandegekommener Immunität fand er eine inten- sive zelluläre Reaktion auch in Leber und Milz. Er vergleicht das Bild einer solchen Leber mit der eines neugeborenen Tieres, bei dem noch eine ausgesprochene hämatopoetische Funktion vorliegt. Kuczynski zeigte in Parabiose, Geschwülste, Infektionen, Entzündungen. 503 Versuchen, in denen Mäuse mit wenig virulenten Streptokokken gespritzt wurden, daß zwischen den zellulären Befunden bei der Verimpfung karzinomatösen Materials in der Maus und der Kokkenabwehr prinzipielle Parallelen bestehen. Bei der Geschwulstabwehr erkennt man ein Wandern der endothelialen Abwehrleistungen. Zunächst spielt sich die zelluläre Reaktion in der Umgebung der Geschwulstniederlassung ab, dann greiit der örtliche Reiz durch Vermittlung des Kreislaufs (Abbau - produkte) auf entferntere Gebiete, vor allem die Milz und die Leber über. Bei seinen Streptokokkenversuchen ergab sich ebenso eine Proliferation der schon wenige Minuten nach der intravenösen Injektion der Keime phago- zytierenden Retikuloendothelien der Milz und der Leber. Auch das Endothel von Lunge und Knochenmark phagozytiert die Bakterien. Er sieht in der zellulären Reaktion den Ausdruck einer erheblichen Resistenz- steigerung, denn die Einverleibung voll virulenter Streptokokken nach mehr- fachen Injektionen von abgeschwächten zeigt, daß die vorbehandelten Tiere einen nicht unbeträchtlichen Schutz genießen. Je nach dem Resistenz- grad findet man gar keine, oder die eben geschilderten Reaktionen, oder endlich echte eitrige Prozesse (Abszeßniere). Auch Dieckmann fand bei einem Pankreaskarzinom eine Wucherung der endotheliogenen Zellelemente in der Milz. Bei experimentellen Versuchen mit intravenöser Proteusvakzination an Kaninchen werden von ihm in der Milz Schwellung und Wucherung endothelialer Zellen, später Auf- treten großer, freier endotheliogener Elemente im Sinuslumen festgestellt und die Anzeichen intensiver phagozytärer Tätigkeit von einfachen Erythro - phagien bis zur dichten Ladung der stark geschwollenen Zellen mit roten Blut- körperchen, Leukozyten und ihren Zerfallsprodukten beobachtet. Diese sinuösen Wucherungen können besonders bei splenektomierten Tieren auf die Leber übergreifen, wo sich auch die adventitiellen Zellen im Interstitium an Reizung und Proliferation beteiligen. Auch thrombotische Veränderungen können gelegentlich beobachtet werden; das Knochenmark beteiligt sich nur ganz unwesentlich an der Reaktion. Auch Dieckmann weist darauf hin, daß als gemeinsames Moment in der Ätiologie der endothelialen Reiz- zustände ganz allgemein Prozesse angenommen werden dürften, denen eine Inanspruchnahme des makrophagen Apparates zuge- schrieben werden kann, gleichgültig, ob die resorptiv-phagozytäre Tätig- keit sich auf Abbauprodukte körpereigener Zellen erstreckt, die morpho- logisch erkennbar sein können, aber wohl kaum immer erkennbar sein werden, oder ob es sich um Resorption oder Phagozytose körperfremder Substanzen handelt. In derselben Richtung bewegen sich Veränderungen, welche bei Typhus und Tuberkulose festgestellt werden können und an deren Aufklärung wiederum besonders Asch off und seine Schule beteiligt sind. Abgesehen von den charakte- ristischen, schon von Virchow, C. E. E. Hoff mann, Marchand u. a. mitge- teilten histologischen Befunden am Darm wurden von E. Wagner, C. E. E. Hoffmann, Fränkel und Simons, Mallory u. a. typische Knötchen in der Leber beschrieben, die von M. B. Schmidt als Folge einer Wuche- rung der Kupfferschen Sternzellen mit gleichzeitiger Atrophie der Leberzellen aufgeklärt wurden. An dieses erste Stadium schließt sich eine herdförmige Nekrose an, in die weiterhin polymorphkernige Leukozyten ein- wandern. Für die Niere bzw. für die Milz und das Knochenmark wurden ähnliche Knötchen beschrieben und die Roseolen dürften wohl auch hierher gehören. Gräff hat diese typhösen Knötchen einer eingehenden Untersuchung unterzogen. 504 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Er zeigt, daß der erfolgreich eindringende Bazillus eine histiozytäre Reaktion veranlaßt. Das seltene Vorkommen des Verursachers dieser Histiozytenansammlungen in ihnen spricht dafür, daß den Histiozyten eine große Fähigkeit zukommt, den Typhus- bazillus durch irgendwelche Zellprodukte (Alexine Jürgens?) zu vernichten, ohne daß es jedoch zur Phagozytose der Bazillen kommt. Von Seiten der Histiozyten erfolgt die Abräumung des toten Materials, aber auch sie sind der Giftwirkung ausgesetzt und ver- fallen nekrobiotischen Veränderungen. Gelingt es dem Organismus nicht, das schädigende Agens zu beseitigen, so tritt die völlige Umwandlung der Nekrobiose in Nekrose ein. Sind aber die defensiven Maßnahmen auf Grund histiozytärer Reaktion und immunisatorischer Kräfte des Blutes erfolgreich, so kann an Stelle der Degeneration bzw. statt des völligen Gewebstodes eine frühzeitige Restitution eintreten. Die Pathogenese der histologischen Veränderungen am Darm, an den mesenterialen Lymphknoten, an der Milz, der Leber und dem Knochenmark kann in einheitlicher Weise aufgefaßt werden ; die spezifische Reaktion wird einerseits ausgelöst durch den spezifischen Erreger, den Typhusbazillus, anderseits formal bestimmt durch spezifisch ablaufende Gewebsveränderungen. Das Ergebnis ist die Bildung der typhösen Knötchens. Eine Beobachtung von Askanazy, wo 4 Tage nach der ersten Typhusschutzimpfung bei einem 22jährigen Mann aus anderer Ursache der Exitus auftrat, ergab bei der mikroskopischen Untersuchung eine starke Schwellung und Vermehrung der Sinusendothelien und Retikulumzellen in einem geschwollenen Lymph- knoten der Achselhöhle; während die Lymphozyten Zerfall zeigten, fehlten an den Endo- thelzellen (Histiozyten) völlig die mannigfaltigen degenerativen Veränderungen. Es lag hier also eine defensive histiozytäre Reaktion im Sinne Aschoffs vor. Gräff hat recht, wenn er in dieser gleichartigen Abwehrmaßnahme des Organismus, die serologisch in der Bildung von Antikörpern ihr entsprechendes Äquivalent hat, eine auffällige Beziehung von Abwehrvorgängen zellulärer und humoraler Natur, Histiozyten und Immunkörper sieht, die zudem aller Wahrscheinlichkeit nach am selben Ort in denselben Organen zur Bildung gelangt. — Das histologische Bild der typhösen Knötchen in Leber, Milz und Knochenmark ist auch von H. Faber sorgfältig untersucht und auch er erweist die besondere Beteiligung der Histiozyten an deren Aufbau. Gräff betont weiterhin, daß dem typhösen Knötchen und seiner zellulären Zusammensetzung und seiner Umwandlung der phthisische Tuberkel entspreche (Joest, Emshoff, Kiyono, Aschoff u. a.). Bei der Typhussepsis finden sich keine oder so geringe anatomische Veränderungen spezifischer Art am Darm oder an anderen Organen, daß das klinische Bild aus dem formalen Befund sich nicht erklären läßt. Die Vorstellungen über den Ablauf der typhösen Erkrankung, welche Gräff aus seinen pathologisch-anatomischen Studien gewonnen hatte, wurden be- sonders eingehend weitergeführt durch Untersuchungen von Oeller. Wie Gräff so hat auch er bei Fällen von sog. Typhussepsis, die sich klinisch kaum von den besonders schwer verlaufenden Fällen der „gewöhnlichen Typhus - form" unterscheiden, auffallend geringe lokale entzündliche Verände- rungen im Darm und auch völliges Fehlen derselben trotz reichlichem Vorhandensein von Bakterien im Blut gefunden. Auch die Leber-, Milz- und Drüsenveränderungen fehlen bei den Fällen von Typhussepsis vollkommen. Solche Beobachtungen, bei denen die Schwere des klinischen Verlaufes durch- aus im Gegensatz zu den pathologisch-anatomischen Veränderungen steht, habe ich selbst mehrfach gesehen und wird wohl jeder kennen, der über ein größeres Typhusmaterial verfügt (s. a. Schottmüller, Jürgens u. a.). In diesem Fehlen ausgiebiger zellulärer Reaktionserscheinungen sieht Oeller wohl mit Recht den Grund für den ungünstigen Verlauf. Die lokalen zellu- lären Abwehrmaßnahmen reichen nicht aus, die Schädlichkeit zu beseitigen; die Krankheitskeime vermehren sich und der Organismus ist nun auch nicht mehr in der Lage, die löslichen Bakterienzerfallsgifte durch Verdauung zu entgiften. Die den allgemeinen Kreislauf jetzt überschwemmen- den Gifte vergiften weiterhin die bei der Abwehr, bei der Giftspeicherung und Giftverdauung sonst tätigen Zellen, so daß eine weitgehende Funktionsbehinde- rung eintreten muß. Die Zellen sind endlich infolge der schweren Giftwirkung nicht einmal in der Lage, die Keime, die in der Blutbahn kreisen, an sich zu reißen, Geschwülste, Infektionen, Entzündungen. 505 seßhaft zu machen und sie auf diese Weise zu lokalem Kampfe zu zwingen. Aus der zellulären Unfähigkeit heraus entsteht dann auch Unfähigkeit zur lokalen Entzündung, wie sie bei den ausgesprochenen Fällen von Septikämie, speziell beim Typhus, aber auch bei den Streptokokken- und Staphylokokkener kran- kungen zu finden ist. Bei den günstiger liegenden Fällen kommt es zu einer intensiven zellulären Reaktion mit all ihren Vorteilen für die Ab wehr, bei den leichtesten Fällen geht die Beseitigung der eingedrungenen Bakterien ohne besonders sichtbare zelluläre Reaktion vor sich, indem hier die normaler- weise vorhandenen Abwehrvorrichtungen zur Beseitigung der eingedrungenen ausreichen. Wir sehen also hier die Vorstellungen, wie sie namentlich von Ranke für die Tuberkulose entwickelt und als Allergie und positive und negative Anergie bezeichnet wurden, gewissermaßen auf die Vorgänge bei der typhösen Er- krankung übertragen, und man wird wohl sagen können, daß diese Vorstel- lungen mehr oder weniger für jede Infektion und für die Abwehr artfremder Stoffe verschiedensten Ursprungs, die parenteral zur Wirkung kommen, heran- gezogen werden können. Für Oeller ist das wichtigste Moment die Haf- tung der in der Blutbahn kreisenden Krankheitserreger, welche durch eine aktive Leistung bestimmter Zellen veranlaßt wird. Für diese Haftung glaubt er vor allem die Funktionen der Gefäßwandzellen ver- antwortlich machen zu können, da diese Zellen am ersten und intensivsten mit dem Fremdmaterial in Berührung kommen und bei den eben beginnenden reaktiv entzündlichen Prozessen die Wucherung der Gefäßwandzellen besonders beobachtet werden kann. Er verweist auf die Untersuchungen über die Phago- zytose der Gefäßwandzellen, namentlich der Endothelien, wie sie schon lange vorliegen und wie er sie selbst in ausgedehntem Maße mit pathogenen und apathogenen Bakterien angestellt hat, um den fein abgestimmten Phagozytose - und intrazellulären Verdauungsmechanismus der Endothelien zu erkennen. Die Inkubation ist für Oeller die Zeit, wo der Organismus die Fähigkeit, zur Unterstützung der einen allein nicht mehr fertig werdenden Zelle neue Zellen durch lokale Neubildung heranzuziehen, noch nicht genügend ausgebildet hat; erst allmählich kommt es zur kräftigen lokalen zellulären Reaktion. Diese Resultate stimmen auch mit denen von Siegmund u. a. überein und andern - seits mit der bekannten Tatsache, daß die Allergie erst allmählich sich ent- wickelt. Die Haftung geht besonders intensiv in den Endothelzellen der Milz und Leber, vor allem aber auch nach Oeller in den Endothelzellen der Lunge vor sich, denen er eine besonders wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Infektion zuschreibt. Ob sich die Oellerschen Ansichten über das Haften in den Lungenendothelien in vollem Umfange halten lassen, ist fraglich. Es bestehen gewisse Differenzen gegenüber den An- schauungen von Asch off und seiner Schule. Es sei hier auf eine Arbeit von Westhues aus dem Asch off sehen Institut verwiesen, welche die Herkunft der Phagozyten in der Lunge betrifft. Er zitiert ältere Unter- suchungen von Charlton Briscoe, welche die große Freßtätigkeit der Alveolar- epithelien beweisen sollten, und von Foot, der dasselbe für die Gefäßendothelien der Lunge erweist. In eigenen Versuchen an Kaninchen mit Doppelspeicherung, wie sie Foot benutzte, wobei er chinesische Tusche intravenös, Lithionkarminlösung subkutan oder intratracheal injizierte, stellte er fest, daß die Hauptmasse der phagozytierenden Zellen von den Lungenalveolarepithelien abstammt und nicht von eingewanderten Histiozyten oder Gefäßendothelien dargestellt wird. Die Lungenalveolarepithelien speichern viel rascher als die Histiozyten. Das zarte Gefäßendothel nimmt an der Phagozytose keinen Anteil. In der Lunge sind die Histiozyten zahlreicher vorhanden, als man gemeinhin annimmt. Ihre schlechte vitale Färbbarkeit liegt daran, daß das Speicherungsmaterial infolge ihrer exponierten Lage nicht in genügender Konzentration zugeführt werden kann. Ich habe mich hier so eingehend mit dem Typhus beschäftigt, weil diese Infektionskrankheit besonders ausgiebig von Pathologen und Klinikern studiert 506 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. und vor allem in den Auswirkungen auf den retikulo-endothelialen Apparat klargestellt ist. Ich hätte auch die Tuberkulose wählen können, deren Verlauf und verschiedene Reaktionsform sich danach richten, ob die Tuberkulose einen unberührten, sensibilisierten oder immunisierten Organsimus trifft (Ranke, Asch off). Dabeiist der Tuberkel ein Zeichen der bereits eingetretenen Resistenzerhöhung, an dessen Aufbau vornehmlich oder allein Histiozyten, und zwar gewucherte Ortshistiozyten, und in der Leber Kupff ersehe Sternzellen (Schilling) beteiligt sind. Zu den histiozytären Granulomen oder infektiösen Histiozytomen (Asch off) gehören außer den tuberkulösen und typhösen die Lepraknötchen, das Sporotrichom, das Rhinosklerom, die sog. rheumatischen Knötchen u. a. Auch beim malignen Gra- nulom Sternbergs sind die Riesenzellen wahrscheinlich histiozytäre Ele- mente (Aschoff). Besonders wichtig sind eingehende Untersuchungen von Domagk über die Bedeutung der Endothelien für die Abwehr von Infektionserregern, in denen die überragende Bedeutung dieser Zellen in der Phagozytose in Ver- arbeitung von Kokken gezeigt wird, namentlich der Endothelien von Leber, Milz und Lungen, die mit den weiterhin erwähnten O eller sehen Befunden gut übereinstimmen. Die Phagozytose von Kokken setzt beim vor- behandelten Tier wesentlich rascher ein und der Verarbeitungs- prozeß verläuft schneller als beim nicht vorbehandelten Tier; er findet beim vorbehandelten Tier nach intravenöser Reinjektion von Staphylo- kokken in sämtlichen Endothelzellen, namentlich der Leber, enorm zahlreich phagozytierte Kokken, oft 20 — 30 in einer Zelle. Dabei schwellen die Endothel- zellen an und diese Schwellung der Endothelien auch in der Lunge ist, nament- lich beim sensibilisierten Tier, oft so hochgradig, daß es dadurch bisweilen zum Verschluß vieler Kapillargebiete kommt. Dadurch erfolgt bei Mäusen, wenn auch nur selten, nach Reinjektion der Tod im Schock. Der Abbau der Kokken, welche direkt in die Blutbahn gelangt sind, erfolgt in den Endothelien der Milz, Leber und Lungen unvergleichlich schneller als der Abbau der Kokken, die im Gewebe hängen geblieben sind. So kommt also dem retikulo-endothelialem System bei vielen Infektionen eine besondere Rolle zu und es ist zu begrüßen, daß es neuerdings ein beliebter Gegenstand der Forschung geworden ist, seine Funktion wie die Funktion des mesenehymatischen Gewebes überhaupt zu untersuchen. Man kann heute wohl sagen, daß die Intensität der zellulären Reaktionen am retikulo- endothelialen Gewebe einen gewissen Maßstab für die Stärke der Abwehr abgeben. Wo der retikulo -endotheliale Apparat infolge irgendwelcher Ursachen, die verschiedener Art sein können (Konstitution, Intoxikation usw.), minderwertig oder geschwächt ist, kann die Infektion mehr oder weniger hemmungslos sich ausbreiten. So wichtig nun sicherlich die zellulären Reaktionen am retikulo -endothelialen System bei Überwindung der Infektion sind, so sehr muß man sich immer bewußt bleiben, daß Infektionsabwehr einen weit kompli- zierteren Vorgang darstellt. Wenn ich hier die retikulo -endothelialen Reaktionen vornehmlich bespreche, so geschieht dies wesentlich im Hinblick auf die Frage der Bluthistiozyten resp. Monozyten, deren Beziehungen zum retikulo-endothe- lialen System dann klarer hervortreten. Bei der Entzündung, bei der Bildung von Granulationen und ähnlichen Prozessen spielen die Histiozyten bekanntermaßen eine wichtige Rolle; Asch off betont immer wieder die überragende Stellung des retikulo-endothelialen Gewebes. Marchand, Herzog, Rößle u. a. vertreten den Standpunkt, daß bei entzünd- lichen Reizungen des Gefäßbindegewebes den Gefäßendothelien eine besonders große Bedeutung bei der Bildung von Histiozyten zukommt. Zu dieser Frage Geschwülste, Infektionen, Entzündungen. 507 der Umwandlung der Gefäßendothelien in Histiozyten nimmt Asch off keine ausgesprochene Stellung ein. Die Abhängigkeit der progressiven Veränderungen der Gewebszellen, die hauptsächlich und in erster Linie die Elemente der Stütz- und Zwischensub- stanzen betreffen, von dem akuten Prozeß und damit auch von der Zirkulations- störung hält Marchand für sicher insofern, als sie sich erst im Anschluß an diese entwickeln ; anderseits bezeichnet er es aber als ebenso sicher, daß gerade sie zum großen Teil auf die Einwirkung der Entzündungserreger auf die zelligen Elemente zurückzuführen sind. In der Bildung der Fremdkörper-Riesenzellen sieht er den Beweis für die Existenz derartiger Reiz Wirkungen. Für das ge- steigerte Wachstum des Protoplasmas — also die zelluläre und nukleare Reaktion — erkennt Marchand die Annahme von erregenden Stoffen an, wie sie auch von Clemenziewicz und besonders Bier betont wurden. Er verweist auf die interessanten Untersuchungen Haberlands, dem der Nachweis von Wund- hormonen bei den Pflanzen in Form von Zerfallsprodukten der Zellen ( Gewebe - brei) gelungen ist. So sicher ein großer Teil der entzündlichen Exsudatzellen (polymorphkernige Leukozyten, Lymphozyten, Mastzellen, eosinophile Leuko- zyten und Mononukleäre) aus dem Blut auswandert, so sicher beteiligen sich das mesenchymale Gewebe, die Epithelzellen der Schleim- und serösen Häute, der Lungenalveolen an der Bildung der zelligen Elemente des Exsudates. Marchand hebt ganz besonders hervor, daß die Gefäßwandzellen sich dabei in viel höherem Grade beteiligen, als man früher annahm. Er meint, daß alle die bei der Entzündung in und an den Gefäßen auftretenden Zellen mit Aus- nahme der ursprünglich aus demMesenchym stammenden Wander- zellen des Bindegewebes (indifferente Zellen) aus Blut-Gefäßwandzellen hervorgehen, also wesentlich Elemente der vaskulären Reaktion darstellen. Die Untersuchungen von Domagk an entmilzten Ratten führten zu ähnlichen Vorstellungen. Er findet in der Leber von den Kapillaren aus- gehende Zellwucherungen in Form von kleinen Knötchen. In diesen finden sich Übergänge von Endothelzellen zu großen Mononukleären mit rundem Kern, dann folgender Einschnürung bis zu polymorphkernigen Leukozyten. Es sind durch die Reizung der Endothelzellen nach Domagk Blutbildungs- herde in der Leber entstanden und ähnliche Bilder sah er auch in der Lunge, wo die vorhandenen Endothelien eine lebhafte Phagozytose mit Bildung großer mononukleärer Übergangsformen und polymorphkerniger Leukozyten zeigen. Der oft deutlich zu beobachtende synzytiale Zusammenhang dieser Zellen mit den Endothelien beweist, daß wenigstens ein Teil aus der Kapillarwand selbst entstanden ist. Wie sich Asch off auf Grund seiner und seiner Schüler, besonders Kiyonos Arbeiten zu dieser Frage verhält, hat er selbst bereits vorne aus- einandergesetzt. Überblickt man die vielseitige Rolle des retikulo -endothelialen Systems bei den verschiedensten physiologischen und pathologischen Vorgängen, wobei wohl das nahe verwandte Gefäßendothel, besonders des Kapillargebiets, in die Betrachtungen einbezogen werden muß, so ist es von vornherein klar, daß die Schutz Wirkungen, die von da ausgehen, mannigfacher Art sein werden. In erster Linie ist es seit den Versuchen von Metschnikoff, Wyssoko- witsch u. a. die Phagozytose, der eine wichtige Rolle zugeschrieben werden muß. Kyes, Manwaring und Coe, W. Rosenthal u. a. haben sich in neuerer Zeit besonders mit der phagozytierenden Funktion der retikulo -endothelialen Zellen bzw. der Gefäßendothelien beschäftigt. Es scheint so, als ob die Auf- nahme von Bakterien unter denselben Bedingungen verläuft wie die Aufnahme kolloidaler Farbstoffe und anderer Kolloidsub- stanzen. Auch die Reiz Wirkungen auf die Zelle sind wohl dieselben; es ist 508 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. nur die Frage, wie weit der Kreis der phagozytierenden Zellen gezogen wird. Bartelatt, Ozoki, Hopkins und Parker und in jüngster Zeit ganz be- sonders Oeller, schreiben den Kapillarendothelien der Lunge eine be- sonders wichtige Rolle bei der Phagozytose zu. Oeller hat bei Meerschweinchen den zeitlichen Ablauf und die Art der zellulären Reak- tionen, die einer intravenösen Hühnerblutinjektion folgen, studiert. Infizierte er un vorbehan- delten Meerschweinchen Hühnerblut, so zeigte sich, daß das Fremdmaterial in gleicher Weise wie Bakterien durch Gefäß wandzellen, jedoch fast nur in der Milz und der Leber phygozy- tiert wurde, während die Endothelien der Lungen sich nicht beteiligten. Die Phagozytose erreicht nach 4 Stunden einen gewissen Höhepunkt, die intrazelluläre Verdauung der in den Zellen eingeschlossenen Hühnerblutkörperchen geht ebenfalls langsam vor sich, so daß nach 20 Stunden oft noch Resteinschlüsse des fremden Blutes in den Gefäßwandzellen der Milz und Leber zu finden sind. Prinzipiell anders verläuft der Prozeß bei Tieren, die schon ein oder mehrere Male vorbehandelt waren, also eine hohe Immunität gegenüber Hühnerblut besaßen. Die Zellen haben an die Blutbahn Stoffe abgegeben, die das ein- gespritzte Fremdblut jetzt fast momentan auflösen können. Vor allem aber kommt das Hühnerblut beim Immuntier schon am Ort der ersten Haftungsmöglichkeit zur Haftung und zwar in den Lungen, die das Hühnerblut bei intravenöser Verabreichung zuerst pas- sieren muß. Schon nach 3 Minuten fressen arbeitsbereite und geübte Zellen der Lungen- kapillaren die Hühnerblutreste, namentlich die Kerne auf und gleichzeitig verwandeln sich diese Phagozyten in Zellen leukozytären Typs (siehe andersartige Resultate der Aschoff sehen Schule). Ebenso wie die Hühner blutreste, meint Oeller, nehmen die Gefäßwand- zellen auch die gelösten Gifte durch Speicherung in sich auf und versuchen sie durch Verdauung unschädlich zu machen. Im allgemeinen erkennt auch er an, daß die Funktion der Gefäßwandzellen von vornherein sicher- lich nicht überall gleichwertig ausgebildet ist; am besten wird sie in Milz und Leber geübt, wo die Zellen schon physiologischerweise die Funktion der Beseitigung von Abfallstoffen erfüllen. Die Gefäßwandzellen anderer Stromgebiete aber treten erst im Falle der Gefahr oder im Falle be- sonderer spezifischer Arbeitsübung in diese Tätigkeit ein, die schon im Normalzustand angelegt, aber erst auf bestimmte Reize hin in stärkerem Maße anspricht. Ganz ähnliche Gedanken äußert Domagk. Die phagozytierende Funktion der Gefäßwandzellen speziell in den Lungen ist noch nicht allgemein anerkannt. Es werden daher weitere Untersuchungen abzuwarten sein. Immerhin scheint mir die Oeller sehe Annahme der Erweiterung des phago- zytierenden Zellgebietes bei mehrmaliger Injektion des Antigens zweifellos recht interessant zu sein. Es lohnt sich, diesen Vorgängen auch bei anders- artigen Kolloidstoffen nachzugehen. Auch nach Oeller scheint den Kapillar- endothelien der Lunge die Speicherungsfähigkeit nicht von vornherein zuzu- kommen. Erst die Sensibilisierung des Organismus weckt diese Funktion und bringt sie zu ihrer hohen Bedeutung. Experimentelle Untersuchungen von Domagk tragen ganz besonders zur Klärung der überragenden Bedeutung der Endothelien für die Abwehr von Infektionserregern durch Phagozytose und Verarbeitung eingespritzter Kokken bei und zeigen, daß sich daran namentlich die Endothelien der Leber, Milz und Lunge beteiligen. Beim vorbehandelten Tier (Maus) setzt die Phago- zytose wesentlich rascher ein und der Verarbeitungsprozeß ver- läuft schneller wie beim nicht vorbehandelten. Die Schwellung der Endo- thelien auch in der Lunge, besonders beim vor behandelten Tier, ist oft so hochgradig, daß es dadurch bisweilen zum Verschluß vieler Kapillargebiete kommt, und, wenn auch bei Mäusen relativ selten, bei Reinjektionen der Tod im Schock erfolgt. Und endlich konnte ich mit Ehrhardt zeigen, daß beim mit Serum vorbehandelten Kaninchen eine viel intensivere Speicherung von Tusche, Karmin usw. im gesamten retikulo-endothelialen System statt- Antikörperbildung. 509 findet wie beim Normaltier. Besonders fallen dabei die zahlreichen gespeicherten großen Endothelzellen in der Lunge auf. Es besteht also eine gute Übereinstimmung der Befunde. Die Sensibili- sierung führt zu einer vermehrten Funktion des retikulo-endothelialen Systems, das sich erweitert. Die vermehrte Speicherung und Phagozytose ist der sichtbare Ausdruck der Funktionssteigerung. Auch in anderem Sinne äußert sich die Bedeutung des retikulo-endothelialen Apparates, nämlich in der Möglichkeit, durch seine Blockierung die Auslösung des ana- phylaktischen Schocks bei sensibilisierten Tieren zu verhindern. Aus Versuchen von Ehrhardt und mir geht hervor, daß bei einem Teil der mit Pferdeserum sensibilisierten Kaninchen und Meerschweinchen die Vital- speicherung die Auslösung des anaphylaktischen Schocks durch die Reinjektion verhindert. Gleichzeitige Milzexstirpation steigert bei Kaninchen diesen Effekt. Bei Hunden gelang es noch nicht, dieselbe Wirkung zu beobachten. Aber die Milzexstirpation kann in diesem Sinne wirken (Mautner). Beim Meer- schweinchen scheint nur die intraperitoneale, nicht die intravenöse Speicherung wirksam zu sein. Die Erklärung ist vorerst noch nicht mit Sicherheit zu geben. Daß aber die Funktion des retikulo-endothelialen Apparates in irgend einer Weise für sie in Betracht kommt, ist nicht zu bezweifeln. 6. Antikörperbildung und retikulo endotheliales System. Von Wichtigkeit ist weiter die Frage, inwieweit das retikulo -endotheliale System sich an der Bildung der Antikörper beteiligt; hierüber liegt schon eine größere Zahl von Arbeiten vor. Seit den grundlegenden Arbeiten von Pfeiffer und Marx ist es bekannt, daß als Bildungsstätte von Antikörpern in erster Linie die Lymphdrüsen, die Milz und das Knochenmark in Be- tracht kommen; jedoch beteiligen sich auch andere Organe des Körpers, wenn auch in geringerem Maße. Wassermann und Citron wie Römer und v. Dungern fanden die Ansammlung von Antikörpern besonders an den Stellen, an denen die natürliche oder künstliche Infektion erfolgte. Die Bildung der Schutzstoffe geht hier lokal vor sich; man spricht dann von einer immuni- satorischen Umstimmung der Zellen, die mit einer erhöhten spezifischen Reaktionsfähigkeit ausgestattet sind und zu einer lokalen aktiven Immunität führen. Hierher wurde auch von jeher die erhöhte Fähigkeit der Zellen, die Bakterien zu fressen, im Sinne der Metschnikoff sehen Phagozytose -Theorie gerechnet. Seit man die große Verbreitung der retikulo-endothelialen Zellen und ihre vielseitige Reaktionsfähigkeit, vor allem durch die Speicherungsversuche kennt, hat man systematische Untersuchungen angestellt, wobei man den Einfluß mehr oder weniger hoch getriebener Speicherung mit den verschie- densten kolloidalen Stoffen auf die Produktion gewisser Antikörper verfolgte. Auch hier schwebte zunächst die Idee einer Blockierung vor, wodurch die Antikörperbildung gehindert würde. Vannucci konnte bei karmingespeicherten Tieren eine Verminderung der Agglutinin- bildung gegen Typhusvakzine feststellen und sah darin einen Beweis dafür, daß die Agglu- tininbildung im retikulo-endothelialen System vor sich geht. Besonders eingehend be- schäftigt sich Standenath mit der Frage, inwieweit es gelingt, die Präzipitinbildung bei Kaninchen zu beeinflussen, welche mit Rinderserum intravenös behandelt wurden und deren retikulo-endotheliales System durch Stapelung mit Tusche einerseits geschädigt und durch Milzexstirpation anderseits eingeengt wurde. Es zeigte sich, daß die vor der Immunisierung vorgenommene Entmilzung einen stark abschwächenden Einfluß auf die Präzipitinbildung ausübt. Entmilzte und dann mit Tusche infizierte Tiere reagieren dagegen auf nachträgliche Immunisierung sogar mit intensiverer Präzipitinbildung als die Kontroll- tiere. Auch Tuschebehandlung allein veranlaßt eine Erhöhung der Präzipitinbildung. 510 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Entmilzte Tiere, die auf die Immunisierung hin nur geringe Präzipitinbildung geben, werden nach Tuschebehandlung zu kräftigen Präzipitinbildnern. Parallel mit den Schwankungen der Präzipitinbildung geht auch der antitryptische Titer. Aus den Versuchen geht hervor, daß dem retikulo-endothelialen Apparat bei der Präzipitinbildung eine hervorragende Rolle zu- kommt; die Ausschaltung der Milz veranlaßt zunächst auch einen Ausfall an Präzipitin, er veranlaßt aber das Retikuloendothel der anderen Organe zu erhöhter Tätigkeit, besonders, wenn es durch Tuschestapelung gereizt wird. Vermutlich sind die zahlreichen Beobachtungen über die Steigerung der Antikörperproduktion durch Reizkörper aller Art , speziell durch unspezi- fische Eiweißkörper (Weichardt und Schrader, Conradie und Bieling, Lüttke u. a.), wie sie von H. Löhr ganz besonders eingehend studiert sind, in ihrem Entstehungsmechanismus auf gleiche Weise zu erklären. Sieg mund hat bei blockiertem retikulo-endothelialen System des Kaninchens, besonders bei gleichzeitiger Milzexstirpation, die Bildung spezifischer Immunkörper gehemmt resp. aufgehoben (Hämolysine und Hämagglutinine) und sieht darin einen Beweis dafür, daß die zur spezifischen Antikörperproduktion führenden biologischen Vorgänge sich zum wesentlichen Teil im retikulo-endothelialen Apparat abspielen. Bieling und Isaac haben die Hämolysinbildung bei Mäusen studiert, denen Hammelblut intravenös eingespritzt wurde. Sie stellten fest, daß Eisen-Zuckerinjektionen allein ebensowenig die Bildung von Immun hämolysin hemmt wie die Milzexstirpation allein. Eisen-Zuckerinjektionen bei Mäusen, welchen vorher die Milz herausgenommen worden war, verhinderten dagegen die Bildung von Immunhämolysin auf einmaligen Reiz hin völlig. Aus diesen Versuchen ergibt sich die Bedeutung der Intaktheit des retikulo-endothelialen Systems für die Bildung des Hämolysins. Rosenthal, Moses und Petzal fanden dagegen beim milzexstirpierten Kaninchen trotz protrahierter, massiger intravenöser Eisenbehand- lung und trotz histologisch gesicherter Eisenstapelung der Retikuloendothelien niemals eine Abschwächung, in manchen Versuchen sogar eine gesteigerte Hämolysinbildung, ähnlich wie Standenath. Hier scheint also durch die Blockierung ein funktioneller Reiz ausgelöst zu sein. Vielleicht geben die Untersuchungen von Pfeiffer und Standenath eine teilweise Erklärung für die oft noch widersprechenden Angaben über die Wirkung der Stapelung auf die Antikörperbildung. Sie zeigen, in Versuchen mit kol- loidalen Eisen-Zuckerlösungen, daß diese je nach der Art ihrer Zubereitung sehr weitgehende Unterschiede in ihrem Dispersitätsgrade haben und daß die wech- selnde biologische Wirkung der einzelnen Eisen-Zuckerlösungen durch diesen wechselnden Dispersitätsgrad ihre Erklärung findet. Es tritt so eine Ver- schiedenheit der Stapelung ein. Mit abnehmender Stabilität des injizierten Präparates steigt über ein Höchstmaß der Bauchhöhlenstapelung hinweg die Speicherung der Lungen, vermindert sich gleichfalls die der Leber, erlischt jene des Netzes und Gekröses. Je nach dem Zustand der Lösung kann ver- schieden sein die Beschaffenheit der gestapelten Eisenkörnchen (grob- und feinkörnig), sowie ihre Verteilung in ein und demselben Organ (z. B. gleich- mäßige, feinkörnige Speicherung der Retikuloendothelien der ganzen Läppchen, grobkörnige nur in der Rindenzone). Boerner-Patzelt ergänzt diese Feststel- lungen und weist darauf hin, daß die Verschiedenheit im Stapelungsvermögen nicht mit jenen Unterschieden verwechselt werden darf, die sich dadurch ergeben, daß die einzelnen Substanzen auf verschiedenen Wegen gespeichert werden. Feindisperse Lösungen scheinen am Lymphwege besser gestapelt zu werden und Nissen gibt als durchaus plausiblen Grund an, daß hier der Strom der Flüssigkeit ein langsamer sei. Dadurch wird die Aufnahme in die Zellen, die bei feiner disperser Phase an und für sich schwerer ist, erleichtert. Gröber disperse Stoffe wie Tusche und Eisen werden nur am Blutwege weitergefühlt. Aus allen diesen Versuchen geht mit Sicherheit hervor, daß dem retikulo- endothelialen System eine wichtige Rolle bei der Bildung der Anti- körper zuzuschreiben ist, und die klinischen Erfahrungen sind damit durchaus Stoffwechsel. 511 in Einklang zu bringen. Man wird aber bei weiteren Versuchen, in denen die Speicherung benutzt wird, um eine Herabsetzung oder eine Reizung dieser Funktion zu erreichen, in erheblichem Maße neben anderen wichtigen Erfahrungen (verschiedene Injektionswege usw.) auch der physikalisch-chemischen Beschaffen- heit der Lösungen selbst eine größere Bedeutung beimessen müssen. 7. Stoffwechsel und retikulo-endotheliales System1). Das retikulo-endotheliale System greift auch noch in andere Stoff wechsel- vorgänge ein. So ist von erheblichem Interesse die Beobachtung von Pfeiffer und Standen ath, daß durch wirksame Präparate von Tusche, Ferrum sacchar. und Pyrrholblau gegen eine nachfolgende intraperitoneale Vergiftung mit Trypsin und Rinderserum ein Schutz erzielt werden kann, der an die Kolloidstapelung der Histiozyten des Netzes und Bauchfells gebunden ist, gleichgültig, ob die Speicherung von der Blutbahn, von der Bauchhöhle oder von der Unterhaut aus erreicht worden war. Dort, wo diese Speicherung des Netzes und Bauchfells ausbleibt, fehlt der Schutz selbst dann, wenn die übrigen Teile des Speicherzellenapparates geladen sind. Die Stapelung der übrigen Anteile des retikulo-endothelialen System kommt für die Art des Schutzes nicht in Betracht, gleichgültig ob von der Bauchhöhle oder von der Unterhaut aus vergiftet wurde. Beim Schutz gegen Trypsin ist offenbar die Sta- pelung der Makrophagen der Bauchhöhle mit einer bestimmten Art von Granulis Vorbedingung der Schutzwirkung. Auch hier zeigt sich der biologische Unterschied der angewandten Lösungen je nach ihrem Dispersitätsgrad . Es würde zu weit führen, hier auf alle Arbeiten, welche sich mit dem Zu- sammenhang des retikulo-endothelialen Systems mit Stoff Wechselvorgängen be- schäftigen, einzugehen; einmal liegen die Verhältnisse noch keineswegs klar und dann sind auch die Beziehungen zu der Frage, die uns hier speziell inter- essiert, nämlich der Klinik des Blutes, wesentlich geringere wie bei den bereits besprochenen Vorgängen. Es sei nur erwähnt, daß Saxl und Donath neuerdings gefunden zu haben meinen, daß das retikulo-endotheliale System in innigem Zusammen- hang mit dem Wasserhaushalt stehe, das mächtige Abfangungs- und Stapelungsvermögen des retikulo-endothelialen Systems zweifellos sich auch im Wasserhaushalt hervorragend geltend mache. Die Wirkung wird vom retikulo- endothelialen System nach beiden Seiten entfaltet. Sowohl die Wasser- aufnahme aus dem Blut kann von hier aus reguliert werden, als auch das Wasserangebot des für die Ausscheidung bestimmten Wassers. Kotake, Masai und Mori untersuchten das Verhalten der Aminosäuren in vitalgefärbten Tieren und sprechen nach ihren Befunden dem retikulo- endothelialen System bei der oxydativenDesaminierung der Amino- säuren eine wichtige Rolle zu. Weit mehr erforscht ist die Bedeutung des retikulo-endothelialen Apparats für den Cholesterinstoffwechsel, vor allem durch die Arbeiten von Anitschkow und seinen Schülern und durch die grundlegenden Arbeiten von Landau und Mc. Nee, welche Aschoff und Landau dazu führten, den Begriff des ,, retikulo-endothelialen Stoffwechselapparates'' aufzustellen. Bei den Herbivoren kommt es zu einer Anreicherung des Cholesterins in der Leber (Anitschkow und Chalatow, Waltmann und Blach), während beim x) Siehe auch Abschnitt III, Kapitel Gauchersche Krankheit u. a. 512 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Menschen die Leber nach den Untersuchungen von Landau ein prompt funktionierendes Cholesterinfilter darstellt, durch das größere Chole- sterinmengen passieren, ohne dort zurückgehalten zu werden. Der Gesamt- cholesteringehalt der Leber steht in Parallelle zum allgemeinen Fettgehalt des Organs und steigt mit dessen Zunahme, ist aber prozentual relativ gering und ist unabhängig vom Grade der Cholesterinämie und der Cholesteatose der Nebennieren. Die menschliche Leber ist also Ausscheidungsorgan des Cholesterins, vielleicht auch ein Umschaltungsorgan. Dem- gegenüber liegen bei verschiedenen Tierarten weitgehende graduelle Unter- schiede vor. Diese Differenzen können durch Verschiedenheiten des allgemeinen Lipoidstoff wechseis vorgetäuscht sein oder dadurch, daß sie durch die Funktion eines schon vor die Leber geschalteten Apparates bedingt sind . Die Cholesterin- f ütterungsversuche der russischen Autoren (Anitschkow, Chalatow) bei Tieren, die normalerweise darauf nicht eingestellt sind (Kaninchen, Meer- schweinchen), verursachen nicht nur eine Äther omatose der Aorta (in- filtrativ hyperplastischer Prozeß) und eine Cholesterinanreicherung in den Nebennieren, sondern auch eine starke Cholesterinablagerung besonders in den Endothelien und Parenchymzellen der Leber, in den Milzendothelien, den Endothelien der Lymphknoten, des Knochenmarks und der Nebennierenrinde. Versuche von Anitschkow haben fernerhin ergeben, daß die Makrophagen des Bindegewebes (die Histiozyten von Aschoff und Kiyono) eine wesentliche Rolle bei der Cholesterinaufnahme spielen. Landau erinnert daran, daß bei starker Lipämie sich die Endothelien der Milz, Leber usw. mit Lipoid beladen (Lipoid- steatose der Kupfferschen Sternzellen und des Milzendothels bei Diabetikern) und ferner daran, daß ein Teil der speichernden Organe zu gleichzeitiger Erkrankung neigen (Leberzirrhose, Bantische Krankheit, perniziöse Anämie, hämolytischer Ikterus, Splenomegalie Gaucher u. a. m.). Die letzteren Krankheiten hat Eppinger, der sich besonders ein- gehend mit diesen Dingen befaßte, bekanntlich als ,,hepato-lienale Er- krankungen" zusammengefaßt. Bei allem spielt das retikulo-endotheliale System und dessen mannigfache Funktionen — vor allem die der Speicherung — eine große Rolle, welche ja auch durch die gierige Aufnahme der Vital-Farb- stoffe, des Eisens u. a. m. gekennzeichnet ist. Landau nimmt daher an, daß für den Cholesterinstoff Wechsel für die Aufnahme, Umschaltung, Retention des Cholesterins außer der Leber (Parenchym und Gallengangsepithel) auch noch das dieser vorgeschaltete Organ des,, endothelialen St off Wechselapparat es" in Betracht kommt. Auch andere Organe, wie Darm, Haut, Unterhautfett- gewebe, laktierende Mamma und das an Cholesterin so reiche zerebrospinale Nervensystem spielen im Cholesterinstoffwechsel eine große Rolle und auch hier sind es wohl wesentlich die retikulären Zellen, die den Stoffwechsel steuern . Ich beschränke mich auf diese kurzen Andeutungen. Wie schon bemerkt, hat das retikulo-endotheliale System im Eisenstoff- wechsel eine große Bedeutung als Speicherungsorgan. Am wichtigsten ist hier die Milz, deren überragende Rolle heute allgemein anerkannt ist. Asch off hat sich in seiner Abhandlung eingehend mit diesen Verhältnissen beschäftigt und ich verweise auf diese. Hier soll nur soviel gesagt sein, daß neben der Milz auch das retikulo-endotheliale System der Leber, der Lymphknoten und des Knochenmarks für die intermediäre Eisenspeicherung wichtig ist, was schon daraus hervorgeht, daß die Milzexstirpation zu einem kompensatorischen Ein- treten der anderen Teile des retikulo-endothelialen Systems führt. Darüber geben Versuche von Asher, Eppinger, Bayer, Lepehne u. a. zahlreiche Beweise. Es liegen hier ähnliche Verhältnisse vor wie beim Cholesterin. Nach Stoffwechsel. 513 Chevalier hat Blockierung der Makrophagen mit Trypanblau eine schwere Insuffizienz der Assimilation des Eisens zur Folge. Die hervorragende Rolle der Milz bei der Blutzerstörung, die im übrigen auch eine Funktion des gesamten retikulo- endothelialen System darstellt, wobei aber bei gut funktionierender Milz der andere Teil des retikulären Systems wesentlich zurücktritt, ist in der letzten Zeit besonders eingehend studiert und bewiesen worden. Sie besteht — wie ja schon aus meinen früheren Ausführungen hervorgeht — in der Phagozytose der roten und weißen Blutkörperchen und der Blutplättchen, wobei die von den retikulo -endothelialen Zellen aufgenommenen Blutbestandteile verdaut und für den weiteren Stoffwechsel vorbereitet werden. Sie besteht aber auch in der Abgabe von Blutkörperchen zerstörenden Produkten (Hämolysin usw.), welche schon außerhalb der Zellen auf die Blutkörperchen einwirken und sie evtl. zur Auflösung bringen können. As c hoff, der sich in seiner Abhandlung eingehend mit den Beziehungen des retikulo-endothelialen Systems zum Blutabbau beschäftigt, meint, daß, wenn irgendwo, hier der Satz gut, daß jede Tierart, fast möchte man sagen, jedes Tier, seine besondere Methode des Blutabbaus hat. Vieles ist hier noch ungeklärt. Ich möchte dazu nur die Untersuchungen von Bieling und Isaac anführen, welche die Bedeutung der Milz für die Aufnahme zellulärer Antigene, vor allem auch der Blutkörperchen, die Frage ihrer Aufstapelung für längere Zeit und die Bedeutung der Milz für die Antikörperbildung eingehend unter- suchten und zu bemerkenswerten Resultaten kamen. Dort, wo es sich um die Aufgabe handelt, in kurzer Zeit reichliche Mengen von Mikroorganismen, art- fremden Zellen oder geschädigten arteigenen Zellen aus dem Blutkreislauf zu entfernen, kommt es zu einer Ansammlung der zu eliminierenden Körperchen in den Maschen der roten Milzpulpa (Milzschwellung), die bei Bakterien durch reaktive Hyperämie vermehrt wird. Die antigenen Körperchen kommen evtl. bereits beladen mit fertigen Normalantikörpern in die erweiterten und nur langsam durchströmten Lakunen der Milzpulpa, in denen die Antikörper zur Wirkung kommen (z. B. intravitale Hämolyse in der Milz). Die Milz ist also Abbaustätte; bei hochvirulenten Keimen freilich genügt ihre Funktion nicht, um diese zu vernichten. In weniger ausgeprägtem Maße kommen diese Funk- tionen auch dem retikulären Gewebe anderer Organe — vor allem der Leber — zu. Die zweite Funktion ist die Phagozytose; Bieling weist mit Recht darauf hin, daß die Anzahl der zur Aufnahme anderer Zellen und Zellpartikelchen geeigneten Milzzellen viel kleiner ist, als z. B. die Menge der Blutkörperchen, welche bei der intravitalen Hämolyse in wenigen Stunden in den Milzsinus aufgelöst werden. Diese Aufnahme braucht zu ihrer Ausbildung Stunden und so kann die Ausscheidung einer größeren Menge in die Blutbahn eingebrachter artfremder Zellen praktisch bereits beendet sein, ehe sich die Phagozytose entwickelt. Das phagozytierte Antigen hält sich aber tagelang, ohne seine Antigeneigenschaft zu verlieren, in den Zellen, was vielleicht für die Intensität der in der Milz einsetzenden Antikörperbildung und -Sekretion (Agglutinine, Hämolysine) von Bedeutung ist. In Übereinstimmung mit allen anderen Untersuchern wird diese Antikörperproduktion in die Retikuloendothelien verlegt und hervorgehoben, daß auch die Retikulo- endothelien anderer Organe dieselbe Tätigkeit entfalten, was vor allem bei der Milzexstirpation eklatant wird. Auch flüssige Antigene (Toxine) ver- mag die Milz zu speichern, wobei sie ihre Wirksamkeit jedoch keineswegs rasch zu verlieren brauchen (s. a. die Versuche von Hahn und v. Skramlik). Wie es mit der Antitoxinproduktion des Retikuloendotheliums steht, ist noch nicht entschieden. Die vorne angeführten Versuche von O eil er u. a. mit Vogelblutinjektionen Blutkrankheiten. II. 33 514 A. Sohittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. gehen in derselben Richtung. Oeller spricht von Haftung der Blutkörper- chen, der dann die Hämolyse und die Phagozytose folgt. Auch hier spielt also die Produktion von Antikörpern eine Rolle. Im sensibilisierten Or- ganismus erweitern sich die Stromgebiete, in denen die Haftung zustande kommt. Dabei handelt es sich nicht nur um eine erhöhte funk- tionelle und zelluläre Reaktion, sondern auch um eine raschere und intensivere humorale Vorbereitung der Antigene durch Beladung mit Antikörpern. Asch off führt eine Beobachtung von Kusama an, wonach es zu einer enormen Fixierung eingebrachter Bakterien durch kapilläre Thromben in Lunge, Milz, Leber und Knochenmark kommt. Es ist wohl anzunehmen, daß hier wesensgleiche Dinge vorliegen. In engstem Zusammenhang mit dem Blutabbau steht die Frage der Gallen- farbstoff bildung, bei der Aschoff und seine Schüler, vor allem Lepehne, das Retikuloendothelium, besonders die Kupf ferschen Sternzellen als Bildungs- stätte ansehen, von wo aus sie an die Leberzellen abgegeben werden. Es hat sich über diese Frage eine große Literatur entwickelt, welche von Asch off in seiner Abhandlung weitgehend diskutiert wird und es haben sich Stimmen für und gegen diese Anschauungen erhoben, welche für die Erklärung des hämolytischen Ikterus, des Ikterus neonatorum und anderer Ikterusformen von Wichtigkeit sind. Es kann als sichergestellt angesehen werden, daß die Blockade des Retikuloendothels und gleichzeitige Einengung durch Milzexstirpation nicht imstande sind, die Ausbildung des Ikterus und die Art des ihn gegebenen- falls begleitenden Blutzerfalls abzuändern (Rosenthal und Mitarbeiter, Bieling und Isaac u. a.), was Aschoff auch durchaus anerkennt. Freilich hat neuerdings auch Elek bei der Nachprüfung der Frage, ob durch Blockierung der Kupfferschen Sternzellen die Bilirubinbildung beeinflußt werden kann, festgestellt, daß es gelingt, durch die Blockierung mit Ferrum saccharatum oxydat. die Bilirubinausscheidung mit der Galle herabzudrücken, wobei in- dividuelle Verschiedenheiten eine große Rolle spielen. Asch off meint, daß alle Einwände gegen die bilirubinbildende Tätigkeit des retikulo-endothelialen Systems, die man auf die morphologischen Bilder gründen will, solange hin- fällig sind, als man nicht gleichzeitig morphologische Beweise für die bilirubin- bildende Tätigkeit der Leberzellen beibringen kann. Auch Rosenthal, Moses und Petzal bemerken, daß ihre negativen Resultate mit Speicher ung und Milzexstirpation noch kern endgültiger Beweis dafür seien, daß das Primat der Gallenfarbstoffbildung auch unter den pathologischen Bedingungen des schweren Blutzerfalls der Leberzelle gehöre, da es ja durchaus möglich sei, daß auch die intensivste Speicherung nicht imstande sei, die physiologischen und pathologischen Funktionen des retikulo-endothelialen Systems völlig auf- zuheben und zudem die schon mehrfach besprochene starke Neigung zu kompen- satorischer Neubildung des Retikuloendotheliums beachtet werden muß. Seit der Niederschrift dieses Kapitels ist die Frage der extrahepatischen Gallenfarbstoffbildung weiter geklärt worden. Es hegen vor allem neue Unter- suchungen aus dem Asch off sehen Institut vor, welche Aschoff selbst zu einer eingehenden kritischen Besprechung veranlaßten, die besonders auch die bereits zitierten Arbeiten von Rosenthal und Melchior, Rosenthal und Fischer, sowie Bieling und Isaac betrifft. Er kommt zu dem Schluß, daß die von diesen Autoren gewonnenen Versuchsresultate nicht gegen die Theorie der Beteiligung der Retikuloendothelien an der Gallenfarbstoffbildung zu verwenden seien. Die Beteiligung dieser Zellen an dem Hämoglobinabbau könne eine sehr ver- schiedenartige sein. Bald kann das Hämoglobin, wie bei den Tauben, von diesen Zellen direkt aufgenommen und weiter umgewandelt werden, bald können Extrahepatische Gallenfarbstoffbildung. 515 die Zellen irgend ein Ferment an das Blut abgeben, welches die Weiterverarbei- tung des Hämoglobins im Blute ermöglicht, so daß humorale Prozesse für ge- wisse Tiere, z. B. Kaninchen, angenommen werden müssen. Auch die Art der Hämoglobinaufnahme, ob in Form der roten Blutkörperchen selbst oder in gelöstem Zustande, kann noch von Tierart zu Tierart wechseln. Bei einer solchen verwickelten Lage der Dinge ist es nach Asch off durchaus zu begreifen, daß eine relativ so rohe Methode der Zellbeeinflussung, wie sie die Speicherung darstellt, ebensogut zu Lähmungen wie zu Reizungen der Zellen führen kann, ja, daß für die verschiedenen Funktionen derselben Zelle Läh- mung und Reizung nebeneinander bestehen kann. Es ist so denkbar, daß durch die Speicherung die phagozytäre Eigenschaft für korpuskulare Ele- mente gelähmt, dagegen die Ausscheidung wirksamer Fermente erhöht wird. Aschoff weist darauf hin, daß bereits Minkowski und Naunyn die Gallenfarbstoffbildung aus Hämoglobin in denKupfferschen Stern- zellen für sicher und bewiesen hielten, daß sie aber die Gallenfarbstoff- bildung in den Leberzellen nur für wahrscheinlich erklärten. Als einzigen Grund dafür, daß die Kupf ferschen Sternzellen nicht die alleinigen Produzenten des Gallenfarbstoffes sind, führen sie an, daß ihrer Meinung nach die Zahl der blutkörperchen-phagozy tierenden Zellen, d. h. damit auch der gallen- und eisenhaltigen Zellen, in der Leber zu gering wäre, um damit die Menge der gebildeten Galle erklären zu können. Sie glaubten um so mehr an die un- zureichende Tätigkeit dieser Zellen, als sie weder in der Milz noch im Knochen- mark Gallenfarbstoffbildung in den auch dort auftretenden blutkörperchen- haltigen Zellen nachweisen konnten. Die neuen Untersuchungen von Kodama und Makino bespricht Asch off ausführlich und faßt schließlich die Versuchsergebnisse zusammen: Beim Hunde tritt nach Choledochusunterbindung zunächst verzögert reagierendes Bilirubin (Reaktion nach Hij mans van den Bergh), dann prompt reagierendes auf (Bestätigung der Angaben von Lepehne und Retzlaff). Letzteres ist erst nachweisbar, wenn sich auch histologisch die ersten Zeichen der Verstopfung der Gallenkapillaren (beim Kaninchen Leberzellnekrosen) nachweisen lassen (Kodama). Bei Toluylendiaminvergiftung des Hundes läßt sich ein die verzögerte Reaktion gebendes Bilirubin bereits zu einer Zeit im Blute nachweisen, wo von einer irgendwie erkennbaren Schädigung der Leberzellen, welche einen parapedetischen Übertritt der Galle in die Blutbahn erklären könnte, keine Rede ist; wohl aber lassen sich um diese Zeit schon sehr bemerkenswerte Ver- änderungen der Kupf ferschen Sternzellen erkennen (Kodama). Bei leber- ausgeschalteten oder leberlosen Hunden tritt nach Hämoglobininjektion oder spontan ein verzögert reagierender Gallenfarbstoff in nahezu der gleichen Zeit auf wie bei leberhaltigen Tieren (Makino). Der nach Hämoglobininjektion bei leberlosen Hunden auftretende, sicher anhepatozellulär gebildete Gallen- farbstoff ist deswegen nicht auf Resorption aus dem Darm zurückzuführen, weil sich die gleiche Gallenfarbstoffbildung nach Hämoglobininjektion bei nor- malen Tieren auch nach Unterbindung der Pfortader und Durchschneidung des Ductus thoracicus einstellt (Makino). Hiernach ist es sicher, daß beim Hunde unabhängig von der Leber und ohne Mitbeteiligung des im Darm befind- lichen Gallenfarbstoffes im Blute Gallenfarbstoff gebildet wird, und zwar in einer so beträchtlichen Stärke, daß sich daraus die täglich mit der Galle ausge- schiedene Menge derselben wohl erklären läßt; und so nimmt also Aschoff an, daß die wesentliche Bildungsstätte des Gallenfarbstoffes beim Hunde außerhalb der Leber liegt. Schon Whipple und Ho o per haben in ausgedehnten experimentellen Untersuchungen, die an normalen Tieren, an Tieren mit Eckscher Fistel und 33* 516 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo -endothelialen Systems. an Tieren, denen Leber, Milz und Eingeweide ausgeschaltet oder weggenommen waren, angestellt wurden, gefunden, daß die Veränderung von Hämoglobin im Leberpigment ebenso und in ungefähr der gleichen Zeit unter diesen ver- schiedenen experimentellen Bedingungen vor sich geht, in welchen der Kreislauf der Leber von normal zu null gesunken ist. Sie schlössen, daß Hämoglobin rasch in Gallenpigment im zirkulierenden Blut, ohne Beteiligung der Leber, verändert werden kann. Ihre Schlüsse sind nicht allgemein angenommen worden. In jüngster Zeit haben die bekannten Untersuchungen von Mann und Magath an hepatektomierten Tieren eine volle Bestätigung ergeben; sie kommen zu dem Schluß, daß das Bilirubin von einem Organ oder Gewebe ohne Mithilfe der Leber im Hundeorganismus gebildet wird. Da es auch bei Tieren im Plasma erscheint, bei welchen sowohl die Milz wie die Leber entfernt worden sind, so ist auch das erstere Organ nicht zu seiner Bildung notwendig. Es erscheint auch, wenn kein Blut in der Peritoneal- oder in anderen serösen Höhlen vorhanden ist, so daß die diese Höhlen begrenzenden Zellen auch nicht zu ihrer Erzeugung notwendig sind. Auch Bickel kommt mit Hilfe der Hepatektomie nach Mann und Magath. zu dem Schlüsse, daß beim Hunde mindestens ein großer Teil des Gallenfarbstoffs außer- halb der Leber gebildet wird. Es besteht also eine weitgehende Übereinstimmung zwischen diesen Ver- suchen und den im Asch off sehen Institut angestellten. Es erscheint auch mir danach als sicher bewiesen, daß für den Hund die extrahepatische Gallenfarbstoffbildung als sicher angenommen werden muß. 8. Proteinkörpertherapie und retikulo-endotheliales System. Die vielseitigen Leistungen des retikulo-endothelialen Systems geben uns ein klares Bild auch von allerhand therapeutischen Maßnahmen. Vieles geht schon aus den vorhergehenden Ausführungen klar hervor und braucht nicht nochmals wiederholt zu werden. Die unspezifische Resistenzerhöhung gegenüber einer bakteriellen Infektion wurde schon mehrfach in Arbeiten aus der Kochschen Schule diskutiert. Die Proteinkörpertherapie und der von Weichardt aufgestellte Begriff der ,, Protoplasmaaktivierung" haben in den letzten Jahren zu zahlreichen Untersuchungen und therapeutischen Be- obachtungen Veranlassung gegeben. Eine Zusammenfassung habe ich auf dem Würzburger Mikrobiologentag 1922 gegeben, in der ich auf die Vielseitigkeit der Wirkungen hinwies und vor allem auch darauf, daß dabei besonders die zytoplastischen Reize im Sinne Verworns von Bedeutung sind . Heute ist man unter dem Eindruck der wichtigen Erkenntnisse von der Funktion der mesenehymatischen Gewebe, besonders der Retikuloendothelien geneigt, in ihnen die besondere Quelle der Reizkörper- wirkung zu suchen. Die Beobachtungen, daß die mannigfachen Funktionen durch die verschiedensten kolloidalen Stoffe, sei es, daß sie antigenen Cha- rakter haben, sei es, daß sie von ganz anderer Art sind (Metalle, Tusche usw.), infolge der durch sie ausgeübten Reize eine Steigerung erfahren können, die durch eine erhöhte Funktion der einzelnen Zelle oder durch die Neu- < instellung weiterer funktionierender Zellen herbeigeführt wird, leitet ohne weiteres darauf hin, daß dieser Mechanismus auch die Quelle der Protein- kor per Wirkung ist. Die v. Mikulicz sehe Beobachtung von der schützenden Wirkung der intraperitonealen Verabreichung von Nukleinsäure gegenüber möglichen ! nfekl tonen des Peritoneums und andere ähnliche Beobachtungen gehen in derselben Richtung. Siegmund hat bereits ähnliche Gedanken ge- äußert. .Man darf jedoch nicht vergessen, (laß zwar bei der Reizkörpertherapie Proteinkörpertherapie. Trypanozide Stoffe des menschlichen Serums. 517 sicherlich diesem rein zellulären Geschehen eine wichtige, vielleicht die wichtigste Rolle zuzuschreiben ist, daß aber doch eine Vielheit von Reaktionen vor sich geht, deren Einwirkung auf eine Änderung der Konstitution nicht zu unterschätzen ist und somit bei der Beurteilung des Heileffektes immer in Betracht gezogen werden muß. Die humoralen Änderungen, die Änderung der physikalisch-chemischen Struktur des Blutes, sind sicherlich sekundäre Erscheinungen der zellulären Reaktionen, wie überhaupt das morphologische, chemische und physikalisch-chemische Verhalten des Blutes und der Gewebs- flüssigkeiten in weitem Maße ein Spiegelbild der Zellfunktionen darstellt, über dessen Zustandekommen wir jedoch im einzelnen noch lange nicht vollkommen aufgeklärt sind. Dazu kommen die Einflüsse auf die nervösen Organe, welche wiederum in der Lage sind, entweder direkt oder auf dem Wege über die Organe mit innerer Sekretion ihre mannigfachen Wirkungen zu entfalten. Ich muß daher nach wie vor betonen, daß die chemische Struktur der zur Wirkung kommenden Körper ebenso wie der physikalisch-chemische Zustand derselben für ihre Reaktion wesentlich in Betracht kommen werden, wenn auch Teil- wirkungen derselben im großen und ganzen gleichartig zu sein scheinen. Die Reizschwelle im Sinne Zimmers dürfte im Einzelfall das Produkt eines sehr komplizierten Vorganges darstellen, dessen Analyse für den einzelnen Reaktions- körper große Schwierigkeiten bringt. Immerhin dürfte dem retikulo-endo- thelialen System und der durch die Reizkörper herbeigeführten Steigerung seiner Funktion eine äußerst wichtige Rolle zufallen. 9. Trypanozide Stoffe des menschlichen Serums und retikulo-endotheliales • System. Die interessante Arbeit von Rosenthal über die trypanoziden Stoffe des menschlichen Serums, ihre biologische und klinische Bedeutung wirft ein weiteres Schlaglicht auf die komplizierte Tätigkeit der mesenchymatischen Organe. Es ist von Laver an gefunden worden, daß das menschliche Serum und das Serum des höheren Affen im infizierten Tierkörper (Maus) eine trypanosomen- tötende Wirkung entfaltet, die ihm aber im Reagenzglas nicht zukommt. Diese Eigenschaft beruht nicht auf einem Gehalt an Immunkörpern (Braun und Teich mann), sondern erscheint eng an die Funktionstüchtigkeit der mensch- lichen Leber gebunden, worauf als erste Ehrlich und Wechsberg die Auf- merksamkeit lenkten. Rosenthal hat durch allerhand klinische und experi- mentelle Untersuchungen, die durch Leberschädigung die trypanozide Kraft des Serums herabzusetzen suchten, die Abhängigkeit der schützenden Eigen- schaft von der intakten Leberfunktion klar erwiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß die schon von Laver an und dann von ihm mit Kleemann und Nossen festgestellte Tatsache der oft hochgradigen Armut des Neuge- borenenserums an trypanoziden Stoffen darauf hinweist, daß die Leber des Menschen zur Zeit der Geburt ein noch nicht ausgereiftes funktionell unter- wertiges Organ darstellt, welches die physiologischen Aufgaben als Bildungs- stätte der trypanoziden Serumkörper im normalen Umfang noch nicht leistet. Untersuchungen von Leichtentritt und Zielaskowski zeigen, daß bei Kindern mit Möller -Barlowscher Krankheit und ihr verwandten Krankheits- zuständen im akuten Stadium eine Verminderung, in der Rekonvaleszenz wieder ein Anstieg des trypanoziden Serumtiters festgestellt werden kann. Als die Ursache sehen sie eine Abnahme der Abwehrleistungen des Körpers an und bringen die Verringerung der trypanoziden Substanzen mit der von der Aschoffschen Schule beim Barlow angenommenen Schädigung des retikulo- endothelialen Apparates in Beziehung. Rosenthal hat mit Spitzer eine 518 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. hochgradige Verminderung, oft sogar eine völlige Aufhebung der trypanoziden Heilwirkung des Menschenserums nach Milzexstirpation und gleichzeitiger Eisenstapelung des Retikuloendotheliums festgestellt . Auch Eisenstapelung allein oder Splenektomie allein machen häufig eine Beeinträchtigung der Serum- trypanozidie bemerkbar. Es gehen daraus neue Funktionen des retikulo- endothelialen Systems im intermediären Stoffwechsel hervor. Das Menschen- serum, das im Reagenzglas keine Wirkung entfaltet, sondern erst im Tierkörper wirksam wird, muß also wohl einer Umformung unterliegen und diese Um- formung zum Heilmittel geschieht offensichtlich im retikulo- endothelialen Apparat, von dessen Funktionstüchtigkeit sie ab- hängig ist. 10. Die Beziehungen der Monozyten1) und der weißen Blutzellen überhaupt zum retikulo-endothelialen System und zu den Gefäßwandzellen. Die Frage des Übertritts histiozytärer Elemente ins Blut und ihre Beziehungen zu den großen Mononukleären und Übergangsformen Ehrlichs hat bereits Aschoff in seinem einleitenden Kapitel kurz besprochen und seinen Stand- punkt zu der Frage festgelegt. Auf Grund der Untersuchungen von Kiyono ist danach sehr wohl anzunehmen, daß wenigstens ein Teil der im Blute kreisen- den Monozyten histiozytären Ursprungs ist. In der klinischen Blutliteratur stehen sich heute zwei Ansichten schroff gegenüber. Auf der einen Seite steht Naegeli, der, wie er ja vorne selbst ausführte, für die myeloische Genese der Monozyten sich ausspricht, Pappenheim und auch Arneth treten für ihre Abstammung von den Lymphozyten ein . Auf der anderen Seite vertritt Schilling in Übereinstimmung mit früheren Ansichten von Rieux, Banti und Pate IIa den Standpunkt, daß alle Monozyten aus dem retikulo-endothelialen System stammen und dieser Auffassung traten neuerdings auch andere bei (Kaznelson, Kohn). Schilling hat den wichtigsten Hinweis für eine Sonderstellung der Monozyten als Abkömmlinge des retikulo-endothelialen Systems in der Beobachtung und dem histologischen Befund der von ihm beschriebenen Monozytenleukämie gesehen, deren Vorkommen auch durch andere inzwischen mitgeteilte ähnliche Fälle größere Wahrscheinlichkeit ge- wonnen zu haben scheint. Eine ganze Anzahl von Erkrankungsfällen, die meist infektiöser Natur sind und durch Übertragung von Person zu Person gelegentlich ein endemisches Auftreten zeigen, sind mit hochgradigen Mono- zytosen verbunden, welche die übrigen weißen Blutzellen aus dem peri- pheren Blut fast völlig verdrängen können. Es handelt sich hierbei wohl um symptomatische Monozytosen. Man hat in solchen Fällen, von denen auch ich eine ganze Anzahl beobachten und untersuchen konnte, entschieden den Eindruck, als ob hier ein gesondertes System in überragender Weise zur Reaktion käme. Die Methode der Vitalfärbung hat uns die Möglichkeit gegeben, der Frage der Abstammung der Blutmonozyten experimentell näher- zutreten, ein Weg, der bereits von Kiyono, hernach auch von anderen be- schritten wurde. Gemeinsam mit Erhardt habe auch ich versucht, mit der Methode der Speicherung in Kombination mit Reizung ein Urteil darüber zu gewinnen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß bei Tieren, denen Vitalfarbstoffe (Karmin, I rypanblau, Pyrrol usw.) oder Tusche oder Ferrum saccharat. oxyd. ') Ich verstehe im Folgenden unter Monozyten nur die großen Mononukleären und Übergangszeiten Ehrlichs und die Elistiozyten, nicht die Lymphozyten. Beziehungen der weißen Blutzellen zum retikulo- endothelialen System. 519 injiziert wurden, gespeicherte Zellen in mehr oder weniger großer Menge im Blut zu finden sind. Darüber haben alle Untersucher berichtet. Ebenso sicher ist es aber, daß nur ein gewisser Teil der Blutmonozyten — und zwar der kleinere — gespeichert erscheint, während der größere, resp. der größte Teil ungespeichert ist, selbst dann, wenn die Speicherung so hoch- getrieben wird, daß sogar einzelne polymorphkernige Leukozyten, die sonst an der Speicherung nicht teilnehmen, geringe Einschlüsse der zur Speicherung benutzten kolloidalen Substanz zeigen. Ferner muß von vornherein zugegeben werden, daß die gespeicherten Zellen, wenn man mit der Speicherung aufhört, relativ schnell wieder aus dem Blut verschwinden. Das letztere ist nicht über- raschend. Man wird wohl annehmen dürfen, daß diese Zellen ein größeres Haftungsvermögen im Sinne Oellers und Bielings zeigen und darum schnell in den Filterapparaten (Milz, Leber, Lunge usw.) zurückgehalten und abgebaut werden. Die wichtigste Frage ist natürlich die, ob die un- gespeicherten Monozyten dieselbe Genese haben wie die gespeicherten oder ob man für sie eine andere Genese annehmen muß. Es wird also notwendig sein, zunächst auf die experimentellen Untersuchungen einzugehen. Aus den letzten Jahren liegen eingehende experimentelle Untersuchungen vor, vor allem von Nissen, Rösler, Dieckmann, Domagk und besonders Simpson. Rösler hat das Blutbild von Kaninchen nach einmaligen, eventuell wiederholten Tuscheinjektionen, über die er aber keine genaueren Angaben macht, untersucht. Er berücksichtigt dabei nur das rote Blutbild, die Lympho- und die Granulozyten. Nach einer kurzen Periode von Leukopenie kommt es zu einer länger anhaltenden Leukozytose. Während er die Leukopenie als Verschiebungsleukopenie im Sinne Graf f s deutet durch Abwanderung der Leukozyten in die Organe und eventuelle mechanische Behinderung der Ausfuhr von Knochenmarkselementen unter der Einwirkung der Speicherung, betrachtet er die Leuko- zytose, bei der eine starke Neutrophilie bzw. Pseudoeosinophilie auftrat, als Ausdruck einer Knochenmarksreizung, also als myelogen bedingt. Dafür spricht auch der Umstand, daß er nach 24 Stunden öfter blutkrisenartig sehr viele unreife rote Blutkörperchen poly- chromatische, basophil-gekörnte (oft 4—5 im Gesichtsfeld) und kernhaltige rote auftreten sah (auf 500 Leukozyten 50 — 80 kernhaltige rote). In der ersten leukopenischen Phase können die Granulozyten nach wiederholten Injektionen im peripheren Blut bis auf 0,4 °/0 herabsinken, während die Lymphozyten bis 99,4 °/0 ansteigen. Das Verschwinden der Granulozyten wäre durch eine vorübergehende Blockierung des Knochenmarks zu erklären, während die Lymphozytose ein Freibleiben der Lymphdrüsen und der Lymphwege anzeige. Über die Monozyten äußert er sich merkwürdigerweise nicht. Nissen hat Kollargol (Heyden), Elektroferrol (Heyden) und Schutzkolloid (Heyden), das ein nicht näher bekanntes Eiweißabbau produkt war, injiziert. Auch er hat im wesentlichen die Erythrozyten, die Lymphozyten und die Granulozyten berücksichtigt. Er findet nach mehrmaligen intravenösen Injektionen von kolloidalem Eisen eine vorwiegend poly- morphkernige Leukozytose, aber auch Vermehrung der Erythrozyten, also ähnlich wie Rösler eine Reizung des myeloiden Apparates und eine Mehrproduktion des erythroplastischen. Mehrfache intravenöse Injektionen von Eiweißschutzstoffen führten zu einer ausgesprochenen Lymphozytose des strömenden Blutes und exquisiter Reizung des lymphatischen Gewebes unter den Zeichen starker plasma-zellulärer Reaktion in Milz, Lymphdrüsen und Knochen- mark und Vermehrung (Reizung) der Megakariozyten des Knochenmarks. Die von dem Dispersitätsgrad der kolloidalen Metallösung abhängige Speicherung des retikulo-endo- thelialen Apparates war offenkundig. Auch er hat die Blutmonozyten nicht besonders besprochen, wenn er auch einmal kurz deren Vermehrung erwähnt. Aus seinen Tabellen geht jedenfalls hervor, daß die Monozyten in drei zahlenmäßig angeführten Versuchen im Laufe der Speicherung erheblich an Zahl zunahmen. Bei Tier 1 (Elektrokollargol) von 17% auf 26%. dann wieder abfallend auf 12%, bei Tier 2 (Elektroferrol) von 12% auf 18% und bei Tier 4 (Schutzkolloid) von 9% auf 18%. Man kann also wohl sagen, daß in allen Versuchen eine durch die Injektion veranlaßte recht erhebliche Monozytose vor- gelegen hat. Dieckmann sah bei Kaninchen nach intravenöser Injektion einer Proteus- vakzine, wenn sie einige Tage fortgesetzt wurde, unter den leukozytären, reifen wie unreifen Zellen, ebenso unter den großen Mononukleären häufig wiederkehrend Exemplare, die Ein- schlüsse zeigten, welche mit Sicherheit als phagozytierte Erythrozyten, Hämoglobinscheiben und Produkte ihrer intrazellulären Verarbeitung anzusprechen waren. Dieser häufige Befund 520 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. war nur bei jungen Tieren zu erheben, ältere versagten völlig oder zeigten nur vereinzelte Erythrophagien in den großen Mononukleären. Er trat gewöhnlich nach der 2.-3. Vak- zination ein, manchmal eingeleitet durch ein vorausgehendes Ansteigen der Monozyten- zahl. Die Einschlüsse fanden sich nur in einer gewissen Prozentzahl der Gesamtleukozyten (meist 3 — 5°/o, nie über 8°/0). Häufig fanden sich Zellen mit mehr oder weniger vakuoli- siertem Protoplasma; außer Zellen mit einer oder mehr Vakuolen von der Größe eines roten Blutkörperchens waren andere zu sehen, die ein fein vakuoläres Protoplasma besaßen, wie es an großen Mononukleären schon lange bekannt ist. Histologisch fanden sich in der Milz früh (am 2. Versuchstag) eingegangener Tiere „thrombotische" Veränderungen inner- halb der maximal erweiterten sinuösen Pulpavenen; dazu kommt Schwellung und Wuche- rung endothelialer Zellen, später Auftreten großer, freier endotheliogener Elemente im Sinus- lumen, welche intensive phagozytäre Tätigkeit und einen durch die phagozytierten Elemente stark geschwollenen Zelleib zeigen. Diese Veränderungen sind besonders stark bei splenek- tomierten Tieren und die sinuösen Wucherungen greifen hier auf die Leber über, wo sich auch die adventitiellen Zellen im Interstitium an Reizung und Proliferation beteiligen. Dieckmann weist bei diesen Befunden darauf hin, daß ähnliche Einschlüsse mit Beschränkung auf die Mononukleären bei der perniziösen Anämie bekannt sind, erweist w ^ Abb. 3. Erythrophagozytose in Mono- Abb. 4. Mononukleäre mit Abb. 5. Übergangs - nuklearen, reifen und unreifen Blutleuko- Vakuolen, von denen eine form mit grob va- zyten (Kaninchen, Pappenheim sehe pan- einen zarten Rand resor- kuolärem Plasma, optische Methode). (Nach Dieckmann.) bierten Hämoglobins er- (Nach Dieck- kennen läßt. (Nach mann.) Dieckmann.) ferner auf die Befunde von makrophagozytären Blutzellen im strömenden Blut bei Endo- carditis ulcerosa hin, wie sie von Schilling beschrieben sind und als ausgeschwemmte Endothelien der Milzkapillaren aufgefaßt werden. Hierin liege eine wichtige Stütze für die Theorie der endotheliogenen Abstammung der großen Mononukleären. Wichtig ist ferner die histologische Beobachtung, daß in Milzausstrichen phagozytäre Einschlüsse in Mononukleären regelmäßig, in granulierten Zellen nie gefunden wurden. Das gleiche gilt bei großer zahlenmäßiger Differenz für Leberabstriche. In Ausstrichen des Knochenmarks waren sogar in Elementen, die als mononukleäre, Retikulum- oder Endo- thelzellen anzusprechen waren, solche Befunde äußerst selten zu erheben. Die Annahme einer makrophagozytären Betätigung granulierter Zellen fand also in den Organausstrichen keine Stütze. Dieckmann diskutiert darum die Frage, ob nicht die makrophagen weißen Blutzellen Abkömmlinge des Makrophagensystems, im besonderen der Milzendothelien, sein könnten, die ihre phagozytären Einschlüsse oder die durch sie verursachten Änderungen ihrer plasmatischen Struktur (Vakuolen) gewissermaßen als Zeichen ihrer Abstammung mit sich tragen. Unter Anführung der Anschauungen von Herzog und Ferrata scheint ihm diese Möglichkeit keineswegs abzulehnen zu sein, besonders wenn man die Neigung zu proliferativen Prozessen des makrophagen Retikuloendotheliums unter Reizung bedenkt. Versuche, die Frage mit Hilfe der Vitalfärbung zu klären (Karminspeicherung), zeigten ihm, daß hier die Speicherung in den Blutzellen eine spärliche war und nicht die schönen Bilder Lieferte, wie man sie in den Leberabstrichen sah. Er faßt seine Meinung nochmals dahin zusammen, daß unter den gegebenen Bedingungen des Experimentes zunächst eine starke Reizung des retikulo-endothelialen Systems erfolge, die in eine Wucherung, besonders der makrophagen Milzendothelien mit Schaffung einer Generation freier, aus dem Gewebsverband gelöster Zellen ausläuft. Diese Zellen gelangen aus den sinuöson Räumen der Milz in das periphere Blut, eine granuläre Weitenlrae- renzierung dieser Elemente würde dei Theorie der indirekten Myelometaplasie aus Endothel« Bellen entsprechen^. Seine experimentellen Resultate finden in dieser Theorie eine zwang- lose Erklärung. Beziehungen der weißen Blutzellen zum retikulo- endothelialen System. 521 Von besonderer Wichtigkeit ist eine Arbeit von M. Simpson, welche eine exakte Trennung der verschiedenen Monozyten versucht und dazu die Reizung des retikulo-endothelialen Systems durch verschiedene kolloidale Lösungen (Tusche, Lithionkarmin, Niagarablau, Gelatine, Gold usw.) benutzt. Aschoff führt sie ausführlich in seiner Abhandlung in den Ergebnissen an. Simpson konnte wie die anderen zeigen, daß die Reizung in Abhängigkeit von der physikalischen Struktur und nicht von dem chemi- schen Aufbau des kolloidalen Ge- misches stehe. Sie findet die Histio- monozyten immer nur für gewisse Zeit nach der Injektion im Blut; je nach der Art der angewandten Lösi i ng werden sie schon nach Stunden oder erst nach Tagen im Blut sichtbar. Die Dauer der Histiomonozytose wechselte je nach der Art des physi- kalischen Agens. Eine erneute In- jektion löste oft das Übertreten von Histiomonozyten in die Blutbahn als förmlicher ,, Schauer" aus. Auf- fallend war anderseits das oft plötz- liche Verschwinden der Histiomono- zyten. Ein Zerfall im Blut selbst oder eine Niederschlagsbildung kam kaum in Frage; es mußte sich um schnell einsetzende Arretierung der frisch gebildeten Histiomonozyten in den Milz- und Leberkapillaren handeln. Der Reiz der kolloidalen Lösungen wirkte selbst dann noch nach, wenn schon längst das ganze Material gespeichert war ; immer noch gelangten neue Histiomonozyten in die Blutbahn, die aber immer weni- ger Farbstoff und schließlich gar nichts mehr enthielten. Die Unterscheidung von Histiomonozyten und echten Monozyten gestaltete sich dann immer schwieriger. Im allgemeinen hat sie bei den Reizungen des reti- kulo-endothelialen Systems fast immer eine gleichartige Vermehrung der ungespeicherten Monozyten neben dem vermehrten Auftreten von gespeicherten Histiomonozyten beobachtet, Abb. 6. Übersichtsbild des Blutausstriches eines tuschegespeicherten Kaninchens , zwei tuschege- speicherte Monozyten. s Abb. 7. Kaninchen: Trypan- blauspeicherung in einem Mononukleären aus dem strömenden Blut. Färbung: Pappenheim. Abb. 8. Kaninchen: Doppel- speicherung. Tusche-Karmin in einem Mononukleären aus dem strömenden Blut. Fär- bung nach Pappenheim. Abb. 9. Kaninchen: Doppel- speicherung. Eisen-Karmin (Berlinerblaureaktion) in ei- nem Mononukleären aus dem strömenden Blut. während die lymphozytären Elemente keine nachweisbare Veränderung ihrer Zahl auf- wiesen. Es bestehen also Beziehungen zwischen gewöhnlichen Monozyten und Histiomonozyten. Da durch die kolloiden Substanzen neben dem retikulo-endothelialen System auch das myeloische und paramyeloische System gereizt werden, aus denen die Mono- zyten herstammen könnten, so würde natürlich möglich sein, daß aus beiden Systemen gleich- zeitig Monozyten ins Blut gelangen. Da aber Simpson zeigen konnte, daß die Monozyten oft den Histiomonozyten in ihrem Erscheinen vorausgehen oder nachfolgen, ferner, daß un- gefärbte Monozyten bei nochmaliger Farbinjektion sofort speichern, endlich, daß das Auf- treten der Monozyten in ebenso eigenartigen Perioden erfolgt wie dasjenige der Histio- monozyten, so liegt der Gedanke außerordentlich nahe, daß die eine Zellart in die 522 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. andere übergehen kann und daß es sich nurum verschiedene Funktions zustände ein und derselben Zellart handelt (Aschoff). Gemeinsam mit Erhardt habe ich selbst, ohne die Simpsonsche Arbeit zu kennen, eingehende Untersuchungen über die Frage der Herkunft der Blut- monozyten unter Verwendung der Methode der vitalen Speicherung bei Ka- ninchen und Hunden angestellt. Wir studierten zunächst den Einfluß der Speicherung] allein und stellten fest, daß regelmäßig die Zahl der Monozyten im peripheren Blut sich intensiv vermehrte. Beim Hund haben wir z. B. unter dem Einfluß einer kombinierten Tusche- und Karminspeicherung die Zahl der Monozyten von 5°/0 auf 18,3 °/0 in die Höhe gehen sehen. Beim Kaninchen waren die Steigerungen ebenso intensiv; es finden sich z. B. Werte, wo die Zahl der Mononukleären von 0,7 °/0 bei kom- binierter Anwendung von Karmin und Tusche auf 8,7 °/0 anstieg und noch höher getrieben werden konnte bis auf 14,0 °/0 durch Injektion von Kolivakzine. Gleichzeitig kam es zu einem mehr oder weniger gehäuften Auftreten von gespeicherten Monozyten im strömenden Blute, so daß einmal 28% sämtlicher Monozyten gespeichert waren, später traten auch ge- speicherte polymorphkernige Leukozyten in größerer Zahl auf. In anderen Fällen verlief der Versuch ganz ähnlich ; Steigerungen der Monozyten von 3% auf 12%, von 1,3% auf 11%, von 0,7% auf 8%, von 2,3% auf 9,3% usw. wurden beobachtet. Zuweilen zeigten auch die Mastzellen einen gleich- zeitigen intensiven Anstieg ; einmal unter dem Einfluß einer Vakzineinjektion von 6% auf 22%. Die Zahl der Leukozyten verschob sich, wie es schon von anderen her bekannt ist, es wechselten Leukopenien sofort nach der Injektion mit späteren Leukozytosen. Häufig, besonders zahlreich nach Fe -Injektionen, fanden sich kernhaltige Erythrozyten. Adrenalininjektionen hatten neben der von W. Frey beschriebenen Lymphozytenreaktion meist den Effekt, daß die Monozytenzahl zunächst sich verringerte, um dann allmählich wieder auf die alte Höhe zu steigen (Retentionserscheinung durch Kontraktion der Prä- kapillaren?). Von den weiteren Befunden ist zu bemerken, daß die Monozyten sowohl des Kaninchens wie des Hundes nur vereinzelt Azurgranula zeigten, wie sie Naegeli als regelmäßigen Befund beschreibt. Diese Azur- granula wurden dann auch in den gespeicherten Zellen gefunden. Die Kerne der Zellen waren von formaler Gleichheit, einerlei ob sie gespeichert oder un- gespeichert waren und hatten durchweg das Aussehen und die Variations- breite der Zellen, wie sie Naegeli vorne abbildet. Es fanden sich auch zuweilen zweigeteilte Kerne. Der Protoplasmasaum war bald breit, bald schmal, besonders beim Kaninchen. Die gespeicherten Histiozyten, welche wir in Milz- und Leberausstrichen fanden, hatten zu einem Teil genau dieselbe Form und dasselbe Aussehen wie die Bluthistiozyten. Die Oxydasereaktion war nur an einem Teil der Zellen positiv ; sie unterschied sich aber scharf von der Oxydase- reaktion der Leukozyten dadurch, daß die Granula viel kleiner und zarter und auch weniger zahlreich waren wie bei den neutrophilen Zellen. Eine der- artig angedeutete Oxydasereaktion fand sich sowohl in gespeicherten wie in ungespeicherten Zellen, so daß wir einen Unterschied im Verhalten nicht fest- stellen konnten. Es ist also heute mit Sicherheit zu sagen, daß unter dem Einfluß zahl- reicher kolloider Substanzen eine intensive zelluläre Reaktion vor sich geht, an der das retikulo-endotheliale System eine große Beteiligung hat. Es treten mehr oder weniger massenhaft ge- speicherte histiozytäre Elemente in das Blut über, die dann als ge- speicherte Monozyten im peripheren Blut neben ungespeicherten Monozyten zu findet] Bind. Ihr Auftreten geht häufig schubweise vor Beziehungen der weißen Blutzellen zum retikulo-endothelialen System. 523 sich und ebenso rasch kann ihre Zahl sich wieder vermindern. Daneben finden sich ungespeicherte Monozyten, die genau gleichen Charakter und gleiche Eigenschaften zeigen. Anwendung eines weiteren Reizes bei bereits gespeicherten Tieren, wie z. B. die intravenöse Injektion einer Vakzine, führt öfter zu einer erneuten akutenVermehrung der Zahl der gespeicherten Zellen im peripheren Blute. Vereinzelt findet man auch Monozyten, die Erythrozyten phagozytiert haben. Neben den typischen Monozyten (Mononukleäre und Übergangsformen) findet man gelegentlich auch Endothelzellen, die einen völlig anderen Kern zeigen und sofort als andersartige Zellformen in die Augen fallen ; sie sind jedoch im peripheren Blut nicht häufig. Einen besonders intensiven Reiz für das Auftreten vermehrter Monozyten im Blut kann die Milzexstirpation darstellen. Die Stärke der Reaktion hängt natürlich in weitem Maße von demZustand des operiertenKranken und dessen zellulärer Reaktionsfähigkeit überhaupt ab, und so braucht man sich nicht zu wundern, daß sie bei den einzelnen Fällen verschieden ist. Einen instruktiven Fall möchte ich hier kurz anführen: 17 jährige Schneiderin aus gesunder Familie. Früher nie krank. Bekommt im Anschluß resp. während der Periode, welche nach den ersten normal verlaufenden 6 Tagen sehr stark wurde, eine thrombopenische hämorrhagische Diathese, die zu einer rasch fortschreitenden Anämie führte. Die Thrombozytenzahl betrug nach wenigen Tagen 14 900, Hb 23, E. 1240 00, L. 8 400. F.I. 0,96; vereinzelt Normo blasten. Auszählung der Weißen: Neutro. 64,9%, Lympho. 22%, Eo. 2%, Mono. (Mononukleäre und Übergangszellen) 7%. Es wurde deshalb am 22. April 1923 die Milzexstirpation in der Chirurgischen Klinik vorgenommen unter anschließender Transfusion von 800 ccm Blut von der Mutter. Die Tabelle zeigt den Verlauf des Blutbefundes: Hb Erythro- zyten Leuko- zvten Thrombo- zyten Neutro. /o Lympho /o Eos. /o Mono. 18. 4. 1923 21. 4. 1923 57 26 3 100 000 1 260 000 2 800 3 800 110 900 14 400 64 69 26 22 23. 4. 1923 30 j 24. 4. 1923 33 25. 4. 1923 36 [ 11. 5. 1923 40 i 12. 5. 1923 37 15. 5. 1923 40 19. 5. 1923 54 24. 5. 1923 55 9. 6. 1923 64 18. 6. 1923 66 i 7. 7. 1923 62 2 520 3 990 3 940 3 980 3 920 3 840 3 990 4 220 4 700 8 120 6 100 22. 4 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 1923 Milzexstirpation. 29 000 12 294 114 260 123 380 105 840 106 000 110 900 122 000 178 000 259 000 286 000 9 800 10 600 7 500 5 100 1 5 200 4 900 j 4 800 4 100 7 400 10 400 8 700 68 26 3 73 13,5 3 69,5 12,5 3,5 74 11,5 2,5 60 20 5 59 19 5 50 22 2 46 28 6 37 31 13 38 38 4 47 40 3 3 7,5 13,5 12,5 15 17 26 20 19 20 Derartige Beobachtungen könnte ich noch mehrere anführen. Z. B. einen 63jährigen Patienten mit typischer perniziöser Anämie und folgendem Blut- befund: Hb 37, E. 2200000, L. 5800, Thrombozyten 70000, F.I. 1,2; Aus- strich der Leukozyten : Neutro. 52°/0> Lympho. 43%, Eos. 2,5%» Mono. 2%. Bei diesem Blutbild wurde eine Milzexstirpation gemacht. Danach zunächst ein geringes Zurückgehen der Zahl der Erythrozyten und des Hämoglobins, Auftreten einer leichten neutrophilen Leukozytose, während die Monozyten sich zwischen 0,3 und l°/0 hielten. Erst l1^ Monate später trat eine Änderung ein, die zu einem leichten Anstieg führte, so daß folgender Blutbefund zustande- kam: Hb 46, E. 2500000, L. 7900, N. 60%, Lympho. 33 %, Eos. 0,6%, Mono. 6,3%. Bei gleichbleibendem rotem Blutbild ging die Monozytenzahl bis auf 524 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. 10% m die Höhe (21/2 Monate nach der Operation). Nach 7 Monaten war der Blutbefund folgender: Hb 63, E. 3 000 000. Die Auszählung ergab Neutro. 38°/0, Lympho. 54%, Eos. 2%, Mono. 5% Beobachtungen über Vermehrung von Monozyten im Blute nach Milzexstir- pation liegen von den verschiedensten Seiten vor (Küttner, Pauliceku. a.), Naegeli führt sie an und berichtet über eigene Erfahrungen. Einen ganz beson- ders instruktiven Fall, bei dem zahlreiche erythrophage Histiozyten nach Milz- exstirpation im peripheren Blut auftraten, führt Domagk an. Er bezeichnet sie als Endothelien mit Kernen, die eine große Vielgestaltigkeit (rund, gelappt, mit Vakuolen) und die verschiedensten Einschlüsse (Erythrozyten, Leukozyten sowie Blutplättchen) zeigen. Die Abgrenzung zwischen Endothelien und großen Mononukleären scheint ihm bisweilen etwas schwierig zu sein. Experimentelle Untersuchungen haben gleichfalls erwiesen, daß die Milzexstirpation zu einer Vermehrung der Monozyten und zum Auftreten von endothelartigen Zellen führt (s. Abschnitt 5). Naegeli zitiert Azurini und Massart, welche nach Splenektomie eine Vermehrung der Monozyten und Eosinophilen schon nach 24 Stunden feststellten, und Grub er, der die gleiche Beobachtung machte. Domagk hat umfangreiche Versuche an Ratten angestellt und fand nach Splenektomie zahlreiche große Monozyten im Blut, die meist mit Erythrozyten beladen waren. Die Auszählung der Monozyten (Übergangszellen + gr. Mononukleäre + Splenozyten) ergab in den meisten Versuchen hohe Zahlen am Ende des Versuchs, in einem Versuch (Ratte VII) 34%. Blutkörperchenhaltige Zellen nach Milzexstirpation bei Ratten hat auch Lepehne beschrieben. Die experimentellen Versuche bestätigen also die Beobachtungen an splenek- tomierten Menschen und zeigen, daß die auf den Reiz der Milzexstirpation im gesamten retikulo-endothelialen System einsetzende zelluläre Reaktion genau so wie die Injektion kolloidaler Präparate zu einer vermehrten Loslösung von histiozytären Monozyten und zu deren Abwanderung in die Blutbahn führt. Die Erfahrungen mit der Vitalspeicherung haben schon Asch off und Kiy ono darauf hingewiesen, daß trotz der großen Zahl der gespeicherten Zellen, die man in dem retikulo-endothelialen System bei histologischer Untersuchung der Gewebe findet, auffallenderweise nur relativ wenig zahlreiche gespeicherte Bluthistio- zyten in der Zirkulation sich finden. Es ergab sich in den Kiy ono sehen Versuchen als Ursache, daß in den venösen Abflußwegen, vor allem der abdominalen Organe und im Blut des rechten Herzens, zahl- reiche gespeicherte Histiozyten sich fanden, die beim Durchfließen des Blutes durch die Lunge in den Lungenkapillaren hängen blieben und dort abgebaut und aufgenommen wurden. Die Lunge stellt also gewissermaßen ein Filter für die gespeicherten Histiozyten dar. In meinen mit Ehrhardt durchgeführten Versuchen habe ich die Angaben von Asch off und Kiy ono durchaus bestätigt gefunden. Die Menge der in dem venösen Blute gefundenen gespeicherten Zellen hängt offenbar von der Intensität der Speicherung und dem Zustand des Tieres ab. Bei einem Kaninchen, das mit Trypanblau durch viermalige Injektion gespeichert war, das aber noch keine gespeicherten Monozyten im peripheren Blut (Ohrvene) aufwies, fanden sich in der Vena cava und in der Vena portae nur spärliche ge- speicherte Histiozyten, obwohl die Organe selbst gute Speicherung aufwiesen. Bei einem anderen aber, welches längere Zeit doppelt gespeichert war und bei dem im peripheren Blut mehr oder weniger reichlich gespeicherte Monozyten sich fanden, konnten wir auch in der Vena cava unterhalb der Leber zahlreiche ge- speichert* Histiozyten feststellen. Wir fanden ferner in der Vena portae, im rechten, weniger im linken Ventrikel eine Anzahl gespeicherter Zellen. Bei Beziehungen der weißen Blutzellen zum retikulo- endothelialen System. 525 einem dritten Tier, bei dem eine Doppelspeicher ung mit Eisen und Karmin eingeleitet war, fanden wir in der Vena portae einige große eisengespeicherte Zellen neben viel freiliegendem Eisen; in der Vena cava inferior, vor der Leber, viel eisengespeicherte Zellen, vereinzelt auch Zellen, die Eisen und Karmin gespeichert hatten. Nach der Leber fanden sich die gespeicherten Histiozyten, und zwar solche, die nur Eisen, solche, die nur Karmin und solche, die beides hatten, in reicher Zahl; dasselbe gilt für die Milzvene. Im Blut des rechten und linken Herzens fanden sich gleichfalls gespeicherte Histiozyten, aber in geringerer Zahl. Es waren also in dem venösen Blut der Bauch - organe und der Vena cava die gespeicherten Zellen zweifellos viel zahlreicher wie in dem der Ohrvene entnommenen Blut. Unsere Feststellungen stehen mit denen von Kiyono in guter Übereinstimmung, der die höchste Zahl der Histiomonozyten in den Leber venen fand. Simpson, die gleichfalls die Verteilung der gespeicherten Histiozyten in dem Venensystem verfolgte, konnte die meisten in der Milzvene finden, dann in abnehmender Zahl in der Lebervene, Femoralvene und endlich im rechten und linken Ventrikel. ' Abb. 10. Kaninchen: Abnorm große Endo- Abb. 11. Kaninchen: Karminspeicherung thelzelle mit Vakuolen aus dem Lungenab- in einer Endothelzelle aus dem Milzvenen- strich eines try panblau gespeicherten Tieres blut. Präparat gefärbt mit Hämalaun. ohne Speicherung. Färbung: Pappenheim. Die rasche Verminderung der Zahl der gespeicherten Monozyten hat ihren Grund zweifellos darin, daß sie in den verschiedenen Kapillarsystemen, zunächst einmal — wie Asch off und Kiyono annehmen — in der Lunge, dann aber sicherlich auch in anderen Kapillargebieten abfiltriert werden, sei es dadurch, daß die Kapillarendothelien eine vermehrte Haftung im Sinne O ellers herbeiführen oder daß die infolge der Speicher ung meist in ihrem Volum vergrößerten Mono- zyten mechanisch zurückgehalten und dann verändert werden. Einen interessanten Einblick in diese Verhältnisse geben die experimentellen Untersuchungen von Domagk, der in der Lunge und in den Kapillaren der Extremitäten große mononukleäre Zellen fand, die das Lumen zum Teil verstopften. Durch den embolischen Verschluß lebenswichtiger Kapillargebiete kann sogar bald der Tod herbeigeführt werden. In einem Versuch fand sich in der Lunge ein älterer kleiner Infarktherd, von dem Domagk annimmt, daß er wahrscheinlich von einer Embolie durch losgelöste Endothelien oder vom Gefäßverschluß durch ge wucherte Endothelien herkommt. Die ins Blut, vor allem aus der Leber, welche nach der Entmilzung eine auffallende Wuche- rung der Kupfferschen Sternzellen zeigt, verschleppten Makrophagen bleiben zum Teil in den Lungenkapillaren stecken, zum Teil passieren sie diese, gelangen in den großen Kreislauf und bleiben hier besonders in den feinen Kapillaren der Haut hängen. Domagk erwähnt ferner den Befund kleiner Nekrosen 526 A. Schittenhelm: Physiologie der retikulo-endothelialen Systems. in der Leber, der besonders auffällig war, da in diesen Gebieten eine lebhafte Wucherung der Endothelien der Kapillaren erfolgt war. Er meint, daß die Nekrosen vielleicht durch Absperrung der Blutzufuhr infolge Verschlusses von Gefäßen durch gewucherte, zum Teil abgelöste Endothelien, die zu embolischem Gefäßverschluß führten, bedingt sei. Bei dem Patienten, dessen Blut er nach der Splenektomie untersucht hatte, trat im Anschluß an die Splenektomie ein Lungeninfarkt auf und es wurden im Urin rote Blutkörperchen festgestellt. Er meint, daß es sich auch bei diesen postoperativen Komplikationen vielleicht um derartige Gefäßverschlüsse gehandelt haben könnte. Im sensibilisierten Organismus kommt es zu einer gesteigerten Funktion des retikulo-endothelialen Apparates, deren histologisch greifbare Auswirkungen in den einzelnen Organen von Domagk, von Oeller und von Erhardt und mir studiert wurden (siehe S. 496 u. ff.). Es sind aber auch Veränderungen des Blutbildes festzustellen. Nach Domagk, der mit Mäusen experimentierte, denen er Kokken injizierte, zeigen die vor behandelten Tiere im ganzen mehr weiße Blutkörperchen als das Normaltier und eine etwas höhere Zahl von Leukozyten im Verhältnis zu den Lymphozyten, ferner gegenüber dem Normal- blutbild eine vermehrte Zahl von Übergangsformen und großen Mononukleären. Nach der Injektion von Kokken erfolgt sowohl beim vorbehandelten als beim nicht vorbehandelten Tier ein ganz enormer Leukozytensturz; zwei Minuten nach der Einspritzung sind zum Teil so wenig weiße Blutkörperchen vor- handen (im Halsblut), daß ein Auszählen unmöglich ist. Neben Leukozyten und Endothelzellen beteiligen sich große Mononukleäre an der Phagozytose der Kokken. Unter den Leukozyten finden sich namentlich bei den sensibili- sierten Tieren nach der intravenösen Einspritzung abnorm große Formen; während beim nicht sensibilisierten reichlich kleine Lymphozyten vorhanden sind, finden sich beim sensibilisierten große Mononukleäre. Bei den letzteren sieht man häufig Durchschnürung des Kernes in völlig gleich große runde Kerne. Das Hervorgehen gelapptkerniger Leukozyten nicht nur aus kleinen Blutbildungsherden, welche in Milz und Leber auftreten, sondern auch aus den Endothelien der Lunge ist deutlich, so daß man wenigstens bei so hoch- gradiger Beanspruchung des leukopoetischen Systems die Bildungsmöglich- keit von Leukozyten und besonders großer Mononukleärer und Übergangsformen aus den Endothelien der Leber, Milz und Lunge nach Domagk zugeben muß. Meine mit Erhardt zusammen ausgeführten Untersuchungen über Vital - speicherung bei mit Serum vorbehandelten Tieren führten zu den folgenden Ergebnissen: Bei vorbehandelten Hunden — im ganzen wurden fünf Hunde benutzt — fällt eine schnellere und gleichmäßigere Vermehrung derMonozytenim strömenden Blut, sowie ein sich gleichmäßiger steigerndes Auftreten von gespeicherten Monozyten von der dritten bis vierten Farbstoffinjek- tion an als bei nicht vorbehandelten Normaltieren auf. Etwa nach der sechsten bis achten Injektion erschienen — meist gespeicherte — große Endothelzellen. Beim Normaltier geht die Monozytenvermehrung langsamer vor sich und unter- liegt anscheinend einem größeren Wechsel, die gespeicherten Zellen treten in vermehrter Zahl erst nach der vierten bis fünften Farbstoffinjektion auf. Ge- speicherte Endothelzellen erscheinen dabei nur bei ganz hochgetriebener Speiche- rung. Die Speicherung der Tusche ist bei vorbehandelten Tieren im allgemeinen feinkörniger. Bei beiden Arten (vorbehandelte und nicht vorbehandelte Hunde) ist eine Auswirkung der Speicherung auf die Gesamtleukozytenzahl nicht zu bemerken, im Blutausstrich besteht stets eine neutrophile Leukozytose. Die Milzexstirpation bewirkt bei beiden ein vermehrtes Auftreten von Beziehungen der weißen Blutzellen zum retikulo -endothelialen System. 527 Monozyten, teilweise auch der gespeicherten Formen. Ein deut- licher Unterschied in der Speicherung der Organe besteht nicht. Bei Kaninchen — mit 4 Vergleichstieren, im ganzen 22 Versuchstiere — fand sich schon im strömenden Blut ein ganz deutlicher Unterschied zwischen vorbe- handeltem und nicht vorbehan- deltem Tier. Beim er steren tritt meist nach der ersten Farbstoff inj ektion eine Vermehrung der Monozyten auf, nach der zweiten und dritten Injek- tion bereits ein Er- scheinen gespei- cherter Formen. Sowohl die Zahl derGesamtmono- zyten wie die der gespeicherten steigt schnell im Verhältnis der Speicherung, während beim Nor- maltier die Ver- mehrung der Mono- zyten viel lang- samer vor sich geht und die ersten ge- speicherten Zel- len nach der dritten bis vierten Injektion auftreten. Bei hochgetriebener Speicherung erscheinen beim vorbehandelten Tier große, gespeicherte Endothelzellen in ganzen Verbänden (Abb. 12), wie wir sie beim Normaltier nie gesehen haben. Nur bei ganz hochgetriebener Speicherung zeigten sich beim Normaltier vereinzelte, meist ge- speicherte Endothelzellen im strömenden Blut. Die zuerst auftretende Speicherung ist besonders bei Tuscheinjektionen beim vorbehandelten Tier durchweg fein- körniger. Außerdem tritt beim vorbe- handelten Tier eine mit dem Grad der Speiche- rung zunehmende Lymphozytose sehr deut- lich hervor. Ein Unterschied in der Gesamt- leukozytenzahl besteht nicht. Die bei der Speicherung des Normaltieres uns schon bekannte zeitweise Vermehrung der Mastzellen kommt beim vorbehandelten Tier in gleicher Weise vor. Die Milzexstirpation bewirkt beim vorbehandelten Tier eine noch stärkere Ausschwemmung von Monozyten wie beim Normaltier. Alle diese Beobachtungen zeigen, daß die in den Organen ablaufen- den zellulären Reaktionen ihr Spiegelbild im Blute finden und daß Abb. 12. Gespeicherte Endothelzellen aus dem peripheren und sensibilisierten Blut eines tuschegespeicherten Kaninchens. Ein gespeicherter Monozyt. Vergr. 980fach. - -r ':.-■■ ■ m Abb. 13. Kapillare der Froschzunge bei erhaltener Zirkulation. Beladung der Wand mit Tusche. (Nach Herzog.) *r4 m 7 #> *£ -*v MRA*' i .*? i I '♦ i . - M * •*•***. ' r*^i •f..V Abb. 14. 1. Stark mit Tusche beladene Gefäßstrecke. Abwanderungen von tuschehaltigen Zollen an einer Seite (Mi. .Januar). 2. Das gleiche Gefäß am 19. Januar. Die Tusche ist zum größten Teil abtransportiert. .'5. 21. Januar: Das Gefäß selbst nicht mehr erkennbar, zahlreiche tuschehall ige Zellen in der \ rmeebung. Eine Zelle enthält ein rotes Blutkörperchen. Die roten Blutzellen, die durch Diapedese ins Gewebe gelangt sind, sind durch Umriß- linien angedeutet. (Versuche an der Froschzunge nach Herzog.) Beziehungen der weißen Blutzellen zum retikulo-endothelialen System. 529 bei sehr heftigem Verlauf dieser Reaktionen und bei Überschwemmung des Blutes mit histiozytären Elementen, besonders wenn sie gespeichert haben, die Haftung der gespeicherten Monozyten in den Kapillargebieten eine sehr intensive ist und sogar zu Schädigungen zu führen vermag. Der Organismus ist aber bestrebt, so rasch wie mögHch normale Verhältnisse herzustellen und dieses Bestreben kann in allen Versuchen immer wieder verfolgt werden. Der Umstand, daß nicht alle Monozyten Speicherung zeigen, sondern nur ein kleinerer Teil, ist nicht weiter erstaunlich. Wie ja schon vorne ausgeführt (: &A Ä^j^-iJ* -y€ Abb. 15. Entspricht der in Abb. 14 wiedergegebenen Gefäßstrecke im Schnitt. Diapedese von roten Blutzellen. Zahlreiche tuschebeladene Zellen im Gewebe, zum Teil mit phago- zytierten roten Blutzellen. Einzelne typische Leukozyten. Die Kapillare selbst ist in einen Zellstrang umgewandelt. (Häm. Eos. [Seifert, Ölimmers., 1/12, Ok. 0].) (Nach Herzog.) wurde, beteiligen sich an der Speicherung keineswegs sämtliche Gebiete des Retikuloendothelsystems gleichmäßig und dann sind auch nicht sämtliche Zellen eines Gebietes gespeichert. Der Reiz der Speicherung, ebenso wie der der Milz- exstirpation, führt zu einer raschen Neubildung junger Zellen, vor allem für die gespeicherten Zellen, welche sich aus dem Verband lösen und weiter- wandern. Bei der Milzexstirpation gibt die Entfernung des wichtigsten Organs für die Blutmauserimg zunächst vielleicht Anlaß dazu, daß eine über das Normal- maß hinausgehende Anzahl zum Untergang bestimmter Erythrozyten im Blute kreist, die, wenn die Kupf ferschen Sternzellen ihre Umstellung zur Milzfunktion beendet haben, nun plötzlich eine rege zelluläre Reaktion in dem retikulären Gewebe der Leber veranlaßt (Domagk), so daß es dann zu ähnlichen Erschei- nungen kommt, wie wenn kolloide Stoffe injiziert worden wären. Blutkrankheiten. II. 34 530 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. Über Endothelien im Blute ist mannigfach geschrieben worden. Ich habe schon oben erwähnt, daß man zweifellos im Blute Endothelien finden kann, welche mit den Histiozyten und Monozyten nichts gemeinsam haben (Fr. Kraus u. a.). Ich muß aber mit Domagk und Suderhelm daran zweifeln, daß die Bittorfsche Ansicht, der auch Heß beitrat, wonach Reiben des Ohrs zu einer Ablösung von Endothelien der Ohrkapillaren und damit zu einer Vermehrung führen könnte, eine richtige Vorstellung ist. Schilling, Lucey, Wollenberg beschrieben gleichfalls derartige Beobachtungen. Aber auch Schilling spricht die Ansicht aus, daß es sich hierbei um Anschoppung kreisender Monozyten in den kühlen und stagnierenden Ohrgefäßen handelt, die dann beim Reiben und Drücken weiter befördert werden. Ich selbst konnte in zahlreichen Ver- suchen niemals eine erheblichere Vermehrung der Monozyten durch Reiben nachweisen und konnte mich auch wie Schilling nicht davon überzeugen, daß in den peripheren Gefäßgebieten histologisch Endothelwucherungen zu finden waren. Alle experimentellen Erfahrungen, vor allem die Domagkschen histologischen Befunde, die ungleiche Verteilung in den einzelnen Blutgebieten, sprechen dafür, daß die Monozyten unter Umständen sich in gewissen Kapillar- gebieten vorübergehend oder definitiv ansammeln können. Auf diese Weise wird eine Vermehrung evtl. vorgetäuscht. Interessant sind die Untersuchungen von F. Herzog, der zeigen konnte, daß beim Frosch nicht nur die Retikuloendothelien der Milz und Leber, sondern auch andere Endothelien phagozytäre Eigenschaften haben. An den Kapillaren der Froschzunge sieht man die Endothelien sich mit Tusche beladen. Sie lösen sich ab und gehen in die Blutbahn, wo sie zum Teil sogar in Verbänden nachweisbar sind. Daneben erfolgt nach längerer Zeit auch eine Abwanderung der gespeicherten Endothelien ins Gewebe und. es läßt sich nachweisen, daß es sich dabei nicht um Adventitiazellen handelt (hierzu Abb. 13- — 15). Daß ähnliche Verhältnisse, also Speicherung von Gefäßendothelien weiter peripherer Bezirke auch für das höhere Tier gelten, scheint mir nicht sehr wahrscheinlich zu sein. In Versuchen mit Erhardt suchten wir durch Quetschen und Massieren der Ohren hochgespeicherter Tiere die Zusammensetzung des Blutpräparates zu beeinflussen. Einen Unterschied in der Zahl der Monozyten und der gespeicherten Formen konnten wir nicht finden. Vor allem sahen wir danach nie Endothelzellen im Präparat. Was die Rolle der Gefäßwandzellen bei der Bildung von Blut- zellen anbelangt, so sei ganz besonders auf die wichtige Arbeit von Herzog hingewiesen. Auch er betont die Bedeutung der verschiedenen funk- tionellen Reize, die unter verschiedenen ursächlichen Einwirkungen aus den Gefäßzellen, vorzüglich den Gefäßwandzellen verschiedene, mehr oder weniger für die betreffende Ursache charakteristische Zellformen hervor- gehen läßt. Die Gefäßwand zellen bilden nach ihm ein Gewebs- system, das normalerweise und bei entzündlichen Vorgängen je nach den Umständen verschiedene Zellformen zu liefern im- stande ist. Er macht keinen genetischen prinzipiellen Unterschied zwischen einem im Gewebe gebildeten Spezialgranulozyten und einem aus dem Knochenmark stammenden. Sie sind durchaus art- gleich. Die Tatsache der histiogenen Granulozyten und Histiozyten im Blut schließl die Auswanderung von solchen Leukozyten aus dem Blut keineswegs aus. Die Leukozyten werden im Blut keineswegs lediglich transportiert und bei entzündlichen Prozessen veranlaßt nicht nur der Ausfall der auswandernden Leukozyten das Wuliereint reten von Leukozyten ins Blut, vielmehr werden die aus dem lokalen entzündlichen Prozesse in die Lymph- und Blutbahn und damit in die blutbildenden Organe gelangenden toxischen und andersartigen Beziehungen der weißen Blutzellen zu den Gefäßwandzellen. 531 Stoffe hier eine reaktive Neubildung von Leukozyten und eine reaktive Neu- einschwemmung von solchen ins Blut nach sich ziehen. Durch Vermittlung der blutbereitenden Stätten vermag auf in das Blut eingedrungene schädliche Stoffe auch das Blut selbst zu reagieren und zeigt den verschiedenen Ursachen ent- sprechend eine unterschiedliche Zusammensetzung. Herzog geht sogar soweit, anzunehmen, daß man in der Ausgestaltung der Zellen bei näherem Vertrautsein mit den Formen nicht selten eine zweifache Funktionswirkung zu erkennen vermag. So mögen zur Entstehung der kleinen Granulozyten mit lymphozyten- artigen Kernen Reize, wie sie die danebenliegenden kleinen Lymphozyten der rundzelligen Infiltrate hervorbringen, sich mit solchen, die die Entwicklung von Granulozyten hervorrufen, zu kombinieren. Herzog denkt dabei besonders an die kleinen Eosinophilen um Zystizerken herum. Hierher gehört in gewissem Sinne auch die Entwicklung von Spezialgranula in einkernigen Bindegewebswanderzellen oder in großen Elementen mit Kernen vom Endotheltypus. Bei einem durch große Kollargoldosen vergifteten Kaninchen sah er im regenerierenden Knochenmark große einkernige Markzellen, deren Protoplasma teilweise Kollargol ge- speichert, teilweise Granula entwickelt hatte. Auch Phagozytose von Fremdkörpern oder Zellresten und Granulabildung kann sich unter Umständen in einer Zelle vergesellschaften. Bei seinen Kieselgurversuchen fielen ihm nicht selten ein- und mehrkernige Zellen auf, die phagozytiert hatten und außerdem so hochgradig basophil waren wie die benachbarten Plasmazellen und ihre Vorstufen. Die Gefäßwandzellen bedeuten also nach Herzog ein überall im Körper vorhandenes Gewebssystem, das, ausgestattet mit den Fähigkeiten eines pluripotenten Keimgewebes, für Entwicklung und Wachstum zellige Gewebe aller Art zu liefern und bei der Ab- wehr von Schädlichkeiten mit der Produktion verschiedener, für die betreffendeNoxe mehr oder weniger charakteristischer Elemente zu reagieren imstande ist, Erkrankungen allgemeiner Art vielfach gerade an seinen krankhaften Leistungen erkennen läßt und schließ- lich Geschwülste bilden kann, die ihrer Struktur nach alle normaliter mög- lichen Abkömmlingsgewebe in verzerrter Weise und oft miteinander vermischt wiedergeben (hierher gehören auch die Leukämien usw.). Soweit Herzog. Die Annahme eines pluripotenten Keimgewebes, das sich aus der frühembryonalen Zeit im Organismus erhalten hat, ist der wichtigste Punkt für die Erklärung zellulärer Kompensationen bei gesteigerten physiologischen oder pathologischen Vorgängen. Bei der Blutbildung, die normalerweise in den bekannten Bahnen vor sich geht und bei der die Stätte der Bildung der einzelnen Blutformen eine begrenzte ist, wird das schlummernde Keimgewebe ein wichtiger Faktor, sobald außergewöhnliche Ansprüche an den Organismus herantreten, welche zu ihrer Bewältigung eine rasche Vermehrung gewisser Zellformen erfordern. Wie sehr dieser Gedanke allerorts aufgenommen wird, habe ich schon oftmals hervorgehoben (siehe auch Abschnitt 5). Zuweilen kommt es zu einem vermehrten Wachstum einzelner Zell- systeme, bei denen dann die Kolonisation besonders deutlich hervortritt. Dahin gehören die bekannten Leukämien und Aleukämien des lymphatischen und myeloiden Systems, ferner die von Schilling als gesonderte Form auf- gestellten Monozytenleukämien. An Hand eines autoptisch sehr genau untersuchten Falles von Endothel hyperplasie als Systemerkrankung weisen Goldschmidt und Isaac darauf hin, daß bei diesem eine gewisse Analogie zur Gaucher- Schlagenhauf ersehen Erkrankung bestehe mit dem Unterschied, daß bei dieser eine Proliferation der retikulären Zellen der blutbildenden Organe eingetreten ist, bei der von ihnen beschriebenen Krankheit aber eine solche der Endothelien. Das von Ewald als leukämische Retikuloendotheliose beschriebene Krankheitsbild geht in derselben Richtung. Die genauere Kenntnis 34* 532 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. dieser verschiedenen Systeme wird in Zukunft sicherlich dazu führen, daß die bis jetzt vorliegenden vereinzelten Beobachtungen ein festeres Gefüge erhalten. Das Blut gibt in jeder Beziehung das Spiegelbild der Zelltätig- keit. Seine Zusammensetzung wird stets von seinen Ursprungsstätten her bestimmt, die besonders unter gesteigerten physiologischen und pathologischen Verhältnissen wesentlich weiter gefaßt werden müssen als man in der Klinik seither annahm. Man hat der sog. physikalisch- chemischen Struktur des Blutes neuerdings große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie ist in mancher Beziehung, z. B. für die Diagnose, sicherlich von großem Interesse. Wichtiger aber wäre die Erkenntnis der Vorgänge in der Organzelle, welche die jeweilige physikalisch- chemische Struktur bestimmen. Die Verschiebungen des weißen Blutbildes und deren genaue Analyse müssen in der Klinik weitgehendst Berücksichtigung finden, weil sie die Möglichkeit geben, wichtige diagnostische und prognostische Schlüsse zu ziehen. Aber auch hier gewinnen wir nur ein klares Bild, wenn wir die Quellen, aus denen die einzelnen Zellarten fließen, kennen und befähigt sind, aus der eigenartigen Verschiebung jeweils die richtigen Schlüsse auf die dahinter stehende Zelltätigkeit zu ziehen. Hier ist noch vieles unklar, weil die Quellen noch nicht genügend erforscht sind. 11. Blutbildung, speziell Bildung von Monozyten und Phagozytose, in der Carell sehen Gewebskultur. Daß die Monozyten aus den Retikuloendothelien abstammen können, erscheint nach den zahlreichen neueren Untersuchungen von Marchand, Aschoff, Kiyono, Herzog, Maximow u. a. sehr wahrscheinlich, wenn nicht sicher. Ich brauche mich hier nicht damit zu beschäftigen, nachdem sich Asch off schon im ersten Kapitel darüber geäußert hat. Ich möchte hier nur ganz kurz die neueren Veröffentlichungen über Gewebskulturen streifen, wie sie zur Aufklärung der Abstammung der Blutbestandteile vor allem von Carrel und Ebeling und von Maximow angestellt wurden. Maximow prüfte das Verhalten des lymphoiden Gewebes im Explantat durch die Gewebskultur. Dabei fand er in den frühesten Stadien des Lebens des lymphoiden Gewebes außerhalb des Organismus in demselben mit großer Klarheit und Schärfe drei distinkte Zellarten hervortreten — Fibroblasten, Retikuloendothelien, Lymphozyten. Beifügung von Knochenmarksextrakt zum Nährmedium stimuliert stark die Entwicklung aller dieser Zellarten. Die Fibroblasten hypertrophieren, fangen am zweiten Tage zu wuchern an und dringen in radiärer Richtung als spindel- oder spießförmige Zellen ins Nährmedium; mit ihrem dichten und lockeren netzartigen Geflecht bilden sie die Grundlage der sich allmählich verbreiternden wachsenden Zone des neugebildeten Gewebes. Die Retikulumzellen verwandeln sich in polyblastenähnliche, große amöboide Zellen, in phagozytäre Makrophagen, die ebenfalls mitotisch wuchern und zum Teil in großen Mengen ins Nährmedium emi- grieren, zum Teil im Gewebe bleiben und hier besonders stark hypertrophieren. In vielen Fällen bilden sie infolge besonders energischer Vermehrung große Reinkulturen schwebender amöboider Zellen in der das Explantat aus dem Fibringerinnsel bedeckenden Flüssigkeit. Die Lymphozyten sind die am wenigsten widerstandsfähige Zellart, von denen die ins Nährmedium auswandernden Exemplare stets zugrunde gehen. In den mit gewöhnlichem Plasma bereiteten Kulturen machen sie im Explantat keine besonderen Veränderungen durch; in Kulturen mit Knochenmarks- extrakl aber offenbaren sie im wachsenden Gewebe eine hohe Lebensfähigkeit, vermehren und entwickeln sich progressiv und können sich zusammen mit Blutbildung in der Carell sehen Gewebskultur. 533 freien schwebenden Retikulumzellen in erweiterten Gefäßen, Sinusteilen oder in der das Explantat bedeckenden Flüssigkeit anhäufen. Unter bestimmten Versuchsbedingungen sterben die Retikulumzellen und die Lymphozyten aus und es bleibt eine Reinkultur von Fibroblasten übrig. Unter anderen Versuchsbedingungen entwickeln sich außer den Fibroblasten auch die Retikulumzellen und auch die Lymphozyten bleiben am Leben. Maximow verweist auf die Anschauung von Marchand, daß das retikuläre Bindegewebe die Bedeutung eines auf jugendlicher Stufe stehenden Mesenchym- gewebes habe, welches jederzeit fähig ist, neue junge indifferente Zellen zu pro- duzieren. Auf diesem Standpunkte stehen bekanntlich auch Hueck, Herzog u. a. Damit stimmen weitere Versuche von Maximow gut überein. Danach entstehen im Explantat des lymphoiden Gewebes unter den Augen des Be- obachters Fibroblasten und Retikulumzellen aus dem unscheinbaren hellkernigen Zellsynzytium des retikulären Stromas, das also die gemeinsame indifferente Quelle sowohl für echte Fibroblasten als auch für mobile phagozytische poly blastische Retikulumzellen darstellt. Es ist ein mesenchymales Syn- zytium mit großer mannigfacher prospektiver Entwicklungspotenz, das von embryonalen Zeiten her bis in den erwachsenen Organismus seinen pri- mitiven indifferenten Charakter bewahrt. In normalen und noch viel mehr unter anormalen Reizen, z. B. bei Entzündung, vermag es je nach Bedürfnis fixe und freie Retikulumzellen in größerer oder geringerer Menge abzuspalten. Die in vitro einmal entstandenen typischen Fibroblasten sind am Ende ihrer Entwicklung angelangt und nicht mehr reversibel; anders die Retikulum- zellen, die den größten Teil ihrer ursprünglichen Entwicklungs- potenzen ungeschmälert erhalten, so daß aus ihnen sehr ver- schiedenartige Entwicklungsprodukte entstehen können. Sie ent- falten in den Kulturen mit gewöhnlichem Plasma eine deutlich aktive Tätigkeit, wandern sehr früh in das Plasma in großen Mengen aus und können sich weit im Gerinnsel verirren. Im Gegensatz zu den Lymphozyten bleiben sie voll- kommen lebenskräftig und teilen sich mitotisch. Sie sind also imstande, im isolierten Zustand außerhalb des Gewebes im Nähr medium zu existieren. Sie verwandeln sich in amöboide, phagozytierende, oft epitheloide Polyblasten oder Makrophagen; bei Zusatz von Knochenmarkextrakt geht diese Entwick- lung viel üppiger vor sich. Aber auch die Lymphozyten können sich nach Maximow sowohl bei aseptischer Entzündung wie bei Knochenmarkzusatz zur Kultur weiterentwickeln zu großen amöboiden phagozytischen Zellen — sog. Polyblasten (Makrophagen) — . Sie müssen besonders intensiven formativen Reizen ausgesetzt sein, um diese Entwicklung zu nehmen, was im Organismus dadurch geschieht, daß sie zuerst ins Blut gelangen, durch dessen Milieu sie gewissermaßen sensibilisiert werden. Sie gewinnen dabei die Eigenschaft, Karmin zu speichern, immer mehr. Maximow gelangt also im Gegensatz zu den Angaben von Asch off und Kiyono in Übereinstimmung mit Downey zu dem Schluß, daß die farbstoffspeichernden Elemente des lympho- iden Gewebes, die Retikulumzellen, mit den vital nicht oder nur zum Teil färbbaren lymphoiden Zellen, den großen und kleinen Lymphozyten und Monozyten in sehr engen und mannigfachen verwandtschaftlichen Beziehungen stehen. Es mag noch angeführt werden, daß Maximow in Kulturen lymphoiden Gewebes bei Zusatz von Knochenmarkextrakt zuweilen auch die Entwicklung von Pseudoeosinophilen und eosinophilen Myelozyten, in seltenen Fällen auch die von Megakariozyten gesehen haben will, welche aus den großen typischen Lymphozyten und in seltenen Fällen auch aus Retikulumzellen entstehen sollen. Er kann dann alle Entwicklungsstufen bis zum typischen granulareichen Myelozyten mit 53-4 A. Schittenhelm: Physiologie des retikulo-endothelialen Systems. hufeisenförmigem Kern verfolgen. Zur Bildung reifer polymorphkerniger Leuko- zyten kommt es wohl infolge der beschränkten Lebensdauer der Kulturen nicht. Maximow sieht in diesen Kulturresultaten einen Beweis für die unitarische Auffassung der Blutbildung. Auch Busse sah in Gewebskulturen Lymphozyten und myeloide Zellen aus einer Stammzelle hervorgehen. Es muß hier sofort gesagt werden, daß Großmann auf Grund seiner Erfah- rungen mit Knochenmarkskulturen die Metamorphose bestreitet und sich der Ansicht Aschoffs anschließt, daß der positive Beweis eines Übergangs von Lymphozyten in Histiozyten nirgends erbracht sei. Die Wirkung typischer histiozytärer Wanderzellen kann dagegen beobachtet werden. Auch Erdmann kritisiert auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen an Kulturen stark die Maximow- schen Resultate und meint, daß eine Nachprüfung unbedingt notwendig sei. Da- gegen erkennt sie an, daß von allen Beobachtern (Maximow, Erdmann und Großmann) gezeigt worden sei, daß das erwachsene Knochenmark, nach- dem die Blutzellen verschwunden sind, alle Zellen aus sich hervorbringen könne, die man sonst aus dem Mesenchy mgewebe entstehen läßt. Diese Zellarten sind sog. echte Endothelzellen, phagozytierende Retikulum- zellen und Fibroblasten selbst. Dabei ist es erwachsenes Gewebe, aus dem diese Formen entstehen. Das Grundgewebe ist also ein echtes Keimgewebe. Von Interesse sind weiter die Reinkulturen von großen mononu- kleären Zellen, welche Carrel und Ebeling gezüchtet haben. Auch sie arbeiten wie Maximow mit wachstumsfördernden Stoffen, die sie „Trephone" nennen. Es sind das von Zellen ausgeschiedene Substanzen, die auch in Extrakten von embryonalem Gewebe, von Drüsengewebe und von Leukozyten der er- wachsenen Tiere gefunden und aus ihnen dargestellt werden können. Sie ver- mochten ferner eine Reinkultur von großen mononukleären Zellen aus dem strömenden Blut anzulegen, und dasselbe gelang ihnen mit Lymphozyten. Die Methode der Gewebskultur, die von Carrel eingeführt wurde und die Entdeckung der Trephone durch Carrel, Ebeling und Fischer sind zweifellos geeignet, auf dem so viel umstrittenen Gebiete der Frage der Blutbildung eine Entscheidung herbeizuführen. Alles drängt dahin, diese Frage einer erneuten Revision zu unterziehen. Die histologischen Untersuchungen der normalen und pathologischen Anatomie haben immer mehr die vielseitigeTätigkeit und Entwicklungsfähigkeit der mesenchymalen Gewebe gezeigt und ihre Wandlungsfähigkeit bei funktioneller Anpassung in physiologi- schen und pathologischen Zuständen. Wir sind heute in der Lage, vor allem die Vorgänge, die sich im retikulo-endothelialen System und an den sich ihm eng anschließenden Gefäßwandzellen abspielen, einigermaßen zu verfolgen. In einer soeben erschienenen Arbeit weist. Lu bar seh auf Beobachtungen über Vorkommen von phagozytären Vorgängen in Gewebskulturen hin, wie sie allerdings spärlich von amerikanischen Forschern, von Maximow, sowie von anderen russischen Untersuchern vorliegen. Lu bar seh hat selbst V< rauche in dieser Richtung angestellt. Wenn man Farbstoffe dem Nährboden zusetzt oder Spaltpilze, wie Tuberkelbazillen, so kann man eine Aufnahme dieser Teile nur in wachsende Zellen beobachten, besonders in die büschelförmig oder garbenartig aussprossenden Stützgewebszellen, aber auch gelegentlich in Epithelzellen; ja es kommt sogar zur Bildung gleichartiger Fremdkörperriesen- zellen, wie man sie in den mit dem Körper in Zusammenhang stehenden Ge- weben antrifft. Mitunter- findet man auch mal Zerfallsprodukte (Fasern usw.) der im Nährboden zugrunde gehenden Teile des überpflanzten Gewebsstücks in wachsende Zellen eingeschlossen. Unter Berücksichtigung der Versuche Mareliands über die Fremdkörperentzündung und anderer Beobachtungen kommt Lubarsch zu der Ansicht, daß ein überwältigendes Tatsachenmaterial Symptomatische Monozytosen. 535 vorhanden sei, das beweise, daß die Phagozytose seßhafter Gewebszellen vor- wiegend in dem Zustand erfolge, in dem sie eben nicht ganz seßhaft, sondern in Bewegung begriffen sind. Phagozyten sind keine besondere Klasse von Zellen, sondern stellen nur Tätigkeitszustände solcher aus besonderen Anlässen dar. Es gibt keine Zellart (die Ganglienzellen und Knochenkörperchen aus- genommen), die nicht gelegentlich als Phagozyten auftreten kann. Voraus- setzung ist nach Lubarsch eine gewisse Lockerung des Zell Verbandes, der den Zellen gestattet, sich freier zu bewegen. Daher phagozytieren die Zellen, die nicht in festen Zellverbänden leben, wie die hämatogenen und histiogenen Wander- zellen (Endothel- und Adventitiazellen), in erster Linie (,, obligate Phago- zyten"), während die in festen Verbänden lebenden Zellen (die seßhaften fixen Gewebszellen) nur als „fakultative Phagozyten" zu bezeichnen sind. Den Vorgang der Phagozytose betrachtet Lubarsch zum mindesten in der über- wiegenden Mehrzahl der Fälle als einen aktiven Vorgang. III. Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Von Alfred Schittenhelm Kiel. Mit 7 Abbildungen. 1. Symptomatische Monozytosen. Auf das Auftreten symptomatischer Monozytosen hat man früher kein besonderes Augenmerk gerichtet. Man wußte wohl, daß bei einzelnen Krank - heitszuständen die großen Mononukleären und Übergangsformen sich mehr oder weniger vermehrten. Da man diese aber genetisch bald mit den Granulo- zyten, bald mit den Lymphozyten in Zusammenhang brachte und sie auch von diesem Zusammenhang aus betrachtete, da überhaupt ihre Herkunft unklar war, so war das Interesse an ihnen nicht groß. Seit aber die Frage ihrer Abstam- mung aus dem retikulo-endothelialen Gewebe resp. den Gefäßwandzellen stark in den Vordergrund rückt, sind sie auch Objekte vermehrten Studiums und werden vielleicht allmählich eine andere Bedeutung gewinnen. Es ist vor allem Schilling, der mit besonderer Schärfe die Abstammung der Monozyten von dem retikulo-endothelialen System betont und die Monozyten gewissermaßen als dritte Form der weißen Blutzellen gesondert neben die Lymphozyten und Granulozyten stellt. Seine Auffassung, der von Naegeli widersprochen wird, hat Anhänger gefunden (Wollenberg, Schienner, Kohn u. a.). Auch Heß äußert sich gelegentlich seiner Untersuchungen über Suprarenin und weißes Blutbild, wobei Lymphozyten, Polymorphkernige und Monozyten gesonderte, voneinander unabhängige Schwankungen zeigen, dahin, daß hierin ein gewisser Beweis für die Annahme eines eigenen Systems auch für die Monozyten gesehen werden könne. Daß eine übermäßige Monozytenreaktion auf eine Überpro- duktion mesenchymaler Zellen zurückzuführen sei, glaubt auch Hof mann auf Grund seiner klinischen Beobachtungen. Ich selbst neige gleichfalls stark zu dieser Auffassung, zu der mich einmal das eingehende Studium des ganzen Gebietes, wie ich es soeben dargestellt habe, anderseits meine eigenen mit Erhardt unternommenen experimentellen Untersuchungen und endlich auch eine große Anzahl klinischer Beobachtungen geführt hat. Der lückenlose Beweis für die gleichartige Abstammung aller Monozyten des Blutes ist freilich noch nicht erbracht. Manches spricht dafür, manches scheint jedoch anderseits darauf hinzuweisen, daß das, was wir als Monozyten bezeichnen, aus verschiedenen Quellgebieten (Retikuloendothel, myeloides Gewebe, lymphatisches Gewebe) herkommt. Hier wird nur unermüdliche Forschung weiter bringen. 536 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Naegeli hat bereits in dem einleitenden Kapitel über Blutmorphologie die Monozyten genügend charakterisiert. Ich kann dem völlig beitreten, was er über Protoplasma und Kernform sagt. Die feinkernige Granulation, welche Naegeli als spezifisch nur den Monozyten eigen beschreibt (Monozyten- granulation), konnte auch ich finden. In meinen gemeinsam mit Erhardt durchgeführten Untersuchungen zeigte sich, daß diese Granulation offenbar kein ganz regelmäßiger Befund ist, sondern daß es in ein und demselben gefärbten Blutpräparat Monozyten mit und Monozyten ohne Granulation gibt. Auf den Wechsel der Granulationen in den Zellen weist ja auch Herzog hin, der ihn besonders dann feststellen konnte, wenn es sich um eine gesteigerte zelluläre Reaktion infolge irgendwelcher Reize handelte. Was die Oxydasereaktion anbelangt, so habe ich mich bereits dahin geäußert, daß man sie in den einen Monozyten finden kann, in den anderen nicht, und zwar unterscheidet sich die Oxydasereaktion der Monozyten ganz entschie- den von der der Leukozyten dadurch, daß sie viel weniger intensiv und viel feinkörniger auftritt und daß manchmal nur wenige Granula zur Darstellung kommen. Es verhält sich also die Oxydasereaktion ähnlich wie die Granulation. Ich kann mich also weder auf den Standpunkt Naegelis stellen, daß sämt- liche Monozyten die Oxydasereaktion und dadurch den Beweis ihrer engen Verwandtschaft mit den Granulozyten geben, noch kann ich der Ansicht Schillings und seiner Schüler Bansi und Schienner völlig beipflichten, daß es sich bei den Oxydasegranula, die auch sie zuweilen in Monozyten (nach Schilling und Bansi in älteren Formen) finden, um solche handelt, die durch Aufnahme exogener oxydasepositiver Zellbestandteile oder freier Oxydase zustande gekommen sind, wenn ich auch zugebe, daß man bei der Phagozyten- natur der Monozyten mit derartigen Möglichkeiten rechnen muß. Die Oxydase- reaktion der Monozyten nach der Methode von Rosenthal zeitigt nach Baader entweder keine oder sehr zart blaugefärbte, zum Teil nur spärlich vorhandene Granula, die sich deutlich von den oxydasepositiven Granulis der neutrophilen und eosinophilen Leukozyten unterscheiden, während die Lympho- zyten negativ bleiben. Schienner gibt an, daß höchstens jeder 10. Monozyt einige blaue Körnchen in seiner Kernbuchtung um die helle Sphärenstelle herum zeige. Er meint, daß hierbei nicht nur aus der Nachbarschaft aufgenommene Oxydase von Granulozyten in Betracht käme, sondern eventuell auch flüchtige Oxydase nach v. Gierke und Ikeda. Die echten Gewebshistiozyten besitzen sicher ebensowenig Granula wie die Endothelzellen. Darauf haben bereits Kiyono u. a. hingewiesen. Wenn man sich aber auf den Standpunkt stellt, daß aus einer retikulären oder Endothelzelle unter verschiedenartigen Reizen exogener und endogener Natur (Trephone Carr eis , wozu wohl auch der Knochen- marksextrakt von Maximow gehört, bakterielle Produkte u. a. m.) die ver- schiedenartigsten Zellen (Monozyten, Granulozyten, Lymphozyten) entstehen können, und wenn man ferner Herzogs Annahme der zweifachen Funktions- wirkung und ihrer Folgen für die entstehende Zelle sich zu eigen macht, dann könnte man auch derartige Differenzen ein und desselben Zelltyps verstehen. Alle diese Fragen harren noch der endgültigen Lösung. Daß die Lymphozyten sicher oxydasenegativ bei der Indophenol- Mausynthese reagieren, geben alle Untersucher zu. Naegeli betont die volle Selbständigkeit der Monozyten, welche sich bei Verschiebungen des Blutbildes weder den Leukozyten noch den Lympho- zyten anzuschließen brauchen, sondern oft genug eine völlig eigene Kurve zeigen. Schilling hat sich mit diesem Problem besonders beschäftigt, namentlich soweit die Infektionskrankheiten in Betracht kommen. Im gleichen Sinne sprichl sich Wollenberg ans. Ich kann dieser Ansicht voll und ganz beitreten. Symptomatische Monozytosen : Adrenalin. 537 Die Monozyten nehmen zweifellos eine selbständige Stellung ein und es kommt ganz unabhängig von den anderen Blutzellen bald zu ihrer Vermehrung, bald zu ihrer Verminderung. Gerade diese Selbständigkeit ist einer der Punkte, welche für ihre gesonderte Genese sprechen. Kiyono hat drei verschiedene Quellen angenommen, aus denen die Monozyten hervorgehen können, zum Teil deshalb, weil bei den vitalen Speicherungsversuchen nur ein kleiner Teil der Monozyten gespeichert ist. Ich habe schon vorne darauf hin- gewiesen, daß sich dafür allerhand Gründe anführen lassen. Der wichtigste ist zweifellos der, daß die gespeicherten Zellen so rasch wie möglich aus dem Blute sich wieder entfernen, indem sie in den verschiedensten Kapillargebieten fest- gehalten werden. Die phagozytierten Substanzen, besonders wenn sie antigenen Charakter haben, machen wohl die Monozyten zu vermehrter Haftung in den Kapillargebieten befähigt, vornehmlich dann, wenn bereits eine gewisse Sensi- bilisierung im Organismus im Sinne Oellers eingetreten ist. Die phagozytierte Substanz ist sehr wohl befähigt, auch innerhalb der Zelle noch ihre Wirkung auf die Umgebung zu entfalten. Dieser Vorgang ist verständlich, wenn man sich einer- seits die v. Möllendorffsche Vorstellung der Zellstruktur überhaupt zu eigen macht und wenn man anderseits die Resultate der Versuche von Hahn und v. Skramlik in Betracht zieht, in denen ja gezeigt ist, daß im Durchblutungsversuch an die Organzelle adsorbiertes Toxin (Tetanolysin usw.) seine spezifischen Eigen- schaften noch intensiv entwickeln kann. So kommt es, daß gerade die ge- speicherten Zellen rasch wieder verschwinden und darum einen wechselnden und überhaupt nur einen kleineren Teil der Gesamtmonozyten darstellen. Man hat behauptet, daß die Blutmonozyten absterbendes oder totes Zell- material seien. Gegen diese Ansicht sprechen die Carr eischen Versuche von der Weiterzüchtbarkeit der Blutmonozyten in der Kultur. Auch Domagk bringt Gegenbeweise. Bei dieser Voraussetzung scheint es allerdings merkwürdig, daß sie im Blute ihre phagozytierende Eigenschaft nicht entfalten, wenigstens nicht den Farbstoffen gegenüber; sonst müßten in der Zeit, welche auf die Injektion folgt, doch schließlich sämtliche Monozyten gespeichert haben. Hier liegen also Widersprüche vor, die noch ihrer Erklärung harren. SomitkannmandieFrage der Blutmonozyten keineswegs als vollkommen geklärt ansehen. DasselbegiltvondenBeziehungenderMonozyten zu denEndothelien. Es ist sicher, daß die Retikulumzellen und die Endothelzellen der Kapillargebiete eng verwandt sind. Beide entwickein phagozytierende Eigenschaften, wenn diese auch von vornherein den Retikulumzellen in höherem Maße eigen sind. Die Wanderhistiozyten und Endothelzellen vermögen im peripheren Blut gefunden zu werden. Die Histiozyten können dann vollkommen den Monozyten gleich- sehen, was die gespeicherten Formen beweisen. Für die Endothelzellen mancher Kapillargebiete gilt wohl dasselbe, vielleicht sogar überhaupt für alle. Anderseits aber können die Endothelzellen in so charakteristischer Form im Blute auf- treten, daß man sie ohne weiteres von den Monozyten unterscheidet. Die Frage der Umwandlung der Endothelien in monozytäre Formen ist noch besonders wenig geklärt. a) Adrenalin. Es lag nahe, die Frage zu prüfen, ob die Monozyten ähnliche Schwankungen zeigen, wie sie W. Frey als charakteristisch für die Lymphozyten nach Adrenalin- verabreichung angab. Heß hat bei seinen Untersuchungen besonders darauf geachtet ; er stellt fest, daß die Monozyten ihre höchste Zahl zwischen den nach- einander auftretenden Gipfeln der Lymphozyten und Polymorphkernigen erreichen, sie fallen dann steil ab, zeigen aber öfter auch später noch geringe Zunahme, die nicht mit den Schwankungen der Polymorphkernigen parallel geht. Gleichzeitig mit der Zunahme der Mononukleären sieht man gelegentlich 538 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo -endothelialen Systems. größere Zellen, die an Endothelien erinnern und dieses besonders bei Erkran- kungen, bei denen Endothelien auch sonst im Blut nachweisbar sind. Wie schon oben erwähnt, führt diese weder mit den Lymphozyten noch Polymorphkernigen parallel gehende Vermehrung der Monozyten Heß zu dem Wahrscheinlichkeits- schluß, daß darin ein gewisser Beweis für die Annahme eines eigenen Systems auch für die Monozyten zu sehen sei. Oehme findet ein durchaus regelloses Schwanken der Monozyten bei der Adrenalinprobe. Aus den Hit tmair sehen Tabellen kann man manchmal eine deutliche Vermehrung, manchmal eine ebenso deutliche Senkung der Monozyten werte bei der Adrenalinprobe ablesen. Sehr auffallend ist z. B. der 21/2 Stunden nach der Adrenalininjektion ver- zeichnete Anstieg der Monozytenwerte von l,6°/0 auf 9,6 °/0 bei einer perniziösen Anämie mit Milzschwellung, zu einer Zeit, wo die Lymphozyten und die Neu- trophilen längst wieder auf die Normalwerte zurückgekehrt sind. Bei einer zweiten Patientin mit perniziöser Anämie ist der Anstieg am höchsten nach 10 Minuten (von 2°/0 auf 10%); bei einer sekundären Anämie sinken die Monozytenwerte von 11% axU° 6°/o aD> bei hämolytischem Ikterus von 10,4°/0 auf 4,8%, bei einem zweiten von 8,8% auf 4,6% (nach einer Stunde), bei einer sublymphämischen Lymphadenose von 7,2% auf 2,6% (nach 30 Minuten). Ich habe selbst eine Reihe von Versuchen angestellt; wie Heß finde ich zu- weilen zunächst einen geringen Anstieg, dann einen tieferen Abfall (z. B. bei einem abgeheilten Paratyphus, bei einer Tuberkulose). Bei einem Basedow steigt die Monozytenzahl im Verlauf von 1 Stunde von 3,5% auf 6,5 %. In ein- zelnen Fällen findet sich überhaupt so gut wie kein Ausschlag. Bei einer schweren Endocarditis lenta mit positivem Streptokokkenbefund im Blut, Gelenk- schwellungen, großem Milztumor und Neigung zu Hautblutungen nimmt der Adrenalin versuch folgenden Verlauf. Adrenalinversuch am 4. 9. 1924. 3/4 mg Adrenalin subkutan. vor der nach nach Nach Nach Injektion 20 Minuten 40 Minuten 2 Stunden 3 Stunden Leukozyten . . . 7 700 7 500 7 400 6 400 6 000 Neutrophile . . . 75,6% 79,0% 67,3% 76,3% 71,3% Lymphozyten . . 15,0% 19,3% 21,6% 15,0% ^0,0% Monozyten u. Übg. 6,3% 7,9% 10,3% 8,3% 5,0% Mastzellen . . . 1,0% 0,3% 0,3% — Myelozyten . . . 0,3% — — Eosinophile . . . 1,6% 0,3% 2 Plasma - zellen 0,3% In meinen experimentellen Untersuchungen mit Erhardt an ge- speicherten Kaninchen ergibt sich häufig auf die Adrenalinreaktion ein tiefes Absinken, dem dann ein Anstieg evtl. über den Normal wert folgt. Ich habe darüber schon vorne berichtet und die Erklärung für das Absinken in einer mechanischen Behinderung und Zurückhaltung der Monozyten durch die Kon- traktion der Präkapillaren gesehen. Nach Aufhören dieser Wirkung kommen sie dann vermehrt in den Kreislauf. b) Soruminjcktion. Einige Tasl versuche, durch Injektion von 10 resp. 20 cem Serum bei Kranken den Einfluß auf die Monozyten zu erkennen, zeigte ein leichtes Ansteigen. In den Schlechtschen Versuchen finde ich einen, wo bei einem Patienten mit Poliomyelitis an den Tagen nach einer Seruminjektion ein langsames Ansteigen von 200 auf 57(3 Mhnonnkleäre verzeichnet ist, wobei diese höchste Zahl Symptomat. Monozytosen: Seruminjektion, Milzexstirpation, Infektionskrankheiten. 539 zusammenfällt mit der Höchstzahl der Eosinophilen. Nach Abklingen des Serumexanthems fallen beide gleichmäßig wieder ab. Aus Tierversuchen (Meer- schweinchen) geht ein ähnliches Verhalten der Mononukleären hervor ; besonders zwei Tiere, die dann zum Exitus kamen, zeigen sehr intensive Reaktionen (von 131 auf 1072 und von 60 auf 1120 große Mononukleäre). Es lohnt sich wohl, diese vereinzelten Beobachtungen weiter zu verfolgen. Ein Analogon hierzu ist die Beobachtung von Pentimalli, der bei Tieren, die er längere Zeit mit roher Milch intravenös behandelte, im strömenden Blut ähnlich wie Nissen bei seinen Versuchen eine auffällige Vermehrung der Lymphozyten und Monozyten feststellen konnte. Diese Lympho- und Mono- zytose dauerte bemerkenswert lange und war noch 5 Monate nach dem Auf- hören der Behandlung festzustellen. c) Milzexstirpation. Daß auf die Milzexstirpation nach einiger Zeit eine Monozytose folgt, habe ich schon ausführlicher beschrieben und auch auf die experimentelle Bestätigung dieser am Menschen gefundenen Tatsache hingewiesen. Ich brauche daher hier nicht weiter darauf eingehen (s. Abschnitt 5 und 10). d) Infektionskrankheiten. Daß bei allen möglichen Infektionen die Monozyten sich vermehrt finden, ist eine längst anerkannte Tatsache. Man hat aber darauf früher keinen beson- deren Wert gelegt. Schilling hat bei Durchführung des Hämogramms einen Grund typus aller infektiösen Leukozytenbewegungen festgestellt. Nach uncharakte- ristischen Vorschwankungen tritt eine leukozytäre Hauptreaktion oder Kampfphase (starke Kern Verschiebung der Neutrophilen, gleichgültig ob Leukozytose oder Leukopenie) auf, darauf folgt eine mit immunisatorischen Vor- gängen verknüpf te monozytäre Abwehrphase (relative Monozytose) und endlich eine lymphozytäre (eosinophile) Heilphase. Bei ganz kurz ab- laufenden und bei den neutropenischen Infektionen wird die erste neutroleuko- zytäre Phase durch die folgenden früh überlagert, bleibt aber in der erheblichen Kern Verschiebung der Neutrophilen erkennbar. Bei ungünstig verlaufenden neutroleukozytären Infektionen überlagert umgekehrt die erste Phase die folgenden, so daß dauernde Neutrophilie mit hoher Kernverschiebung bleibt, bei langsamer ablaufenden Fällen und Abwehr krisen mit deutlicher Monozytose. Für chronische Infektionskrankheiten ist das Nebeneinander der drei Phasen charakteristisch, wobei in maligneren Fällen zur Kernverschiebung der Neu- trophilen noch eine erheblichere Monoleukozytose tritt, bei wenig virulenten Fällen neben ersterer die lymphozytäre (eosinophile) Heilphase vorherrscht. Es hat also Schilling der monozytären Reaktion eine bestimmte Stellung im Blutbild der Infektionen zugesprochen. Nach meinen Erfahrungen dürften die Leitsätze von Schilling im wesentlichen stimmen. Wenn man berück- sichtigt, daß bei der Sensibilisierung des Organismus und überhaupt bei dem Eindringen artfremder mehr oder weniger kolloidaler Substanzen eine intensive zelluläre Reaktion, besonders am Retikuloendothel und dem Endothel des Kapillarnetzes vor sich geht, die allmählich an Stärke zunimmt, so kann man auch ähnlich wie im Experiment erwarten, daß bei den menschlichen Infektionen die Dinge gleich verlaufen. Dabei beobachtet man ebenso wie im Experiment, daß die Zahl und der Charakter der in Erscheinung tretenden monozytären Formen verschieden sein kann, was auf eine Verschiedenheit der zellulären Reaktion selbst, wie ja vorne in eingehendster Weise dargelegt wurde, zurück- zuführen ist. Es ist daher nicht zu verwundern, daß die mannigfachen 540 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Infektionen ein unterschiedliches Bild geben, da ja die Infektionserreger selbst und ihre Toxine eine differente Wirkung entfalten, die noch mehr modifiziert wird durch die Massigkeit der Infektion und durch konstitutionelle Eigenheiten des be- troffenen Individuums. So sehen wir tatsächlich die infektiösen Monozytosen, so- weit bis jetzt auf sie geachtet wurde, verschieden ablaufen; bald sind sie nur geringgradig, bald erreichen die Monozyt enwerte außerordentlich hohe Zahlen. Ich will hier nicht in eingehendster Weise die Einzelheiten der Monozytosen bei den einzelnen Infektionen durchsprechen, um so weniger, als ja Hirschfeld in diesem Buch bereits unter den symptomatischen Blutveränderungen die Abb. 1. Blutbild bei Monozytenangina. Verschiebungen der einzelnen Zellen ausgiebig gewürdigt hat. Ich will nur auf einige besondere Fälle hinweisen, von denen die Einzelheiten etwas aus- führlicher bekannt sind: Monozytenangina. Der Begriff der Monozytenangina wurde von W. Schultz aufgestellt. Et faßt unter diesem .Namen eine Gruppe von gutartig verlaufenden diph- theri* Ähnlichen . aber diphtherienegativen, oberflächlich nekrotisierenden oder pseudomembranösen Anginen zusammen. Sie sind gekennzeichnet durch generalisierte Drüsenschwellungen mit Beteiligung seltener befallener Drüsen, einer langen Fieberdauer, Milz- und Leberschwellung und insbesondere durch eine Btarke Vermehrung dei Monozyten bei normaler oder nur leicht erhöhter Gesamtleukozytenzahl. Teilweise nehmen auch die Lymphozyten Symptomat. Monozytosen: Seruminjektion, Milzexstirpation, Infektionskrankheiten. 541 an der Vermehrung teil. E. Baader hat eine Reihe solcher Krankheitsfälle von W. Schultz ausführlicher beschrieben. In einem Fall fand sich neben 33% Polymorphkernigen, 7,5% Lymphozyten, 0,5 Eosinophilen und 0,5 Basophilen eine Zahl von 68,5% Monozyten; meinem zweiten Fall 27%, in einem dritten 56% Monozyten. Die Fälle verliefen alle günstig. Kohn beschreibt einen einschlägigen Fall, bei dem der Blutbefund folgender war: Gesamtleukozyten 4190; davon Mono. 74%, L. 23%, Myeloz. 0,7%, Jungkernige 0,3%, Stab- kernige 1,3%, Segmentk. 0,3%, eos. Mastz. 0,3%. 1% der Monozyten waren Makrophagen mit phagozytierten Thrombozyten und Leukozyten. Auch © O O Abb. 2. Blutbild bei Monozytenangina. in diesem Fall rasche Besserung des Zustandes mit Rückgang des Fiebers, der Milz- und Leberschwellung, Ausgang in Heilung. Kohn meint, daß in seinem Fall die monozytäre Reaktion hervorgerufen sei durch eine spezifische Infektion resp. ein entsprechendes Toxin. Ich selbst verfüge über eine ganze Reihe derartiger Fälle, bei denen mehr oder minder hochgradige Monozyten vorlagen, von denen ich zwei wegen ihres besonderen Verlaufes ausführlicher beschreibe: Der erste Fall war ein 28jähriger Student, der zum größten Teil ambulant behandelt wurde. Er hatte zunächst eine leichte fieberhafte Angina, bei der aber auffiel, daß das Fieber durch beinahe 14 Tage hindurch auf einer Höhe von 39° blieb, um dann langsam abzufallen; gleichzeitig starke Milzschwellung, sonst kein besonderer Befund. Auch bak- teriologisch negativ. Dagegen war der Blutbefund insofern merkwürdig, als sehr wenig neutrophile Leukozyten da waren, dafür aber sehr viele Lymphozyten und Monozyten bei einer normalen Eosinophilenzahl. Die Zahl der Leukozyten stieg einmal auf 65 000. 542 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo -endothelialen Systems. Erst in der letzten Zeit seiner Behandlung wurde er in die Klinik aufgenommen und lag hier zusammen mit einem 21jährigen Landwirt (zweiter Fall), der wegen Darmbeschwerdeo zur Beobachtung in die Klinik gekommen war und nun erst erkrankte. Der Blutbefund dieses Patienten war folgender: Hb. 77. E. 4 800 000, L. 10 000; davon N. 68%, Ly. 26,6%, Mono. 3,9%, Eo. 0,6, Mastz. 0,6%. Ein besonderer Organbefund konnte bei ihm nicht er- hoben werden. Temperatur normal. Am 8. Tage des Zusammenliegens mit dem Studenten ging die Temperatur langsam in die Höhe, wobei Allgemeinbeschwerden wie Kopfschmerzen usw. geklagt wurden. Die Tonsillen waren leicht gerötet. Am 11. Tage 39,4° Temp. Diazo- reaktion schwach positiv. Am 13. Tage Blutbefund: L. 11 600; Auszählung: N. 26,6%, Ly. 53,6%, Mono 19,3%, Mastz. 0,3%, Türksche Reizformen 2%. Am 15. Tage deutlich palpable harte Milz, Widal negativ. Der Blutbefund zeigte eine Leukozytose von 12 400; die Auszählung ergab: N. 9,6%, Ly. 11,5%, Mono. 78,2%. Die meisten Zellen hatten deut- liche Granula, in anderen wurden sie weniger deutlich gesehen. Der Kern dieser Zellen, die durch ihre abnorme Größe auffielen, war vielgestaltig, bald mehr oval, bald mehr unregelmäßig geformt, oft mit ein bis zwei hilusartigen Einkerbungen. In manchen Kernen konnte man auch Vakuolen sehen. Die Peroxydasereaktion nach Kreibich fiel negativ aus, die Oxydasereaktion ließ zwar die Monozytengranula gut hervortreten, aber doch wesentlich schwächer als bei den Neutrophilen, deren Granula tiefblau gefärbt wurden. Am 17. Fiebertag ein ähnliches Krankheitsbild mit 52,9% Monozyten. Die Zellen waren nicht mehr so leicht lädierbar; im Kern noch Vakuolen. Nach weiteren 6 Tagen, als die Temperatur schon wieder normal war, ergab die Auszählung folgende Werte: N. 36,6 %, Ly. 53,6%, Mono. 8,3%. Auf eine an diesem Tage vorgenommene Adrenalininjektion stiegen die Monozyten auf 15,5% an. In den folgenden Tagen sinken die Monozyten zu Normalwerten ab, während eine relative und absolute Lymphozytose fortbesteht. Am Tage der Entlassung 2,9 % Monozyten. Es war also hier eine Infektion übertragen worden, die in exquisiter Weise zu einer Monozytose führte. Das Krankheitsbild ent- sprach dem der als Monozytenangina beschriebenen Fälle, ohne daß allerdings eine wesentliche Angina vorgelegen hätte. Von weiteren Fällen, die ich sah, ist z. B. eine Angina vom Typus der Pia ut-Vinzent sehen mit Monozytenwerten bis zu 40°/0 erwähnenswert, ein anderer Fall zeigte 19— 20°/0. Aus der Literatur füge ich noch zwei Veröffentlichungen der letzten Zeit an: die eine von Longcope berichtet über 10 Fälle mit infektiöser Mononukleose, die als „Drüsenfieber" bezeichnet wurden. Alle Patienten (2 männliche und 8 weibliche) waren unter 30 Jahren. Beginn meist subakut. Kopfschmerzen in 3, Fieber in 9, Halsentzündungen in 5, Husten in 3, Schweiße in 3, Bauchschmerzen und Erbrechen in 2 Fällen. In allen Fällen — wenn auch nicht immer sofort — entwickelte sich eine ziemlich ausgedehnte Vergrößerung der oberflächlichen Lymphdrüsen und während dieser Zeit entstand unregel- mäßiges intermittierendes Fieber; Fieberdauer 3 Tage bis ca. 3 Wochen. In 7 Fällen 2 bis 3 Wochen anhaltend. Achtmal war die Milz palpabel und zuweilen schmerzhaft, einmal war die Leber fühlbar. Lymphdrüsenschwellungen waren in einigen Fällen noch 1 bis 2 Monate später zu finden. Alle Fälle heilten. In der ersten Krankheitswoche und zur Zeit der Lymphdrüsenschwellungen trat eine absolute und relative Vermehrung der einkernigen Zellen des Blutes auf. Gesamtleukozytenzahl normal oder vermehrt bis maximal 26 200, granulierte Zellen absolut vermindert, außer typischen Lymphozyten und Monozyten fand sich ein dritter vorherrschender einkerniger Zelltypus, der etwas größer als kleine Lymphozyten war. Er enthielt einen ovalen nierenförmigen, leicht gelappten oder riederförmigen Kern, der sich intensiv färbte, meist keine Nukleosen aufwies und oft exzentrisch gelagert war. Oxydasereaktion negativ. Die mikroskopische Unter- suchung einer herausgeschnittenen Lymphdrüse zeigte ausgeprägte lymphoide Hyperplasie der Keimzentren, deren Zellen karyorhektische "und karyokinetische Kerne zeigen. Daneben besteht aktive Proliferation epitheloider Retikulumzellen mit gelegentlicher Bildung großer, einkerniger Zellen von beinahe Riesenzellengröße. Tidv, Letheby und Daniel berichten gleichfalls über eine Epidemie von infektiöser Mononukleose (J)rüsenfieber). Die Epidemie trat in einer Knabenschule (Alter der Kinder 8 — 13 Jahre) auf. Die Infektion ging von dem 23jährigen Lehrer aus, der an einer Hals- entzündung mit linksseitiger Ealsdrüsenschwellung ohne Belag mit wenig Allgemeinerschei- nungen erkrankte. Die gesamte Krankenzahl war 24. Sie zeigten Hals-, Achsel- und Ab- dominaldrüsenschwellungen. In einigen Fällen Klagen über Halsschmerzen, nie Belag. ftfilzschweüung einmal. Nasenbluten achtmal. Gesamtleukozytenzahl entweder normal oder erhöht, relative Mononukleose bis 65° u; von diesen waren oft viele schwer zu klassi- fizieren. Der Protoplasmaleib war vielfach größer und stärker gefärbt als bei kleinen Lympho- zyten, der Kern nederförmig und exzentrisch. Symptomat. Monozytosen: Seruminjektion, Milzexstirpation, Infektionskrankheiten. 543 Bei der letzteren Epidemie ist es nicht recht klar, ob die Monozytose Lympho- zyten oder echte Monozyten waren. Anginöse Affektionen mit vornehmlich lymphozytärer Reaktion haben Marchand, Türk u. a. beschrieben und auch der Fall von Hop mann, bei dem es zu 83% einkerniger Zellen im Blut kam, scheint dahin zu gehören. Letzterer bezeichnet seinen Fall als akute infektiöse Stammzeilenvermehrung und rechnet ihn der Monozytenangina zu. Er sagt aber, daß die Charaktere der Zellen zwischen Myeloblasten, Monozyten und Lymphozytenblasten schwanken. Eine Oxydasereaktion ist nicht angestellt. Die Frage, wie in solchen Fällen die eigenartige zelluläre Re- aktion zustande kommt, beschäftigt naturgemäß alle, welche darüber be- richten. Türk spricht von einer Funktionsanomalie, die sich in einer funktio- nellen Schwäche des Granulozytenapparates offenbare. Für den mangelhaft reagierenden Granulozytenapparat sei der durch die von den Tonsillen aus- gehende AUgemeininfektion schwer gereizte und toxisch geschädigte Lympho- zytenapparat förmlich in die Lücke getreten. Diese auch von Stursberg ver- tretene Ansicht wird von Marchand bekämpft. Nach seiner Ansicht handelt es sich um eine Toxin Wirkung ähnlich wie beim Abdommaltyphus, die zu einer Schädigung der Leukozytenbildungsstätten führe und eine Reizwirkung auf die lymphatischen Apparate ausübe. Dabei hält er spezielle Eigentümlich- keiten des infizierenden Bakterienstammes für wahrscheinlich, indem er aus- führt, daß unter den Streptokokkenstämmen es solche gebe, die besonders leicht eine Myelozyt ose veranlassen (Sternberg), ebenso wie offenbar solche, die eine entgegengesetzte Schädigung des Knochenmarks herbeiführen, anderseits das lymphatische Gewebe bevorzugen und zu besonderer Tätigkeit anregen. Diese Reaktionsänderung kann lange Zeit anhalten, so daß sich gewissermaßen der ganze Habitus ändert und eine sogenannte Konstitutionsänderung zu- stande kommt (Status lymphaticus). Das Extrem einer derartigen Toxin Wirkung sind die Zustände, welche W. Schultz als „Agranulozytosen" bezeichnet hat, wobei es sich häufig auch, ausgehend von einer schweren Angina, um eine durch eigenartigen Infekt be- wirkte tiefgreifende Schädigung des Knochenmarks im Bereich des Granulo- zytensystems handelt, in deren Zusammenhang eine deletäre Widerstands- unfähigkeit wichtiger Schleimhautbezirke gegenüber bakteriellen und sonstigen Schädlichkeiten manifest wird. Die Fälle sind von Leon ausführlicher ver- öffentlicht ; aus der tabellarischen Zusammenstellung eines Blutbefundes geht hervor, daß die Leukozyten zwischen 7 und 900 (Gesamtzahl) schwanken. Bei der Auszählung fanden sich zwischen 10% und 30% N., zwischen 40% und 60% Ly., zwischen 13%— 38% Monozyten, daneben 4—6 Reizungsformen. Die mikroskopische Untersuchung ergab in der Milzpulpa gequollene Endothelzellen und vereinzelte große Riesenzellen mit riesigen Kernen vom Typus der Knochenmarksriesenzellen. Die Leber zeigte nichts Besonderes. In Knochenmarkabstrichen waren die vorhandenen Zellen lymphoid, d. h. basophil und ungranuliert ; darunter einzelne Zellen mit stark tingiertem Proto- plasma und einem etwas dichteren Kern. Von den kleineren lymphoiden Ele- menten ist dem Kerncharakter nach vielfach eine Unterscheidung von lympho- zytären Elementen nicht zu treffen. Keine Granulozyten, keine Myelozyten. Erythroblasten nicht sehr zahlreich, aber vorhanden. Megakariozyten normal, aber vermindert. Eine Oxydasereaktion ist offenbar nicht angestellt worden. Man kann also alle möglichen Wirkungen von bakteriellen Infekten auf die blutbildenden Organe feststellen. Solche, welche das myeloide Gewebe aufs schwerste schädigen und eine Überproduktion von Lymphozyten und Monozyten veranlassen, solche, welche das myeloide System reizen und zu einer vorherrschenden Überproduktion von Granulozyten führen und endlich 544 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo -endothelialen Systems. solche, welche speziell eine Reiz Wirkung auf den retikulo -endothelialen Apparat und auf das Endothelsystem der Kapillargebiete überhaupt im Sinne der Ver- suche von 0 eller, von Domagk, von Erhardt und mir am sensibilisierten Tier darstellen. Inwieweit hier eine elektive Wirkung der bakteriellen Noxe vorliegt, inwieweit individuelle Reaktionsfähigkeit der mesenchymalen Gewebe wesentlich sind, kann heute noch nicht übersehen werden. In experimentellen Versuchen am Kaninchen konnte ich mit Erhardt durch hochgetriebene Speicherung mit verschiedenerlei kolloidalen Substanzen (Farbstoffe, Karmin, Eisen usw.) feststellen, daß es unter Umständen gelingt, ein Krankheitsbild hervorzurufen, das der infektiösen Agranulozytose sehrnahekommt. Bei einem Tier, das mit Trypanblau intensiv gespeichert war, sank die zunächst hohe Leukozytenzahl langsam immer mehr und mehr ab, bis sie schließlich ante exitum unter 10°/0 lag. Dagegen waren die Lymphozyten und vor allem auch die Monozyten die vorherrschenden Blutzellen im Blutbild. Trotz intensivster Speie her ung gelangten in diesem agranulozytären Stadium keine gespeicherten Monozyten mehr in die Peripherie. Die Vermehrung der Monozyten war ausschließlich durch ungespeicherte Formen herbeigeführt. Die Gesamtzahl der Leukozyten war gegen früher erheblich herabgesetzt. Bei anderen Tieren, die mit Karmin und Eisenzuckerlösung gespeichert waren, blieben die Granulozyten und auch die Mononukleären hoch. Wir konnten also experimentell verschiedenerlei Einwirkungen verschiedener Reize verfolgen und ähnliche Variationen des Blutbildes hervor- rufen, wie sie in der Klinik beobachtet sind. Endokarditis. Es liegt eine ganze Anzahl von Beobachtungen vor, die bei septischer Endokarditis über Auftreten von Endothelzellen und mehr oder weniger hoch- gradige Monozytosen berichten. Eine besonders eingehende Untersuchung hat Schilling an einigen Fällen durchgeführt. Ich führe einen Fall als Beispiel an: 35jähriger Bierfahrer. Endocarditis ulcerosa valvulae aortae mit allgemeiner Sepsis. Stark vergrößerte Leber und Milz. Albuminurie. Remittierendes Fieber zwischen 37° und 39°. Blutkulturen ergeben sehr kleine Diplokokken (Diplococcus crassus). Im weiteren Verlauf plötzliche Milzschmerzen und -Schwellung, Nierenschmerzen, Seitenschmerzen (Infarkte?), später kollapsartige Anfälle mit Herzdekompensation, Durchfälle, plötzlich kollapsartiger Exitus. Sektionsergebnis: Thromboendocarditis ulcerosa valvulae aortae. Allgemeine Sepsis. Septische Milz- und Leberschwellung, beginnende Stauung. Septische Infarkte verschie- denen Alters in Milz und Lunge. Alte peritoneale Verklebungen. Nephritis parenehymatosa et interstitiales chronica. Enteritis acuta. Anämie. Blutbefunde. c8 Q Ö U 9 53 -^ o 1 O ß 1 Neutrophile Monozyten C c © S o 'S © © © © bO 3 © SP 'S © M Xi e3 bC £ © 5 6 2 « © o < © bC d o | cö ä © c 0| 16. 1. 1919 hoch 0,4 2 0 0 4,7 39,9 21,6 4,7 26,7 0 0,5 0,5 31,4 29. 1. 1919 sehr hoch 12 666 0,3 L,9 0 0 2,8 24,0 18,3 13,9 31,3 7,5 1 0,5 52,7 30. 1. L919 0,3 0,9 0 2 3,2 24,2 18,2 9,9 35,2 6,1 1 1,5 57,2 2. 2. L919 27 800 0,3 0,7 0 0 4,3 39,1 20,2 6,1 25,0 4,3 1 1,5 35,4 4. 2. L919 hoch 0,8 0,4 0 1.2 6,6 29,7 23, 1 15,4 18,9 3,9 0 0 38,2 Plasmazellen und Eleizformen berechnet a. H. Infektionskrankheiten. 545 Die als atypisch bezeichneten Monozyten, die ohne feste Grenzen sowohl in die nor- malen wie in die makrophagischen Monozyten übergehen, waren runde und langgestreckte, meist relativ große und sehr große Zellen mit mächtigem, feinnetzigem, schwach basischem Protoplasma, das bei stärkerer Giemsafärbung die charakteristische feine azurophile Bestäubung der Monozyten zeigte. Die Kerne waren zart strukturiert, feinfädig, mit größeren, oft dreieckigen, wenig dunkleren Flecken und 4 — 6 blassen, kleinen Nukleolen mit chroma- tischem Hofe. In augenscheinlich jüngeren Zellen waren diese Nukleolen größer, spärlicher, 1—2 sehr deutlich blau gefärbt und azurophil gehöft (Abb. 4, 1 — 3, 6 u. 7). Die Kreuz- form durchlief alle Grade vom scharfrandigen länglichen Oval über den mehr oder weniger vollkommenen Kreis bis zur starken Polymorphie und zur breiten Hufeisenform (Abb. 4, 1_7). Auch ganz bizarre doppelte, selbst dreifache Kerne kamen in besonders großen Zellen zur Beobachtung (Abb. 5, 2, 3 u. 5). Das Protoplasma konnte sehr deutlich in Ekto- und Q Abb. 3. Übersichtsbild im Blutausstrich. Zellgruppe vom Rand eines Präparates vom 29. Januar. Geschwänzte Formen und Makrophagen (M). Rechts oben: Phagozytose von Blutplättchen; Mitte: gefressener Monozyt. Apochrom. 2 mm C. Okk. 4; nicht künstlich gruppiert. (Nach Schilling.) Endoplasma getrennt werden. Spindelige und selbst drei- und viergeschwänzte Formen (Abb. 4, 1 u. 2; Abb. 5, 2 u. 4) waren sowohl in den Ausstrichen wie im dicken Tropfen recht häufig. Einige schöne Mitosen wurden gefunden (Abb. 5, 6). Die makrophagen Mono- zyten enthielten frisch aufgenommene Neutropenie (Abb. 5, 3), Eosinophile, Lymphozyten, selbst Monozyten (Abb. 3, Mitte) und kleine Makrophagen, vereinzelt auch einen oder mehrere Erythrozyten (Abb. 4, 5) oder Haufen von Blutplättchen. Besonders interessant war der häufige Nachweis von phagozytierten Zellen, die im Blutbilde frei fehlten und die aus den inneren Organen verschleppt sein mußten wie Myelozyten (Abb. 5, 2) Normo- blasten (Abb. 5, 1) und von galligem Pigment oder Zelldetritus der Milzpulpa. Die Ein- schlüsse wurden augenscheinlich intrazellulär verdaut bis zu kleinen geschrumpften blaß- färbbaren Resten, bis zu einfachen leeren Vakuolen. Die Oxydasereaktion war negativ. In geringerer Zahl kamen gleiche kleinere Zellen von ebenso atypischem Aus- sehen zur Beobachtung, auch endotheloide Typen, die kaum größer als mittlere Lympho- zyten waren. Histologisches. Ausstriche von Leber, Milz und Knochenmark zeigten sehr reich- lich die großen Makrophagen, beladen mit allerlei Einschlüssen. Es wurden viel größere Blutkrankheiten. IT. 35 540 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Formen als im Blut beobachtet neben anderen, die durchaus den Blutmakrophagen glichen. Im Knochenmark waren nur wenige, in Milz und Leber außerordentlich viele Monozyten aller Typen. Im Herzblut kamen ganze Haufen agglomerierter Monozyten vor, daneben auch augenscheinlich natürlich zusammenhängende Fetzen recht jugendlicher Endothel- zellen. In Milzschnitten fanden sich deutliche Follikel, die regelrecht aus Lymphoblasten, großen und kleinen Lymphozyten zusammengesetzt waren. In den blutreichen Milzsinus Erythrozyten oder angereicherte Granulozyten, überall Monozyten und Makrophagen mit Einschlüssen. Im eigentlichen Pulpagewebe herdartige Anreicherungen von Granulozyten 1. % Abb. 4. Kernformen vom endothelialen Oval bis zur Polymorphie der „Übergangsformen", phagozytierter Lymphozyt (1), verdaute Zellreste (4), phagozytierter Lymphozyt und Erythrozytengruppe (5), Apochrom. 2 mm C. Okk. 8. (Nach Schilling.) und vielen kleinen Plasmazellen. An anderen Stellen fast ausschließlich die Monozyten in großen Mengen. Im ganzen Milzgewebe starke Vermehrung der endotheloiden Elemente. Oval oder polymorphkernig, auch mehrkernig bildeten sie strichweise ein wirres Maschen- werk von anastomisierenden Elementen, aus deren Verbände sich vielfach einzelne Zellen abrundeten and ablösten mit und ohne Phagozytose. Proliferation, vorspringend in das Lumen, und Phagozytose war an denEndothelien der Sinus deutlich zu sehen, dagegen keine sichere Bildung freier Zellen. Im Leberschnitt fielen die sehr vermehrten Sternzellen auf, besonders in der Peripherie der Vzini wurde das sonst gut erhaltene Lebergewebe durch die hohe' Zahl der hellen, großen Endothelkerne geradezu unübersichtlich, zumal auch das Protoplasma Aussehen und Dichte der Leberzellen erreichen konnte. Eine Trennung zwischen intrakapillaren und endothelialen Elementen, die genau gleichen Charakter zeigen, war oft sehr schwer, denn die Monozyten und Makrophagen bildeten dichte Reihen in den Kapillaren und schmiegten Infektionskrankheiten. 547 sich den Wandungen in jeder Weise an. Die fixen Zellen zeigten Phagozytose. An vielen Stellen ließ sich die Abrundung und Loslösung von Sternzellen aus dem Verbände sehr klar erkennen. Es gelang, genau das gleiche grobe gallige Pigment wie in den Endothelien auch in den freien Blutmonozyten des Ausstriches zu finden. Im Lebertupfpräparat wurden zudem ganze zusammenhängende Verbände endothelialer Zellen gesehen, die mit den endo- thelialen Blutmonozyten jugendlichster Form absolut identisch schienen. Im Lumen der großen Venenquerschnitte Monozyten. Der Fall wurde von mir ausführlich angeführt, weil er vorzüglich durch- gearbeitet ist und den Vergleich des histologischen Organbefundes mit dem Blutbefund enthält. Schilling berichtet anschließend über einen zweiten ganz $1 I St- Abb. 5. Seltenere Formen. 1. Phagozytierter Normoblast und neutrophiler Zellrest. 2. Phagozytierter neutrophiler Myelozyt in mehrzipfliger Zelle. 3. Phagozytierter Neutro- philer in doppelkernigem Monozyten. 4. Halbverdauter Neutrophiler. 5. Dreikerniger Monozyt. 6. Mitose. Apochrom. 2 mm C. Okk. 8. (Nach Schilling.) ähnlichen Fall und stellt auch noch aus der Literatur weitere Fälle zusammen. Er ist der Ansicht, daß der lang dauernde Reiz die Überschwemmung der Blut- bahn mit untergehenden Zellelementen, vielleicht auch die Eigenheit der zeit- weise sicher im Blute kreisenden, wenig virulenten aber durch großes Gärungs- vermögen ausgezeichneten Erreger eine ständige Beanspruchung des retikulo- endothelialen Schutzapparates bewirkten, der daher in ungewöhnlichem Maße proliferierte und die Blutbahn mit abgelösten Monozyten überschwemmte. Wahrscheinlich wurde die Ausschwemmung der großen Elemente durch die Stauung infolge des Aortenfehlers begünstigt. Es liegt hier zweifellos ein besonders instruktiver Fall vor, der in stärkster Ausbildung die zelluläre Abwehrreaktion zeigt. Viele Fälle in der Literatur, welche über Endothelien im Blut berichten (Kraus, Heß, Kaznelson, Bittorf, Netousek, Patella, Leede, Rowley u. a.), sind mehr oder weniger ausgesprochene Typen desselben Vorganges. Bei 35* 548 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo- endothelialen Systems. septikämischen Prozessen aller Art wurden im peripheren Blut endotheloide Zellen festgestellt. In der letzten Zeit wurde namentlich auf das häufige Vor- kommen bei Endocarditis lenta hingewiesen. Ich selbst habe immer auf der- artige Zellen geachtet, habe sie aber nur ganz vereinzelt bei der Endokarditis gefunden. Eine Zusammenstellung von 12 Fällen von Endokarditis aus meiner Klinik zeigt Monozyten werte, die zwischen 1 und 8% schwanken. Man kann also nicht sagen, daß es sich hier um einen regelmäßigen Befund handelt. Was das Auftreten einer so intensiven Reaktion veranlaßt, ist noch nicht sicher zu entscheiden. Malaria. Hierbei ist die starke Vermehrung der Monozyten auf der Höhe des Fiebers und kurz nach dem Anfall sowie im Intervall eine bekannte Erscheinung, die von den allerverschiedensten Autoren berichtet wird. Die Monozytosen können 12, 15, ja 20 bis 30°/0 ausmachen. Sie entspricht, wie Schilling mit Recht hervorhebt, der Vermehrung großer einkerniger Zellen in der Milzpulpa, in der Leber und anderen Organen, wie sie histologisch bei Malaria beschrieben sind, und ihr Zusammenhang mit der Proliferation des Retikuloendothel ist daher als sicher anzunehmen. Diese Monozytose ist diagnostisch ganz wertvoll, wobei man aber bedenken muß, daß sie auch bei den verschiedensten anderen Infektionskrankheiten in ähnlicher Weise auf- tritt. Bei latenter Infektion bleibt die Monozytose evtl. bestehen, beim Abheilen verschwindet sie. Kala-Azar. Die Monozyten sind, wie aus der Zusammenstellung Schillings hervor- geht, stark vermehrt. Bei der Auszählung des leukopenischen Blutbildes fand Knowles 6 bis 40%, im Mittel 19,4°/0 Monozyten; auch Donovan gibt 23 bis 24% an, Rogers fand in 31% der FäUe unter 12%, in 69% der Fälle über 12% Monozyten. Dabei wird der diagnostische Wert dieser Monozytose gegenüber dem Typhus im Anfang als recht wichtig bezeichnet (Rogers); Knowles betont die diagnostische Brauchbarkeit der Monozytose sogar gegen- über den niedrigen Werten bei Malaria. Die Träger der Parasiten sind nach Donovan hauptsächlich endotheliale Elemente, die nur teilweise mit Mono- zyten des Blutes identisch sind. Schilling meint, daß zur Erklärung dieser schweren Blut Veränderungen nichts anderes übrig bleibe, als eine indirekte, vermutlich toxische Einwirkung der Parasiten auf die hämatopoetischen Organe, in denen sie massenhaft zu finden sind. Der Hauptsitz der Parasiten sind Milz und Leberendothelien (Christophers), die dann häufig als große Mononukleäre frei werden; ähnlich könnte es im Knochenmark sein. Variola. Hierbei finden sich schon in der Inkubationszeit und vor 'allem aus- gesprochen mit der Vesikulation große einkernige Zellen, welche Naegeli zu den großen Mononukleären und Übergangsformen rechnet. Schilling hat sich besonders eingehend damit beschäftigt und schließt sich der Naegelischen Ansicht an. Die große Mononukleose sieht er als eine selbständige Zellreaktion sehr ausgeprägten Grades an, mit Auftreten jüngerer Formen eine „Verschiebung nach links im Monozytensystem", die von Lymphozytose und Myelozytose ganz zu trennen ist. Da man gleichzeitig Myelozyten im Blute findet, so muß man mit Schilling annehmen, daß neben akuter hochgradiger myeloider Metaplasie der Pulpa eine Wucherung des Retikuloendothel bezw. verwandter endothelialer Elemente ein hergeht. Weitere histologische Klärung dieser Frage isl dringend erwünscht. Infektionskrankheiten. 549 Varizellen. In einer kleinen Varizellenendemie, bei der mehrere Fälle in meine Klinik kamen, konnte gleichfalls eine Mononukleose festgestellt werden, die noch längere Zeit in die Rekonvaleszenzperiode hinein bestehen blieb. Sehr instruktiv gibt folgender Fall die Verhältnisse wieder: 4 jähriges Kind kommt mit einem leichten Scharlach in die Klinik; die Temperatur ist schon nach 2 Tagen auf die Norm zurückgegangen, das Exanthem blaßt rasch ab. Nach 8 Tagen erneuter rascher Temperaturanstieg auf 39° und dann auf 40°, am 4. und den folgenden Tagen langsames Absinken. Mit dem Anstieg des Fiebers Auftreten des Exanthems, das zunächst mehr makulo-papulös ist, sich dann langsam in ein Bläschen- exanthem umwandelt, bis es am 4. Tag sich in einer erneuten Aussaat rasch in großer Dichtig- keit über den ganzen Körper, besonders aber im Gesicht ausbreitet; am 6. Tag Abfall des Fiebers und Eintrocknung der Bläschen. Genaueres zeigt die beigegebene Tabelle: Datum Lympho- zyten Neutro- phile Eosino- phile Mono- zyten Bemerkungen 5. 12. 54 26 20 20 Leichter Scharlach. 6. 12. 60 27 1 12 7. 12. 55 24 2 19 8. 12. 49 35 3 13 9. 12. 55 31 9 5 10. 12. 51 39 7 3 11. 12. 51 34 9 6 12. 12. 41 35 14 10 13. 12. 50 34 10 6 Fieberanstieg auf 39°, makulo- papulöses Exanthem mit einigen Bläschen, über den ganzen Kör- per zerstreut. 14. 12. 36 50 7 7 Temperatur 40°, Umwandlung des makulo-papulösen Exan- thems in Bläschen. Gesicht frei. 15. 12. 56 28 2 14 Temperatur 40°, Vesikulation in vollstem Gang, auch im Gesicht dichte Bläscheneruptionen. 17. 12. 52 30 3 15 Abfall des Fiebers auf 38,3°, Ein- trocknen der Bläschen. 18. 12. 52 36 6 6 19. 12. 68 18 4 10 20. 12. 61 26 3 10 Scharlach. Wie die soeben angeführte Tabelle zeigt, geht Scharlach immer mit sehr zahlreichen Monozyten einher. Diese Scharlach monozy tose ist etwas durchaus Bekanntes, wie auch von Naegeli betont wird. Auch bei Masern sind nach Naegeli die Monozyten zur Zeit des Enanthems und Exanthems vermehrt und können 10°/0 und mehr erreichen; in der Literatur finden sich ähnliche Angaben (Klein, Türk u. a.). Meine Erfahrungen stimmen damit überein. Typhus. Beim Typhus ist bereits von Ziegler und Schlecht angegeben worden, daß im Verlauf der zweiten Krankheitswoche zur Zeit des Absinkens der Granulozytenkurve die großen Mononukleären an Zahl über die Norm zu- nehmen. Mallory erkannte in seiner Arbeit über die Histiogenese des Typhus dessen Wesen in einer primären Hyperplasie aller jetzt von Asch off Histiozyten genannten Elemente, und beschreibt den Übertritt der damals sogenannten ,, großen Typhuszellen" in den allgemeinen Kreislauf. Gräff meint, das ver- änderte Blutbild stelle beim Typhus in abgeschwächtem Maße das Spiegelbild 550 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. der allgemeinen zellulären Reaktion dar; eine Beteiligung der Bluthistiozyten, d. h. der großen Mononukleären und Übergangsformen an der Neubildung fehlt im allgemeinen und diese Zellform ist im Blut nur wenig vermehrt, obwohl die histiozytären Makrophagen sicherlich zu einem geringen Teil über den Ductus thoracicus und durch unmittelbare Aufnahme aus den Venen am Orte der herdförmigen Veränderungen in die Blutbahn hineinkommen. Den Grund für die geringe Vermehrung sieht er darin, daß die Makrophagen schnell wieder aus dem Blut verschwinden und in der Milz, Leber und Knochenmark sowie in den Lungen zurückgehalten werden. Die Haftung dieser Zellen im Sinne 0 ellers ist hier vielleicht infolge der eintretenden guten Sensibilisierung besonders intensiv. Andere Infektionen. Monozytosen sind noch beobachtet worden bei der Lues im III. Stadium (Mittelwert 14,1 °/0 nach Hauck), bei Pneumonie, bei der Trichinose im Stadium der Besserung, bei Purpuraerkrankungen, bei eitrigen Infektionen, vor allem auch bei Karzinomen, bei denen sie so gut wie regelmäßig ver- mehrt sind. Die Ursache dafür kann man sicherlich in den zellulären Reaktionen am Retikuloendothel sehen, wie sie vorne ausführlich von mir beschrieben wurden. Auch beim Ikterus finden sich häufig Monozytosen (Wollenberg). Endlich muß noch die Tuberkulose erwähnt werden, bei der wir in manchen Fällen eine Vermehrung der Monozyten nachweisen können. Schilling bringt dafür eine ganze Anzahl Belege und auch Wollenberg weist auf ihr gelegentliches Vorkommen bei chronischen tuberkulösen Er- krankungen hin. Besonders bei Fällen mit Lymphdrüsentuberkulose ist sie öfter beschrieben (Frehse u. a.). Zum Schluß möchte ich noch einen eigenartigen Blutbefund anführen, den ich bei einer 65jährigen Frau, die schon lange Zeit wegen perniziöser Anämie in meiner Behandlung war, erheben konnte. Sie wurde durch Transfusionen von Verwandtenblut das erstemal vorzüglich gebessert; die Besserung hielt Monate hindurch an. Dann trat wieder eine Verschlechterung auf und sie bekam deswegen erneut zweimal einige 100 ccm Verwandtenblut intravenös. Im Anschluß daran trat eine rasche Besserung des Blutbefundes auf; es stellte sich aber ein allmählich an Intensität zunehmender Ikterus ein, der sehr stark wurde und mehrere Wochen dauerte. Dabei zeitweise acholischer Stuhl. Als der Ikterus bereits langsam im Abklingen war, verschlimmerte sich der Allgemeinzustand plötzlich, es trat völlige Appetitlosigkeit ein, hochgradige Schwäche und rascher Verfall, der in etwa 10 — 14 Tagen zum Exitus führte, ohne daß ein wesentlicher neuer Befund festgestellt werden konnte. Nur das Blutbild zeigte eine eigentümliche Kurve, indem die Neutrophilen auf 5 und 6% absanken, die Lymphozyten auf 64— 71% anstiegen und gleich- zeitig eine Monozytose auftrat, die schließlich 24% erreichte. Die beifolgende Tabelle demonstriert diese Verhältnisse. 17. 7. 1924 19. 7. 22. 7. 24. 7. 26. 7. 31. 7. Bilirubin im dir. + + Serum . . . indir. 0,181 «Voo Hgb 68 = 97% 77=110% 79 = 113% 74 = 106% 78 = 111% 78 = 107 % Erythrozyten . 3 600 000 4 240 000 4 320 000 4 080 000 4 600 000 4 640 000 Färbeindex . . 1.07 1,04 1,04 1,04 0,90 0,92 Leukozyten 4700 4100 4000 4900 10 000 16 600 Neutrophile 6% 5% 16% 44% 67% 82,3% phozyten 64% 71% 59,5% 43,5% 17,6% 11,6% Eosinophile 13% 0,5% 4% 2,3% 0,3% Mononükle&re l«% 19% 24% 9% 12»,, 5,3% Mastzellen . . 2% 0,5% 3 Plasma - zellen 1% 3 Plasma- zellen 0,3% Thrombozyten — 326 400 — 293 760 326 600 .->!!) 680 Monozytenleukämie. 551 Die Sektionsdiagnose (Privatdozent Dr. Schultz) lautete: Eitrige Bronchitis, Milz- schwellung, rotes Mark im Femur, geringer Ikterus, braune Atrophie des Herzens und der Leber, Hämosiderose der Leber, Zwerchfellfurchen der Leber, Dilatation der abfüh- renden Gallenwege, sog. Apoplexia uteri, Arteriosklerose geringen Grades, allgemeiner Marasmus. Der mikroskopische Befund, den ich Herrn Privatdozent Dr. Schultz verdanke, zeigte in der Leber sehr ausgedehnte Speicherung von Eisen in den Kupfferschen Sternzellen und in den histiozytären Elementen des portalen Bindegewebes, kleine nicht verkäsende miliare Tuberkel. Milz: Ziemlich blutreiche Pulpa, geringe Ablagerung von Eisen- pigment in den Pulpazellen, hyaline Degeneration der Milzfollikel. Knochenmark: Sehr zahlreiche kernhaltige rote Blutkörperchen, zum Teil mit zerfallenen Kernen. Zahl- reiche, ziemlich kleine einkernige Zellformen mit ungranuliertem Protoplasma und meist runden, zum Teil auch eingekerbten Kernen. Auffallend wenig neutrophil gekörnte, reich- lich eosinophile Myelozyten. Relativ zahlreiche Lymphozyten. Sehr große retikuläre Zellen mit blassen, oft zahlreichen Kernen und phagozytierten Blutzellen. Ziemlich geringe Eisenspeicherung in kleinen retikulären Zellen. Wenig Megakariozyten. Nieren: Kleinste, riesenzellenhaltige Tuberkel, sonst o. B. Lymphdrüsen: Ein retroperitonealer Lymph- knoten zeigt keinerlei Besonderheiten. Herzmuskel: Mäßig starke Verfettung, reichliche Ablagerungen von Abnutzungspigment. Man könnte daran denken, daß hier ein Einbruch der Tuberkelbazillen, die zu den frischen Tuberkeln in Leber und Niere führten, die akute Änderung des Krankheitsbildes herbeiführte und die Ursache für das eigentümliche Blut- bild der letzten Zeit war. Dabei wirkten der Ikterus und der diesem zugrunde liegende vermehrte Blutzerfall als unterstützende Noxen im Sinne einer ge- häuften Speicherung. Die Erklärung wäre dann nach, den Prinzipien, wie sie bei der Monozytenangina auseinandergesetzt wurden, zu gestalten, 2. 3Ionozytenleukämie. Leukämische Retikuloendotheliose. Endothelhyperplasie als Systemerkrankung. Der Begriff der Monozytenleukämie als Ausdruck der Erkrankung eines eigenen Systems, nämlich des retikulo-endothelialen Apparates, in Analogie zu der lymphatischen und myeloiden Leukämie wurde von Schilling aufgestellt. Der Fall, auf den er sich stützt, ist von ihm und Reschat ausführlich beschrieben: 33jähriger Maurer. Beginn der Erkrankung vor 6 Wochen mit Zahnfleischentzündung, großer Mattigkeit und Appetitlosigkeit. Nach 19 Wochen Flecken am ganzen Körper. Vor 6 Tagen Schüttelfrost. Fieber, und am nächsten Tage nur durch Tamponade stillbares Nasenbluten. Befund: Wachsartige Blässe, überall kleine Blutungen, Zahnfleisch blaß, ulzeriert, leicht blutend. Nasenbluten. Durchfälle. Temperatur 38,6°. Innere Organe o. B. Urin: l°/00 Albumen, zahlreiche granulierte Zylinder. Wa.R.: negativ. Blutbild: Basophile Eosinophile Myelozyten 0,2% | •'"Ate :::::::::: Wu Neutro»hile 15>40/» Segmentkernige 10,6 % ) Reizformen 4,0 % Lymphozyten 12,0% Rundkernige Gr Mononukleäre 7,4 % ) ,r , r-1 on, r> i ,, . AT . aA Aar ) Monozyten /1,8%# Polymorphkernige Monozyten . , 64,4%) - /0 Die Gesamtzahl der Leukozyten nahm mehr und mehr zu: Auf 20 000, dann auf 43 000 und schließlich auf 56 000, die Zahl der Erythrozyten ab auf 1 200 000, dann 920 000 bei F.I. = 1,0. Fühlbare Milzschwellung. Der Blutbefund blieb gleich; zum Schluß waren die vereinigten Neutrophilen 14,6%, die Lymphozyten 10,4% und die vereinigten Mono- zyten 74%. Es waren viele atypische, sehr ungleich große, oft bizarr gelappte große Mononukleäre und Übergangsformen, deren Protoplasma durchschnittlich viel basophiler, teilweise auch schmal geworden war, zu finden. Xaegeli und Pappenheim, denen die Blutpräparate vorlagen, erkannten die Auslegung als große Monozyten an. 552 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Sektionsbefund: Auf der Haut der oberen Extremitäten, von Brust und Bauch zahlreiche prominierende, etwas derb anzufühlende Verdickungen bis Linsengröße. Haut- blutungen. Knochenmark des Oberschenkels teils fettartig, teils braunrot. Rippenmark grau-rötlich breiig. Milz: Vergrößert, weich, braunrot, Follikel nicht erkennbar. Neben- nieren vergrößert. Darm: Auf der Schleimhaut des Dickdarmes vielfach klein bis erbsen- große, runde und ovale Geschwüre mit glattem Rand und starker Pigmentierung der Um- gebung; im Dünndarm nur ein derartiges Geschwür (ulzerierte Hämorrhagien?). Leber etwas vergrößert, sehr starke Eisenreaktion. Histologische Untersuchung. Haut: Die Infiltrate bestehen aus großen ein- kernigen Zellen mit teilweisen polymorphen Kernen im Anschluß an die Gefäße. Protoplasma schwach basophil, keine Körnchen zu erkennen. Knochenmark: Im Oberschenkel be- ginnende Neubildung zu myeloischem Gewebe mit auffallend wenig Ery thropoese ; in den Gefäßen überall die großen Mononukleären und Übergangsformen. Oxydasereak- tion des Knochenmarks stark positiv, die großen Einkernigen stets negativ. Rippen mark: Größtenteils normales normoblastenarmes myeloisches Mark. Milz: Ausstriche bestehenfast rein aus den großen Zellen vom Typus der Splenozyten mit negativer Oxydasereaktion. Im Schnitt Follikel noch erkennbar. Reste bestehen aus normalen Lymphozyten. Pulpa vollgepfropft mit Erythrophagen, großen Herden von Plasmazellen und außerordentlichen Mengen der großen Einkernigen. Erythropoese fehlt. Schwärzliche Mesenterial- drüsen. Spuren von Ery throphagozy tose reichlich. Normales Lymphgewebe auf Rand- partien zurückgedrängt. Das interfollikuläre Gewebe ist in normales myeloisches Gewebe mit stärkster Oxydasereaktion umgewandelt. An den Blutgefäßen und davon ausgehend in dem umgebenden Fettgewebe Ansammlungen der großen Einkernigen mit negativer Oxydasereaktion. Keine Übergänge zu den myeloischen Zellen. Leber: Keine myeloischen Herde. In den Gefäßen massenhaft große, gut erhaltene Splenozyten mit negativer Oxydase- reaktion. Dem Blutbefund mit seiner hochgradigen Mononukleose entsprach also ein histologischer Befund der Organe, in dem eine herdweise einfache myeloische Umwandlung im Anschluß an Erythrophagozytose, eine ubiquitäre selb- ständige, auf die Blutzirkulation hauptsächlich lokalisierte Wucherung von großen Einzelligen, teilweise von infiltrativem Typus, das Charakteristische war. Schilling hielt sich auf Grund dieser Befunde für berechtigt, daraus auf das Vorhandensein einer neuen System - erkrankung, der Monozytenleukämie, zu schließen. Naegeli hält die Monozytenleukämie für eine oft nur temporäre initiale Variante der Myeloblastenleukämie, in welche sie übergeht, wenn das Leben genügend lange erhalten bleibt. Man könnte sie nach ihm zunächst als Mono- zytenleukozytose deuten, weil es sich ja um reife Zellen und nicht, wie bei Leukämien, um unreife und Vorstufen handelt, wogegen aber die histologische Untersuchung, welche eine ausgedehnte System äff ektion zeigt, spricht. Ein ähnlicher Fall wurde von Fleischmann beschrieben, bei dem Milz- und Drüsenschwellungen fehlten und die Blutuntersuchung bei einer Gesamt- zahl von 9000 Leukozyten die Hauptmenge derselben als große mono- nukleare Zellen (46—65%) feststellte. Eine Knochenmarkspunktion förderte vorwiegend myeloische Zellen zutage, die zunächst nicht im Blut zum Vor- schein kamen. Tod unter den Erscheinungen der akuten Leukämie. Bei der Sektion fanden sich eine myeloische Aplasie aller Organe, im myeloischen Gewebe überall Monozyten. Die Monozyten dieses Falles ergaben eine positive Oxydasereaktion. Auch Hirschfeld erwähnt einen Krankheitsfall mit 60—70% Monozyten im Blut und ziemlich viel Myelozyten, den er nachträglich den Monozytenleukämien zuzählt. und endlich hat Bingel eine Monozytenleukämie beschrieben, wobei die Monozytenzahl aber 44% betrug bei einer Gesamtzahl der Leukozyten von 16 500. Die Mehrzahl der weißen waren große Zellen mit großem plumpem, m< isl starb gelapptem Kern. Das Protoplasma zeigte staubförmige, sehr reichlich feinste Granulation, so daß Mononukleäre bezw. Ubergangsformen anzunehmen «raren. Dieser Kall isl allerdings kompliziert dadurch, daß bei der Autopsie frischen und alten- Darmgeschwüre mit Infiltrationen der Geschwürsränder Leukämische Retikulo-Endotheliose. 553 gefunden wurden, die für ein Typhusrezidiv sprachen. Außerdem eine Tuber- kulose der Halslymphdrüsen und tuberkulöse Kehlkopf geschwüre. Der histo- logische Befund zeigte eigentümliche lymphoide Zellinfiltrate der Haut, Knochen- mark rein myeloisch, in der Leber Anhäufungen von kleinen Rundzellen wie in den kleinen Typhusknötchen ; sie unterschieden sich aber davon, daß sie meist nicht rundliche, sondern streifenförmige, ausgesprochen perivaskuläre Ge- bilde darstellten. Die Hyperplasien schienen sich nicht aus vorhandenen lym- phatischen Bildungen zu entwickeln, sondern adventitiellen Ursprungs zu sein. Die Milzfollikel waren nicht hypertrophisch, sondern im Gegenteil von einem aus der Pulpa vordrängenden Gewebe komprimiert und unregelmäßig gestaltet. Es waren keine Zwischenformen zwischen Follikeln und großen Pulpazellen zu finden. Die Oxydasereaktion in den Gewebsschnitten fiel negativ aus (W. H. Schult ze). Bin gel läßt selbst die Frage offen, ob es sich hier um eine starke monozytäre Reaktion oder um eine Monozytenleukämie handelte. Ich glaube, daß dieser Fall, in dem ja Typhus und Tuberkulose vorgelegen hatten, mehr in das Gebiet der Monozytosen gehört und als eine exquisit starke zelluläre Reaktion am Retikuloendothel im Sinne von Gräff zu deuten ist, wobei die zahl- reichen neugebildeten Wanderlust iozyten ins Blut abwanderten. Weiterhin wären noch zwei Fälle von Rectano zu erwähnen, bei denen bei mäßig vermehrter Leukozytenzahl ganz vereinzelte Lymphozyten, Eosino- phile, Neutrophile und fast nur Monozyten gefunden wurden. Unter der Bezeichnung ,, Leukämische Retikulo-Endotheliose" hat O. Ewald einen Fall mitgeteilt, der ähnlich wie der vonReschat und Schilling als akute Leukämie verlief und auch sonst weitgehende Übereinstimmung mit diesem zeigt: Ein 60jähriger Landwirt erkrankte an Zahnfleischblutungen, denen ein Zahnwurzel- abszeß vorausgegangen war, der zu einer Stomatitis geführt hatte. Pat. wurde matt und appetitlos. Hochgradige Blässe, leichte Benommenheit, starke ulzerierende Gingivitis am linken Oberkiefer mit teilweise eitrig schmierig, teilweise blutig belegten Geschwürsflächen. Lunge und Herz o. B. Leber nicht vergrößert. Milz weich und vergrößert, deutlich palpabel. Temperatur dauernd erhöht, zwischen 38 und 39°. Blutkulturen steril. Leichte Albuminurie. Acht Tage nach klinischer Aufnahme Exitus. Durchschnittswerte der mehrfach vorge- nommenen Blutuntersuchung (Panchrompräparate) waren folgende: Hb 22°/0 (nach Sahli), E. 1250 000, F.I. 0,9, L. 15 000; darunter: N. 1%, Ly. 4%, Mono. 0,5%, pathologische Stammzellen 94,75%. Auf 100 Leukozyten etwa 2 kernhaltige Rote. Die pathologischen Zellen des weißen Blutbildes waren in ihrer Größe sehr verschieden- artig; der doppelte bis achtfache Durchmesser der Normozyten kommt vor. Der Plasma- leib ist groß, meist oval oder polygonal, schwach basophil, bei vielen Zellen mit einem Stich ins Rötliche. Perinukleäre, hellere Zone manchmal noch angedeutet. Der Kern ist relativ groß, selten rund, meist polygonal oder gelappt, öfter liegen auch zwei Kerne in einer Zelle. Der Kern zeigt eine undeutliche Struktur, die zum Teil an die Lymphoidozyten- kernstruktur erinnert, aber lange nicht so regelmäßig und gleichmäßig wie bei den gewöhn- lichen Stammzellen ist. Gemeinsam ist allen Zellen das Vorhandensein von deutlichen Nukleolen (1—5); sie fehlen bei keiner Zelle. Alle Zellen sind ausnahmslos mit einer sehr deutlichen Azurgranulation übersät, die teilweise so ausgesprochen ist, daß die ganze Zelle dunkel erscheint und kaum mehr eine Grenze zwischen Kern und Plasma zu erkennen ist. Aus dem Sektionsbefund ist zu erwähnen: Großer Milztumor mit brauner Pulpa, graubraunes Knochenmark, leichte Vergrößerung der Leber mit schwach bräunlicher Schnittfärbung, blasse Nieren mit Blutungen. Blutungen des Epikards and Endokards mit Nekrosen in der Muskulatur, kleine hyaline Knoten in der rechten Lunge. Bei der histologischen Untersuchung fand sich eine starke Vermehrung der sog. Stammzellen in den verschiedensten Organen. Die Zellen zeigen meist einen runden oder ovalen Kern, oft auch bohnenförmig oder gelappt mit wechselnd starkem Chromatingehalt und ziemlich reichlichem Protoplasma. Granulationen fehlen. Bei der Oxydasereaktion sind diese Zellen annähernd gleichmäßig ziemlich stark granuliert; bemerkenswert ist hierbei, daß auch ein Teil der Kupfferschen Sternzellen gleich stark positiv reagiert. Starke Stammzellenansammlung zeigt die Milz, geringere 554 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. Herzmuskel und Niere (in Glomerulis 30—70); noch geringer Nebenniere und Hoden. In der Leber finden sich einzelne periportale Stammzelleninfiltrate. Im Spcckhautgerinnsel sind die Stammzellen vermehrt, in Leber und Milz intrazellulär bräunliches Pigment. Das Knochenmark ist dicht ausgefüllt mit kernhaltigen Zellen, die ebenfalls die Struktur der Stammzellen zeigen. Die weitere histologische Untersuchung zeigt, daß das lymphatische Gewebe der Milz fast ganz verschwunden ist, und nur noch in der Umgebung der kleinen Arterien sich findet. Die Pulpa ist ganz erfüllt mit den großen Zellen mit breitem basophilen Protoplasma- leib und hellem großem runden bis einfach gebuchtetem Kern. Ein Teil dieser Zellen ist noch polygonal und zeigt an seinen Enden Protoplasmafortsätze, die mit dem Retikulum direkt zusammenhängen. Ganz vereinzelt Kolo- nien von Plasmazellen. Keine Mitosen, keine Erythroblastenherde, fast keine Granulozyten. Das Bild der Leber wird beherrscht von einer ausgesprochenen zentralen Nekrose, die fast durchweg über die Mitte der Läppchen hinaus- reicht. Zwischen den Leberbälkchen Anhäu- fungen von großen Zellen gleich denen der Milz. Zum Teil sieht man deutlich, wie sich diese Zellen aus dem Endothel heraus entwickeln, einzelne hängen sogar durch Protoplasmafortsätze direkt mit Kupfferschen Sternzellen zusammen. Keine Erythroblastenherde, nur wenig Granulozyten. Im Knochenmark finden sich die für ge- wöhnliches blutbildendes Knochenmark cha- rakteristischen Zellen nur ganz vereinzelt; die ganzen Räume zwischen den Retikulummaschen sind außer mit Erythrozyten angefüllt mit dicht aneinandergelagerten großen, gleichmäßig ge- bauten Zellen, gleich denen der Milz und Leber. Die Abstammung dieser Zellen vom Retikulum ist hier besonders deutlich zu sehen. Man sieht überall, wie sich diese Zellen (Ra) wie Knospen von den Retikulumsträngen ablösen. Die Über- gänge der reinen Retikulumzellen (R) bis zu den isolierten Stammzellen (St) sind so zahlreich, daß man an der Abstammung dieser Zellen im vorliegenden Fall keinen Zweifel hegen kann. Diese Beobachtung ist sicher sehr wichtig, weil sie, wie Ewald mit Recht bemerkt, ein weiterer Beweis für das Vorkommen einer retikulo- endothelialen Systemerkrankung darstellt, welche zur Ausschwemmung zahlreicher, noch nicht vollkommen bis zu den Endstadien entwickelter Zeilen Veranlassung gibt. Es liegen hier gegen- über dem Fall von Reschat und Schilling wohl nur graduelle Unterschiede der Entwicklung vor, die vielleicht durch die Verschiedenheit des Reizes im Sinne Herzogs ausgelöst sind. Die fertigen Monozyten wären dann schließlich das Endprodukt. Die Fälle beweisen jedenfalls, daß das gesamte retikuläre System bei hochgradigen Reaktionen sehr wohl imstande ist, im Blute eine vollkommene Beherrschung dessen zelliger Elemente durch die von ihm ab- gegebenen Zellen zu erreichen. Eine weitere, von Goldschmid und Isaac mitgeteilte Einzelbeobachtung gestattet »inen noch tieferen Einblick in diese ganzen Verhältnisse. Sie ist unter dem Namen „Endothelhyperplasie als Systemerkrankung des hämo- topoetischen Apparats" veröffentlicht: Eim 54jährige Frau erkrankt plötzlich mit Schüttelfrost; darauf Fieber und Milz- Bchwellung. Nach 1 Wochen triedei Besserung. Kin Jahr darauf Schmerzen im linken Unterleib, Appetitlosigkeil und Schwäche, deshalb klinische Aufnahme. Abb. 6. Retikuloendothelialz eilen im Blut- ausstrich. Zeiß-Apochromat. 2 mm, 1,3, Comp. Okular 8. (Nach Ewald). 9^\ Abb. 7. Knochenmark. Zeiß a/7 Immersion. Bi 7 X . R Reti- kulum zelle, Ra Retikulumzelle in Abschnürung, St Stamm- zellen, Er Erythrozyten. (Nach Ewald). Endothelhyperplasie als Systemerkrankung. 555 Hochgradige Blässe, leichte Bronchitis, Herz o. B., Leber überragt den Rippenbogen etwa handbreit, ist von mittlerer Härte. Starke Milzvergrößerung (26 : 10 cm). Urin frei. Blutuntersuchung: Hb. 50 (Sahli), E.2 860 000, F. I. 1, L. 9000^ davon N. 80%, Eo. 0, Mastz. 0,5°/ -o, Ly. 16%, Mono. 1,5%, Myelozyten 2%. Auf 200 rote 3 Normoblasten und 3 basophil punktierte E. Sieben Röntgenbestrahlungen der Milz besserten den Be- fund etwas. Ein Jahr darauf erneute Verschlechterung; erhebliche Beschwerden infolge des großen Milztumors. Blutbefund: Hb 35, E. 2 900 000, L. 2 700; davon N. 65,8%, Ly.28,2%, Eo. 2,4%, Mono. 3,3%. Blutplättchen 292 000. Neben reichlich Normoblasten vereinzelte Myelozyten sowie Megaloblasten. Plötzlich unter rapider Verschlechterung des Befindens bei mäßigem Fieber Exitus. Sektion: Großer roter Milztumor, Leberschwellung, rotes Knochenmark, Anämie. Milz: Histologische Untersuchung: Struktur verwischt, keine Follikel. Die Milz macht den Eindruck eines großen Gefäßschwammes. Da Follikel nicht vorhanden sind, so sieht man in der Pulpa im wesentlichen Blutgefäße und -Räume, welche von kernhaltigen Zellen ausgefüllt und von ihnen umgeben sind. Unter diesen Zellen fallen schon bei schwacher Vergrößerung Riesenzellen ins Auge, welche stellenweise das Gesamtbild völlig beherrschen. So werden in einem Gesichtsfeld 54 Riesenzellen gezählt. Bei mittlerer Vergrößerung wird in längsgetroffenen Venen das Lumen etwa zur Hälfte von einkernigen Zellen eingenommen, der Rest von roten Blutkörperchen. Weiter finden sich überall Haufen und Stränge von mittelgroßen einkernigen Zellen, welche die Bluträume ausfüllen und stellenweise zusammenhängende Beläge bilden. Bei starker Vergrößerung haben diese Zellen einen schmalen Protoplasmasaum, der sich mit den benachbarten Zellen abplattet und oft epithelartig mit dem Nachbarn zusammenhängt. Der Kern ist groß, chromatin- reich, nur selten mit Kernkörperchen versehen. Diese Zellen scheinen die Hauptmasse der Pulpa zu bilden. Dazwischen finden sich außer roten Blutkörperchen kleine lympho- zytenartige Elemente und die oben beschriebenen Riesenzellen. Die Oxydasereaktion zeigt nur ganz vereinzelt positiven Ausfall. Leber: Zeigt auffallenden Zellreichtum; das bindegewebige Retikulum ist überall deutlich erkennbar, die Leberzellbalken sind herd- weise verschmälert, die zugehörigen Kapillaren zum Teil entsprechend erweitert. Bei mittlerer Vergrößerung fällt besonders die große Anzahl von Riesenzellen mit unge- wöhnlich großen Kernen auf. Bei starker Vergrößerung finden sich Kapillaren mit Endo- thel von gewöhnlichem Verhalten, im Lumen rote Blutkörperchen, Leukozyten und große einkernige Zellen gleich denen der Milz. Daneben riesenzellenartige Gebilde verschie- dener Größe mit verschieden gestaltetem Protoplasmaleib und mit allen Arten bizarr ge- stalteter Riesenkerne sowie pyknotischen Kernkonglomeraten. Bei Ölimmersion finden sich in den Kapillaren im Bereich der Kupfferschen Sternzellen auffallende Bildungen; so zeigt sich z. B. eine Kapillare mit zwei typischen, aneinander anschließenden Kupffer- zellen auf einer Seite ihnen gegenüber ein auffallendes Gebilde. Dieses erscheint wie eine bizarr vergrößerte, mehrkernige Sternzelle. Auch in anderen Kapillaren finden sich derartige Bilder. Gelegentlich erinnern diese Gebilde an die Megakariozyten des Knochenmarks. Offenbar handelt es sich in den Leberkapillaren um hochgradige Verände- rungen der Kupfferschen Sternzellen. Auch im Knochenmark überwiegen die Riesen- zellen, die denselben Typus wie in Milz und Leber zeigen, d. h. es finden sich verschiedene Arten sehr großer, protoplasmareicher Zellen mit vielgestaltigen oder sehr zahlreichen Kernen, die mit den bekannten Typen von Riesenzellen (Sternberg, Langhans, Megakariozyten) nichts gemein haben. In den Lymphgefäßen finden sich zuweilen Massen großer Endothelzellen sehr ähnlich den in Leber und Milz beschriebenen Zellen. Lunge o. B. Das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung fassen Goldschmid und Isaac dahin zusammen, daß es sich um eine hochgradige Zellwucherung in der Milz, den Leberkapillaren und dem Knochenmark handelt. Die Zeilen sind Abkömmlinge des Kapillarenendothels, bzw. ge- wucherte Endothelien. Die ganze Erkrankung nimmt also ihren Ausgang vom Endothel. Es besteht demnach zweifellos die histologisch belegte Be- rechtigung, hier von einer Systemerkrankung der Endothelien des hämatopoetischen Apparates zu sprechen. Goldschmid und Isaac weisen mit Recht darauf hin, daß hier ein Analogon zur Gaucher- Schlagenhauf ersehen Erkrankung vorliege. Während aber bei der Gaucherschen Krankheit eine Proliferation der retikulären Zellen der blut- bildenden Organe eingetreten ist, wobei sich große helle Zellen mit kleinem Kern, die bei bestimmten Färbemethoden einen deutlichen Zusammenhang mit den Retikulumfasern zeigen, sowie völliges Fehlen von Riesenzellen findet, 556 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. handelt es sich bei dem Fall von Goldschmid und Isaac nur um eine Proli- feration der Endothelien. Bei der Gaucherschen Krankheit aber finden sich im allgemeinen keine Veränderungen der Kapillarendothelien und der Endo- thelien des venösen Sinus. Es ergibt sich also der von Goldschmid und Isaac gezogene Schluß, daß Endothel- und Retikulumzellen die Möglichkeit haben, auf Reize zu reagieren, und zwar ein jeder für sich. Bemerkenswert ist an dem Krankheitsfall von Goldschmid und Isaac, daß trotz hochgradigster Endothelveränderungen diese Prozesse im Blutbild durch Ausschwemmung solcher Zellen nicht zum Ausdruck kamen, wie wir es bei den anderen hyperplastischen Systemerkrankungen des Retikuloendo- thels gesehen haben. Es ergibt sich aber ferner ein weiterer Einblick in die große Variationsmöglichkeit der Erkrankungsformen des Retukuloendothels, wobei Retikulumzellen und Endothel an sich getrennte aber verwandte Systeme darstellen, welche gemeinsam oder jedes einzelne für sich reagieren können. 3. Amyloid, Gauchersche Krankheit, L. Picks lipoidzellige Splenomegalie (Typus Niemann), Xanthelasma u. ä. Die zunehmende Erkenntnis funktionell zusammenhängender und inein- andergreifender Organ- und Zellsysteme hat dazu geführt, daß in deren patho- logisches Geschehen immer helleres Licht fällt. Besonders fruchtbar hat in dieser Beziehung die Feststellung gewirkt, daß das über die Organe zerstreute retikulo -endotheliale System gewissermaßen als funktionelle Einheit anzu- sehen ist, dem andere verwandte Systeme, wie die Endothelien der Gefäße, anzugliedern sind . Die große Bedeutung dieser Zellkomplexe als intermediäres Stoffwechselorgan, das die gierig phagozytierten Stoffe und Produkte des eigenen Zellebens ebenso wie die von außen eindringenden fremdartigen be- seitigt und durch ihre Fermente aufarbeitet und so zum wichtigen Schutz- organ des Körpers wird, bringt es mit sich, daß auch nach dieser Richtung krankhafte Vorgänge sich bemerkbar machen und Krankheitsbilder zustande kommen, deren Zusammenhänge nunmehr klarer werden. a) Amyloid. Im Verfolge seiner Untersuchungen an Mäusen über die zelluläre Reaktion bei Überfütterung mit Lipoid-Eiweißgemischen oder parenteraler Einverleibung von Nutrosekaseinnatrium hat bereits Kuszynski auf deren Speicherung in dem retikulo-endothelialen Gewebe hingewiesen und die Beobachtung gemacht, daß bei diesen Versuchen sich bei einem Teil der Tiere typisches Amyloid bilde und ablagere. Domagk ist diesen Zusammenhängen bei seinen Unter- suchungen über die Bedeutung des retikulo-endothelialen Systems für die Ver- nichtung von Infektionserregern, auf die ich schon mehrfach hinwies, weiter nachgegangen. Es zeigte sich ein bisher für unmöglich gehaltenes rasches Auf- treten von Amyloid bei einer durch Kokkeninjektionen sensibilisierten Maus bereits 2 Minuten nach der Reinjektion. In diesem Fall war zum Teil die nadei- förmige Struktur des ganz jungen Amyloids in der Leber sehr deutlich. Bei einer nicht vor behandelten Maus wurde Amyloidbildung ebenfalls schon nach 10 Minuten beobachtet. Nach Kuszynski bedarf die Entstehung des Amyloids einer größeren Inkubationszeit, in der es zu einer allgemeinen Sättigung der Säfte mit den Spaltprodukten dea ganz ungeheuerlich gesteigerten Eiweißstoffwechsels kommt. An den Orten der Dissimilation fallen die schwer löslichen Abbauprodukte in Amyloid. — Gauchersche Krankheit. 557 dem Augenblick aus, in dem ihre Löslichkeit überschritten ist. Aus Domagks Versuchen ergibt sich, daß das Amyloid keineswegs als chronische Erkrankung aufzufassen ist. Schon wenige Minuten nach der Staphylokokkeninjektion tritt ein deutliches perinoduläres Amyloid der Milz auf. Die Organe, in denen sich Amyloid zeigt, lassen gleichzeitig eine hochgradig gesteigerte Zelltätigkeit, namentlich der Endothelien, erkennen, die sich durch eine hochgradige Phago- zytose dieser Zellen kennzeichnet ; sie geht mit deutlicher Vergrößerung dieser Gebilde einher, in deren Protoplasma und Kern später zahlreiche Vakuolen beobachtet werden. Das Amyloid tritt nicht auf in der Zeit der hochgradigsten Phagozytose, sondern wird gefunden nach Ablauf des Verarbeitungsprozesses der Kokken in den Endothelien. Kurz nach der Kokkenreinjektion beobachtete Domagk im Blutbild analog den früheren Untersuchern des Blutbildes bei Reinjektion sensibilisierter Tiere einen hochgradigen Leukozytensturz. Die Reste der untergehenden Zellen fand er in der Milzpulpa, wo auch diese Trümmer weiter verarbeitet werden. Vermutlich liefern also nicht nur die untergehenden Kokken, sondern auch das untergehende Körpergewebe das Material für das Amyloid. Das wesentliche Moment für die rasche Entstehung des Amyloids schien Domagk die ganz akute Überschwemmung des Blutes mit Eiweißschlacken und Abbauprodukten zu sein. Auch beim chronisch erzeugten Amyloid führt nach Domagk ein ununterbrochener Weg über vermehrte Phagozytose von eiweiß- haltigen Schlacken bis zur Entstehung des Amyloids. Da nun die Gefäßwandzellen und das ganze retikulo-endotheliale System besondere phagozytäre Eigenschaften haben, so erklärt sich daraus die Lokalisation des Amyloids und die Prädisposition der Gefäßwand. Daraus erklärt sich weiter die besondere Beteiligung der Milz an der amyloiden Degeneration. Wenn man auch die Phagozytose kleinster Eiweißpartikelchen nicht immer mit dem Auge verfolgen kann, so dürfte nach Domagk das Auftreten von Amyloid in anderen Organen dennoch gleichfalls an die Anwesenheit hoch- gradig phagozytär tätiger Zellen geknüpft sein (Zunahme der Größe* der Zellen, Vakuolenbildung usw.). Erste Bedingung für die Entstehung des Amyloids ist also nach Domagk das Vorhandensein von eiweißabbauenden Zellen, in deren Umgebung unter gegebenen Bedingungen es zur Ausfällung der entstehenden Spaltprodukte kommt, entweder weil es teilweise nicht bis zum Abbau zu leicht löslichen Aminosäuren infolge Überangebots und Zellschädigung kommt, oder weil Fermente in der Richtung tätig sind, daß sie lösliches Eiweiß in unlösliches, also aus dem Sol- in den Gel-Zustand überführen. So interessant und wichtig die Domagkschen Feststellungen sind, so scheint mir die Beweisführung noch keine lückenlose zu sein, und es wird noch weiterer Untersuchungen bedürfen, um in die Entstehung des Amyloids völlige Klar- heit zu bringen. b) Gauchersche Krankheit. Während beim Amyloid nach Domagk eine hochgradig gesteigerte Funktion des Retikuloendothels und der Gefäßendothelien zu einer Überschwemmung der Umgebung mit Eiweißabkömmlingen führt, aus denen es sich bildet, ist die Gauchersche Krankheit ein weiterer Ausdruck isolierter Erkrankung des retikulo-endothelialen Systems. Im Vordergrund des Krankheitsbildes steht der mächtige Milztumor, eine starke Vergrößerung der Leber und eine Anämie, die mehr oder weniger hochgradig ist. 558 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo -endothelialen Systems. Die Krankheit ist in einem Teil der Fälle ausgesprochen familiär, so daß mehrere Angehörige derselben befallen werden. Nach L. Pick1), der 32 Fälle aus der Literatur zusammenstellte, findet sie sich in 34°/0. Der Beginn ist schleichend und meist wird bei irgendeiner Untersuchung im Kindesalter der Milztumor als erstes Krankheitszeichen festgestellt, der dann langsam wächst und später von der Lebervergrößerung begleitet wird. In seltenen Fällen stellen sich leichte Schwellungen der äußeren Lymphdrüsen bis Erbsen- und Bohnengröße ein. Die Haut zeigt häufig schon frühzeitig eine eigentüm- liche gelblichbraune bis ockerfarbene, zuweilen auch bronzefarbene oder sub- ikterische Verfärbung. Sie findet sich meist nur an den dem Licht ausgesetzten Hautpartien, läßt die Schleimhäute frei und ist der Ausdruck der allgemeinen Hämochr omatose, welche die Krankheit immer begleitet. An der Kon j unk - tiva kann sich im Bereich der Lidspalte eine bräunlichgelbe keilförmige Verdickung mit der Basis zum Kornealrand hin bilden, nasal und später auch temporal. Die Blutuntersuchung ergibt frühzeitig eine Leukopenie, bei der bald die Neutrophilen, bald die Lymphozyten vorherrschen. Sie ist nur selten hochgradig. Hämoglobinmenge und Zahl der roten Blutkörperchen ver- mindern sich, so daß eine Anämie vom Typus der sekundären zustande kommt. Gaucherzellen wurden bis jetzt im Blute nicht gefunden. In späteren Stadien kommt es zu einer Thrombopenie. Es treten auch Zeichen einer sich ent- wickelnden hämorrhagischen Diathese ein (Nasenbluten, Zahnfleischblu- tungen, Blutungen aus dem Mund, Rachen und Magen, Blutstühle usw.) Zuweilen werden Schmerzhaftigkeit der Knochen geklagt und Schmerzen im Leib, wohl als Ausdruck der bei der Milzvergrößerung eintretenden Kapsel- spannung. In anderen Fällen ist es auffallend, wie gering die abdominellen Beschwerden trotz enorm vergrößerter Milz sind. Todesursache sind meist interkurrente Erkrankungen, nur selten die mit dem Morbus Gaucher einher- gehende Kachexie oder eine rapide progressive Anämie. Die Differentialdiagnose ist meist schwierig. Als wichtiges Hilfsmittel kann die Untersuchung exstirpierter Lymphdrüsen oder nach Bernstein, Reuber und H. Lippmann des Milzpunktates auf die großen Gaucherzellen dienen. Bei der Autopsie findet sich die Milz bedeutend, oft enorm vergrößert. Pick be- rechnet für 21 Fälle das Durchschnittsgewicht bei Erwachsenen auf 3200 g, Brill-Mandle- baum-Libman sahen eine Milz von 8100 g Gewicht. Die Konsistenz ist derb, die Kapsel bietet die Zeichen alter abgelaufener Perisplenitis. Die Schnittfläche ist je nach der Inten- sität der hämatochromatischen Pigmentierung rötlichgrau, blaßziegelrot, auch violett (Gaucher) oder bräunlichrot und es finden sich als makroskopischer Ausdruck der Anhäufungen von Gaucherzellen stets dicht gesprengelt marmoriert oder „wie be- stäubt" zahllose regellos verteilte, feine, grauweiße, graugelbe oder auch graurosa Fleckchen und Streifchen (L. Pick). Es finden sich in der veränderten Milzsubstanz nach Pick gröbere herdförmige Einlagerungen, die, abgesehen von Blutungen, entweder In- farkten oder nekrotischen Gaucherzellgebieten oder käsig-trockenen Konglomerattuberkeln oder Kavernomen (besonders von E. J. Kraus als kirschkerngroße, undeutlich begrenzte knotige Herde beschrieben, die aus zahlreichen, verschieden dicht stehenden, dunkelroten Bluträumen bestehen, die durch ein faserig scheinendes weißliches Gewebe getrennt sind) oder derbfibrösen soliden Knoten entsprechen. Die Leb er Vergrößerung entspricht nicht der Milz. Die Konsistenz ist derb, die Ober- fläche zeigt Reste einer abgelaufenen Perihepatitis. Die Läppchenzeichnung ist undeutlich. Die Schnittfläche ist bei jugendlichen Individuen gelblichrosarot, bei älteren Fällen bräun- lichrosa bis bräunliohrot, zuweilen mehr gelb (Gaucher) oder wie die Milz schokoladen- braun (Brill-Mandlebaum-Libman); sie wird durchzogen von feinen grauweißen Streifen, bei deren stärkerer Ausbildung es zu breiter verästelten weißen Zeichnungen kommt, die der Schnittfläche eine Art Granulierung geben (Einlagerung von Gaucherzel J e n i. l) Auf die ausgezeichnete Da] bellung von L. Pick sei besonders hingewiesen. Sie Bcheürl mir sehr tax Klarung beizutragen und ich habe daher weitgehend auf sie bezug genommen. Gauchersche Krankheit. 559 Auch in Lymphknoten, von denen die intraabdominellen und die intrathorakalen im Gegensatz zu den oberflächlichen stets vergrößert sind, und im Knochenmark finden sich die Gaucherzelleneinlagerungen als ebensolche netzförmige weißgraue Streifen. Regelmäßig findet sich bei den fortgeschrittenen Fällen an der Haut und an den inneren Organen eine allgemeine Hämochromatose, ferner als Ausdruck der hämor- rhagischen Diathese frischere oder ältere Blutungen. Im histologischen Bild sind der wichtigste Befund die Gaucherzellen, die, im Wasser frisch untersucht, einen gleichmäßig opaken Zelleib haben, der in seinem eigen- tümlichen matthyalinen Glanz an eine amyloide Scholle erinnert und beim Zerdrücken den Eindruck eines halbfesten hyalinen Materials macht (Marchand). An den gefärbten Schnitten ist der im ganzen blasse, helle, blasige Plasmaleib von spinnweb- artig feinsten linienartigen Fibrillen durchzogen, die bei allgemeiner Neigung zu welliger Parallelität durch seitliche Verbindungen ein zartes Netzwerk unregelmäßiger Maschen oder „Inseln" umgrenzen. So kommt ein eigentümlich zerknittertes, runzliges, „knittrig- wolkiges" oder auch undeutlich gestreiftes Aussehen der Zelle zustande. Längere Formen der Gaucherzellen sind entsprechend feinfibrillär längsgestreift oder gestrichelt. Mehr oder minder zentral gestellte Kerne können auch von etwa konzentrischen Linien umgeben sein. Durchschnitte der zarten Fibrillen bilden feine reihenweise Pünktchen und lassen den Zelleib granuliert oder punktiert erscheinen. Auch diese Punktreihen zeigen die Neigung zu paralleler Richtung. Große Zellen eines solchen eigenartigen Plasmatypus gibt es bei keiner anderen Affektion (L. Pick). Im frischen gefärbten Ausstrich der splenektomierten Milz oder im Milzpunktat erscheinen die großen epithelartigen, regel- mäßig begrenzten Zellen von mehr oder minder rundlicher Form; auch die Kerne, die in der Einzahl oder Mehrzahl vorhanden sind, sind rund und ziemlich groß. Vielkernige Riesengaucherzellen treten öfter besonders hervor. Pick fand den Zelldurchmesser im frischen Milzpunktat im Durchschnitt = 84 p. Die Gaucherzellen hängen in den Nestern untereinander und mit dem umgebenden Gewebe fest zusammen. Sie enthalten meist Pigment (Hämosiderin), vereinzelt auch phagozytierte rote Blutkörperchen. Das strukturelle Charakteristikum der Gaucherschen Krankheit ist also die besondere Gestaltung der Gaucherzelle, die als spezifisch angesehen werden muß, sowohl wegen der Eigenart ihrer Plasmastruktur als wegen des in den Zelleib eingelagerten mikrochemisch indifferenten Körpers. Ein weiteres Charakteristikum ist der Umstand, daß das Auftreten der Gaucherzelle beschränkt ist auf bestimmte Organe, die Milz, die Leber, die Lymph- drüsen und das Knochenmark. Eine weitere Ausbreitung hat sich bisher nicht gefunden. Es handelt sich also um eine eigentümliche Systemerkrankung des retikulären Apparates ohne wesentliche Beteiligung der Endothelien, wobei die Größe der Zellen, worauf vor allem Marchand und Risel hinwiesen, durch Einlagerungen einer fremdartigen Substanz hervorgerufen wird. Über die Natur der eingelagerten Substanz besteht noch keine ab- solute Einigkeit. Vielleicht ist sie nicht einheitlich. Nach Eppinger spielt beim Morbus Gaucher die Cholesterinämie eine große Rolle, was von anderen bestritten wird (L. Pick). Die eingelagerte Substanz wird entweder als Lipoid aufgefaßt (Siegmund, Wahl und Richardson u. a.) oder als ein Eiweiß- körper, der mit dem Hyalin oder Amyloid entfernt verwandt ist (Risel). Die Gaucher-Krankheit gehört nach Wahl und Richardson in die Gruppe des Xanthelasmas, welches sich durch Speicher ung von Fett in den Retikularzellen bzw. in den Fibroblasten charakterisiert. Es würden also gewisse Beziehungen zum Xanthom bestehen, bei dem es sich um Ein- lagerungen von doppeltbrechenden fettähnlichen Massen in Bindegewebszellen handelt, die sich als Cholesterinfettsäureester (Anitschkow) erwiesen haben. Die fetthaltigen Zellen des Xanthoms werden von den Bindegewebszellen ab- geleitet und sind als embryonale Fettzellen aufgefaßt worden. Es tritt als generalisiertes Xanthom bei gleichzeitig bestehendem Ikterus auf, ferner beim Zuckerkranken (Xanthoma diabeticorum). Der Auffassung, daß es sich bei der Gaucherschen Krankheit um Einschlüsse von Lipoidsubstanzen handelt, stehen die Untersuchungen von Epstein gegenüber, der annimmt, daß es sich wohl 560 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. kaum um Lipoidsubstanzen, sondern etwa um eine Abartung von Eiweiß handeln dürfte. Aiello hat bei der Aminosäurenaufarbeitung der Eiweiß - körper in der Gaucher-Milz Besonderheiten gefunden, welche diese Ansicht stützen können. Epstein faßte seine Untersuchungen über die Gaucher- Müz vor kurzem zusammen. Danach ist der als Gaucher- Substanz bezeichnete Komplex keineswegs eine Einheit im chemischen Sinne, sondern ein aus ver- schiedenen Komponenten zusammengesetzter Körper. Er erkennt den Befund Aiellos an, der darauf hindeute, daß eine Veränderung der Eiweißsubstanz in der Gaucher-Milz eine Rolle spiele, die mit einer Stickstoffverarmung und Kohlehydratzunahme einhergeht. Es erscheint unwahrscheinlich, daß äther- lösliche Phosphatide in größerer Menge an der Zusammensetzung des die Gaucher- Substanz bildenden Komplexes beteiligt sind. Sehr wahrscheinlich scheint es aber, daß ein Körper, der mit dem zu den Sphingogalaktosiden gehörigen Zerebrin Kossels und Frey tags möglicherweise identisch ist, einen wichtigen Bestandteil der Gaucher- Substanz bildet. Zweifellos steht nach ihm fest, daß der als Gauchersubstanz bezeichnete Zellinhalt eine keineswegs einheitliche, sondern sicher recht komplizierte Zusammensetzung besitzt, die sich wohl durch die omnivore phagozytische Tätigkeit der Gaucherzellen leicht erklären läßt, welche nicht nur verschiedenartige morphologische Elemente, sondern auch chemische Substanzen aller Art wahllos speichern, so daß man sich nicht wundern kann, daß die verschiedenartigsten Schlackenbestandteile des Zell- stoffwechsels in den Gaucher-Zellen eingelagert werden, welche hier wiederum unter Umständen zu verschiedenartig zusammengesetzten Komplexen auf- zubauen vermögen. Es könnte aber auch sein, daß schon durch den patho- logischen Zellstoffwechsel vorgebildete Stoffkomplexe in fertigem Zustand den Zellen zugeführt werden. Es muß also nach Epstein zugegeben werden, daß die eigenartige, intraprotoplasmatisch abgelagerte Substanz in den Gaucher- Zellen nicht in allen Fällen der Gaucherschen Krankheit vollkommen einheitlich aufgebaut sein muß. L. Pick untersucht sehr eingehend die Frage, ob die Gaucherzellen nur dem Retikulo- endothel oder auch den Endothelzellen eigen sind, und kommt zum Schluß, daß nur die ersteren in Betracht kommen. Für Milz und Lymphdrüsen ist nach ihm die Histio- genese der Gaucherzellen aus retikulären Histiozyten endgültig festgelegt, für das Knochenmark wahrscheinlich, für die Leber kommen als gesicherte Matrix der Gaucherzellen zunächst allein die Adventitia- und Periadventitiazellen der Zentral- venen in Betracht. Auch an den Arteriolen der Milz können adventitielle und periadventitielle Histiozyten in manchen Fällen die Quelle von Gaucherzellen abgeben. Die endotheliale Abstammung der Gaucherzellen bleibt nach wie vor unbewiesen, sowohl für die venösen Sinus der Milz wie für die Sinus der Lymphdrüsen, die Lymphgefäße des Knochen- marks und die Kapillaren der Leberläppchen. Der Morbus Gaucher kann nach Pick nicht schlechthin zu den Krankheiten des retikulo-endothelialen Systems gerechnet werden, denn in Leber und Milz sind auch Klasmatozyten (Bindegewebshistiozyten, adventitielle und periadventitielle Histiozyten) Mutterelemente von Gaucherzellen. Man muß ihn viel- mehr anatomisch-histologisch nach Pick in die allgemeine Gruppe der Histiozyten- oder Makrophagenkrankheiten (Krompecher) setzen und gegenüber den Ergebnissen der tier- experimentellen Speicherungen die gesetzmäßig elektive Beteiligung bestimmter Histio- zytenformen, vorwiegend der Retikulumzellen, in zweiter Linie auch der Klasmatozyten unter Ausschluß der Endothelien hervorheben. Was die Pathogenese der Gaucherschen Krankheit anbelangt, so stehen sich zwei Auffassungen gegenüber. Mandlebaum-Downey sprechen von einer primären Stoffwechselstörung, L. Pick von einer kongenitalen und familiären, konstitutionell bedingten Abweichung des Stoff- wechsels und zählt die Gauchersche Krankheit wie die lipoidzellige Spleno- hepatomegalie Typus Niemann zur Gruppe der kongenitalen familiären Stoffwechselanomalierj (Alkaptonurie, Zystinurie). Die Auffassung der Art der Stoffwechselabweichung (intermediäre Störung?, Abzweig von der L. Picks lipoidzellige Splenomegalie. Xanthomatose. 561 Norm?) hängt nach Pick von der noch zu sichernden chemischen Natur der Gauchersubstanz ab, die aus dem Blut von den Retikummzellen und gewissen Klasmatozyten (in Leber und Milz) aufgenommen und gespeichert werden, ob in der Art einfacher Ablagerung oder intrazellulären Aufbaues, bleibt noch festzustellen. Ebstein nimmt eine schwere Störung des intermediären Stoff- wechsels an, bei der beträchtliche Mengen fremdartiger Stoffe entstehen, die im Blute zirkulieren und die defensive Reaktion im Histiozytensystem auslösen, wie bei den experimentellen Überfütterungen mit Cholesterin oder Lipoideiweiß- gemischen oder den intra vitalen Färbungen. Der Morbus Gaucher ist also ein Speicherungsexperiment der Natur am Menschen mit sehr vollkommenem Resultat. Die Speicherungskraft der Histiozyten wird durch den dauernd zirkulierenden fremdartigen Stoff angefacht, die Speiche- rung anderer Substanzen durch seine Aufnahme nicht etwa blockiert, sondern sogar angefacht. Die Gaucherzelle wird omni vor und speichert wahllos chemische Substanzen aller Art, so daß die abgelagerte Substanz, wie bereits angeführt, keineswegs in allen Gaucherfällen einheitlich zu sein braucht. Kraus endlich hält die Gauchersche Krankheit für eine elektive Er- krankung des retikulären Apparates der lymphatischen und blutbildenden Or- gane im Sinne einer krankhaften Funktionssteigerung. Die Störungen des Eiweiß-, Eisen- und Pigmentstoffwechsels sind als sekundär zu betrachten. DieMilz als wichtigster Teil des Retikuloendothels hat an dessen krankhafter Funktionsstörung den größten Anteil. Es besteht gewissermaßen ein Hyper- splenismus. Daher ist die Milzexstirpation geboten, die in seinem Fall zu einem klaren Erfolg führte. Es scheint mir heute noch verfrüht, zu den angeführten Theorien endgültig Stellung zu nehmen. Eine primäre Stoff Wechselstörung im Sinne der Alkaptonurie oder Zystinurie müßte erst durch chemische Aufklärung des Blutes sowohl, wie des Urins und der abgelagerten Substanz bewiesen werden ; vorerst scheinen mir die Unterlagen für die Annahme der primären Stoffwechsel Störung zu gering zu sein. Anderseits hat meines Erachtens eine primäre Störung der Tätigkeit des Retikuloendothels manches für sich. Ob es sich freilich dabei um eine Funktionssteigerung handelt im Sinne von Kraus oder von Epstein, oder um eine Funktionshemmung, so daß die eiweißartigen phago- zytierten Substanzen liegen bleiben, anstatt verarbeitet und weitergegeben zu werden, bedarf gleichfalls noch der Klärung. Jedenfalls scheint das Reti- kuloendothel eine ausschlaggebende Rolle bei der Entstehung der Krankheit zu spielen. c) L. Picks lipoidzellige Splenomegalie (Typus Niemann). Diabetische Xanthomatose. L. Pick trennt aus dem in der Literatur niedergelegten Material von Gaucherscher Krankheit vier Fälle ab, die er als selbständiges Krankheits- bild ansieht, so daß sie fälschlicherweise mit der Diagnose Gauchersche Krank- heit belegt wurden. Die Fälle sind von A. Niemann (1), Knox, Wahl und Schmeißer (2) und von Siegmund (1) beschrieben. Es handelt sich um eine Erkrankung des frühesten Kindesalters. Die Kinder starben im Alter von 9, 11, 15 und 18 Monaten. Schon in den ersten Lebensmonaten fällt die Anschwellung des Leibes auf, die stetig zunimmt. Sie ist bedingt durch eine Vergrößerung von Milz und Leber, die enorm werden kann. Dazu kommen leichter Aszites und Stauungs- sy mp t o me wie Ödem der Füße, Stauungskatarrh der Lunge, Lidödem. Der Urin Blutkrankheiten II. 36 562 A. Schittenhelm: Klinik des retikulo-endothelialen Systems. ist frei von pathologischen Bestandteilen. Die Haut nimmt, ähnlich wie bei der Gaucherschen Krankheit, in den belichteten Teilen eine auffallend blaß- bräunliche und graugelbe Farbe an. Die äußeren Lymphdrüsen schwellen mäßig an. Im Blut findet sich eine relative Lymphozytose. Der Tod erfolgt unter zunehmender Kachexie durch Erschöpfung oder durch andere Ursachen (Pneumonie, Durchfälle). Die Autopsie zeigt eine sehr vergrößerte Milz, die derb und hart ist. Die Schnitt- fläche ist entweder fleckig-bunt, rot, gelb und grau in verschiedenen Tönen und Kom- binationen, oder diffus graugelblich -rot mit rötlichen Höfen um die sichtbaren Follikel. Die Leber ist ebenfalls stark vergrößert. Die Schnittfläche ist gelb oder graugelb, bei Nie mann der Fettleber gleichend. Die Konsistenz wechselt. Die äußeren Lymphknoten können erheblich geschwollen sein, die Vergröße- rung kann eine allgemeine sein (Knox, Wahl und Schmeißer), besonders intensiv an den abdominalen Drüsen, welche sich in förmlichen Paketen um das Pankreas, am Leber- und Milzhilus finden. Sie sind weich oder derber mit graugelber, mehr oder weniger fett- gelber oder zitronengelber Ober- und Schnittfläche. Sowohl von der Schnittfläche der Leber wie der Lymphknoten, auch vom Milzschnitt an den gelblichen Stellen läßt sich ein zäher gelblicher Saft von der Konsistenz „kondensierter Milch" abstreifen. Das Knochenmark ist stark hyperplastisch. Die Nebennieren sind auffallend vergrößert. Mikroskopisch ergibt sich nach der Zusammenfassung von L. Pick als Grundlage der grob sichtbaren Veränderungen in Milz, Leber, Lymphdrüsen und Knochenmark, Thymus und Nebennierenmark in allerweitester Ausdehnung, aber überhaupt auch in makroskopisch unveränderten Organen eine Einlagerung von großen, blassen, teil- weise auffallend hellen Zellen, die ihr besonderes Aussehen einem ausnahms- los nachweisbaren Einschluß von Neutralfett oder vermutlich von Lipoiden verdanken. Im frischen Präparat (Siegmund) erscheinen die großen Zellkörper eigen- tümlich transparent, ,, wachsartig", im mikroskopischen Schnitt gehärteten Materials von runden Vakuolen erfüllt, die homogenen Tropfen entsprechen, wabig oder schaumig mit azidophilen Plasmaresten. Die Zellform ist rund, oval oder polyedrisch, unregelmäßig. Die Kerne sind klein, rund, in der Ein- oder Zweizahl, selten zu dreien. In der Milz liegen die Zellen zwischen den Sinus in Säulen oder Haufen oder im Maschenwerk feiner Retikulumfasern, oder sie erscheinen in den an Zahl verminderten Malpighi sehen Körperchen, oder sie durch- und ersetzen das ganze Milzgewebe bis auf geringe Reste der normalen Zellen; auch im Arterienlumen werden sie sichtbar. Sie gehen hervor aus Retikulumzellen (Nie mann, Siegmund) und Pulpazellen (Siegmund), aber auch aus vergrößerten Sinusendothelien. Auch in der Leber können die Zellen das Gewebe so sehr ersetzen, daß kaum mehr normale Leberzellen zu finden sind. Die Zellen entstehen hier teils aus den Kapillar- endothelien (Kup ferschen Sternzellen), teils aus den Leberzellen selbst. In den Lymphdrüsen entstehen sie aus den Retikulumzellen und den Endothelien der Bluträume und Lymphsinus. Sie sind gruppenweise ins lymphadenoide Gewebe ein- gesprengt und ersetzen es völlig. Auch hier findet sich zuweilen Erythrophagie und Ein- schluß von Leukozyten und Kernfragmenten wie in Milz und Leber. Ähnlich verhält es sich mit der Thymus und dem Knochenmark. Auch in allen übrigen Organen finden sich die typischen Zellen (in Nebenniere, Niere, in den lymphatischen Herden des Magen- Darmtraktus, im Pankreas usw.). Mikrochemisch erklärt Nie mann die in den Zellen eingelagerte Substanz für „Lipoide", Siegmund für Phosphatide, Knox, Wahl und Schmeißer für ein dem Lezithin nachestehendes Lipoid. Auch die chemische Analyse der Milz stimmt mit der Annahme eines Lipoids überein. Im Gegensatz zum Morbus Gaucher greift bei der Pickschen lipoidzelligen Splenomegalie die Lipoidzellgenese in weitestem Umfang über das retikulo- endotheliale oder überhaupt das Histiozytensystem hinaus weit in die spezifischen Parenchyme hinein. Pick meint daher mit Recht, daß wohl am einleuchtendsten alle Lipoid/olleinlagerungen genetisch von einem ge- meinsamen Gesichtspunkte aus erklärt werden, nämlich dem der primären Überlastung des Blutes und der Gewebssäfte mit lipoidem Material, als deren Ursache eine primäre Stoffwechselstörung anzusehen ist. Für seine Genese ist die diabetische Lipämie mit ihren prinzipiell gleichen Zell- reränderungei] daa gegebene Beispiel. Die Speicherung der fremdartigen Literatur. 563 Stoffkomplexe erfolgt in erster Linie durch die Histiozyten, vor allem in Milz, Leber, Lymphdrüsen und Knochenmark. Die weite Verbreitung des Makrophagensystems und seine große Speicherungstendenz besonders im Säug- lingsalter läßt die Lipoidspeicherung in zahlreichen Organen auftreten, bis schließlich nach völliger Übersättigung dieser Zellkategorie auch die Parenchymzellen (Epithelien, Herzmuskelzellen) zur Speicherung gelangen, deren Beteiligung durch den Exzeß des Angebotes gleich- sam erzwungen wird (Pick). Es liegt hier also ein ähnlicher Vorgang vor, wie man ihn bei sehr hochgetriebener Speicherung, besonders Doppelspeicherung (Tusche und Karmin) im Tierexperiment sieht, wo zunächst nur das Retikuloendothel speichert, später aber auch die Parenchymzellen der Organe sich an der Speicherung beteiligen. Man sieht dann Karminspeicherung in den Leber- zellen. Die Pick sehe Deutung des Krankheitsbildes wird also sicherlich das Richtige treffen. Bei der diabetischen Lipämie Hegen ähnliche Verhältnisse vor. Hierbei kann die Speicherung von Neutralfett und Lipoiden in verschiedener Weise zutage treten. Entweder macht sie ähnliche Veränderungen der inneren Organe wie die Pick sehe lipoidzellige Splenomegalie (Fahr und Stamm). Pick bezeichnet diese Ablagerung als „innere" diabetische Xanthomatose (Lokalisation in den lymphatisch-hämatopoeti- schen Organen). Oder aber es können sich Xanthelasmen Aschoffs äußerlich sichtbar entwickeln als multiple resp. generalisierte Xanthome der Haut, wobei sich Cholesterinfett- säureester als doppeltbrechende fettähnliche Massen in die Retikulumzellen der Kutis einlagern. Auch die Einlagerung komplizierter Fettgemische aus Cholesterinestern und Neutralfetten in die Hauptstücke der Niere gehört hierher. Warum beim Zuckerkranken bald die eine, bald die andere Form der Ablagerung bevorzugt wird, ist noch völlig unklar. Hier interessiert vornehmlich die „innere" diabetische Xanthomatose, wie sie vor allem W. H. Schultze, Fahr und Stamm u. a. beschrieben haben. Sie kann mit oder auch ohne evidente Lipämie in der Milz, der Leber, den Lymphdrüsen und dem Knochen- mark auftreten und führt zu einer Speicherung von fett- oder lipoidartigen Substanzen in den retikulo-endothelialen Elementen (Retikulumzellen, Sinusendothelien der Milz, Kupferschen Sternzellen) dieser Organe. Auch im Knochenmark findet sie sich (Verse). Sie geht aber auch über das retikulo-endotheliale System hinaus und greift auf die Intima der Lungenarterien und die Aorta (Lutz) sowie die Nebennieren (Williams-Dresbach) über. Jedenfalls tritt auch hier wieder die besondere Rolle des Retikuloendothels als Stoff wechselorgan unter pathologischen Bedingungen scharf hervor, wobei sich jedoch der krankhafte Speicherungsvorgang noch andere Depots eröffnet. Diese Erweiterung der speichernden Zellkomplexe durch Angliederung verwandter mesenchymaler Zellgruppen (Lubarschs „Histioblasten" im weitesten Sinn) ist uns von den experimentellen Untersuchungen her durchaus geläufig und läßt sich daher leicht erklären. Es müßten hier noch allerhand andere pathologische Speicherungszustände (Fe, Chole- sterin usw.) besprochen werden, die bereits im physiologischen und pathologisch-physio- logischen Teil Erwähnung fanden. Da sie jedoch zu den Blutkrankheiten keine nähere Beziehung haben, so erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf. Literatur.' Aiello: Über die Chemie der Gaucher-Milz. Biochem. Zeitschr. Bd. 124, S.228. 1921. - Anitschkow: Über experimentell erzeugte Ablagerungen von anisotropen Lipoidsubstanzen in der Milz und im Knochenmark. Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. Bd. 57, S. 201. 1914. — Derselbe: Die experimentelle Atherosklerose der Aorta beim Meerschweinchen. Beitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. Bd. 70. 1922. — Derselbe: Zur Frage der Ver- teilung intravenös eingeführter Kolloidsubstanzen. Klin. Wochenschr. 1924. Nr. 38, S. 1729. — Arneth und Albrecht: Über das qualitative Verhalten sämtlicher Blutzellenarten bei der Pneumonie. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 99, S. 337. 1924. - Aschoff: Die Ehrlichsche Seitenkettentheorie. Jena: Fischer 1902. — Derselbe: Das retikulo-endotheliale System. Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk. 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Man versteht indes unter diesem Namen ein von den hämorrhagischen Diathesen im engeren Sinne scharf zu trennendes, seit langem bekanntes Krank- heitsbild, nämlich eine fast nur das männliche Geschlecht befallende, häufig familiär auftretende und ein eigenartiges Vererbungsgesetz befolgende Konstitutionsanomalie, die gekennzeichnet ist durch eine starke Neigung zu spontanen Blutungen sowie durch eine hoch- gradige Schwerstillbarkeit traumatischer Blutungen, und bei der sich stets eine mehr oder minder starke Verlangsamung des Blut- gerinnungsvorganges, nicht jedoch eine völlige Ungerinnbarkeit des Blutes nachweisen läßt. Seinen Namen erhielt das Krankheitsbild von Schönlein, der es bereits ausführlich beschrieb. Bekannt war die Hämophilie indes schon vor Schön - lein, denn 1784 berichtete Fordyce in Amerika über Bluterfamilien unter Betonung des familiären und hereditären Momentes der Krankheit. Lange Zeit hat denn auch vor allem das eigenartige Vererbungsgesetz im Vordergrunde des Interesses der Kliniker gestanden. Grandidier hat in einer grundlegenden Monographie die Vererbungsgesetze der Hämophilie an einem großen Material studiert, das 200 Bluterfamilien mit 609 männlichen und 48 weiblichen Blutern umfaßt. Er hat aus diesen Untersuchungen die folgenden Hauptsätze über die Vererbung der Hämophilie abgeleitet: 1. Männer aus Bluterfamilien, die selbst Bluter sind, erzeugen mit Frauen, die nicht aus Bluterfamilien stammen, bei weitem nicht immer hämophile Kinder; im Gegenteil sind in diesem Fall die Kinder häufig gesund und nicht hämophil. Umgekehrt scheinen dagegen unter den Kindern von Frauen, die selbst Bluterinnen sind, sich ganz regelmäßig auch wieder hämophile zu finden. 2. Männer, die aus Bluterfamilien stammen, ohne selbst Bluter zu sein, erzeugen mit Frauen aus anderen Familien so gut wie niemals hämophile Kinder. Dagegen finden sich unter den Kindern von Frauen, die Bluterfamilien ange- hören, ohne selbst zu bluten, dennoch fast ausnahmslos solche, die an aus- gesprochener Hämophilie leiden. 568 E. Wo h lisch: Die Hämophilie. Kurz: In allen Bluterfamilien sind so gut wie ausschließlich die Männer Bluter, ohne die Fähigkeit zur weiteren Vererbung der Krankheit zu besitzen; dagegen bleiben die aus Bluterfamilien stammenden Frauen fast ausnahmslos von der Krankheit verschont, sie können diese aber auf ihre Sohne übertragen und auch ihren gesund bleibenden Töchtern die Fähigkeit zur Weitervererbung des Leidens mitteilen. Für die gesund bleibenden, aber das Leiden vererbenden Frauen der Bluterfarniüen ist der Name ,, Konduktoren" gebräuchlich. Bas gleiche Vererbungsgesetz wie bei der Hämophilie finden wir übrigens bei der Hemeralopie und dem Daltonismus (Farbenblindheit). Interessant sind diese Verhältnisse besonders vom Standpunkt der Mend ei- schen Vererbungslehre, denn es hat sich zeigen lassen, daß für die Übertragung der Hämophilie die Mendelschen Regeln Geltung haben, wenn man die Bluter- anlage als das dominierende, die Nichtbluteranlage als das rezessive Merkmal betrachtet. Außerdem beweist das Vererbungsgesetz der Hämophilie und der beiden Sehstörungen, daß sich das Geschlecht nach Mendel vererbt, und zwar ist der Mann heterozygot isch (siehe hierzu Riebold). IIIqIqbq ■ ii i 0 ■ ■ 0 n riuaMu diu Abb. 1. Stammbaum der Bluterfamilie Mampel (nach Lossen). G männlich O weiblich ■ Blute ■ an Blutung n ■ * gestorben Das von Grandidier aufgestellte Vererbungsgesetz der Hämophilie ist später an einer ganzen Reihe gründlich studierter Stammbäume bestätigt worden. Am bekanntesten ist wohl der von Lossen zusammengestellte der Familie Mampel, den ich hier wiedergebe. Es muß hier erwähnt werden, daß der Satz, die Hämophilie könne auch beim Weibe vorkommen, nicht unbestritten ist. C. Bukura hat zur Ent- scheidung der Frage 200 Fälle angeblicher weiblicher Hämophilie einer Kritik unterzogen, nach der keiner der Fälle als sicher beweisend angesehen werden kann. Nicht bei allen Fällen von Hämophilie läßt sich die Vererbung der Krank- heit nachweisen, vielmehr sehen wir gar nicht so selten Fälle von sog. „spo- radischer Hämophilie". Das erstmalige, sporadische Auftreten der Hämo- philie in einer Familie wird öfters bei mehreren Geschwistern gleichzeitig be- obachtet. Soweit bisher bekannt, können die Schwestern der sporadisch hämo- philen Männer die Eigenschaften von Konduktoren aufweisen. Als Ursache für das Auftreten der Hämophilie hat man die Verwandtenehe anschuldigen wollen, doch handelt es sich hierbei lediglich um bisher unbe- u iesene Vermutungen. Die Hämophilie ist eine anscheinend in allen Ländern der Erde bekannte Erkrankung, jedoch ist die Häufigkeit ihres Vorkommens nicht überall die gleiche. In Deutschland scheint die Krankheit ganz besonders verbreitet zu sein, wenn man der Statistik Grandidiers Glauben schenken darf und nicht Symptomatologie . 569 annehmen will, daß die Hämophilie bei uns lediglich dem Arzte häufiger zu Gesicht kommt und als solche erkannt wird. Ich gebe die Zusammenstellung Grandidiers hier wieder. Land Bluterfamilien Einzelne Bluter Männliche Weibliche Bluter Deutschland .... 93 258 236 22 England 40 141 134 7 Frankreich .... 20 80 75 5 Nordamerika. ... 15 61 60 1 Rußland 7 11 7 4 Schweiz 5 48 48 Schweden-Norwegen 3 9 6 3 Holland 2 9 7 2 Belgien 1 4 4 Dänemark .... 1 3 2 1 Ostindien 1 6 5 1 Summe 194 63Ö 584 46 = 92,6% = 7,4 % Interessant ist, daß auch im Auslande, z. B. in Amerika, die Krankheit häufiger Deutsche als Angehörige anderer Völker befallen soll, und daß ferner das Auftreten hämophiler Blutungen bei der Beschneidung häufiger bei den deutschen Juden als bei denen in anderen Ländern beobachtet werden soll. B. Symptomatologie. Wie schon eingangs erwähnt, sind die Schwierigkeit der Stillung trau- matischer Blutungen und das Auftreten schwer stillbarer Blutungen, spontan oder nach ganz geringfügigen Verletzungen, die Haupt Symptome des Krank- heitsbildes. Die Durchtrennung der Nabelschnur, die rituelle Beschneidung, eine Phi- mosenoperation, aber auch jede andere zufällige Verletzung kann bei dem hämophilen Kinde zu einer profusen lebensbedrohenden Blutung führen, und ein großer Prozentsatz der Kranken erliegt denn auch dem Leiden bereits in den ersten Lebensjahren. Schwere Gefahren erwachsen dem hämophilen Kinde zur Zeit der ersten Dentition, wie überhaupt die Blutungen nach Zahnextraktion bei den Hämophilen besonders gefürchtet sind. Es braucht übrigens durchaus nicht der Verlust eines jeden Milchzahnes zu einer schweren Blutung zu führen, wenn nur mit der Entfernung des Zahnes bis zum äußersten gewartet wird, d. h. bis zur fast völligen Überhäutung des Zahnfleisches. Mir gelang durch die Beobachtung dieser Maßnahme die Entfernung eines Milchzahnes in einem Falle schwerer erblicher Hämophilie ohne die geringste Blutung. Nach leichten Verletzungen durch Fall oder Stoß sehen wir beim Hämophilen oft erhebliche subkutane oder noch tiefer gelegene — intramuskuläre oder intraartikuläre — Blutungen auftreten. Besonders die Muskel- und die Gelenk- blutungen können äußerst schmerzhaft sein und unter Umständen mit hohem Fieber einhergehen. Von besonders merkwürdigen Anlässen für das Auftreten tödlicher trau- matischer Blutungen finden wir in der Kasuistik der Hämophilie: Bisse auf die Zunge, Verletzungen der Tränenkarunkel, Zerreißungen des Hymens, Platzen der Konjunktiva nach Umklappen des Augenlides zu diagnostischen Zwecken u. a. m. Sehr gefährlich sind dem Hämophilen außer dem Zahnziehen alle die- jenigen sonst harmlosen ärztlichen Eingriffe, bei denen geringfügige Verletzungen leicht vorkommen können, wie z. B. das Katheterisieren. Ein Stich mit der Frankeschen Nadel ins Ohrläppchen, zum Zwecke der Hämoglobinbestimmung 570 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. vorgenommen, kann beim Hämophilen tagelang nachbluten und sollte grund- sätzlich durch die Punktion der Fingerkuppe ersetzt werden, da hier die derbere Haut einen elastischen Verschluß der Wunde bewirkt, weshalb an dieser Stelle Blutungen weit weniger oft zu beobachten sind. Bisweilen kann man es aller- dings erleben, daß sich an der Fingerkuppe infolge der kleinen Stich Verletzung ein subkutanes Hämatom bildet, das schließlich durchbricht. Anscheinend gänzlich ungefährlich, sind dem Hämophilen Venen- punktionen mit einer feinen scharfen Nadel. Verletzungen der Vene mit gröberen oder stumpfen Nadeln bringen natürlich eher die Gefahr einer direkten Blutung der Wunde nach außen oder aus der Vene in das Unterhaut. Zellgewebe. Es ist behauptet worden, daß auffälligerweise kleinere Wunden oft zu schwereren Blutungen Anlaß geben sollen als größere, vom Chirurgen planmäßig angelegte. Fordyce will eine hämophile Blutung aus einer kleinen Wunde durch Erweiterung derselben mittels des Messers zum Stehen gebracht haben. Diese Angabe dürfte indeß mit größter Vorsicht aufzunehmen sein. Wohl in den allermeisten Fällen echter Hämophilie findet man neben den starken Blutungen nach Traumen auch das mehr oder minder häufige Auf- treten spontaner oder anscheinend spontaner Blutungen. Wir finden hier Blu- tungen der verschiedensten Schleimhäute, so besonders der Nase, des Mundes und der Blase, Blutungen ins Unterhautzellgewebe, in die Muskulatur, in die Gelenke, in das Parenchym der verschiedensten Organe, ja selbst Blutungen unter die Dura mit Auftreten epileptischer Krämpfe. Ein Teil dieser anscheinend spontanen Blutungen mag immerhin auf unbemerkt gebliebene leichte Traumen zurückzuführen sein, für andere ist das jedoch mit Sicherheit auszuschließen, wie z. B. durch das gleichzeitige Auftreten mehrerer spontaner Blutungen an verschiedenen Körperstellen bewiesen wird. Recht häufig scheinen spontane Nierenblutungen zu sein. Hier kann es bereits im Nierenbecken zu einer Ge- rinnung des Blutes kommen, und das den Ureter passierende Gerinnsel ver- ursacht dann dem Kranken heftige Schmerzen. Bei ,,hämophilen" Frauen soll die menstruelle Blutung von abnormer Heftig- keit und langer Dauer sein. Bei „hämophilen" Mädchen soll es schon vor der Zeit der G-eschlechtsreife zu heftigen, unter Umständen sogar tödlich verlaufenden genitalen Blutungen kommen. Die Schwangerschaft muß die hämophile Frau natürlich aufs äußerste gefährden. Ob es aber eine echte Hämophilie beim Weibe überhaupt gibt, muß, wie gesagt, einstweilen dahingestellt bleiben. Ich halte es für wahrscheinlich, daß wir bei den in der Literatur beschriebenen Fällen weiblicher Hämophilie bei dem heutigen Stande der Diagnostik wohl meist eine hämorrhagische Diathese diagnostizieren würden. Man kann beim Hämophilen häufig die Beobachtung machen, daß Perioden völliger Beschwerdefreiheit mit solchen abwechseln, in denen monatelang eine schmerzhafte Spontanblutung die andere ablöst, so daß die Kranken lange Zeit hindurch arbeitsunfähig sind oder nur mit Aufbietung aller Energie und unter hochgradigen Beschwerden ihrer Berufsbeschäftigung nachgehen können. Man kann sich leicht vorstellen, daß die Kranken durch derartige häufige und langdauernde Attacken ihres quälenden Leidens in eine geradezu verzweifelte Gemütsverfassung gebracht werden können. Über die Ursachen für das Auftreten von Spontanblutungen wissen wir zur Zeit so gut wie nichts. Man könnte daran denken, ob nicht vielleicht kli- matische Einflüsse oder solche der Ernährung oder sonstigen Lebensweise es zeitweise zu einer pathologischen Steigerung der Durchläissgkeit der Gefäße kommen lassen. Zwei meiner Hämophiliepatienten, die sich selbst sehr gut Symptomatologie. 571 beobachteten, gaben an, daß sie nach alkoholischen Exzessen ein Auftreten von spontanen Blutungen öfters bemerkt hätten. Meine Beobachtungen (1) über das Auftreten einer schweren hämorrhagi- schen Diathese während einer Salvarsankur bei dem einen der beiden Hämophilen Brüder möchte ich hier ausführlicher wiedergeben, da dies der einzige in der Literatur bekannte Fall dieser Art ist, der zugleich die Möglich- keit beweist, daß hämophile ,, Spontanblutungen" durch exogene Faktoren aus- gelöst werden können. Der Patient hatte sich Anfang April 1920 luetisch infiziert. Er begab sich nach Auf- treten des Primäraffektes Mitte April in Behandlung eines Spezialarztes, der eine Neo- salvarsan- und Quecksilberinjektionskur einleitete. Die Wassermannsche Reaktion soll damals zweifelhaft gewesen sein. Er erhielt bis Ende April zwei Neosalvarsan- und zwei Hg-Spritzen. Am 30. 4. setzte eine starke Blutung aus dem Zahnfleisch der linken Mund- seite ein, wegen deren Patient am 8. 5. die Klinik aufsuchte. Es wurde eine Milzbestrahlung nach Stephan vorgenommen, 36 Stunden später kam die Blutung zum Stehen. Als einen Erfolg der Bestrahlung möchte ich das Sistieren der Blutung nicht aufgefaßt wissen. Da wir annahmen, daß die Zahnfleischblutung auf die Hg-Kur zurückzuführen sei, wurde von der Anwendung dieses Mittels Abstand genommen und eine reine Neosalvarsankur eingeleitet. 20. 5. 0,15 Neosalvarsan intravenös. 26.5. 0,3 29.5. 0,45 3.6. 0,45 Hierauf mußte Patient einer Reise wegen die Behandlung unterbrechen. Am 16. 6. suchte er die Klinik wieder auf mit einer seit mehreren Tagen bestehenden Nierenblutung mäßiger Stärke. 17. 6. Therapeutische Bestrahlung der Milz. 21. 6. Unverändertes Fortbestehen der Blutung. 23. 6. Die Blutung steht. 30. 6. 0,45 Neosalvarsan. 2. 7. Auftreten einer Zahnfleischblutung von geringerer Stärke als die erste. 4. 7. Die Zahnfleischblutung kommt heute zum Stehen. Auftreten eines stark schmerzen- den Blutergusses im linken Kniegelenk. Therapie: Ruhigstellung, Eisblase, Morphium. 5. 7. 0,45 Neosalvarsan. 7. 7. Erneutes Einsetzen einer mittelstärken Zahnfleischblutung. 8. 7. Zahnfleischblutung besteht fort. Auftreten einer subkutanen Blutung an einer Fingerkuppe aus einer vor 10 Tagen mittels Frankescher Nadel gesetzten Stichwunde. 10. 7. Zahnfleischblutung kommt zum Stehen. 14. 7. 0,45 Neosalvarsan. 16. 7. Erneute Zahnfleischblutung im rechten Unterkiefer. 17. 7. Die Zahnfleischblutung steht. Auftreten eines subkutanen Blutergusses an der linken Wade. 19. 7. Die Zahnfleischblutung tritt wieder auf. 20. 7. Die Zahnfleischblutung wird stärker. 21. 7. Die Blutung steht. 22. 7. 0,45 Neosalvarsan. Auftreten rheumaartiger Schmerzen in der Muskulatur des Nackens (intramuskuläre Blutung?). 23. 7. Auftreten eines subkutanen Blutergusses am rechten Handrücken. Die Muskel- schmerzen haben an Ausdehnung zugenommen und betreffen jetzt Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur. 30. 7. 0,3 Neosalvarsan. 7. 8. Auftreten von Blutergüssen am linken Handrücken sowie am linken Ober- und Unterarm. 16. 8. Bluterguß im Grundgelenk des rechten Zeigefingers. Ein ätiologischer Zusammenhang zwischen der Salvarsanbehandlung und der hämorrhagischen Diathese erschien ganz unzweifelhaft; auch der sehr intelligente Patient hatte die Überzeugung, daß diese nur durch das Salvarsan hervorgerufen würde, da er nie ein derart gehäuftes Auftreten von Blutungen an den verschiedensten Körperstellen bei sich beobachtet und insbesondere in den letzten fünf Jahren keine spontanen Zahnfleischblutungen mehr auf- zuweisen hatte. Besonders beweisend erscheint der Umstand, daß mit dem 572 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. Aussetzen der Salvarsanbedandlung auch die Blutungen verschwanden. Eine Erklärung für die Salvarsanschädigung in unserem Falle bieten uns viel- leicht die Tierversuche von Rick er und Knape über die stase- und hämor- rhagieerzeugende Wirkung des Salvarsans. Eine eingehende Besprechung verlangen noch die sog. Blutergclenke, die ja eines der wichtigsten und bekanntesten Symptome der Bluterkrankheit vorstellen. Das Auftreten von Blutungen in den Gelenken kann nach Traumen sowie auch spontan vorkommen; ergriffen werden kann jedes Gelenk der Ex- tremitäten, wobei die Knie- und Ellenbogengelenke bevorzugt sind. Das Auf- treten einer Blutung äußert sich durch schmerzhafte Schwellung des betroffenen Gelenkes, unter Umständen findet sich auch Fieber, so daß die Krankheit ganz das Bild eines akuten Gelenkrheumatismus bietet, mit dem sie daher auch vom Arzte verwechselt werden kann, falls diesem die hämophile Anlage des Patienten nicht bekannt ist. Unter Ruhigstellung des Gelenkes kann der einzelne Anfall nach einiger Zeit wieder abklingen, ohne irgendwelche Beschwerden oder Funktionsstörungen zu hinterlassen. Sehr häufig aber kommt es zu einem chronischen Verlauf; die Blutung rezidiviert immer wieder in demselben Gelenk, der Kranke schont sich nicht mehr und benutzt das Gelenk trotz seiner Beschwerden, und so kommt es schließlich zu partiellen Ankylosen, unter Umständen sogar zur partiellen Zer- störung des Gelenkes mit Deformitäten und Kontrakturen. Franz König unterscheidet drei Stadien des Blutergelenkes: das des ein- fachen Blutergusses, sodann ein entzündliches, das anatomisch und klinisch viel Ähnlichkeit mit der Gelenktuberkulose hat (Tumor albus-artige Form des Blutergelenkes) und endlich das Stadium der Verödung des Gelenkes infolge regressiver Metamorphosen mit Verwachsungen, Verschiebung der Gelenk- flächen und Deformitäten der Gelenkenden. Den Spontanblutungen der Hämophilen sollen bisweilen Prodrome in Gestalt von Übelkeit, Herzklopfen, Blutandrang nach dem Kopfe oder Ohrensausen vorausgehen. Immer wieder finden wir in der Literatur die Angabe, die ich nach eigener Beobachtung bestätigen kann, daß sich Hämophile von schweren Blut- verlusten auffallend schnell erholen. Noch ein paar Worte über den in allen zusammenfassenden Arbeiten über die Hämophilie zitierten berühmten Fall von Senator, der bei einem 19jährigen Mädchen die Diagnose einer lediglich auf die rechte Niere beschränkten lokalen Hämophilie stellte. Das Mädchen stammte aus einer Familie, in der Blutungen häufig auftraten, ohne daß jedoch das typische Vererbungsgesetz der Hämo- philie nachzuweisen gewesen wäre. Die blutende Niere wurde exstirpiert und wies keinerlei anatomische Veränderungen auf. Meines Erachtens spricht die Tatsache, daß in dem Senatorschen Fall aus der Operationswunde nicht die geringste Nachblutung auftrat, mit absoluter Sicherheit gegen die Diagnose Hämophilie. Leider liegt eine Untersuchung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes in dem Senatorschen Falle nicht vor. Noch einige Worte über den Verlauf der Hämophilie. Die erste hämo- phile Blutung tritt in ca. 75% der Fälle bereits in den ersten beiden Lebens- jahren auf. Als spätester Termin für die erste hämophile Blutung gilt im all- gemeinen das l'l. Lebensjahr, nur ganz selten ist noch später das Auftreten einer erstmaligen Blutung beobachtet worden. Die meisten Hämophilen er- liegen ihrem Leiden bereits in den ersten Lebensjahren oder doch schon vor der Pubertäl Ist diese Zeit einmal überstanden, so scheinen sich die Aussichten betreffs Erreichung eines höheren Lebensalters zu verbessern, da anscheinend Wesen des Gerinnungs Vorganges. 573 die hämophile Veranlagung mit den Jahren immer mehr und mehr schwindet. Eine vermehrte Blutungsneigung will man zu Zeiten der beiden Dentitionen, in der Pubertät und bei Frauen im Klimakterium beobachtet haben. C. Das Wesen des Gerinnungsvorganges1). Einer Darstellung des hämophilen GerinnungFsystemes wollen wir zwecks besseren Verständnisses eine kurze Besprechung der wesentlichsten Tatsachen und wichtigsten Theorien des Vorganges der Blutgerinnung vorausschicken. Das Blut geht bekanntlich nach Verlassen der Gefäße bald in einen festen Zustand über, es gerinnt. Die Gerinnung wird bewirkt durch die Umwandlung eines im Nativblut gelöst enthaltenen, zu den Globulinen gehörigen Eiweiß- körpers, des Fibrinogens, in den unlöslichen Faserstoff, das Fibrin. Der Vor- gang der Gerinnung wird stark beschleunigt u. a. durch Erhöhung der Tempe- ratur, umgekehrt kann durch starke Abkühlung des Blutes die Gerinnung enorm verzögert, ja verhindert werden. Eine Verzögerung oder Aufhebung der Gerinnung ist ohne eingreifende Maßnahmen auch möglich durch Auf- fangen des Blutes in Gefäßen, deren Wände mit Paraffin oder Vaselin aus- gegossen sind. Das geronnene Blut zeigt nach einiger Zeit eine weitere Veränderung, indem eine Trennung in ein festes Gerinnsel, den Blutkuchen, und eine klare bern- steingelbe Flüssigkeit, das Blutserum, erfolgt. Das Gerinnsel hat die Fähig- keit, sich zu kontrahieren und dabei das Serum auszupressen. Der Blutkuchen besteht aus Fibrin und den von diesem eingeschlossenen zelligen Elementen des Blutes, das Serum enthält Salze und gelöste Eiweißkörper, so das Serum- albumin, das Serumglobulin und das Fibringlobulin. Durch Zusatz verschiedener Reagenzien kann man die Gerinnung ver- hindern, so durch Hirudin, einen Extrakt aus den Mund Werkzeugen des Blut- egels, oder durch Neutralsalze in größeren Konzentrationen. Eine besondere Rolle spielen die Oxalate, die Zitrate und Fluoride, die schon in kleinen Konzen- trationen die Gerinnung verhindern. Zentrifugiert man ein ungerinnbar gemachtes Blut, so setzen sich die zelligen Elemente ab, zuunterst die roten, darüber die weißen Blutkörperchen und über diesen die leichtesten und kleinsten Formbestandteile des Blutes, die Thrombozyten. Die über den Zellen stehende Flüssigkeit, das Plasma, unterscheidet sich also vom Serum u. a. dadurch, daß sie das Fibrinogen noch enthält. Beruht die Ungerinnbarkeit eines Blutes oder Plasmas auf dem Zusatz von Oxalat, Zitrat oder Fluorid, so kann man durch Hinzufügen einer geeigneten Menge von Kalksalzen den Eintritt der Gerinnung bewirken. Bis vor kurzem sah man allgemein den Grund für die Verhinderung der Gerinnung durch diese Salze in einer Ausfällung bzw. Entionisierung der Kalksalze des Blutes, denn Oxalate und Fluoride bilden ja bekanntlich sehr schwer lösliche Kalksalzeund das Kalzium zitrat ist ein zwar leicht lösliches, aber nur ganz schwach disso- ziiertes Salz. Man schrieb daher dem ionisierten Kalzium eine spezifische Rolle beim Zustandekommen der Gerinnung zu. Die Gerinnung eines spontan nicht gerinnenden Plasmas kann man aber noch auf eine andere Weise bewirken, nämlich dadurch, daß man dem Plasma x) Eine ausführliche Darstellung der Lehre von der Blutgerinnung in ihrer Entwicklung bis zum Jahre 1905 findet sich in der vorzüglichen Monographie von Morawitz (1) über die Chemie der Blutgerinnung, über die Fortschritte bis zum Jahre 1923 unterrichtet eine weitere zusammenfassende Darstellung desselben Autors in Oppenheimers Handbuch der Biochemie II. Auflage, Bd. IV. S. 44. Ein kritisches Referat von Wöhlisch er- scheint in der Deutschen med. Wochenschrift 1925. 574 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. eine genügende Menge Serum zusetzt. Diese Funktion des Serums, eine Ge- rinnung des Plasmas oder einer Fibrinogenlösung zu bewirken, schrieb man einer besonderen Substanz, dem Thrombin Alexander Schmidts zu. Diese wird bei der Gerinnung im Überschuß gebildet und ihr ist auch sicherlich die Gerinnung des Kativblutes zu verdanken. Der Vorgang der Thrombinbildung ist es nun, wie vor allem Pekelharing und Hammarsten zeigten, der durch Oxalate, Fluoride und Zitrate verhindert wird. Bei der Einwirkung des ein- mal gebildeten Thrombins auf das Fibrinogen stören die drei Anionen nicht sonderlich. Man nahm daher mit Hammarsten und Pekelharing an, daß die Anwesenheit gelöster — nach Sabbarani ionisierter — Kalksalze für die Entstehung des Thrombins unbedingt erforderlich sei, daß dagegen die Einwirkung des fertigen Thrombins auch ohne Anwesenheit von Ca -Ionen zur Bildung des Fibrins führen könne. Indessen führten Untersuchungen aus jüngster Zeit von Vines (1), der das Verhalten des Ca, der Oxalate, Zitrate und Fluoride bei der Gerinnung mit einer eigenartigen, gerinnungsphysiologischen Methodik quantitativ zu verfolgen suchte, diesen Autor zu der Auffassung, daß nicht die Entionisierung der Kalksalze, sondern vielmehr die Bindung der betreffenden Anionen an bestimmte Vorstufen des Thrombins das gerinnungsverhindernde Moment sei. Da gerade der Kalk mit den in Rede stehenden drei Anionen sehr schwach dissoziierte Verbindungen bildet, so habe er die Fähigkeit, diese ihrer organischen Bindung zu entreißen und so die Wiedergerinnbarkeit des Blutes oder Plasmas zu bewirken. Im Gegensatz zu der ,, klassischen" Auffassung teilt Vines gerade dem nicht ionisierten, organisch gebundenen Kalk eine wichtige Rolle bei der Gerinnung des Blutes zu. Durch die Untersuchungen von Wöhlisch und Paschkis dürfte indessen die Kalkfrage, welche die Gerinnungsphysiologie nun schon so lange beschäftigt, endgültig zugunsten der Hammarstenschen Auffassung entschieden sein. Die Autoren konnten zeigen, daß in einem Serum, dem ein Teil seines Kalks durch Dialyse entzogen ist, ebenso wie unter Oxalat einwirkung keine Thrombin- bildung unter dem Einflüsse von Organextrakten möglich ist, während nach Ersatz des heraus dialysierten Kalks durch Zusatz von CaCl2 die Thrombin- bildung genau wie im frischen Serum erfolgt. Über die Natur und die Wirkungsweise des Thrombins gehen die Ansichten heute noch weit auseinander. Was die Entstehung des Thrombins anbelangt, so herrscht zwischen den meisten Theorien insofern eine gewisse formale Über- einstimmung, als angenommen wird, daß dabei zwei verschiedene organische Substanzen als Vorstufen beteiligt sind. Nach der älteren Auffassung, die von Alexander Schmidt begründet und vor allem von Morawitz sowie Fuld und Spiro (1) weiter ausgebaut worden ist, hat man in dem Thrombin ein Ferment zu erblicken, während neuere Autoren dem Thrombin den Ferment- charakter absprechen wollen. Einige der wichtigsten Theorien des Gerinnungsvorganges sollen nun im folgenden kurz besprochen werden. Nach der Morawitzschen und Fuld-Spiroschen Auffassung läßt sich der ( ^rinnungsvorgang in großen Zügen etwa folgendermaßen darstellen: Im Plasma gelöst findet sich eine Vorstufe des Thrombins, das Prothrombin oder Thrombogen. In den zelligen Elementen, vor allem in den Thrombozyten, iri eine weitere, für die Entstehung des Thrombins erforderliche Substanz, die Thrombokinase, enthalten. Diese ist nach Morawitz (2, 3) ein allgemeines Protoplasmaprodukl und läßl Bich besonders gut aus zellreichen Organen, ' B. aus der Leber oder der Niere gewinnen. Die Thrombokinase soll von Wesen des Gerinnungs Vorganges. 575 den Zellen des Blutes nach dem Verlassen der Gefäße durch den Reiz der Be- rührung mit Fremdkörpern an die Blutflüssigkeit abgegeben werden. Durch ihre Einwirkung auf das Thrombogen — in Gegenwart von ionisierten Kalk- salzen — kommt es zur Thrombinbildung und durch Einwirkung des Thrombins auf das Fibrinogen zur Entstehung des Fibrins. Aber nicht nur um die Zellen zur Abgabe ihrer gerinnungsaktiven Sub- stanzen zu veranlassen, ist die Berührung mit benetzbaren Fremdkörpern erforderlich, sondern auch der Vorgang der Thrombinbildung aus dem Throm- bogen und der von den Blutzellen bereits abgegebenen Vorstufe bedarf nach den wichtigen Untersuchungen von Bordet und Gengou der Mitwirkung eines benetzbaren Fremdkörpers. Daher gerinnt ein zellfreies Oxalatplasma, dem man genügend Kalk zugesetzt hat und das alle zur Thrombinbildung nötigen Bestandteile enthält, in einem Glasgefäß stets nur von der Glaswand aus, in einem Gefäß aus dem nicht benetzbaren Paraffin dagegen überhaupt nicht oder doch nur sehr langsam. Die aus zelligen Organen nach Morawitz extrahierbare Thrombokinase bedarf dagegen nach meinen Erfahrungen, um Thrombinbildung zu veranlassen, keineswegs der Mitwirkung eines weiteren Fremdkörpers, wie z. B. der Glas- wand. Sie ist in einem Paraffingefäße ebenso wirksam wie in einem Glasgefäß. Sie kann also nicht mit der von den Zellen des Blutes bei der normalen Gerinnung gelieferten Vorstufe ganz identisch sein. Diese Frage bedarf noch weiterer Untersuchung. Schärfer herausgearbeitet wird dieser Punkt in der Gerinnungstheorie von J. Nolf . Nach diesem Autor ist die Gerinnung ein Prozeß der gegenseitigen Fällung mehrerer Kolloide, die sich im Plasma im Lösungsgleichgewicht be- finden. Die zur Gerinnung unbedingt erforderlichen Substanzen sind das Fibrinogen, das Thrombogen und das von den zelligen Elementen gelieferte, jedoch nach Nolf ebenfalls frei im Plasma zirkulierende „Thrombozym", das nicht identisch sein soll mit der Thrombokinase von Morawitz. Be- stimmte, von Nolf als „thromboplastisch" bezeichnete Einwirkungen sollen imstande sein, das Lösungsgleichgewicht — in Gegenwart von ionisierten Kalk- salzen — zu stören und dadurch Gerinnung herbeizuführen. Derartige Ein- wirkungen sind nach Nolf z. B. die Berührung mit benetzbaren Fremdkörpern, Verdünnung mit Wasser oder Zusatz von Organextrakten. Die Organextrakte insbesondere — also das, was Morawitz als Thrombokinase bezeichnet — sollen nach Nolf thromboplastische und Thrombozym Wirkung miteinander vereinigen. Das Thrombin wird von Nolf merkwürdigerweise nicht als der eigentliche, die Gerinnung auslösende Faktor, sondern als ein Nebenprodukt der Gerinnung angesehen. Gerade dieser Punkt der Nolf sehen Lehre ist be- fremdend und meines Erachtens nicht genügend begründet. Nolf scheint denn auch mit seiner Auffassung des Thrombins keine Schule gemacht zu haben. Der Hauptfortschritt der Lehre von Nolf scheint mir die scharfe begriffliche Trennung zwischen Thrombozym und Thrombokinase zu sein. Als das wirksame Prinzip der Thrombokinase sehen Zak sowie Bordet und Delange den Lipoidgehalt der Organextrakte an, nach Zunz und La Barre ist es insbesondere das Kephalin und Lezithin. Ebenso wie Nolf unterscheidet auch die neuere Gerinnungstheorie von Herzfeld und Klinger das Thrombozym von den thromboplastischen Sub- stanzen. Das wirksame Prinzip, das Thrombin, geht nach diesen Autoren durch proteolytische Spaltungen aus höheren Eiweißabbauprodukten, den Prothrombinen, und Bindung der entstandenen Spaltprodukte an Ca- Salze hervor. Diese Proteolyse soll begünstigt werden durch gewisse andere Abbau - produkte (Aktivatoren = Thrombozym). Herzfeld und Klinger nehmen 576 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. an, daß durch das Thrombin dem Fibrinogen eine dessen Stabilität bedingende Adsorptionshülle auf dem Wege der Adsorptions Verdrängung entzogen werde, wodurch es zur Ausflockung des Fibrinogens komme. Es sei mir an dieser Stelle gestattet, kurz auf die Auffassung hinzuweisen, die ich mir auf Grund eigener Versuche über die physikalische Chemie der Gerinnung des Fibrinogens durch das Thrombin gebildet habe (2,3). Das Fibrinogen ist ein Globulin, dessen isoelektrischen Punkt ich bei pH =4,9 fand. Für das aus dem Fibrinogen durch Thrombinein Wirkung ent- stehende Fibrin fand sich dagegen ein isoelektrischer Punkt bei pH = ca. 6,0. Durch das Thrombin wird also eine partielle elektrische Entladung des Fibrino- gens bewirkt. Der entladene Eiweißkörper ist weniger stabil und koaguliert bezw. gerinnt daher. Ich unterscheide also bei der Gerinnung des Fibrinogens durch das Thrombin mit Hammarsten zwei streng voneinander zu tren- nende Phasen: eine Entladungsphase und eine Koagulationsphase. Da auch bei der Hitzedenaturation des Fibrinogens — ebenso wie bei der des Albumins — eine Verlagerung des isoelektrischen Punktes nach dem Neutralem zu erfolgt, so läßt sich vielleicht das Thrombin als ein Katalysator der Denaturation definieren, eines Vorganges der auch bei gewöhnlicher Temperatur, jedoch mit außerordentlicher Langsamkeit spontan abläuft. Diese Befunde ebenso wie der von Morawitz' Schüler Bark an erbrachte Nachweis, daß ein in Natronlauge gelöstes Fibrin durch Schmidtsches Thrombin nicht zur Gerinnung zu bringen ist, widerlegen die in den Arbeiten von Hekma verfochtene These von der Reversibilität der Fibringerinnung. Man sieht, die Entwicklung der Lehre von der normalen Blutgerinnung ist noch stark im Fluß, erst recht gilt dies daher von den Fragen nach dem Wesen der pathologischen Blutgerinnung, insbesondere der Hämophilie, der wir uns nunmehr wieder zuwenden. D. Das Gerinnungssysteni des Hämophilen. 1. Die Geschwindigkeit der Hämophilen Blutgerinnung. Erst seit den grundlegenden Untersuchungen Sahlis (1) wissen wir mit Sicherheit, daß eine mehr oder minder hochgradige Verzögerung des Ge- rinnungsvorganges für die Hämophilie charakteristisch ist. Die früher über diesen wichtigen Punkt herrschende Unklarheit ist wohl zum Teil auf mangelhafte Untersuchungsmethoden, zum anderen Teil aber nach Sahlis Meinung auch darauf zurückzuführen, daß bei manchen Blutern die Gerinnungs- zeit des Blutes bei längerem Fortbestehen einer Blutung normale Werte, ja selbst kürzere Werte, als der Norm entspricht, annehmen kann. Ein konstanter Befund bei der hämophilen Blutung scheint dieses Verhalten übrigens nicht zu sein. Unter den zeitlichen Daten, die als Maßzahlen für den Ablauf des Gerinnungs- vorganges dienen, wollen wir mit Fonio (1) folgende Unterscheidungen machen : 1. Als „Reaktionszeit" (RZ) bezeichnen wir die Zeit von der Blutentnahme bis zum Auftreten des ersten Fibrinniederschlages. 2. Als ,, Gerinnungszeit" (GZ) bezeichnen wir die Zeit von der Entnahme dee Blutes bis zur Vollendung der Gerinnung. Die \<>n verschiedenen Autoren aufgestellten zeitlichen Gerinnungsdaten können natürlich nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden, da sie vor allem von der angewendeten Methode, aber auch bei Verwendung der gleichen Methode unter Umständen von Kleinigkeiten in der Ausführung des Gerinnungssystem. 577 Versuches stark abhängig sind. Genaueres über diese Dinge findet sich in einer Studie des Verfassers (4). Wir können daher vorläufig nur die von ein- und demselben Autor bei Hämophilen und beim Normalen gefundenen Werte streng miteinander vergleichen. Ich gebe hier einige Daten wieder, die Schloß mann in 7 Fällen von Hämo- philie erhalten hat. Er arbeitete mit der Methode von Bürker, bei welcher ein in einer feuchten Kammer befindlicher Blutstropfen von Zeit zu Zeit mittels eines hindurchgeführten feinen Glasstäbchens auf seinen Gerinnungszustand geprüft wird. Die RZ ist gekennzeichnet durch das Auftreten des ersten feinen Fibrinfädchens. Zur Bestimmung der GZ ist die Methode weniger geeignet und auch von ihrem Erfinder nicht für diesen Zweck bestimmt. Als normale RZ bei der von ihm angewandten Temperatur von 25 ° rechnet Schloß mann den Wert von 5 Minuten. Name des Patienten Hämophilieform RZ GZ 1. Hugo Seh sporadisch 25 41 2. Heinrich Sp. . . . „ 71/, 10 Va 3. Richard Sp „ lxj2 ll1/«, 4. Hans W „ 672 972 5. Christian B erblich 20 45 6. Franz Fr „ 6? 7. Emil Fr „ 6V2 — In 4 Fällen von Hämophilie, die ich zu untersuchen Gelegenheit hatte (5) waren die Abweichungen von der Norm ungefähr wie in den Fällen 1 und 5 Schlößmanns,es lag also eine sehr starke Verzögerung des Gerinnungs- ablaufes vor. Auch bei den von Sahli untersuchten Hämophilen waren die Abweichungen von der Norm sehr starke, etwa den Fällen 1 und 5 Schloß - manns entsprechend. Es ist hier die Frage berechtigt, ob denn die Fälle der Schlößmannschen Tabelle mit relativ sehr kurzen Gerinnungszeiten auch wirklich als echte Hämo- philie anzusprechen sind. Das ist nun bei Fall 6 und 7 wegen der ganz charakte- ristischen Familienanamnese, die das typische Vererbungsgesetz ergibt, außer Zweifel; aber auch in den beiden sporadischen Fällen 2 und 3 der Geschwister Heinrich und Richard Sp. spricht die Familienanamnese sehr für echte Hämo- philie, denn von den 5 Kindern der Mutter sind 2 Mädchen blutgesund, während alle 3 Söhne, darunter der älteste aus erster Ehe, Bluter sind. Wir lernen hieraus, daß es Fälle von echter erblicher und sporadischer Hämo- philie zu geben scheint, die in ihren zeitlichen Gerinnungsdaten nur eine sehr geringe Abweichung von der Norm im Sinne einer Verzögerung des Gerinnungs- vorganges aufweisen. Es erhebt sich hier die weitere wichtige Frage, ob denn so geringe Verzöge- rungen überhaupt eine hinreichende Erklärung für die lange Dauer der Blu- tungen bilden, die ja auch in diesen Fällen wochenlang anhalten können. Schloß mann selbst ist zwar der Ansicht, daß ein deutlicher Parallelismus zwischen der Länge der Gerinnungszeit und der Schwere des betreffenden hämophilen Krankheitsbildes zu erkennen sei. Mir scheint indes, daß hier die Verhältnisse doch etwas komplizierter liegen, und zwar möchte ich Schloß - manns eigene Daten gegen seine Auffassung ins Feld führen: Es handelt sich um den Fall 6 Franz Fr., der wegen einer paranephritischen Eiterung operiert werden mußte und an der unstillbaren Nachblutung ad exitum kam. In diesem Falle sank nämlich durch eine Bluttransfusion die RZ auf den subnormalen Wert von 3V2 Minuten, die Blutung stand dann für einige Stunden, setzte aber wieder von neuem ein, während die RZ noch den völlig nor- malen Wert von 5% Minuten aufwies, und führte zur Verblutung, Blutkrankheiten II. 37 578 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. obwohl eine überaus gründliche Versorgung der Wunde vorgenom- men war! Der Schloß mann sehe Fall ist ein Analogon zu der Beobachtung Sahlis, in der zu der Zeit, da bei dem Kranken eine unstillbare Blutung aus einer Fingerwunde bestand, sowohl das aus dieser Wunde fließende wie das an einer anderen Stelle entnommene Blut eine gegenüber der Norm gesteigerte Ge- rinnungsfähigkeit aufwies. Man muß meines Erachtens bei unbefangener Be- trachtung dieser Tatsachen zu dem Schluß kommen: Man kann nicht in allen Fällen von Hämophilie aus der Gerinnungszeit auf die Schwere der Erkrankung sichere Schlüsse ziehen; die Prüfung der Gerinnungszeit ist kein sicheres Prognostikon für die Aus- sichten des Hämophilen, eine Blutung zu überstehen, und man sollte sich hüten, im Vertrauen auf die geringe Abweichung der Gerinnungsdaten von der Norm einem Hämophilen zu einer ver- meidbaren Operation zu raten. Die Möglichkeit einer Erklärung des besprochenen paradoxen Verhaltens bietet vielleicht eine Beobachtung Schloß manns, der bei seinen sämtlichen Hämophiliefällen eine qualitative Minderwertigkeit des Gerinnsels festgestellt haben will. Der Blutkuchen soll — auch bei den Fällen mit geringer Verzögerung der Gerinnung — zu Zerfall in mehrere Gerinnungsinseln neigen. Mit größerer Wahrscheinlichkeit trifft wohl die Ansicht Sahlis das richtige, nach welcher die Gefäße selbst beim Hämophilen in irgend einer vorläufig nicht näher definierbaren Weise alteriert sind; hierfür spricht unbedingt auch das Auftreten der Spontanblutungen, für die ja die Verzögerung der Gerinnung kein zureichender Grund ist. 2. Die Faktoren des Hämophilen Gerinnungssystems. Es herrscht Übereinstimmung in den Angaben sämtlicher Untersucher, daß das Fibrin bzw. dessen Vorstufe, das Fibrinogen, beim Hämo- philen in normaler Menge vorhanden ist. So fand Heyland 0,5%? Otte 0,43% (zitiert nach Litten), Sahli 0,35-0,66% und Verf. 0,42% (5). In jüngster Zeit sind zwei sehr interessante Fälle einer hämorrhagischen Diathese beschrieben wrorden, bei denen sich ein völliger Fibrinogenmangel fand. Der Patient von Rabe und Salomon war ein 9 jähriger Knabe, in dessen Familie Fälle von Bluterkrankheit nicht vorgekommen waren, auch seine Geschwister, ein Knabe und ein Mädchen sind gesund. Der Knabe wies schon 14 Tage nach der Geburt Darmblutungen auf. Nach leichten Stoßverletzungen bildeten sich große Blutergüsse unter der Haut. Nach jeder kleinen Haut- verletzung blutete es lange und heftig aus der Wunde. Es fand sich bei ihm auch ein periodenweises Auftreten starker Spontanblutungen. Im Blute waren die Thrombozyten in normaler Zahl (300 000 im Kubikmillimeter) vorhanden. Das aus der Vene entnommene Blut gerann überhaupt nicht, auch nicht auf Zusatz von frischem Serum, von Gewebsextrakten oder von normalen Thrombozyten. Durch Aussalzung und Hitzekoagulation war im Plasma kein Fibrinogen nachweisbar, während die Albumin- und Globulinf raktion anscheinend unverändert war. Interessanterweise bildete das Blut des Patienten dagegen Thrombin, denn Zusatz des Blutes oder Plasmas zu einer Fibrinogen lösung bewirkte deren ( terinnung. Mit demselben Krankheitsbild haben wir es offenbar in dem Fall von Opitz und Frei zu tun. Es handelte sieh um ein S Monate altes Mädchen aus gesunder Familie, bei dem sich die Zeichen einer schweren hämorrhagischen Diathese fanden. Daa Kind verblutete sich aus einer mit dem Erankeschen Schnepper Gerinnungssystem. 579 gesetzten Fingerstichwunde. In dem unmittelbar post mortem durch Punktion gewonnenen Herzblut fand sich kein Fibrinogen. Es wäre meines Erachtens verfehlt, dies durch den groben chemischen Defekt des völligen Fibrinogenmangels von der echten Hämophilie sich unter- scheidende Krankheitsbild ebenfalls der Hämophilie zuzurechnen. Die Angaben, die wir in der Literatur über die übrigen Faktoren des hämo- philen Gerinnungssysteme s finden, sind nun leider zum größten Teil außer- ordentlich widerspruchsvoll. Es sollen die wichtigsten Befunde anderer Autoren und ihre Deutung hier kurz besprochen und die eigenen Resultate an geeigneter Stelle eingeflochten werden. Von Weil (1 und 2) wurde behauptet, daß im Serum erblich Hämophiler kein Thrombin nachzuweisen sei, daß vielmehr Zusatz von hämophilem Serum zu einem gerinnenden Normalblute bei diesem eine Gerinnungsverzögerung bewirke, während normales Serum eine starke Gerinnungsbeschleunigung hervorruft. Weil glaubte deshalb, die erbliche Hämophilie durch die Anwesen- heit gerinnungshemmender Stoffe im Blute erklären zu können. Bei spontaner Hämophilie konnte Weil das gerinnungs verzögernde Verhalten des Serums nicht nachweisen, und auf Grund dieser Befunde suchte er sogar einen Unter- schied zwischen den beiden Formen der Hämophilie zu konstruieren. Keiner der späteren Untersucher hat die Weil sehen Angaben bestätigen können. Es wurde vielmehr stets eine deutliche Beschleunigung der Blut- gerinnung durch den Zusatz von Serum sowohl erblich wie spontan Hämophiler erzielt (Sahli, Schlößmann, Verf.). Es ist nun von Klinger mit Recht darauf hingewiesen worden, daß diese Gerinnungsbeschleunigung keineswegs auf das im Serum fertig vorhandene Thrombin bezogen werden müsse, sondern auch durch im Serum noch anwesendes Prothrombin hervorgerufen werden könne. Der eigentliche Thrombingehalt kann nur durch Prüfung der Wirkung des Serums auf ein spontan nicht gerin- nungsfähiges Plasma (Oxalat-, Zitrat- oder Magnesiumsulfatplasma) oder auf eine reine Fibrinogenlösung festgestellt werden. Einem derartigen Reagens gegenüber stellte Klinger in einem Fall schwerer spontaner Hämophilie eine sehr geringe Wirksamkeit des Serums im Vergleich zu Normalserum fest, woraus er einen Mangel an Prothrombin als ursäch- liche Störung des hämophilen Germnungssystemes glaubte ableiten zu dürfen. (Zu derselben Schlußfolgerung kommt übrigens auch Ho well in Untersuchungen, die mir im Original leider nicht zugänglich waren. Über seine Methodik habe ich keine Angaben finden können.) Dieser Befund Kl in g er s stellt nach meinen Erfahrungen zum mindesten keine allgemeine Regel, wahrscheinlich sogar eine direkte Ausnahme von der Regel fest. Meine Untersuchungen (6) über den Thrombingehalt im Serum bei drei spontan Hämophilen mit sehr starker Gerinnungsverzögerung, den Brüdern W. W. und K. W. und dem Patienten L. Seh., hatten folgende Ergebnisse; Entnimmt man das hämophile und das zur Kontrolle dienende normale Blut zur gleichen Zeit, läßt beide Blutsorten einige Stunden — bis zur völligen Beendigung der Gerinnung im Hämophilieblut — unter gleichen Bedingungen stehen und prüft die jetzt durch Zentrifu gieren gewonnenen beiden Sera gegen ein Zitratplasma auf ihren Thrombingehalt, so findet sich regel- mäßig eine starke Überlegenheit des Hämophilieserums. Diese Überlegenheit kann jedoch eine scheinbare sein, darauf beruhend, daß in jedem Serum der Thrombinspiegel seinen höchsten Stand unmittelbar nach beendigter Gerinnung aufweist, um dann ziemlich schnell abzufallen. Für das Hämophilieserum ist nun bei der geschilderten Art der Untersuchung die zeitliehe Differenz zwischen beendigter Gerinnung und Untersuchung auf 37* 580 E. Wöh lisch: Die Hämophilie. Thrombingehalt wegen der längeren Gerinnungszeit des Hämophilieblutes eine viel kleinere als für das Normaiseruni. Für die Deutung einer nur schein- baren Überlegenheit des Hämophilieserums sprach der Umstand, daß die Unter- schiede zwischen Hämophilie- und Normalserum um so kleiner wurden, je später nach der Blutentnahme die eigentlichen Versuche angestellt wurden. In zwei Versuchen wurde diesem Einwände Rechnung getragen und die Sera eines Normalen und eines Hämophilen zu ungefähr gleichen Zeiten nach Beendigung der Gerinnung der betreffenden Blutsorte auf ihren Thrombin- gehalt untersucht. Der eine Versuch ergab jetzt gleiche Werte des Thrombin- gehaltes beim Hämophilen und Normalen, im anderen Versuch fand sich aber auch unter diesen Bedingungen eine bedeutende Überlegenheit des hämophilen Serums. Der von Weil aufgerollten Frage nach der Anwesenheit gerinnungshem- mender Stoffe im hämophilen Serum waren auch einige Versuche von Mofa- witz und Lossen gewidmet. Auch diese Autoren fanden, daß ein hämophiles Serum gegen eine Fibrinogenlösung eine stärkere Wirkung ausübt als ein ,, unter möglichst gleichen Bedingungen gewonnenes normales Serum". Auf Grund eines weiteren Versuches kamen die Autoren zu dem Schluß, daß sich im hämo- philen Serum sogar weniger hemmende Substanzen finden als im Normal- serum. Jedenfalls wird man zusammenfassend sagen können, daß sich im hämophilen Serum im allgemeinen zum mindesten keine A bs ch wä chun g der Thrombinf unkt ion nach weisen läßt, daß dagegen in manchen Fällen eher ein Plus von Thrombin vorhanden zu sein scheint. Darauf, daß dieser Befund keineswegs im Widerspruch zu der Tat- sache der verlangsamten Gerinnung des hämophilen Blutes steht, wird weiter unten noch hingewiesen werden. Von der interessanten Fragestellung ausgehend, ob denn vielleicht das hämophile Fibrinogen aus irgendwelchen Gründen zur Ausfällung größerer Thrombinmengen bedürfe als ein normales Fibrinogen, untersuchte Klinger (1. c.) die Einwirkung einer Thrombinlösung vergleichend auf hämophiles und normales Oxalatblut bzw. Plasma. Er konnte keinen Unterschied in der Fäll- barkeit des hämophilen und normalen Fibrinogens nachweisen. Ein eigener gleich angelegter Versuch (6) führte zu einer Bestätigung des Klinger sehen Resultates. Fassen wir das Ergebnis der bisher besprochenen Untersuchungen kurz zusammen, so können wir sagen: Die Verlangsamung der Blutgerinnung bei der Hämophilie beruht mit größter Wahrscheinlichkeit nicht auf einer Störung der zweiten Phase des Gerinnungsvorganges, d. h. der Einwirkung des Thrombins auf das Fibrinogen. Die gesamte bei der hämophilen Blutgerinnung gebildete Thrombinmenge ist fern er der Norm gegen über meist nicht verringert, das gleiche dürfte also auch für den Prothrombingehalt des Hämophilieblutes gelten. Da nun trotz normaler Prothrombin- und Thrombingesamtmenge die ursäch- liche Störung sicherlich in der ersten Phase des Gerinnungsvor- ganges, beim Prozeß der Thrombinentstehung, zu suchen ist, so müssen wir wohl mit ziemlicher Sicherheit schließen, daß eine Verringerung der in der Zeiteinheit gebildeten Thrombinmenge, d. h. eine zu kleine Thrombin bi I düng sge seh windigkeit, als Ursache für die Verzögerung gesamten Gerinn ungs Vorganges anzusprechen ist. Worauf kann denn nun diese \VrnngerungderThrombinbildungsgeschwindig- keit beruhen \ Hier i-i zuersi von Sahli (I. c.) auf Grund eines ziemlich komplizierten Gedankenganges die Ansich.1 geäußerl worden, daß es sieh bei der Hämophilie Gerinnungssystem. 581 vielleicht um die allgemeine vererbbare fehlerhafte Eigenschaft der Zellen handelt, nicht genügend Thrombokinase — im Sinne von Morawitz — liefern zu können. Sahli schlug deshalb vor, bei Gelegenheit die Organe verstorbener Hämophiler auf ihren Thrombokinasegehalt zu untersuchen. Von Morawitz und Lossen (1. c.) und von Kottmann und Lidsky wurde dann gezeigt, daß tatsächlich Zusatz von Thrombokinase, d. h. von wässerigen Extrakten aus zelligen Organen, die Gerinnungszeit eines hämophilen Blutes außerordentlich abkürzt. In dem Versuche von Morawitz und Lossen gerann Hämophilieblut und normales Blut, denen man gleiche Mengen Thrombo- kinase zusetzte, gleich schnell. Auch Schloß mann (1. c.) wies die enorme Gerinnungsabkürzung (durch Strumapreßsaft) in einem seiner Hämophilie- fälle nach, und Verfasser kann die Angaben der erwähnten Autoren bestätigen. Eine Ausnahme bildet wieder der Hämophiliefall H. von Klinger, dessen Blut auf Thrombokinasezusatz zwar schneller als ohne diesen, aber doch immer noch hochgradig verzögert gerann, denn die Gerinnung war auch nach 2 bis 3 Stunden noch nicht vollständig. Da wir nun hier mit Nolfund Herzfeld und Klinger an einem Unterschied zwischen Thrombozym und thromboplastischen Substanzen festhalten wollen, so wird man vielleicht mit einiger Reserve den Schluß ziehen können, daß es dem Blut des Hämophilen möglicherweise an Thrombozym fehlen dürfte. Als ein direkter Beweis für diese Annahme kann der Versuch natürlich nicht gelten. Da das Thrombozym von den Blutzellen, insbesondere von den Thrombo- zyten, geliefert werden soll, werden wir in erster Linie an eine Minderwertig- keit der Zellen des hämophilen Blutes zu denken haben. Einen allge- meinen Thrombokinasemangel braucht man nicht anzunehmen, und tatsächlich konnte Gressot zeigen, daß die Extrakte aus den Organen einer Hämophilie- leiche große Mengen von Thrombokinase enthielten. Der erste Versuch, einen direkten Nachweis der Insuffizienz der zelligen Elemente des Hämophilieblutes zu erbringen, stammt von Sahli (2). Er unter- suchte den Einfluß, den eine aus hämophilem Oxalatblut durch Zentrifugieren und Auswaschen gewonnene Blutkörperchenaufschwemmung auf die Gerinnung eines hämophilen Blutes ausübt und verglich sie mit der Wirkung einer Auf- schwemmung normaler Blutzellen auf dasselbe hämophile Blut. Es zeigte sich nun, daß die Aufschwemmung normaler Blutkörperchen eine sehr deut- liche Gerinnungsbeschleunigung ausübte, während die hämophilen Blutkörper- chen eine viel geringere Wirkung hatten. Es gerann nämlich das Hämophilie- blut mit Zusatz normaler Blutkörperchen bereits nach einer halben Stunde vollständig, während die hämophilen Blutkörperchen denselben Effekt erst nach Ablauf von 2l/2 Stunden hervorbrachten. Das Hämophilieblut ohne Zusatz gerann erst am folgenden Tage. Die von Sahli geplante Untersuchung darüber, welche der verschiedenen Blutzellen denn nun gerinnungsphysiologisch insuffizient wären, hat dieser Autor nicht ausgeführt. Untersuchungen über diesen wichtigen Punkt wurden zum erstenmale von Fonio und sodann vom Verfasser angestellt, worüber jetzt berichtet werden soll. Fonio (1, 2) isolierte aus dem in Magnesiumsulfatlösung aufgefangenen Blute eines hereditär Hämophilen und zum Vergleiche eines Normalen die Blutplättchen durch fraktionierte Zentrifugierung und stellte sich durch Auf- nehmen der Plättchen in physiologischer Kochsalzlösung Blutplättchensus- pensionen oder durch Lösen der Plättchen in destilliertem Wasser ,, Thrombozym - lösungen" her. Die Plättchenzahl im Blute der beiden Versuchspersonen war vorher bestimmt worden. L^nter Berücksichtigung dieser Werte wurden von den Emulsionen solche Mengen, in denen die gleiche Anzahl Plättchen enthalten sein mußte, einem hämophilen Blute als Indikator zugesetzt. Sowohl die 582 E. Wöh lisch: Die Hämophilie. normalen wie die Hämophilen Plättchen bewirkten eine Beschleunigung der Gerinnung des Hämophilieblutes, jedoch waren die Plättchen des Hämophilen weit weniger wirksam, wie durch die von Fonio erhaltenen Daten, die ich in Tabellenform hier zusammenfasse, belegt werden möge: Es bedeutet RZ (Reaktionszeit) = Zeit bis zum Beginn der Gerinnung ) in GZ (Gerinnungszeit) = Zeit bis zur Beendigung der Gerinnung j Minuten. Als Indikator diente Hämophilieblut. Zusatz RZ GZ Zusatz RZ GZ Hämoph. Plättchensusp. Normale Plättchensusp. 13 16 65 42 Hämoph. Thrombozymlösung Normale Thrombozymlösung 22 22 >88 48 Bei Verwendung normalen Blutes als Indikator konnte Fonio unter Benutzung von mit destilliertem Wasser hergestellten Plättchenextrakten nur einen schwachen Unterschied zuungunsten der hämophilen Plättchen nachweisen, während sich die mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellten Emulsionen merkwürdigerweise sogar gleich verhielten. Das Wesen der Hämophilie besteht nach diesem Autor in einem zu geringen Thrombozymgehalt der hämophilen Blutplättchen. Klinger hat die Theorie Fonios angegriffen, ohne indessen — wie ihm Fonio (3) in seiner Antikritik mit Recht vorhält — den wichtigen Fonio sehen Thrombozyten versuch mit Hämophilieblut als Indikator einer Nachprüfung unterzogen zu haben. Die Bedeutung des Fonio sehen Versuches für eine Theorie der Hämophilie ist meines Erachtens durch die Klingerschen Aus- lassungen in keiner Weise herab vermindert worden, insbesondere kann ich mich Kling er nicht anschließen, wenn er meint, die von Fonio gefundenen Unterschiede lägen innerhalb der Fehlergrenzen derartiger Versuche. Auf die wahren Schwierigkeiten, die sich der erwähnten Fonio sehen Deutung seines Befundes für eine Theorie der Hämophilie entgegenstellen, ist dagegen weder von Fonio noch von Klinger noch meines Wissens bisher überhaupt hin- gewiesen worden. Hierauf wird weiter unten näher einzugehen sein. Ich habe eine Nachprüfung (6) des Fonio sehen Thrombozytenversuches bei 3 Fällen von Hämophilie vorgenommen, wobei ich mich genau an die An- gaben Fonios hielt. Die Untersuchungen mit den Plättchenemulsionen der beiden sporadisch hämophilen Brüder W. W. und K. W. erbrachten — ganz entgegen meinen Erwartungen — eine fast völlige Bestätigung der Resultate Fonios. Es fand sich bei Verwendung von Hämophilieblut als Indikator eine deutliche, meines Erachtens sicher außerhalb der Fehlergrenze liegende Minderwirksamkeit der hämophilen Plättchen. Zur größeren Sicherheit wurde das Blut eines jeden der beiden Brüder in drei voneinander unabhängigen Versuchen mit den Plätt- chen von vier verschiedenen Normalpersonen verglichen. Die Ergebnisse sind in der folgendes Tabelle zusammengefaßt. Indikator: Hämophilieblut. Versuch- Spender der ,,„ Nr. Thrombozyten KZ GZ Versuch- Nr. Spender der Thrombozyten RZ GZ 1 Hamophiler K. \Y. 2 93 Normalperson 2 49 3 Hämophiler W. W. Hämophiler K. W. Normalperson I Normalperson II 18,5 15,5 1 3,5 9,5 290 290 1X4 84 2 Eamophilei W. W. LO Normalperson 9 80 Gerinnungssystem. 583 Bei Verwendung von Xornialblut als Indikator waren die Versuche weniger eindeutig, und zwar erhielt ich in einem Versuch keinen Unterschied, in einem anderen einen geringen und in dem dritten Versuch einen sehr deutlichen Unter- schied zuungunsten der hämophilen Thrombozyten bei dem Patienten K. W.3 während der Wert. der Plättchen von W. W. in diesem Versuche — sicherlich infolge eines Versuchsfehlers — völlig aus der Reihe herausfiel. Bei dem dritten Fall, Patient L. Seh., der leider aus äußeren Gründen nur einmal untersucht werden konnte, ließ sich dagegen keine Hinderwertigkeit der hämophilen Throm- bozytenemulsion feststellen. Ich halte es jedoch für möglich, daß dieses Versuchs - resultat durch störende Umstände vorgetäuscht worden ist, wobei ich besonders an eine zur Zeit der Untersuchung bestehende ziemlich starke Leukozytose im Blute des Patienten denke, die mit der Resorption eines Gelenkergusses in Zusammenhang stand. Was lehren uns nun die bisher in der Literatur vorhegenden Versuche. durch die anscheinend bei der Hämophilie ein Defekt der zelligen Elemente des Blutes nachgewiesen worden ist ? Zunächst sind meines Erachtens die positiv ausgefallenen Versuche gegen- über dem einen mit negativem Ergebnis (Fall L. Seh.) noch nicht zahlreich genug, als daß man von einer gerinnungsphysiologischen Insuffizienz einer der Blutzellenarten — speziell der Thrombozyten — als konstantem Befund bei der Hämophilie sprechen könnte; ich halte deshalb den definitiven Aufbau einer Lehre vom Wesen der Hämophilie auf Grund des vorhegenden experi- mentellen Materials für verfrüht. Die Versuche zeigen aber sicherlich, daß weitere Untersuchungen in der von Sahli, Fonio und vom Verfasser eingeschlagenen Richtung aussichts- reich und durchaus notwendig sind zur Entscheidung der Frage, ob es sich bisher ledigheh um Zufallsbefunde handelt oder um solche, die mit dem Wesen der Bluterkrankheit in Zusammenhang stehen. Sollte sich nun bei derartigen Untersuchungen die letztere Möglichkeit als die richtige herausstellen, so würden sich allerdings, wie oben bereits kurz erwähnt, bei der Deutung der Befunde die folgenden, nicht unerheblichen, bisher meine- Wissens übersehenen Schwierigkeiten ergeben: Will man mit Fonio annehmen, daß die oft enorme Verzögerung des Gerinnungs Vorganges bei der Hämophilie in ursächlichem Zusammenhang steht mit einer chemischen Insuffizienz der Thrombozyten, so müssen wir folgern, daß diese Bestandteile des Blutes zur Aufrechterhaltung der normalen Gerimiungsgeschwindigkeit des Blutes von ausschlaggebender Bedeutung sind. Nun gibt es aber ein Krank- heitsbild, bei dem dies durchaus nicht der Fall zu sein scheint, nämhch die thrombopenische Purpura. Bei dieser Erkrankung kommt bekanntlich eine sehr starke Herabsetzung der Thrombozytenzahl, ja selbst ein völliges Ver- schwinden der Plättchen im Blute vor, ohne daß dadurch eine Verlängerung der Gerinnungszeiten herbeigeführt würde. Verfasser selbst hatte Gelegenheit, zwei Fälle von thrombopenischer Purpura zu untersuchen, bei denen sich in verschiedenen Blutausstrichen nicht ein einziger Thrombozyt auffinden ließ, und die beide einen völlig normalen Wert der Blutgerinnungszeit aufwiesen. Läßt sich dieser Befund nun mit unseren Befunden bei der Hämophilie — deren Richtigkeit vorausgesetzt — irgendwie in Einklang bringen oder besteht hier nach unseren heutigen Kenntnissen vom Wesen des Gerirmungs- vorganges ein unauflösbarer Widerspruch? Ich sehe nur einen Ausweg, und das wäre die Annahme, daß die Reduktion der Plättchenzahl bei der Purpura nicht auf einer verminderten Produktion dieser Zellen, sondern auf einem vermehrten Zerfall der- selben beruhe, und weiterhin, daß das aus den zerfallenen Zellen 584 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. stammende Thrombozym in gerinnungsphysiologisch wirksamer Form im Blute kreisend erhalten bleibt. Quantitative Untersuchungen über den Thrombozymspiegel des Normal- blutes, des Purpurabiutes und des Hämophilieblutes sind daher meines Er- achtens unerläßlich, um uns einen tieferen Einblick in das. Wesen der hämor- rhagischen Diathese und der Hämophilie zu verschaffen. Die Methodik der- artiger Untersuchungen müßte allerdings erst ausgearbeitet werden. Anhangsweise müssen hier noch einige Untersuchungen besprochen werden, die erst nach Abschluß der vorliegenden Arbeit zu meiner Kenntnis gelangten. Feißly kommt zu dem Ergebnis, das hämophile Plasma verdanke seine Stabilität der Anwesenheit eines Körpers, der thrombinbildungshemmende Eigenschaften besitzt. Der Nachweis dieses Hemmungskörpers wurde derartig geführt, daß das hämophile Plasma mit Trikalziumphosphat ausgeschüttelt wurde, wobei der Hemmungskörper adsorbiert werden soll. Beim Auswaschen des Phosphats geht es wieder in Lösung. Setzt man von dieser Lösung genügende Mengen einem rekalzifizierten Zitratblut zu, so wird dessen Ge- rinnung verhindert. Das ausgeschüttelte Plasma ist frei von dem Hemmungs- körper. Aus normalem Plasma läßt er sich nicht darstellen. Feißly folgt der Bor de t sehen Blutgerinnungslehre, die bisher bei uns wenig bekannt geworden ist. Nach Bordets Terminologie geht das Thrombin aus einer im Plasma vorhandenen Vorstufe, dem Proserozym, hervor, das dem Thrombogen oder Prothrombin der deutschen Nomenklatur entspricht. Erst nach einer vor- läufig unbekannten, wahrscheinlich physikalisch-chemischen Umwandlung wird das Proserozym fähig mit dem Zytozym (Thrombokinase) und den Ca-Ionen das Thrombin zu bilden. Diese Umwandlung soll nun nach Feißly in Hämo- philieblut durch die Anwesenheit eines Hemmungskörpers erschwert werden. In einer weiteren Mitteilung befassen sich Feißly und Fried auch mit der Blutplättchenfrage. Auch sie kommen zu dem Ergebnis, daß hämophile Blut- plättchen eine geringere gerinnungsbeschleunigende Wirkung auf Hämophilie- blut ausüben als normale, daß sich dagegen hämophile Plättchen und normale Plättchen in ihrer Wirkung auf normales Blut nicht unterscheiden. Der Grund hierfür ist nun nach den Autoren nicht etwa eine Minderwertigkeit der hämophilen Plättchen, vielmehr glauben sie aus ihren anscheinend sehr gründ- lichen Untersuchungen folgern zu dürfen, daß es sich hier lediglich um Ad- sorptionsvorgänge handele: mit den normalen Blutplättchen werde aus dem Plasma adsorbiertes vollwertiges Proserozym übertragen, mit den hämophilen Plättchen dagegen das geschädigte Proserozym des hämophilen Plasmas. Sollten sich die recht plausiblen Anschauungen der Autoren bestätigen lassen, so wäre damit, wie mir scheint, eine besonders einfache Erklärung für das Verhalten des hämophilen Blutes gefunden, die zudem frei wäre von den oben besprochenen Schwierigkeiten, die sich der Fonio sehen Auffassung der Hämophilie entgegenstellen. Endlich sind noch die Untersuchungen von Opitz zu erwähnen, die ebenfalls zu einer Bestätigung der Fonio sehen Angaben über das Verhalten der hämo- philen Thrombozyten kommen. Opitz schließt aus seinen Untersuchungen, daß die Gerinnungsverzögerung bei der Hämophilie nicht auf einem Mangel an Thrombokinase oder einem anderen Gerinnungsfaktor in den Zellen beruhe, vielmehr nimml er an, dem hämophilen Blute fehle ein die Zellaufschließimg fördernder Paktor. Ferner sind die von Opitz untersuchten Hämophilen ebenso wie deren Mütter durch Resistenzerhöhung der Erythrozyten, vermehrten Chlorgehall des Blutes and fehlende Tiypanozidie charakterisiert. Die Opitz- schen Befunde über den Cl- Gehall des Blutes bestätigen die Annahme Ragnar Differentialdiagnose. 585 Bergs, der auf Grund von Stoff Wechsel versuchen zu dem Resultat kam, daß beim Hämophilen wenigstens zeitweise eine Chlorretention statthaben müsse. Wie aus der vorstehenden Darstellung zu ersehen ist, müssen wir einstweilen noch die interessante Frage nach dem Wesen der hämophilen Blutgerinnung als ungelöst betrachten. E. Differentialdiagnose. In den ausgesprochenen Fällen, die schon von Kindheit an häufige Blu- tungen aufweisen, wird die Diagnose Hämophilie meist leicht sein, besonders natürlich wenn es sich um hereditäre Hämophilie handelt. In Fällen sporadischer Hämophilie mit nicht sehr charakteristischem Ver- lauf kann dagegen unter Umständen die Unterscheidung des Leidens von einigen hämorrhagischen Diathesen, nämlich dem chronischen Morbus maculosus Werlhofii und der essentiellen Thrombopenie Franks gewisse Schwierigkeiten machen, da diese Krankheiten ganz ähnliche Erscheinungen bieten können wie die Hämophilie. Die Hämophilie hat mit diesen Krankheiten die verlängerte Blutungszeit x) gemeinsam ; Blutungszeit und Gerinnungszeit brauchen nun aber nicht parallel zu gehen, sie tun dies zwar bei der Hämophilie, nicht dagegen bei den hämor- rhagischen Diathesen, bei denen, wie erwähnt, die Ger innungs zeit meist normal ist. Deshalb wird eine Unterscheidung in den bei weitem meisten Fällen bereits auf Grund einer einfachen Bestimmung der Gerinnungszeit des Blutes mög- lich sein. Nur die wahrscheinlich recht seltenen sporadischen Hämophiliefälle mit nur sehr geringer Verzögerung der Blutgerinnung — siehe die Fälle 2, 3 und 4 von Schlößmann auf S. 577 — könnten danach noch diagnostische Schwierigkeiten bereiten, denn eine geringe Verzögerung der Blutgerinnung soll auch bei manchen Fällen von hämorrhagischer Diathese zu beobachten sein. Hier ist zum wenigsten jine Unterscheidung von der Thrombopenie auf Grund des Blutbildes mit Sicherheit zu ermöglichen; der Hämophile hat nor- male oder sogar erhöhte Thrombozytenwerte, während bei der essentiellen Thrombopenie eine enorme Verringerung der Thrombozytenzahl, ja sogar ein völliges Fehlen der Blutplättchen beobachtet wird. Ein nur für die Hämophilie charakteristisches Blutbild gibt es dagegen nicht, denn der von Sahli in einigen Fällen erhobene Befund einer relativen Lymphozytose und Eosinophilie wird in vielen Fällen vermißt. Des weiteren kann noch das Rumpel - Leedesche Phänomen, d. h. das Auftreten petechialer Hautblutungen nach Anlegen einer venösen Stauung an einer Extremität, diagnostische Verwendung finden: der Rumpel - Leede- sche Versuch fällt nämlich beim Hämophilen regelmäßig negativ aus, im Gegen- satz wohl zu den meisten Fällen von hämorrhagischer Diathese. Bei Berücksichtigung der Anamnese, des klinischen Krankheitsbildes und der soeben besprochenen speziellen differentialdiagnostischen Hilfsmittel dürfte sich wohl in jedem Falle eine sichere Abtrennung der Hämophilie von den hämorrhagischen Diathesen ermöglichen lassen. 2) Der Begriff der Blutungszeit ist von Duke eingeführt worden. Man bestimmt die Blutungszeit, indem man mit der Frankeschen Nadel eine kleine Stichwunde in der Finger- kuppe setzt und den Patienten die blutende Stelle alle 1/2 Minute auf ein Fließpapier ab- drücken läßt. Beim Normalen versiegt die Blutung nach wenigen Minuten, während Kranke mit verlängerter Blutungszeit noch nach l/2 Stunde einen blutigen Fingerabdruck liefern können. 586 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. F. Die Behandlung der Hämophilie. Die Bekämpfung einer hämophilen Blutung ist unter Umständen eine der schwersten Aufgaben, vor die der Arzt gestellt werden kann. Von vornherein sei erwähnt, daß wir ein sicheres Mittel zur Stillung hämophiler Blutungen zur Zeit noch nicht kennen. Man ist somit noch bei jedem einzelnen Fall aufs Probieren angewiesen. Die Zahl der zur Behandlung der Hämophilie vorgeschlagenen Methoden ist Legion. Wohl jedem der im folgenden zu besprechenden Mittel ist von irgend einem Autor ein guter Erfolg nachgerühmt worden, während dasselbe Mittel in anderen Fällen vollständig versagte. Den Schluß ,,post hoc, ergo propter hoc" hat man, wie mir scheint, auf dem Gebiete der Hämophiliebekämp- fung recht häufig ohne die nötige Kritik gezogen, denn schließlich kommt ein großer Teil der hämophilen Blutungen endlich doch spontan zum Stehen. Die Methoden zur Bekämpfung der Hämophilie lassen sich einteilen in all- gemeine Maßnahmen und lokale Maßnahmen. Bei den ersteren haben wir eigentlich wieder zu unterscheiden zwischen solchen, die in mehr unbestimmter Weise auf eine allgemeine Änderung der hämophilen Konstitution hinzielen und solchen, die direkt eine Verkürzung der Gerinnungszeit des hämophilen Blutes durch eine Einwirkung auf den gesamten Organismus, das Gesamtblut oder bestimmte Organe erreichen wollen. Diese Methoden, die durch eine Ver- kürzung der Gerinnungszeit des Gesamtblutes einen Effekt an der blutenden Stelle erzielen sollen, bezeichnet von den Velden (l)als „telehämostyptische". 1. Allgemeine Maßnahmen zur Bekämpfung der Hämophilie. Es hat von jeher wundergenommen, daß die Frauen von der Hämophilie fast — vielleicht sogar ganz — verschont bleiben, und so kam man auf den Gedanken, durch Zufuhr von Extrakten der weiblichen Sexualorgane eine Besserung der hämophilen Konstitution zu versuchen. Bereits 1904 berichtete Grant über angebliche Heilerfolge bei einem hämophilen Knaben durch Verabfolgung von Ovarialextrakt. Heyter versuchte das Mittel in Form der Merkschen Ovarialtabletten, die 0,07 g Ovarialextrakt und 0,5 g frische Ovarialsubstanz enthalten sollen. Gegeben wurde dreimal täglich eine Tablette, steigend bis zu 8 Tabletten täg- lich. Heyter behandelte drei Fälle; bei zweien sah er keinen Erfolg, während in dem dritten beschriebenen Falle die Koinzidenz der Zeiten, in denen das Präparat genommen wurde, mit den Zeiten der Blutungsfreiheit allerdings auffallend ist. Ein etwas merkwürdiger Vorschlag zur Besserung der hämophilen Konsti- tution liegt von Sahli vor. Sahli hatte beobachtet, daß in manchen Fällen von Hämophilie sich während einer Blutung die Gerinnungszeit immer mehr dem normalen Verhalten annähert. Er hält es daher für möglich, daß auch durch häufige Entziehung kleiner Blutmengen bei der Hämophilie eine an- dauernde Verkürzung der Grerinnungszeit erzielt werden könnte. Die Unwahr- scheinlichkeil der Sahlischen Vermutung ist aber so groß, daß, soweit ich Behe, eine experimentelle Prüfung derselben noch nicht vorgenommen wurde. Vielleicht die bekannteste aller Behandlungsmethoden der Hämophilie ist die 1905 von R. Weil (3) inaugurierte intravenöse oder subkutane, wiederholt ausgeführte Smiminjektion. Weil injiziert 15 ccm möglichst frisches Serum intravenös oder 30 ccm subkutan. Menschen-, Pferde- und Kaninchenserum soll gleich gut geeignet sein. Die günstige Serum Wirkung Behandlung: Ovarialextrakt, Seruminjektion. 587 soll nach 48 Stunden beginnen und etwa einen Monat anhalten. Für die Praxis empfiehlt er das überall erhältliche Diphtherieserum. Weil setzt die Behand- lung Jahre hindurch fort, er hat bis zu 30 Injektionen in 6 Jahren gegeben und will gute, zum Teil sogar ausgezeichnete Dauererfolge gesehen haben. E'mile - Weil berichtet über einen Hämophilen aus einer Bluterfamilie in Tenna, der als 7 jähriger Knabe mit schweren klinischen Symptomen in seine Behandlung kam und eine Gerinnungszeit von V-Jz Stunden aufwies. Der Autor verabfolgte im Laufe von 15 Monaten 6 Injektionen von Pferdeserum und erzielte dadurch eine Verkürzung der Gerimiungszeit bis auf 1/i—1/z Stunde. Eine Zahnoperation wurde ohne die geringste Nachblutung vertragen. Die Injektionen wurden in einem zeitlichen Abstände von 4 Monaten 3 Jahre hin- durch fortgesetzt, dann blieb der Patient &-/2 Jahre hindurch ohne Behandlung, da er keine Symptome seines Leidens mehr aufwies. Nach dieser Zeit hatte die Gerinnungszeit einen Wert von nur 15 Minuten, die Blutungszeit von 27a Minuten. Mit der Weilschen Serumbehandlung will auch unter anderen Challier gute Erfolge gesehen haben. Dagegen haben gerade experimentelle und kli- nische Nachprüfungen von deutscher Seite bisher ein nichts weniger als er- mutigendes Resultat ergeben. So hat z. B. Schlößmann ausgedehnte Versuche über die Wirkung von Serum angestellt. Er fand zunächst, daß Diphtherieserum, einem gerinnenden Blute in vitro zugesetzt, stets eine Verlängerung der Gerinnungszeit bewirkt und er zeigte ferner im Tierversuch, daß überraschenderweise direkt ins Blut injiziertes frisches Serum jedesmal eine Gerinnungs verlangsamung statt der erwarteten Gerinnungsbeschleunigung erzeugte, während er bei subkutanen Injektionen keine sicheren Ausschläge erhielt. Schlößmann injizierte sodann in 4 Fällen von Hämophilie 30—85 ccm frisches Menschenserum subkutan und konnte in keinem Falle eine Beschleunigung der Gerinnung feststellen, ebenso war es mit intravenösen Seruminjektionen. Mit Ausnahme eines Falles, der zweimal 24 Stunden hindurch nach der ersten Injektion auf seine Gerinnungs- fähigkeit kontrolliert wurde, hat Schlößmann seine Kontrolle allerdings nur bis spätestens 24 Stunden post injectionem ausgeführt, während nach Weil die günstige Wirkung erst nach 48 Stunden einsetzen soll. Jedoch hat Schlößmann von seinen Seruminjektionen auch keinerlei therapeutischen Erfolg gesehen und schließt sich deshalb den Autoren an, die sich über die Serumbehandlung der Hämophilie entweder sehr zurückhaltend äußern (Sahli, Baum) oder gar nur von völligen Mißerfolgen berichten, wie Dahlgreen. Im Gegensatz zu Seh lößmann hat von den Velden (2) in einem Falle von leichter Hämophilie durch subkutane Injektionen von Streptokokkenserum sowie von frischem Menschenserum eine deutliche Verkürzung der G-erinnungszeit erhalten. Eine meines Wissens noch nicht nachgeprüfte Modifikation der Serumtherapie ist in neuester Zeit von Vines (2) in Vorschlag gebracht worden. Vines ruft durch zweimalige Injektion von Pferdeserum eine Anaphylaxie hervor; die zweite anaphylaktische Injektion gibt er in kleiner Dosis und intrakutan, wodurch es lediglich zu einer lokalen Reaktion kommen soll. Das beim gewöhn- lichen anaphylaktischen Schock zu beobachtende Verhalten, nämlich eine zuerst gesteigerte, dann verringerte Gerinnbarkeit, soll durch diese Methode so abgeändert werden, daß nur das erste Stadium zur Ausbildung gelangt. Der Gerirmungsvorgang soll nach Vines durch den anaphylaktischen Anreiz annähernd normal werden, die Anaphylaxie soll 29 bis 40 Tage vorhalten. Auf Grund der vorliegenden Erfahrungen kann man, wie mir scheint, über die Serumbehandlung in der Weilschen Form heute ein einigermaßen abschließen- des Urteil abgeben, dahingehend, daß in den meisten Fällen ausge- 588 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. sprochener Hämophilie die Serumbehandlung nicht viel aus- richten wird. Eine Erklärung für den trotzdem anscheinend eklatanten Erfolg in einigen wenigen Ausnahmefällen haben wir noch nicht. Die — problematische — Wirkung der Serumbehandlung hat man wohl nicht auf das zugeführte fertige Thrombin des Serums zu beziehen, sondern eher im Sinne der unspezifischen Proteinkörpertherapie aufzufassen. Der Serumbehandlung der Hämophilie wesens verwandt ist daher wohl auch die Anwendung anderer Eiweißkörper oder ihrer Abbauprodukte, so die der Gelatine oder des Witte - Peptons. Das Witte-Pepton ist vor allem von Nolf und Hervy als Ersatz für Seruminjektionen empfohlen worden, desgleichen von Nobecourt undTixier, welche 10 ccm einer 5% igen Lösung subkutan inji- zieren. Auch von Radovici und Jagnov sind Versuche mit Witte-Pepton angestellt worden, diese Autoren wollen nur bei subkutaner, nicht aber bei intravenöser Einverleibung des Präparates eine Verkürzung der Gerinnungs- zeit gesehen haben. Einen therapeutischen Erfolg konnten sie nicht feststellen. Wir sind also mit dem Witte-Pepton der Hämophilie gegenüber wohl kaum besser daran als mit der Serumbehandlung. Die Gelatine, von der es lange Zeit überhaupt zweifelhaft war, ob sie in gerinnungsphysiologischer Beziehung wirksam ist, bietet noch weniger Aus- sichten auf Erzielung eines Erfolges; ich erwähne dies Mittel nur der Voll- ständigkeit halber. Präparate mit „Thrombokinase" -Wirkung. Von der Erwägung ausgehend, daß wahrscheinlich Mangel an ,, Thrombokinase" den Fehler in der Zusammen- setzung des hämophilen Blutes bedinge, hat man versucht, dem hämophilen Organismus die fehlende Substanz in Form verschiedener Extrakte aus Ge- weben oder Blutzellen zuzuführen. Daß die theoretischen Grundlagen einer derartigen Therapie mangelhaft sind, dürfte aus dem Abschnitt über das Wesen des Gerinnungs Vorganges, in welchem speziell der Unterschied zwischen Thrombo- zym und Thrombokinase präzisiert ist, wohl zu ersehen sein. Wichtig für die Anwendung dieser Präparate ist die Kenntnis der Tatsache, daß es gelingt, durch intravenöse Injektion von Thrombokinase in der Blut- bahn selbst Gerinnungen hervorzurufen. Unter den hier zu erwähnenden Mitteln ist das bekannteste das Koagulen von Kocher und Fonio (4, 5), das als Trockenpulver und in sterilen Ampullen gelöst im Handel erhält lieh ist. Das Präparat soll einen Extrakt aus Säugetier- thrombozyten vorstellen. Fonio empfiehlt sowohl die subkutane wie intra- venöse Injektion von 100 ccm 5%igem Koagulen; auch Kausch empfiehlt dieselbe Verwendungsart und will selbst nach Anwendung großer Dosen Throm- bosen nicht gesehen haben. Ganz ungefährlich ist das Präparat offenbar jedoch nicht, denn ich kann aus den Krankengeschichten unserer Klinik über eine i nt ra venöse Koaguleninjektion berichten, die zu einem akuten lebensbedrohenden Kollaps führte, allerdings gleichzeitig den gewünschten Erfolg, den Stillstand der hämophilen Blutung, erreichte. Ich persönlich habe von dem Koagulen noch nichts Gutes gesehen, denn die Präparate, die ich untersuchte, waren in vitro wirkungslos bzw. ihr Zusatz zum Blute bewirkte sogar eine Gerinnungs- verzögerung. Man muß sich also, wenn man das Präparat überhaupt anwenden will, gleichgültig ob lokal, subkutan oder intravenös, erst durch einen Vor- versuefa mit frischem Blut von der Gerinnungsaktivität des Mittels überzeugen. Zur Intravenösen Injektion eines hochwirksamen Präparates würde ich nur im alleräußersten Notfall greifen. Das gleiche gilt für das Präparat „Clauden" von Fischl, das aue Lungengewebe hergestellt wird. H. Elving, dem wir vergleichende I Untersuchungen über die gerinnungsfördernde Kraft verschiedener Behandlung: Bluttransfusion. 589 neuerer Hämostyptika verdanken, verwandte das Koagulen zweimal intra- venös erfolglos gegen innere Blutungen, bei Einverleibung zu experimentellen Zwecken wurde nur in einem Falle eine hochgradige Beschleunigung der Ge- rinnung erzielt, in den übrigen dagegen keine oder nur eine ziemlich schwache Reaktion. Ich möchte an dieser Stelle noch auf die für unsere Frage prinzipiell wich- tigen Erfahrungen Schlößmanns mit Strumapreßsaft, also auch einem Thrombokinasepräparat , eingehen . Die intravenöse Injektion des unverdünnten Saftes führte bei Tieren den sofortigen Exitus durch innere Gerinnungen herbei; Injektion des verdünnten Saftes wurde von dem größeren Teil der Tiere überlebt, es fand sich aber merk- würdigerweise eine Neigung des Blutes zu verlangsamter Gerinnung, die in den tödlich verlaufenden Fällen zu einer Verdoppelung oder Verdreifachung der normalen Gerinnungszeit führte. Interessanterweise ließ sich in einem Falle in dem kurzen Zeitraum zwischen Injektion und postmortaler Gerinnungs- verzögerung ein Stadium hochgradiger Gerinnungsbeschleunigung nachweisen, das zeitlich mit dem den Eintritt der inneren Thrombosen kennzeichnenden schweren Kollaps zusammenfiel. Intravenöse Injektionen verdünnten Strumapreßsaftes beim hämophilen Menschen führten zu einer deutlichen Verlangsamung der Gerinnung und außerdem zu sehr unangenehmen allgemeinen Reaktionserscheinungen. An Stelle des erhofften therapeutischen Erfolges traten in zwei Fällen akute hämor- rhagische Gelenkergüsse im Anschluß an die Injektion auf. Übrigens war die reaktive Herabsetzung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes nach Injektion von Thrombin oder Zellbrei bereits dem Altmeister der Ge- rinnungslehre, Alexander Schmidt, und seinen Schülern bekannt. Die nicht lokale „Thrombokinasebehandlung" der Hämophilie steht also, auch was die experimentellen Grundlagen anbelangt, auf recht schwachen Füßen. Sie ist als eine absolut unphysiologische Therapie zu bezeichnen, inso- fern sie dem Blute Stoffe zuführt, die bei der normalen Gerinnung desselben im Blute niemals auftreten, nämlich feinst verteilte Stoffe mit der Wirkung eines benetzbaren und daher zur Thrombinbildung führenden Fremdkörpers. Die Bildung großer Thrombinmengen in der Blutbahn, wie sie von den Thrombo- kinasepräparaten bewirkt wird, ist ein durchaus abnormer Vorgang, und es kann uns nicht wundernehmen, wenn sich der Körper gegen eine derartige schwere Störung des Gleichgewichtes der Plasmakolloide mit allen Mitteln zur Wehr setzt. Den Namen einer wirklich physiologischen Therapie verdient da- gegen im höchsten Maße die nunmehr zu besprechende Behandlung hämo- philer Blutungen mittels Bluttransfusion. Man geht hierbei von dem nahe- liegenden Gedanken aus, eine möglichst weitgehende Substitution des hämo- philen Blutes durch Blut mit normaler Gerinnungsfähigkeit herbeizuführen. Man hat dabei noch den Vorteil einer gleichzeitigen wirksamen Bekämpfung der Anämie. Man wird natürlich kein def ibriniertes Blut anwenden, denn dieses stellt ja im wesentlichen nichts anderes vor als eine Suspension von roten Blutkörperchen in Serum, d. h. in einer Thrombinlösung. Wir wollen aber gerade die gerinnungsphysiologisch wahrscheinlich wichtigen weißen Zellen und die Thrombozyten, die vermutlichen Bildner der Vorstufen des Thrombins zuführen. Wir werden also die direkte Bluttransfusion von Vene zu Vene oder die Transfusion von Zitratblut wählen. Leider liegen über die Erfolge der Transfusion bei der Hämophilie erst recht spärliche Erfahrungen vor. Schloß mann erzielte in einem Falle von schwerer hämophiler Blutung durch die Transfusion ein vorübergehendes Sistieren der 590 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. Blutung und eine deutliche Abkürzung der Gerinnungszeit, er verlor aber den Patienten trotzdem an der erneut einsetzenden Blutung. F. Herzog berichtet über eine schwere Blutung nach einer Ohrenoperation in einem Fall familiärer Hämophilie, bei dem er durch eine Transfusion von 200 ccm 4°/o0igen Zitratblutes ein Sistieren der Blutung erreichte. Einen Einfluß auf die Gerinnungszeit will er merkwürdigerweise nicht beobachtet haben. Einen sehr schönen und besonders überzeugenden Erfolg hat Kling er gesehen. Die bis dahin starke und jeder anderen Behandlung trotzende hämo- phile Alveolarblutung stand nach der Transfusion fast momentan. Ich selbst wandte die Transfusion (150 ccm 4%oiges Zitratblut) bei dem einen meiner beiden Hämophilen wegen einer Nierenblutung an. Der Einfluß dieser relativ kleinen Blutmenge auf die Gerinnungsfähigkeit war sehr aus- gesprochen. Während 20 Tropfen vor der Transfusion entnommenen Venen- blutes bei Zimmertemperatur nach 10 Stunden noch nicht völlig erstarrt waren, gerann eine gleich große 3/4 Stunden nach der Transfusion entnommene Blut- menge bereits in 4 Stunden zu einem festen Koagulum. Die Nierenblutung kam am Tage nach der Transfusion zum Stillstand, ob infolge der Transfusion, läßt sich allerdings nicht beweisen. Als Methoden der Transfusion kommen in Betracht die von Lewisohn empfohlene Infusion von Zitratblut. 9/10 Venenblut werden in 1/10 steriler 2°/o0- oder besser 40/ooiger Natriumzitratlösung aufgefangen. Das Blut muß in möglichst gutem Strahle am besten direkt in das vorgelegte Zitrat fließen, damit nicht an der Glaswand gebildetes Thrombin, das durch das Zitrat nicht unwirksam gemacht wird, zu partiellen Gerinnungen führt. Man rührt während des Auffangens des Blutes mit einem sterilen Glasstab gut durch, läßt das Zitratblut dann am besten eine längere Zeit bei Zimmertemperatur steril zuge- deckt stehen und filtriert es vor dem Gebrauch durch mehrere Schichten steriler Gaze. Sehr bequem ist auch die direkte Transfusion von Vene zu Vene mittels der Oehleckerschen Apparatur, die mittels einer eingeschalteten Spritze die genaue Abmessung der transfundierten Blut menge erlaubt oder noch ein- facher mittels der neuen Apparatur von A. Beck, der eine rotierende Blutpumpe verwendet. Man sollte es nicht unterlassen, vor der Transfusion das Blut des Spenders und des Empfängers auf gegenseitige Indiff erenz bezüglich Agglutination und Hämolyse zu untersuchen oder wenigstens als biologische Vorprobe dem Empfänger zunächst einmal eine kleine Menge, etwa 5 — 10 ccm des Spender- blutes, langsam intravenös zu injizieren und erst wenn diese anstandslos ver- tragen werden, die eigentliche Transfusion folgen zu lassen. Es wären nunmehr noch drei neuere „telehämostyptische" Methoden zu besprechen, nämlich die von von den Velden (3, 4, 5) empfohlenen intra- venösen Injektionen von hypertonischen Lösungen anorganischer Salze, ferner die von R. Stephan inaugurierte Röntgenbestrahlung der Milz und endlich die Injektionen von Euphyllin, wie sie Nonnen- bruch und Szyszka angegeben haben. Bei der von den Velden sehen Methode beruht die Wirkung wohl auf einem durch das osmotische Gefälle hervorgerufenen Einstrom von gerinnungs- befördernden Substanzen in die Blutbahn. Elving, der auch diese Methode nachprüfte, hält die Injektion von 20 ccm einer 15%igen CaCl2-Lösung für da* beste and sicherste der von ihm untersuchten Mittel zur Beförderung der Blutgerinnung. Ober Erfolge bei der Hämophilie scheinen noch keine Erfah- rungen vorzuliegen. Wir haben das Mittel bei einer Hämophilen Nierenblutung Behandlung: Lokale Maßnahmen. 591 mehrmals gespritzt, ohne den geringsten Einfluß auf die Blutung feststellen zu können. Die Röntgenisierung der Milz wirkt entweder — wie Stephan selbst dies auffaßt — durch Anreiz auf das retikulo -endotheliale System der Milz, in dem dieser Autor eines der Hauptzentra des Gerinnungssystemes erblickt, oder wie andere Autoren (Szenes, Neuffer) meinen, einfach durch das Frei- werden gerinnungsaktiver Substanzen aus den zerfallenden Lymphozyten. Über günstige Erfolge mit der Stephan sehen Methode bei der Alveolarblutung eines Hämophilen mit mäßiger Verzögerung der Gerinnung berichtet Neuffer, bei schwereren Störungen des Gerinnungsablaufes verspricht er sich nicht viel von der Milzbestrahlung. Bei einem meiner beiden Hämophiliefälle (5) sah ich keinen sicheren Einfluß der Milzbestrahlung auf den Verlauf einer Alveolarblutung (vgl. S. 571), es ließ sich jedoch zeigen, daß sich das Gerinnungssystem des Hämophilen nach einer Milzbestrahlung prinzipiell ebenso verhält wie das des Normalen, da auch beim Hämophilen ein Absinken der Gerinnungszeit — in einem der Fälle von 240 auf 160 Minuten — sowie eine Vermehrung der im Serum nachweisbaren Throm- binmenge zu verzeichnen ist. Elving hält die Wirkung der Röntgenbestrahlung für unsicher. Über Euphyllin Wirkung bei Hämophilie liegen noch keine Erfahrungen vor; Versuche mit diesem Mittel sollten jedenfalls auch angestellt werden, da die Wirkung auch nach den Erfahrungen Elvings eine recht prompte ist. 2. Lokale Maßnahmen. Diese bestehen in erster Linie darin, daß man auf die blutende Stelle ge- rinnungsphysiologisch hoch wirksame Stoffe, also etwa frisches Serum oder besser Präparate mit Thrombokinase Wirkung wie Koagulen oder Clauden, von deren Brauchbarkeit man sich vorher überzeugt hat (siehe S. 588) appli- ziert. Falls man kein fertiges wirksames Präparat zur Verfügung hat, kann die Herstellung eines frischen sterilen Organpräparates in Betracht kommen. Zu diesem Zwecke zerschneidet man steril entnommene Kaninchen- oder Meer- schweinchenorgane (Nieren, Leber, Lungen) unter aseptischen Kautelen in feinste Stückchen, zerquetscht diese und schwemmt den Organbrei mit etwas destilliertem Wasser auf. Derartige Extrakte dürften sogar stets viel wirk- samer sein, als selbst das beste käufliche Präparat. Das betreffende Mittel wird man am besten durch einen Tampon auf die blutende Stelle bringen und dort je nach der Art der Verletzung in irgend einer Weise fixieren. Versucht werden müßte meines Erachtens auch die Umspritzung der ganzen Wunde mit einem Gemisch von Adrenalin und Thrombokinase. Trotz wirksamster Präparate wird man es dennoch bei einer schweren Hämo- philie immer wieder erleben, daß zwar das ausströmende Blut in Berührung mit dem Mittel sofort gerinnt, aber die Blutung in unverminderter Stärke fortbesteht. So sieht man, daß der Kranke bei einer hämophilen Alveolar- blutung nicht etwa flüssiges Blut, sondern dicke Gerinnsel ausspuckt, die unter der Einwirkung des auch beim Hämophilen stark gerinnungsaktiven Speichels zustande gekommen sind. Trotzdem kann die Blutung viele Tage lang fort- bestehen. Für die Behandlung der gefürchteten Alveolarblutungen möchte ich das erstmalig von Thoring bei einem meiner Fälle angewandte Anlegen einer Kautschukbrücke, die einen mit einem Hämostyptikum getränkten Tampon dauernd fest auf die Wunde drückt, warm empfehlen. In 592 E. Wöhlisch: Die Hämophilie. unserem Falle wurde die Brücke am sechsten Tage der sonst durch kein Mittel zu stillenden Blutung angelegt. Die vorher sehr starke und lebensbedrohende Blutung (Hgb 28!) wurde hierdurch vorzüglich eingedämmt und kam nach vier weiteren Tagen, in denen der Blutverlust minimal war, zum Stehen. Ich hatte den Eindruck, daß wir durch das T ho ring sehe Verfahren dem Kranken viel Blut gespart, ja vielleicht sogar lebensrettend gewirkt haben. Empfohlen worden ist bei hämophilen Blutungen auch die Anwendung des Thermokauters. Bei Gelenkblutungen lagert man das befallene Glied hoch und macht kalte Umschläge oder Eispackungen, die von den Kranken sehr angenehm empfunden werden. In vielen Fällen ist in den ersten Tagen der Gelenkblutung die Morphium- injektion das einzige Mittel, das dem Patienten Linderung bringt. Als Nach- behandlung der Gelenkblutungen zur Prophylaxe gegen die drohende Ver- steifung empfiehlt sich die Diathermie und unter Umständen eine vorsichtige orthopädische Behandlung. Unsere Erfahrungen über die Therapie der lebens bedrohenden hämophilen Blutung möchte ich zum Schluß dieses Kapitels der besseren Übersicht halber in ein paar kurzen Leitsätzen zusammenfassen: 1. Energische lokale Behandlung der blutenden Stelle mit wirklich hoch wirksamen Organextrakten (Präparate mit Thrombokinase Wirkung). 2. Als bestes Telehämostyptikum so bald wie irgend möglich eine ausgiebige Bluttransfusion (Zitratblut oder frisches Venenblut nach der Oehlecker- schen bezw. Beck sehen Methode). Wenn nötig Wiederholung der Transfusion. Als unterstützende Therapie können versucht werden: hypertonische Salz- lösungen intravenös, Euphyllin intravenös, Serum intravenös oder intra- muskulär, ferner Röntgenbestrahlung der Milz. Nur im äußersten Notfall intravenöse Injektion einer stark verdünnten Lösung eines hochwirksamen Thrombokinasepräparates (Koagulen, Clauden, steriler Strumapreßsaft). G. Prophylaxe der Hämophilie. Allgemeine Prophylaxe: Wegen der exquisiten Erblichkeit der Hämophilie ist der Versuch naheliegend, durch geeignete Eheverbote die Krankheit in einer Familie zum Aussterben zu bringen; ich gebe die hierfür von Litten auf Grund der Vererbungsregeln der Hämophilie aufgestellten Grundsätze nach Nothnagels Spezieller Pathologie und Therapie, Band 8, wieder: 1. Allen weiblichen Mitgliedern von Bluterfamilien, gleichgültig ob sie selbst Bluter sind oder nicht, ist die Ehe zu widerraten. 2. Allen männlichen Mitgliedern, die nicht selbst Bluter sind, ist die Ehe unbedingt zu gestatten. 3. Einem Bluter männlichen Geschlechts ist nur dann die Ehe zu wider- raten, wenn nachgewiesen ist, daß in seiner Familie auch hämophile Männer hämophile Kinder erzeugt haben, vorausgesetzt, daß die betreffenden Männer gesunde Töchter aus gesunden Familien geheiratet haben. Individuelle Prophylaxe: Sobald die Diagnose „Hämophilie" bei einem Kinde feststeht, haben die Bestrebungen der Eltern dahin abzuzielen, nach Möglichkeit jede, auch die kleinste Verletzung von dem Kinde fernzuhalten. Auch der geringfügigste operative Eingriff darf nur im äußersten Notfalle tu -'führt werden. Bei Juden hat die rituelle Zirkumzision zu unterbleiben. Die Impfung i>t mit großer Vorsicht auszuführen. Es ist darauf zu achten, daß hämophile Kinder kein Spielzeug, mit dem leicht Verletzungen vorkommen können, in die Sande bekommen. Literatur. 593 Züchtigungen hämophiler Kinder sind zu unterlassen. Die Lehrer und nach Möglichkeit auch die Spielgefährten und Schulkameraden der Kinder sind über die Natur des Leidens aufzuklären, und Vorsicht im Umgange mit dem Kranken ist ihnen einzuschärfen. Vom Turnunterricht ist das Kind zu befreien. Ferner sind Bluter vom Militärdienst auszuschließen. Den Studierenden ist das Fechten und die Mensur zu untersagen. Auch eine Betätigung in den allermeisten Sportarten ist dem Bluter unbedingt zu widerraten. Ich nenne hier: Reiten, Radfahren, Rudern, Fußball, Golf, Hockey, Tennis, Schlittschuh- laufen und Skifahren. Um Zahnextraktionen zu vermeiden, sollten die Bluter ihrer Zahnpflege ganz besondere Beachtung schenken und ihr Gebiß vom Zahnarzte häufig kontrollieren und instandsetzen lassen. Auch bei der Wahl des Berufes muß der Bluter natürlich auf sein Leiden Rücksicht nehmen und sich von Berufen fernhalten, in denen er größeren körperlichen Anstrengungen und der Gefahr von Verletzungen ausgesetzt ist. Literatur. 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Ponfick war es, der die Hämoglobinurie richtig deutete und von der Hämaturie abtrennte und der weiterhin mit Nachdruck darauf hinwies, daß die Hämoglobinurie sekundärer Natur, nämlich eine Folgeerscheinung der Hämoglobinämie sei, freilich diejenige, die am meisten ins Auge fällt. E. Meyer bezeichnet das Blutharnen, das infolge des Freiwerdens des Hämo- globins im Blute selbst entsteht, als ,, echte" Hämoglobinurie und stellt dieser Form die „unechte" Hämoglobinurie gegenüber, bei der der Zerfall der Erythro- zyten erst im Harne stattfindet, wie es etwa bei der Ausscheidung hämolytisch wirkender Streptokokken und bei gleichzeitiger Nierenblutung öfters zur Be- obachtung kommt. Bei der paroxysmalen Hämoglobinurie haben wir es, wie wir später sehen werden, mit der echten Form der Hämoglobinurie zu tun; sie beruht auf Hämoglobinämie. Bei dem Zustandekommen der echten Hämoglobinurie werden somit zwei wohl zu unterscheidende Etappen durchschritten: erstens die, in welcher durch irgend eine Ursache der Blutkörperchenzerfall zustande kommt, so daß Hämo- globin frei wird und im Blute kreist. Die zweite Etappe zeigt uns die Reaktion, die der Körper auf die Hämolyse zeigt, und die uns bereits Ponfick vor Augen geführt hat. Ponfick hat gezeigt, daß zunächst die Tätigkeit der Leber beginnt, die das freie Hämoglobin zu Gallenfarbstoff verarbeitet und große Mengen davon bewältigen kann. Nach Schur ig geschieht die Verarbeitung auch zum kleinen Teil in Milz, Knochenmark und Nierenrinde, wo das Hämoglobin zu Hämosiderin umgewandelt wird. Erst wenn über ein Sechzigstel des gesamten Körperhämoglobins ins Blut übergetreten ist, wird die Toleranz der Leber überschritten ; da sie den Abbau nicht mehr zu bewerkstelligen vermag, beginnen die Nieren sich an der Ausscheidung zu beteiligen : es kommt jetzt zur Hämo- globinurie. Die Eliminierung des Farbstoffes durch die Nieren, die jenseits der erwähnten Grenze einsetzt, geschieht durch die Epithelien der Tubuli con- torti und der Henleschen Schleifen. Übertritt infolge einfacher Filtration durch die Glomeruli findet nach Miller nicht statt. 38* 596 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Die funktionierende Nierensubstanz befindet sich während dieses Stadiunis in einem „ Zustand hochgradiger Empfindlichkeit" (Ponfick), die klinisch in Ausscheidung von gelöstem Eiweiß, hyalinen Zylindern und stark eiweiß- haltigem Sediment ihren Ausdruck findet. Überdeckt wird der Ausdruck dieser Nierenreizung aber durch den Blutfarbstoff, der dem Urin und dessen Sediment alle Farbtöne vom hellen Rot bis zum tiefen Schwarz verleihen kann. Die durch den Hämoglobindurchtritt gesetzte Nierenschädigung würde es auch erklären, daß der Eiweißgehalt des Harnes bei der Hämoglobinurie oft höher ist, als dem Blutgehalt des Urins entspricht (E. Meyer). Die echte Hämoglobinurie kommt bei einer ganzen Reihe von Krankheits- bildern vor, die nur gestreift werden können. Einer Menge von Arzeneikörpern wohnt diese ,,kythämolytische Fähigkeit" (Ponfick) inne. Es sind Arsen- wasserstoff, Schwefelwasserstoff, chlorsaures Kalium, Saponin u. a. m., dann eine Reihe von Alkaloiden, wie Rizin, Abrin; ferner die Gifte der Morchel und des Knollenblätterschwammes, die bei toxischen Dosen Hämoglobinurie hervor- rufen. Von Infektionskrankheiten ist die Malaria bekannt, bei der es durch Chiningebrauch zum ,, Schwarz Wasserfieber" kommen kann, ferner sehen wir Hämoglobinurie gelegentlich bei septischen Zuständen, bei Scharlach, Typhus, Erysipel, wie es von einzelnen Autoren beschrieben ist. Daß nach Bluttrans- fusionen Hämoglobinurie auftreten kann, ist schon erwähnt, ebenso ist es im Tierversuch der Fall nach intravenöser Injektion von Wasser oder Glyzerin; schließlich ist die Hämoglobinurie häufig eine Folge von Verbrennungen. Eine Sonderstellung gegenüber diesen Formen nimmt die paroxysmale Hämoglobinurie ein. Sie ist gekennzeichnet durch ihren anfallartigen Cha- rakter, mit dem sie aus vollem Wohlbefinden heraus einsetzt, ausgelöst durch eine äußere Ursache: so haben wir als wichtigste Formen die Kältehämo- globinurie und die Marschhämoglobinurie. Bei jener durch Abkühlung, bei dieser durch längeres oder kürzeres Gehen wird ein mehr oder weniger heftiger Paroxysmus mit Blutharnen hervorgerufen, nach welchem bald wieder das frühere Wohlbefinden sich einstellt. A. Die Kältehämoglobiiiurie. Die durch Kälte ausgelöste Hämoglobinurie ist zuerst 1854 von Dreßler beschrieben worden. Seitdem kam eine verhältnismäßig große Anzahl solcher Fälle zur Beobachtung und genauen Untersuchung, so daß das klinische Bild und die wichtigsten Punkte der Pathogenese uns jetzt wohlbekannt sind. 1. Das klinische Bild der Kältehämoglobinurie. Nach einer Abkühlung, etwa nach einem Spaziergang bei kaltem, feuchtem Wetter beginnt der Kranke zu frösteln; alsbald tritt ein heftiger Schüttelfrost ein, der eine halbe Stunde und länger dauern kann, und bei dem die Temperatur mehr oder weniger rasch bis 39 oder 40° steigt. Auf der Höhe des Fiebers oder später entleert der Patient dann zunächst geringe Mengen eines trüben, dunkel- braunrot cn bis schwärzlichen Urins. Die hohe Temperatur hält meist nicht lange an, sondern fällt, eventuell unter Schweißausbruch, alsbald zur Norm ab. Die nächsten Urinportionen sind dann reichlicher, der Urin wird etwas klarer und heller, schließlich hat er nur noch einen rötlichen, fleischwasserähnlichen Farbton und in 12 bis 24 Stunden ist der Anfall abgeklungen. Solche Anfälle Bind das »richtigste Symptom der Kältehämoglobiiiurie. Sie kehren bei dem- selben Kranken bei jedem neuen Anlaß wieder lind verraten je nach ihrer Inten- sität und Häufigkeit die Schwere der Erkrankung. Kältehämoglobinurie : Klinisches Bild. 597 Die subjektiven Beschwerden können dabei recht verschieden sein. Es bestehen Klagen über intensives Kältegefühl in Händen oder Füßen, es treten Kopfschmerzen, Übelkeit, ja Erbrechen auf; Schmerzen in der Rückenmusku- latur, im Kreuz, in der Nierengegend sind meist vorhanden, bisweilen auch in den Gliedmaßen. Häufig klagen die Kranken über starke Müdigkeit oder beginnen heftig zu gähnen. Vor der Entleerung des blutigen Urins stellt sich gelegentlich Harndrang und leichtes Brennen in der Harnröhre ein. Nach dem Anfall sind die Kranken ermattet und haben meist ein äußerst lebhaftes Durstgefühl. Objektiv findet man im Anfall verhältnismäßig wenig. Es ist das Auf- treten von zirkumskripten Hautrötungen an den Extremitäten beschrieben, ferner Beobachtungen von urtikariaähnlichen Quaddeln und Ausschlägen, wie sie z. B. Moro und Noda fanden. Donath und Landsteiner haben in einem Falle fleckenhafte blaurote Verfärbungen an den der Kälte ausgesetzten Beinen beobachtet. Es soll hier gleich erwähnt werden, daß die an paroxysmaler Hämoglobinurie Leidenden durchweg Vasomotoriker sind; es finden sich demnach auch außerhalb der Anfälle die hierher gehörigen Anzeichen in allen Gradabstufungen : Neigung zum Erröten und Erblassen, zur Nesselsucht, Dermographismus, lokale Gefäßstörungen werden von allen Autoren übereinstimmend angeführt. Wie wir sehen werden, ist dies für die Pathogenese des Leidens von Wichtigkeit. Der Puls ist im Anfall dem Fieber entsprechend beschleunigt, es ist aber auch bei einem besonders schweren, kollapsähnlichen Paroxysmus ein Sinken der Pulszahl beschrieben (Rosenbach,). Einige Stunden nach dem Anfall findet sich eine merkbare Schwellung von Leber und Milz, die der Schwere der Blutzerstörung parallel zu gehen pflegt; ein gleichfalls dem Blutzerfall entsprechender Ikterus tritt auf. Über das Verhalten des Blutdrucks im Anfall sind die Ansichten geteilt. Krokiewicz, Weinberg sahen den Blutdruck im Anfall steigen, E. Meyer und Emmerich sowie Lindbom konstatierten bei ihren Fällen zuerst ein Steigen, dann aber ein Absinken. Demgegenüber fanden aber Widal, Abrami und Brissaud, Lankhaut u. a., daß der Blutdruck im Anfall deutlich ab- nimmt, ohne daß vorher ein Anstieg bemerkbar ist. Der Urin ist, wie schon gesagt, auf der Höhe des Anfalls von trübem, dunkel- braunrotem bis schwärzlichem Aussehen (,,wie Porterbier") und wird nur in sehr geringen Mengen entleert. Eiweißproben und chemische Blutproben fallen sehr stark positiv aus. Bei der Kochprobe erstarrt der Urin förmlich zu einer dicken Masse. Im zentrifugierten Harn läßt sich der gelöste Blut- farbstoff spektroskopisch nachweisen, bei Undurchsichtigkeit in entsprechender Verdünnung. Man erkennt die Streifen des Oxyhämoglobins oder den des Methämoglobins, in das sich das Oxyhämoglobin beim Stehen an der Luft schnell umwandelt. Ein sehr charakteristisches Aussehen bietet das Sediment dar. Das Ge- sichtsfeld ist übersät von gelben und braunen Detritusmassen, die sich stellen- weise in dicken Haufen zusammenlagern. Stets finden sich diese gelben Massen auch in zylinderartiger Anordnung. Die Gelbfärbung dieser Gebilde rührt von ihrem Hämoglobingehalt her. Nach Rosin sind es Erythrozyten, die nur ,, körnigen Zerfall" eingegangen sind; Schur ig sieht sie als hämoglobin- gefärbte Eiweißniederschläge an. Infolge der Dichte des Hämoglobinsedimentes lassen sich andere korpus- kulare Elemente schwer erkennen; doch finden sich an dünneren Stellen auch außer den Hämoglobinzylindern hyaline und granulierte Zylinder, einige Leuko- zyten, selten sogar vereinzelte ausgelaugte Erythrozyten und Epithelien. 598 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Wird der Urin im Verlauf des Anfalls reichlicher, heller und klarer, so nimmt das Sediment ab: Die Hämoglobinzylinder schwinden allmählich, die gelben Haufen und Klumpen lockern sich auf. Parallel damit geht der chemisch nachweisbare Blut- und Eiweißgehalt des Urins zurück, statt dessen tritt jetzt eine dem Blutzerfall entsprechende Ausscheidung von Urobilin und Uro- bilinogen auf, so daß der Harn eine grünlich schillernde Farbe annehmen kann. Schließlich läßt sich Hämoglobin weder spektroskopisch noch chemisch mehr nachweisen, während die Eiweißproben noch positiv ausfallen. Das Sediment in diesem Stadium hat neuerdings Bürger (2) genauer verfolgt: er fand noch vereinzelte Körnchen als Reste des gelben Detritus. Diese geben, wie Schellong bei der Marschhämoglobinurie nachwies, im Filter zurückgehalten, bei genügender Quantität positive Benzidinproben. Auch nachdem dann noch zum Schluß die Eiweißproben negativ ausgefallen sind, finden sich diese gelben Körnchen noch lange vor und zeigen damit im Mikroskop das letzte Ab- klingen der Hämoglobinurie an, die durch keine chemische oder spektroskopische Methode mehr nachgewiesen werden kann. Im Blut findet sich gelöster Blutfarbstoff vor. Diese Hämoglobinämie ist zuerst von Küßner nachgewiesen worden, der im Anfall durch Schröpf - köpfe Blut entnahm und das Serum rötlich gefärbt fand. Wenn sich auch einige Forscher, so Choroschilow und besonders eindringlich Rosin, neuer- dings noch Silvestri, gegen das Bestehen einer Hämoglobinämie geäußert haben, da sie sie bei sorgfältiger Untersuchung nicht erkennen konnten, so sind die positiven Befunde doch anderseits so häufig, daß an dem Vorhanden- sein von gelöstem Blutfarbstoff im Blut während des Anfalls nicht mehr ge- zweifelt werden kann. Wir können heute mit Sicherheit die Hämoglobinämie als unmittelbare Ursache der Paroxysmen der Kältehämoglobinurie ansprechen. Der Abbau des freien Hämoglobins im Blut zu Bilirubin vollzieht sich sehr rasch. Kaznelson fand das Maximum des Bilirubinspiegels sehr bald, nachdem das freie Hämoglobin seinen Höhepunkt erreicht hatte. Am nächsten Tage — also in etwa 20 Stunden — ist der Bilirubin wert dann wieder zu seinem Ausgangspunkt abgesunken. Jones kommt zu ähnlichen Resultaten. Über das zytologische Verhalten des Blutes stimmen die Angaben der Autoren nicht ganz miteinander überein. Nach Meyer und Emmerich, Lindbom, Hover und Stone steigt die Gesamtzahl der Leukozyten im An- fall; im Gegensatz hierzu fanden Widal, Abrami und Brissaud und in ihrer Bestätigung Schiassi eine Leukopenie. Glaeßner und Pick ermittelten eine relative Lymphozytose, während die Untersuchungen von Meyer und Emmerich, ferner Linbom, Widal, Abrami und Brissaud, Benjamin, Krokiewicz ergaben, daß eine oft sehr weitgehende Verringerung der Lympho- zyten während des Anfalles stattzufinden pflegt. Weinberg, der zu dem gleichen Resultate kam, hat gleichzeitig das Auftreten von Myelozyten beob- achtet. Eine Aufklärung dieser Widersprüche suchte Uchida durch seine Unter- suchungen an 12 Hämoglobinurikern zu geben. Er meint, sie kämen daher, daß die verschiedenen Autoren zu verschiedenen Zeitpunkten des künstlichen Anfalles ihre Untersuchungen vorgenommen hätten und stellte seinerseits fest, daß das «reiße Blutbild verschiedene Phasen erkennen lasse. Zunächst trete kurz nach der Kalteaussetzung oft eine geringe Leukozytenzunahme im peri- pheren Blute ein, die durch den Einfluß der Kälte zu erklären sei. Anschließend an den ersten Nachweis der Hämoglobinämie folgten nun zwei Phasen: in der •n sei immer eis Leukozytensturz, Absinken der neutrophilen und großen in«. ii« .nuklearen /eil« n n nach Cooke in 90%. Wir werden aber noch sehen, daß der Wassermann- Reaktion bei der Kältehämoglobinurie aus gewissen Gründen nur ein beschränkter diagnostischer Wert in bezug auf die Lues zukommt. Interessant ist das gelegentliche familiäre Vorkommen des Leidens. In einem Falle Mat suos litten sowohl der Vater als seine Tochter, in einem anderen Falle vier Blutsverwandte (der Kranke, eine Schwester, ein Vetter und eine Kusine) an paroxysmaler Hämoglobinurie. In beiden Fällen ist bei den Eltern der Kranken Lues vorhanden. Kein Lebensalter wird von der Erkrankung bevorzugt. Nach Zusammen- stellungen von Bur meist er tritt sie in allen Dezennien auf. Beim männlichen Geschlecht ist sie etwas häufiger als beim weiblichen, aber im ganzen überhaupt nur selten. Aus der gesamten Literatur konnte Burmeister 207 Fälle zu- sammentragen. 3. Die Pathogenese der Kältehämoglobinurie. Die Erklärung der Anfälle der Kältehämoglobinurie blieb lange Zeit ganz unbefriedigend. Einen Schritt vorwärts bedeutete es, als Rosen bach zeigen konnte, daß auch ein Anfall zum Ausbruch kam, als er einem Patienten ein kaltes Fußbad von 15° R von dreiviertelstündiger Dauer verabfolgte. Seit- dem konnte das Rosen bachsche Experiment zur willkürlichen Auslösung von Attacken bei Hämoglobinurikern benützt werden, um in ihnen die Ver- hältnisse des Anfalles zu studieren. Man macht es gewöhnlich so, daß der Kranke 10 bis 20 Minuten lang die Hände oder Füße in kaltes Wasser steckt; das genügt meist zur Provokation eines Anfalls oder dessen Äquivalents. Ehrlich konnte dann zeigen, daß in den abgekühlten Körperteilen selbst die Hämolyse erfolgt, und zwar durch folgenden Versuch: Man umschnürt einen Finger am Grundglied mit einer Gummibinde, um die Blutzirkulation zu unterbinden und läßt den Patienten den Finger 1/4 Stunde in Eiswasser, dann ebenso lange in laues Wasser halten; wird hierauf vom Finger eine Blut- probe entnommen, so zeigt es sich, daß das Serum rotgefärbt ist, also Hämo- globin enthält, während das Serum anderer Körperteile — z. B. eines anderen Fingers — normale Farbe zeigt. Chvostek glaubte diesen Effekt nur auf die Stauung infolge Umschnürung, nicht auf den Kältereiz zurückführen zu müssen, auch Hannema und Rytina fanden den Chvostek - Versuch (ohne Ab- kühlung) positiv. Indessen zeigte Burckhardt, daß die Hämolyse ausbleibt, wenn der abgeschnürte Finger gleichzeitig auf 37° erwärmt wird. Auch Kro- kiewicz konnte lediglich durch Abbinden einer Extremität einen Anfall nicht auslösen. Das Kältemoment war als lokale Hämolyse verursachender Faktor somit gesichert. AU Ursache der Hämolyse nahm Ehrlich zunächst eine herabgesetzte Resistenz der Erythrozyten an, später aber vermutete er die Anwesenheit lytisch wirkender Serumstoffe. Er konnte nämlich zeigen, daß das Serum deT Kranken gelegentlich imstande war, zugesetzte rote Blutkörperchen bei Bruttemperatur zu Lösen, doch gelangen diese, auch von anderen Autoren teilten Versuche häufig nicht. Erst 1904 konnten Donath und Land- steinei (2,3) das Vorhandensein eines spezifischen Hämolysins im Blute der rlämoglobmuriker einwandfrei nachweisen und damit unsere Kenntnisse aber die Pathogenese der Erkrankung wesentlich fördern. a> Das Kältehämolysin. Donath und Landsteiner bedienten sich einer Methode, die r\uv Nach- ahmung der Verhältnisse des Anfalls in vitro darstellen sollten. Kältehämoglobinurie : Kältehämolysin. 601 Es wurde durch oxalsaures Kalium flüssig erhaltenes Blut eines Hämo- globinurikers (oder eine Mischung von Blutserum aus dem anfallsfreien Intervall mit einer Blutkörperchenauf schwemmung desselben Individuums zusammen) zunächst in Eiswasser abgekühlt und dann im Brutschrank auf 37° erwärmt: Stets zeigte sich bei diesem Versuche eine intensive Hämolyse. Diese trat nicht ein, wenn die in der gleichen Weise hergestellten Mischungen bei niedriger oder hoher, aber konstanter Temperatur gehalten wurden. Das Zustande- kommen der Hämolyse ist lediglich durch die Beschaffenheit des Serums des Kranken bedingt, denn die Blutkörperchen der Hämoglobinuriker konnten auch durch die normaler Menschen ersetzt werden. Das so nachgewiesene Hämolysin ist komplexer Natur. Denn wurde das Serum vor dem Versuch durch Erwärmung auf 56° inaktiviert, so blieb die Hämolyse aus. Sie trat dann aber ein, wenn nach erfolgter Abkühlung und Erwärmung wieder normales Serum hinzugesetzt wurde. Damit war eine thermostabile (Ambozeptor) und eine thermolabile (Komplement) Kompo- nente des Hämolysins erwiesen. Die wesentlichste Eigenschaft des Ambozeptors ist die, daß er sich nurinderKältean die Erythrozyten bindet. Zu den gleichen Resultaten wie Donath und Landsteiner kam unab- hängig davon Eason. Eine Reihe von Autoren bestätigte nun die Angaben von Donath und Landsteiner, aber es blieben trotzdem Fälle bestehen, in denen das Hämolysin auf diese Weise nicht nachgewiesen werden konnte, wo der anscheinend so leicht auszuführende Versuch negativ ausfiel (Choro- schilow, Czernecki). Es zeigte sich dann, daß die Beachtung einer Reihe von Kautelen für einen positiven Ausfall der Donath -Landsteinerschen Reaktion notwendig war. Zunächst ergab es sich, daß die quantitativen Verhältnisse bei der Anstellung der Versuche nicht gleichgültig waren. Meyer und Emmerich fanden, daß ein Überschuß von Blutkörperchenmenge die Hämolyse hemmte. Auch die Dauer der Abkühlung war von Wichtigkeit: Nach Yorke und Macfie war die Hämolyse bei 5 — 71/2 Minuten langer Abkühlung auf 0° zehnmal stärker als bei der Dauer von 1/2 bis 1 Stunde. In einigen Fällen ist es nicht notwendig, die Abkühlung bei Eiswasser vor- zunehmen. Donath und Landsteiner wiesen darauf hin, daß die Sensi- bilisierung der roten Blutzellen durch das Hämoglobinuriker- Serum zuweilen auch bei höherer Temperatur, z. B. bei +10° erfolgt. Moro und Noda fanden dann bei einem Versuch, daß die geringfügige Abkühlung des Blutes bei der Gewinnung der Erythrozyten (Waschen mit physiologischer NaCl-Lösung bei ca. 17° R) schon ausreichte, um eine relativ feste Bindung des hämolytischen Zwischenkörpers an die roten Blutkörperchen zu bewerkstelligen. Es ergibt sich daraus die Notwendigkeit, die Präparationen bei Körpertemperatur durchzuführen, worauf auch Widal, Abrami und Brissaud hinweisen. Die Bindung des Ambozeptors an die roten Blutzellen, die in der Kälte erfolgt ist, läßt sich anderseits wieder lösen, sofern durch Anwesenheit des Komplements nicht schon Hämolyse erfolgt ist. Diese Tatsache haben Moro und Noda aufgedeckt. Wurden die in der Kälte sensibilisierten Erythrozyten mit warmer Kochsalzlösung ausgewaschen, so blieb der nachträgliche Komple- mentzusatz wirkungslos: eine Dissoziation der Zwischenkörper von den Erythrozyten war eingetreten; die roten Blutzellen bleiben nach dieser Trennung ungeschädigt. Meyer und Emmerich prüften dann, ob die Ambo- zeptoren in diesem Falle in der zum Waschen verwandten warmen NaCl-Lösung enthalten seien: Dann mußte diese NaCl-Lösung, wenn sie die vermuteten Ambozeptoren enthielt, mit normalen Blutkörperchen und normalem Komple- ment versetzt, beim Kälte -Wärme versuch Hämolyse geben. Dieser Versuch 602 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. gelang nur zweimal, indessen kann das — worauf Meyer und Emmerich hinweisen — an verschiedenen Faktoren der Versuchsanordnung gelegen haben. Neuerdings hat Burmeister (1) bei einem ähnlich angestellten Versuch Ambo- zeptoren in der Waschflüssigkeit nachgewiesen. Über das Verhalten des Komplements wurden folgende Erfahrungen ge- sammelt. Durch Gräfe und Müller ist erkannt worden, daß das Serum der Kranken bisweilen sehr arm an Komplement sein kann. Bei ihrem Kranken war auf der Höhe eines besonders schweren Anfalls zwar der Ambozeptor von den roten Blutkörperchen in genügender Menge schon gebunden, aber infolge Fehlen des Komplements konnte eine Auflösung noch nicht eintreten. Dieser Komplement mangel ist nach Meyer und Emmerich meist in der Zeit nach den Anfällen vorhanden, aber auch in der Zwischenzeit treten oft ohne Grund ganz plötzliche und unerklärliche Schwankungen des Komplementgehalts auf. Jedlicka sah in seinem Falle das Komplement gleichfalls im Anschluß an den Anfall verschwinden und erst nach 8 Tagen wiederkehren. Daß das Komplement lokal im abgekühlten Bezirke verbraucht wird, zeigte neuerdings Bürger (2) durch folgenden Versuch: es wurde ein Arm eines Hämo- globinurikers gestaut und, während die Stauungsbinde lag, eine halbe Stunde lang in ein Wasserbad von 8° versenkt. Nach Ablauf dieser Zeit wurde, noch während die Binde lag, aus beiden Armen Blut entnommen und das Blutserum mit Hilfe eines zweiten hämolytischen Systems auf die Anwesenheit von Kom- plement untersucht. Es fand sich, daß das Blut des abgekühlten Armes kom- plementfrei, das des anderen nicht gekühlten Armes dagegen komplement- haltig war. Es war also in dem abgestauten Bezirk unter der Einwirkung der Kälte die Bindung des Kältehämolysins an die Blutkörperchen unter Kom- plementverbrauch erfolgt, während in dem nicht gekühlten Blute des übrigen Körpers keine Bindung des Ambozeptors an die Erythrozyten vor sich gegangen war. Es kann also durch den temporären Komplementmangel zunächst sehr Avohl eine negative Donath-Landsteinersche Reaktion vorgetäuscht werden. Meyer und Emmerich fügten in diesem Falle dem System normales Serum als Komplement hinzu und fanden dann prompte Hämolyse. Da aber auch Fälle vorkamen, in denen trotz Zusatz normalen (Menschen- oder Meerschweinchen-) Serums die Donath-Landsteinersche Reaktion negativ blieb, konnte das nur auf irgend einer hämolysehemmenden Wirkung beruhen, entweder auf der Hemmung der Bindung des Ambozeptors an die roten Blutkörperchen oder auf einer antikomplementären Wirkung des Serums. Kumagai und Inoue stellten das letztere fest. Sie entfernten nach der Bindung der Ambozeptoren in vitro das Serum durch mehrmaliges Waschen mit eiskalter Kochsalzlösung; setzten sie dann frisches Menschen- serum hinzu, so erfolgte prompte Hämolyse. Auch Lüdke konnte auf diese Weise stets Autolysine nachweisen. Auf der anderen Seite lag bei den in vitro -Versuchen die Gefahr nahe, daß bei positiver Reaktion Isolysine, die im etwa hinzugesetzten Normalserum ciit halten waren, die Hämolyse verursachten. Jedoch wirken die Isolysine auch ohne Abkühlung, so daß man durch entsprechende Versuche derartige Fehlerquellen ausschalten kann. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß das Serum der Hämoglobinuriker selbst nicht selten LsolyBin enthält, nach Matsuo in 45°/0; es ist in seinen Eigenschaften den LsolyBinen andersartiger Kranker gleich. Daß aber das Autolysin des Hämo- globinurikera nicht etwa mit dem Lsolysin identisch ist, hat Mo ß gezeigt. Nach Beinen Untersuchungen kann der Antoambozeptor aus dem Serum absorbiert werden, wahrend der [soambozeptor zurückbleibt und umgekehrt: es sind also Kältehämoglobinurie: Kältehämolysin. 603 zwei verschiedene Körper. Bürger (1), der eine große Anzahl andersartiger Kranker (322 nach Tabelle I) unter Ausschluß von Paralytikern (s. u.) auf Hämolysine untersuchte, fand mit Ausnahme von 3 Fällen von paroxysmaler Hämoglobinurie nur Isolysine. Bei der Anstellung des Donath -Lands teinerschen Versuchs ist also eine große Reihe von Kautelen zu beachten. E. Meyer empfiehlt deshalb folgendes Verfahren: Man entnimmt durch Venenpunktion etwa 10 ccm Blut, läßt einen Teil sofort in ein auf 37° erwärmtes, in warmem Wasser gehaltenes Zentrifugenröhrchen (I) fließen, einen anderen kleineren Teil in ein Kölbchen (II) mit Glasperlen, das ebenfalls auf ungefähr 37° gehalten wird. I dient zur Gewinnung des Serums, II zur Gewinnung der Erythrozyten. I wird zur Absetzung des Serums in den Brutschrank gestellt und nach erfolgter Ab- scheidung des Serums rasch zentrifugiert. Sodann wird das Serum abpipettiert und getrennt aufbewahrt. Das Blut aus Kölbchen II wird sofort nach dem Defibrinieren und Filtrieren zentrifugiert, das Serum getrennt und für eventuelle weitere Versuche aufgehoben, die Blutkörperchen werden nun dreimal mit auf 37° erwärmter physiologischer Kochsalz- lösung gewaschen. Von den Blutkörperchen stellt man sich eine 10%ige Emulsion in NaCl-Lösung her. Einen Teil des Serums wird man zweckmäßig durch einstündiges Erwärmen auf 56° komplementfrei machen. Zur Komplettierung des Systems ist es zweckmäßig, wie auch sonst bei Hämolyseversuchen, 1/10 Meerschweinchenserum zu verwenden. Gleichzeitig soll man Kontrollen mit Serum und roten Blutkörperchen eines normalen Menschen an- stellen. Auch die Mengenverhältnisse, in denen Serum und Blutkörperchen gehalten werden, sind zu berücksichtigen. Man versetzt 0,2 ccm Serum mit 0,1 ccm physiologischer NaCl- Lösung und 0,1 ccm Blutkörperchenaufschwemmung. Bei Verwendung inaktivierten Serums nimmt man zur Komplettierung statt 0,1 ccm NaCl-Lösung ebensoviel Normal- serum resp. Meerschweinchenkomplement. Man untersucht dann, ob das Hämoglobin- urikerserum eigene oder fremde rote Blutkörperchen löst, nachdem die Mischung 5 Minuten bis y2 Stunde in Eiswasser gestanden und 1 bis 2 Stunden im Brutschrank aufbewahrt worden ist. Die beste zeitliche Bedingung für die Bindung des Ambozeptors an die Erythro- zyten muß in jedem Falle ausprobiert werden. Vor Verwechslung mit Isohämolysinen muß man sich bei der Verwendung fremder artgleicher Erythrozyten hüten. E. Meyer kommt zu der Auffassung, daß bei den echten Fällen von Kältehämoglobinurie bei richtiger Versuchs anordnung das Hämolysin immer nachweisbar ist. Bei den Hämoglobinurien anderer Genese ist es bisher nie gefunden, so daß man nfit Sicherheit sagen kann, daß es für die durch Kälte auslösbare Form spezifisch ist. Aber nun machten bereits Donath und Land st ein er eine bemerkenswerte Beobachtung: nämlich daß Kranke mit tertiärer oder Metasyphilis häufig Träger von Kälte -Autolysinen waren, ohne daß sie an hämoglobinurischen Anfällen litten. Sie fanden in 6 von 65 Fällen von Paralyse die Kälte -Wärme - reaktion positiv, während sie bei 195 Fällen nichtluetischer Erkrankungen stets negativ ausfiel. Bei 2 der 6 Paralytiker führten Donath und Land- steiner den Ehrlichschen Versuch aus, der in beiden Fällen positiv verlief. Kumagai und Inoue untersuchten das Blut von 35 nichthämoglobinurischen Syphilitikern auf die Donath- Lands teinersche Reaktion. Sie fanden sie 7 mal positiv, bei allen 7 führte der Ehrlichsche Versuch zur Blutkörperchen - auflösung. Einer von diesen 7 reagierte auf den Rosenbachschen Versuch mit einem typischen Anfall von Hämoglobinurie, 3 mit Albuminurie. Es kommt also einerseits bei Luetikern gar nicht so selten eine ,, latente Hämoglobinurie" vor. Da anderseits die Lues in der Anamnese der Kälte- hämoglobinurie eine Rolle spielt und da fernerhin die Wassermann-Reaktion in 90— 95°/o der Hämoglobinu rief alle positiv gefunden wurde, entstand die Frage, ob das Autohämolysin in einer serologischen Beziehung steht zu den Reaginen, die die Wassermann-Reaktion bedingen. Die Frage ist zuerst von Moro und Noda dahin beantwortet worden, daß die an der Syphilisreaktion beteiligten Serumstoffe mit dem hämolytischen Zwischenkörper des Hämoglobinurikerserums nichts zu tun haben. Sie be- 604 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. handelten ein nachweisbar ambozeptorenarmes Hämoglobinurikerserum in der Kälte nacheinander mit 8 stets erneuten Blutkörperchenportionen, um den Rest der Ambozeptoren zu binden, so daß das Serum sich schließlich als gänz- lich ambozeptorenfrei erwies. Mit diesem Serum erhielten sie aber noch eine deutlich positive Wassermann -Reaktion. Dieses Ergebnis ist von Matsuo bestätigt. Schon Bürger (1) aber äußerte dagegen Bedenken, doch konnte er zu einem eindeutigen anderen Resultat nicht gelangen. In neuester Zeit hat dann Burmeister (1) diese Frage wieder aufgegriffen und genaue Untersuchungen angestellt. Mit dem Blute eines an paroxysmaler Kältehämoglobinurie leidendenPatienten, der klinisch kein Zeichen von Lues bot, aber einen positiven Wassermann aufwies, führte Bur meist er den Moro-Nodaschen Versuch bis zur Konse- quenz durch, indem er aber ambozeptor halt ige s Serum, nur in steigenden Verdünnungen zur Donath-Landsteinerschen und Wassermann-Reaktion be- nutzte. Dabei fand sich zunächst, daß die Kälteambozeptoren noch in starker Verdünnung (3,12%) durch den Donath-Landsteinerschen Versuch nachweis- bar waren; die Wassermann - Reaktion war bis zur Konzentration 0,09 °/0 und 0,045% positiv. Wurden jetzt aber diese letzten beiden Verdünnungen mit Erythrozyten (unter Berücksichtigung der Konzentration) zusammen- gebracht, eine Stunde lang in Eiswasser abgekühlt und dadurch die Kälte- ambozeptoren aus dem Serum entfernt, so wurde die vorher positive Wasser- mann-Reaktion jetzt negativ. Die einfachste Erklärung dieser Tatsache schien Burmeister die, daß eben die Kälteambozeptoren es waren, die den positiven Ausfall hervorgerufen hatten. Im Gegenversuch zeigte Burmeister auch, daß die Kältehämolysine allein imstande sind, eine positive Wassermann - Reaktion hervorzurufen: Durch Waschen mit warmer physiologischer NaCl-Lösung dissoziierte er vor- her sensibilisierte Erythrozyten von den Ambozeptoren (s. o.). Die jetzt ambo- zeptorhaltige Kochsalzlösung gab eine stark positive Wassermann-Reaktion. Kontrollversuche wurden in beiden Fällen ausgeführt. Eine „Bestätigung in vivo" seiner Versuche nennt Burmeister eine Be- obachtung Jedlickas in seinem oben erwähnten Fall: Bei diesem Patienten war die vorher positive Wassermann-Reaktion nach einem Anfall negativ, wurde aber mit Regeneration des Ambozeptors wieder positiv. Nach den Versuchen von Burmeister hätten also die Kälteambozeptoren an sich die Fähigkeit, eine positive Wassermann - Reaktion hervorzurufen. Wir würden damit eine Erklärung haben für den auffallend hohen Prozent- satz an positiven Wassermann-Reaktionen bei Kältehämoglobinurikern, auch bei solchen, die anamnestisch und klinisch keine Anzeichen von Lues erkennen hissen. Die Wassermann-Reaktion ist vielleicht nur ,, eine viel feinere Reaktion auf dieselben Bestandteile des Serums als die Donath - Landsteinersche Reaktion". Damit ist natürlich die Wichtigkeit der syphilitischen Ätiologie der Kälte- hämoglobinurie nicht berührt; es ist auch nicht gesagt, daß nicht — be- Bondera in Fällen von paroxysmaler Hämoglobinurie mit klinisch luetischen Symptomen — nebenher noch Syphilisreagine im Blute vorhanden sein können. Und schließlich harrl noch, worauf Burmeister hinweist, die wichtige Frage der Entscheidung: ob nämlich die Kälteambozeptoren selbst luetischen Ursprungs sind. Denn über die eigentliche Natur des Kältehämolysins sind wir heute ix.ch nicht im klaren. Kältehämoglobinurie: Resistenz der Erythrozyten. 605 b) Die Resistenz der Erythrozyten. Während das Vorkommen des Autohämolysins bei der echten Kältehämo- globinurie sichergestellt ist, führten zahlreiche Untersuchungen über eine andere beim Zustandekommen des Anfalls etwa mitwirkende Komponente bisher zu keinem eindeutigen Resultat : über die Resistenz der Erythrozyten gegenüber verschiedenen Einflüssen. Eine Resistenz Verminderung gegen Kälte glaubte Choroschilow zu be- merken; Meyer und Emmerich konnten diesen Befund indessen nicht be- stätigen, dagegen fanden sie, daß die roten Blutkörperchen der Hämoglobin - uriker gegen Temperaturschwankungen empfindlicher seien. Pringsheim stimmte diesen Autoren zu, dagegen konnten Lindbom sowie Weinberg dieses Verhalten nicht konstatieren. Ebenso widerspruchsvoll sind die Angaben über die Widerstandsfähigkeit gegen hypotonische Salzlösungen: Choroschilow, Moß fanden sie eher erhöht, Pehu und Contamin vermindert, in den Versuchen von Chvostek, Moro und Noda sowie H. Pribram war keine Abweichung vom Normalen erkennbar. Chvostek und Donath fanden Resistenzverminderung gegenüber mechanischen Insulten. Interessant ist das Verhalten gegen Saponin. Meyer und Emmerich fanden geringe Resistenz gegenüber Saponinlösungen (von H. Pribram be- stätigt). Wurden die Erythrozyten aber mit Ambozeptoren beladen, so zeigten sie deutlich erhöhte Widerstandsfähigkeit, die sie nach Entfernung der Ambo- zeptoren wieder verloren. Pringsheim, Weinberg konnten keinerlei Ab- weichung bei Behandlung mit Saponin feststellen. Schließlich ist noch das Verhalten gegenüber Kohlensäure erwähnenswert. Schon Donath (1) fand bei seinen Versuchen Resistenzverminderung ; besonders großen Wert legt auf diesen Befund Hijmans van den Bergh und diejenigen Autoren, die sich seiner hierauf basierenden Theorie (s. u.) anschließen, z. B. Hannemaund Rytma. Hijmans van den Bergh erhielt bereits bei geringer Abkühlung unter 37° Hämolyse, wenn er defibriniertes Blut eines Hämoglobin- urikers in eine Kohlensäureatmosphäre setzte, bei Normalblutkörperchen dagegen nicht. Die Resultate sind also noch widerspruchsvoll. E. Meyer hält aber die positiv ausgefallenen Versuche nicht unbedingt für beweisend. Er macht darauf aufmerksam, daß die Art, wie die roten Blutkörperchen gewonnen und vor- behandelt werden, von größter Bedeutung für ihre Resistenz sei. Abgesehen von ihrem Gehalt an Ambozeptoren sei die Temperatur, bei der die Erythro- zyten gewaschen werden, von Einfluß, kurz eine Reihe von verschiedenartigen Momenten könne eine Resistenzveränderung vortäuschen. c) Untersuchungen über Opsonine (Hämotropine). Nachdem schon Ehrlich sowie Eason Phagozytose im zirkulierenden Blute des Hämoglobinurikers beobachtet hatten, studierten Meyer und Emme- rich diese Erscheinung genauer. Sie fanden, daß das Hämoglobinurikerblut opsonische Eigenschaften gegenüber roten Blutkörperchen entwickelt, und zwar trat die Phagozytose auch dann auf, wenn man Hämoglobinurikerserum mit den Zellen eines normalen Menschen im Brutschrank stehen ließ. Es handelte sich um Opsonine, die die Erythrozyten zum Phagozytiertwerden präparieren, nicht um Stimuline, die auf die Leukozyten im Sinne der ursprüng- lichen Met sc hnikoff sehen Anschauung reizend wirken. Unter normalen Verhältnissen fehlen im Blute diese Stoffe. Die Erythrozytophagozytose findet 606 Fritz Schell ong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. auch ohne Kälteaussetzung statt, ist aber geringer als nach einer solchen (Kita- mura, Benjamin). Dies erklärt Uchida dadurch, daß — da in der Kälte ja das Hämolysin in Tätigkeit tritt — die Erythrozyten durch dieses geschädigt und daher leichter von den Leukozyten gefressen werden. Nach Ehrlich, Benjamin geschieht die Phagozytose vorwiegend durch die polynukleären Neutrophilen ; Meyer und Emmerich, Kitamura, Uchida stimmen aber darin überein, daß hauptsächlich die großen mononukleären Zellen und Übergangsformen beteiligt sind. Über das Wesen des Hämotropins, das die roten Blutkörperchen verändert, stellte Uchida Untersuchungen an. Er fand, daß das Autohämotropin spezifisch für den Kältehämoglobinuriker ist. Es ist trennbar vom Isohämotropin, denn beide Substanzen des Hämoglobinurikerblutes können unabhängig voneinander auf die gegen sie spezifisch angepaßten Erythrozyten wirken. Ferner ist das Autohämotropin auch nicht identisch mit dem Autolysin: letzteres entfaltet seine Wirkung nur in der Kälte, erster es aber nicht. d) Der Mechanismus der Anfälle und die Theorie der Kältehämoglobinurie. Das konstante Vorkommen sowie die Wirkungsweise des Donath-Land- st einer sehen Hämolysins bei allen Fällen von paroxysmaler Kältehämoglobin- urie lassen es als sicher erscheinen, daß dieses Hämolysin in der ersten Etappe des Krankheitsbildes, beim Zustandekommen der Hämolyse, eine wichtige, wenn nicht die ausschlaggebende Rolle spielt. Der Vorgang der Hämolyse in vivo würde sich also nach den in den beschriebenen Versuchen gewonnenen Resultaten so abspielen, daß der im Blute kreisende Ambozeptor sich in den der Abkühlung ausgesetzten Körperteilen an die roten Blut- körperchen bindet; während der im weiteren Kreislauf offenbar sogleich wieder erfolgenden Erwärmung tritt das Komplement in Aktion, wodurch die Hämolyse erfolgt. Diese Auffassung wird noch durch andere direkte experimentelle Versuche gestützt. Zunächst hat Pringsheim auf der Höhe der Anfälle Blut entnommen und die Erythrozyten ohne vorherige Abkühlung mit einem komplement- haltigen Serum bei Bruttemperatur versetzt. Es trat hierbei Hämolyse ein, wodurch bewiesen wurde, daß in der Tat die im Körper kreisenden Erythro- zyten während des Anfalls den Ambozeptor an sich binden. Daß diese Bindung sich in den abgekühlten Körperpartien selbst abspielen muß, ist durch den Ehrlichschen Versuch erwiesen. Meyer und Emmerich konnten durch genaue Versuchsanordnung speziell zeigen, daß nicht nur die Ambozeptorbindung, sondern auch die Entstehung der anderen hämolytischen Komponente, des Komplements, nur lokal bei Abkühlung erfolgt, daß aber die Hämolyse erst bei Körpertemperatur vor sich geht. Auch viele klinische Beobachtungen sprechen dafür, daß die Wirkung des Hämolysins von peripheren abgekühlten Gefäßgebieten ihren Ausgang nimmt. Bisweilen geben die Patienten selbst mit Bestimmtheit als Ursache der Anfälle Abkühlung der Hände oder Füße an. Der Kranke Lindboms hatte Anfälle, wenn er im Winter ohne Handschuhe ging; die eine Patientin Rosins war lifrau. Dazu kommen die objektiven Wahrnehmungen von vasomo- borischer Insuffizienz, wie sie etwa Donath und Landsteiner in ihrem zweiten Fall machten; blaurote Verfärbung der Füße, Hände und Ohren. Dieses abnorme Verhalten des Gefäßnervensystems ist es, das aaoh allgemeiner Anschauung eine Disposition für das Wirksam- vrerden dea Bämolysins schafft, Denn da, wie wir oben gesehen haben, eine Anzahl Menschen das Hämolysin im Blute trägt, ohne an manifesten Kältehämoglobinurie: Mechanismus der Anfälle u. Theorie der Hämoglobinurie. 607 Anfällen zu leiden, da ferner eine Reihe Hämpglobinuriker gelegentlich nur mit frustranen Anf allen reagiert, so muß noch eine Ursache vorhanden sein, die das Zustandekommen der Ajifälle begünstigt. In der Tat läßt sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Kranken ein abnorm erregbarer Zustand des Vasomotorensystems feststellen und es ist von den Autoren immer wieder darauf hingewiesen worden. Man braucht deswegen noch nicht soweit zu gehen wie Tho mpson , der in einer schweren Neurose, die besonders das vasomotorische System betrifft, das eigentliche Wesen der Erkrankung sieht. Donath und Landsteiner stellen sich den Mechanismus so vor, daß es erst infolge Ge- fäßinnervationsstörungen zu einer für die Wirkung des Lysins ge- nügenden Herabsetzung der Temperatur und Zirkulation in den abgekühlten Teilen kommen kann. Meyer und Emmerich schließen sich dieser Auffassung an; Lindbom betont, daß die Temperaturherabsetzung sehr erheblich sein kann. Nach E. Meyer erscheint es danach auch verständ- lich, daß die Abkühlung eines einzelnen Gliedes gelegentlich viel intensiver wirkt als eine vorübergehende Abkühlung des ganzen Körpers im kalten Bad. Rosin, der gleichfalls auf die Vasomotorenschwäche hinweist, stellt sich nun den Mechanismus etwas komplizierter vor. Nach seinen Überlegungen kann die Hämoglobinämie nicht die Ursache der Hämoglobinurie sein. Er verlegt den Vorgang der Hämplyse in die Nieren : Dort werden die durch Hämo- lysin Verankerung in der Kälte geschädigten Erythrozyten abgefangen; ein Teil geht in Lösung, ein anderer Teil geht nur körnigen Zerfall ein und in dieser Gestalt in den Urin über. In seiner Anschauung, zu der er hauptsächlich da- durch geführt wird, daß er nie gelöstes Hämoglobin im Serum hat feststellen können, greift Rosin die alte Nierentheorie wieder auf, die zuerst Rosenbach aufstellte. Und es ist wohl kein Zufall, daß diese Theorie hauptsächlich von den Autoren vertreten wurde, die sich von einer Hämoglobinämie während des Anfalls nicht überzeugen konnten (Choroschilow, Silvestri) und die deshalb einen Blut zerfall innerhalb der Körpergefäße bestritten. An sich brauchte das Vorhandensein einer Hämoglobinämie der Annahme eines Blut- körperchenzerfalls in den Nieren nicht im Wege zu stehen, aber abgesehen davon, daß wir es auf Grund immer wiederkehrender Befunde doch für gesichert halten müssen, daß eine Hämoglobinämie zu dem Bild des hämoglobinurischen Anfalls gehört, liegen auch so viel exakte experimentelle Beweise für die Mög- lichkeit eines Blut Zerfalls außerhalb der Nieren vor, daß wir an der Tatsache nicht mehr zweifeln dürfen, daß der Blutkörperchenzerfall im ganzen Körper bei der Kältehämoglobinurie möglich ist. Wenigstens dürfen dagegen jetzt keine prinzipiellen Bedenken mehr erhoben werden, wie es 1910 Rosin tat. Die Begründung, daß die im Urinsediment vorhandenen ,, körnig zerfallenen" Erythrozyten doch nicht im Blut zirkuliert haben können, erscheint nicht berechtigt, da diese Körnchen und Schollen, wie ich es für wahrscheinlich halten möchte, als hämoglobingefärbte Produkte der sezernierenden Nierenepithelien anzusprechen sind. Nach alledem darf man über den Mechanismus der Anfälle heute wohl an- nehmen, daß primär die Hämoglobinämie von abgekühlten peripheren Gefäß- gebieten ihren Ausgang nimmt; sie wird verursacht durch das Kältehämolysin, für dessen Wirksamkeit eine vasomotorische Insuffizienz offenbar günstige Bedingungen schafft. Der Niere ist eine primäre Rolle beim Zustandekommen der Hämoglobinämie und Hämoglobinurie nicht zuzuerkennen. Dagegen ist es wahrscheinlich, daß dieses Organ sekundär in Mitleidenschaft gezogen wird. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß der Eiweißgehalt des Hämoglobinurieharnes höher ist, als es seinem Blutgehalte entspricht. Im larvierten Anfalle ist chemisch nur Albumen, kein Hämoglobin nachweisbar. 608 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Eigene Untersuchungen haben ergeben, daß in den braunen Sedimentkörnchen der Anteil des Hämoglobins geringer ist als der des übrigen Eiweißes. Die Harnmenge ist bekanntlich während des Anfalles eventuell bis zur Anurie vermindert und macht erst nach dessen Beendigung einer Harnflut Platz. In diesen Beobachtungen darf man wohl den Ausdruck einer Nierenschädigung erblicken. Es fragt sich, auf welchem Wege sie zustande kommt. Ponfick, nach ihm Schur ig, Levy u. a. nehmen an, daß das gelöste Hämo- globin bei seinem Durchtritt durch die Nieren diese in einen hochgradigen Reiz- zustand versetze. Die geringe Harnmenge wird auf mehr mechanische Hinder- nisse zurückgeführt, welche durch die Infarzierung der Harnkanälchen mit den Zylindern und körnigen Massen gegeben sind. Für eine solche schädigende Wirkung des Hämoglobins sprachen anscheinend Tierversuche, in welchen bei künstlich hervorgerufener Hämoglobinurie die gleichen Anzeichen der Nieren- alteration gefunden wurden. Dagegen machte Schmidt geltend, daß in diesen Versuchen teils Blut- körperchen auflösende Substanzen, teils artfremdes, lackfarben gemachtes Blut, teils mehr oder minder reine Hämoglobinlösungen zur Injektion verwandt wurden. Es läßt sich dabei nicht absehen, wie weit etwaige Nierenschädigungen schon durch die Einbringung von Giften selbst oder durch die Fremdartigkeit des benutzten Blutes hervorgerufen werden. Schmidt hat dann selbst art- eigenes, unter besonderen Kautelen lackfarben gemachtes Blut injiziert und fand selbst nach mehrmaligem Durchtritt keinerlei Nierenschädigung. In eigenen Versuchen konnte ich gleichfalls trotz starker Hämoglobinurie keine klinischen Symptome der Nierenreizung hervorrufen. Der schädigende Ein- fluß des arteigenen Hämoglobins erscheint demnach noch nicht erwiesen. Zweitens besteht die Möglichkeit, daß die gleiche Noxe, die zur Hämoglobin- ämie führt, auch die Nieren — etwa im Sinne einer veränderten Durchblutung — beeinflußt. Hier geben Versuche Anhaltspunkte, die neuerdings Bürger (3) in der Kieler Klinik ausführte: Gesunden Probanden wurde am Unterschenkel eine Stauungsbinde angelegt und das gestaute Bein für 20 Minuten einem Kühl- bad von einer Temperatur zwischen 0 und 5° ausgesetzt. Durch laufende Zu- fuhr von Flüssigkeit wurde die Möglichkeit einer gleichmäßigen Diurese ge- schaffen. Es zeigte sich, daß bereits während der Dauer der Abkühlung in wenigen Fällen sichere Veränderungen der Nierenfunktion in Erscheinung traten. Sobald aber die Staubmde gelöst wurde und das rückgestaute Blut wieder in die Zirkulation eintrat, wurde in fast allen Fällen ein steiles Absinken der Harnsekretionskurve festgestellt, welches zwar nur vorübergehend, aber doch mit solcher Regelmäßigkeit eintrat, daß man an einen ursächlichen Zusammen- hang zwischen Stauung und Abkühlung einerseits und den Änderungen der Nierenfunktion anderseits glauben mußte. In 4 von 15 untersuchten Fällen trat in der ersten Halbstundenportion des Urins eine leichte Albuminurie auf. Zur Erklärung erörtert Bürger zwei Möglichkeiten: Einmal könne es sich um einen kutorenalen Reflex handeln, der auf dem Wege über die Vasomotoren die Nierenfunktion im Sinne einer Oligurie und Albuminurie beeinflusse. Die zweite Möglichkeit sei darin gegeben, daß durch Stauung und Abkühlung Ver- änderungen des Bl utea im abgekühlten Bezirk bewirkt werden, welche sekundär Ix -i der Passage des reränderten Blutes durch die Nieren deren Funktion beein- flussen können. Die Bedeutung der Bürgerschen Versuche für die Frage der Nierenschädi- gung bei der Kaltehämoglobinurie liegt auf der Hand, namentlich im Einblick auf das besondere vasomotorische Verhalten dieser Kranken: Reflektorisch elöste renale Zirkulationsstörungen sind hier wohl denkbar. Durch sie Kältehämoglobinurie: Mechanismus der Anfälle und Theorie der Hämoglobinurie. 609 wird die überwiegende Eiweißausscheidung ebenso wie die Oligurie bei dem Anfall der Kältehämoglobinurie erklärt. Die Rolle der Niere im Rahmen des hämoglobinurischen Anfalles scheint somit ziemlich klar zu sein. Aus dem Gesagten geht hervor, daß sie bei der Blutkörperchenauflösung nicht irgendwie wesentlich beteiligt ist. Es bleibt noch zu erwähnen, daß französische Autoren (Gilbert und Benard, Andraud) ebenso wie den Nieren auch der Leber und Milz eine ursächliche Rolle bei der Hämolyse zuerkennen (spleno-hepato-renale Theorie). Auch dieser Theorie gegenüber wird zunächst das gelten müssen, was über die ,, Nieren- theorie" gesagt worden ist : Der Ehrlichsche Versuch erweist, daß zum Zustande- kommen der Hämolyse bei der Kältehämoglobinurie die Mitwirkung innerer Organe nicht notwendig ist. Vermutlich spielen Milz und Leber bei der Kälte- hämoglobinurie keine andere Rolle, als wie bei jedem intra vaskulären Blut- zerfall. Es erübrigt nun, noch einige besondere Anschauungen zu besprechen, die sich offenbar mit der im vorstehenden dargestellten Theorie der Kältehämo- globinurie vereinigen lassen und vielleicht geeignet sind, tieferen Einblick in Einzelvorgänge zu geben. Auf Grund seiner Versuche über die verminderte Resistenz der Erythro- zyten gegenüber C02 macht sich Hijmans van den Bergh eine abweichende Vorstellung über den Mechanismus bei der Kältehämoglobinurie. Er erklärt die Anfälle so, daß es beim Hämoglobinuriker infolge Abkühlung eines Körper- teils zu vasomotorischen Störungen und dadurch zu einer Stauung komme, die eine C02-Überladung verursache. Dadurch wird das ,, Kohlensäure -Hämo- lysin" aktiviert. Dieser Anschauung sind Krokiewicz und in neuester Zeit Hanne ma und Rytma beigetreten. Auf gewisse Zusammenhänge weist eine Theorie hin, die von Widal und seinen Mitarbeitern aufgestellt ist. Widal erinnert an die große Ähnlich- keit zwischen dem klinischen Bilde des Hämoglobinurie -Anfalles und des anaphylaktischen Schocks. Er fand im Hämoglobinurie -Anfall Leuko- penie, Blutdrucksenkung und Gerinnungsbeschleunigung des Blutes. Widal nimmt nun an, daß der Komplex Komplement, Ambozeptor und Autihämo- lysin, der normalerweise im Blutplasma im Gleichgewicht steht, bei der paroxysmalen Hämoglobinurie durch die Kälte dissoziiert wird, dadurch würde ein autoanaphylaktischer Zustand geschaffen, der neben den klinischen Sym- ptomen der hämoklasischen Krise noch eine Hämoglobinämie zur Folge habe. Den anaphylaktischen Schock fassen die Autoren auf als eine Störung im kollo- idalen Gleichgewicht des Plasmas (,, Kollo idoklasie"; Schock a frigore: ,,Auto kolloidoklasie"). Würde man diese Zusammenhänge weiter verfolgen, so könnte man wieder auf Beziehungen in dem Verhalten der Gefäßnerven hinweisen. Abnorme Reaktion der Hautgefäße ist bei den Hämoglobinurikern eine häufige und bedeutsame Erscheinung, wie schon mehrfach betont wurde. Günther (1) mißt z. B. der ,,Reactio alba", einer Form der Demographie, eine besondere Bedeutung für die paroxysmale Hämoglobinurie zu. Und gerade die Kapillaren sind es, denen neuerdings eine besondere Bedeutung beim Zustandekommen des anaphylaktischen Schocks zugeschrieben wird: Ebbecke zieht Parallelen zwischen dem Überempfindlichkeitsschock und der anaphylaktischen Quaddel und Urtikaria: bei diesen lassen sich dieselben kapillären Erscheinungen im kleinen Maßstab erkennen, welche im Bilde des Schocks im größten Maßstab wiederkehren. Hier werden sich in Zukunft möglicherweise Berührungspunkte aufdecken lassen. Vorerst steht aber der Auffassung des Hämoglobinurie- Anfalls als hämoklasische Krise — die im Anschluß an Widal noch Schiassi Blutkrankheiten II. 39 610 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. sowie Montagnani hervorgehoben haben — noch die mangelnde Übereinstim- mung der Angaben über das Verhalten der Leukozyten und des Blutdruckes entgegen. Nach den Angaben von Uchida zeigt wenigstens das weiße Blut- bild im Verlaufe des Anfalles gesetzmäßige Schwankungen, so daß zur Klärung der Frage fortlaufende Untersuchungen während eines Anfalles notwendig zu sein scheinen. E. Meyer und Emmerich ziehen eine andere Parallele für den hämo- globinurischen Anfall heran: die Ähnlichkeit mit rasch auftretenden und ab- klingenden Infektionen. Sie stellen sich vor, daß vielleicht die Substanzen der zerfallenen Erythrozyten als Antigene in Wirkung treten; die Erscheinungen des Anfalls sowie die Veränderungen im Blut wären dann als Abwehrreaktion aufzufassen. Die von ihnen sowie von anderen Autoren beobachtete Phago- zytose fassen Meyer und Emmerich als ein weiteres wichtiges Moment dafür auf, daß das Hämoglobinurikerblut Immuneigenschaften gegen eigene Erythrozyten besitzt. Während nach der Theorie von Widal, Abrami und Brissaud die kolloid - chemischen Veränderungen bei der Kältehämoglobinurie sich im Plasma ab- spielensollen, werden diese Vorgänge von Bur meist er (1) gerade in die Erythro- zyten verlegt. Burmeister griff auf einen Versuch von Pringsheim zurück, welcher zeigte, daß die Hämolyse im Bonath-Landsteinerschen Versuch ausblieb, wenn vorher Cholesterin dem Serum zugesetzt wurde. Prings- heim verlegte die Cholesterinwirkung in die erste Phase der Hämolyse: die Sensibilisierung der Erythrozyten würde verhindert. Bur meist er suchte die Vorgänge bei dieser Hämolysehemmung des Hämo- globinurikerblut es aufzuklären. Er führte den gleichen Versuch mit Lezithin, mit Luesleber und mit cholesterinisiertem Herzextrakt aus und wies nach, daß die Bindung der Ambozeptoren an die Erythrozyten deswegen nicht zu- stande komme, weil sie sich an die zugesetzten Lipoide verankerten; die Er- klärung der hämolysehemmenden Cholesterinwirkung wäre damit durch eine Ambozeptorablenkung gegeben. Weiterhin konnte Bur meister aber auch zeigen — und das war das Wich- tige — , daß die für die Kältehämoglobinurie spezifischen Ambozeptoren sich auch in der Wärme an diese Lipoide binden lassen. Deshalb hält er es für wahrscheinlich, daß im Hämoglobinurikerblut nicht der im Plasma befind- liche Ambozeptor es ist, der durch die Kälte so verändert wird, daß er zur Bindung an die Lipoide der Erythrozyten befähigt wird, sondern daß um- gekehrt die Lipoide der roten Blutkörperchen erst durch Abkühlung derart umgewandelt werden müssen, daß sie als Rezeptoren für die Ambozeptoren wirken können. Nun ist es eine von vielen Autoren bestätigte Tatsache, daß im Kälte -Wärme versuch nicht nur die Erythrozyten der Hämoglobinuriker, sondern auch die normaler Menschen durch das Kältehämolysin aufgelöst werden. Das würde dann bedeuten, daß nicht nur die Blutkörperchen Hämo- globinurischer, sondern auch alle normalen roten Blutzellen in der Kälte solche Veränderungen erleiden, daß sie von den Ambozeptoren angegriffen werden können. Den Ausdruck ,, Kälte "-Ambozeptor hält Bur meister deswegen für unklar und irreführend. Auch neue Aufschlüsse über Kältewirkung auf den Organismus überhaupt Midi! Burmeister von diesen Gesichtspunkten aus zu erlangen. Schon Fr. v. Müller machte auf die mögliche Bedeutung der paroxysmalen Hämoglobin- urie für die Leine von den Erkältungskrankheiten aufmerksam. Mit Bur- ter könnte man sich nun vorstellen, daß die durch Kälte veränderten menschlichen Erythrozyten — oder andere Zellen des Organismus — nun nicht nur für diese Ambozeptoren, sondern auch für andere Toxine angreifbar sind. Kältehämoglobinurie : Mechanismus der Anfälle und Theorie der Hämoglobinurie. 611 Auf diese Weise könnte man sich die plötzliche, durch eine Abkühlung aus- gelöste Wirkung von Infektionserregern erklären, die vor der Erkältung für den Körper nicht pathogen gewesen sind. Burmeisters Arbeit bedeutet einen Versuch, die inneren Vorgänge bei dem Anfall der Kältehämoglobinurie physikalisch-chemisch zu fassen. Vieles bleibt aber noch unklar; so auch der Mechanismus, der die Beendigung eines Anfalls herbeiführt. Gräfe und Müller dachten daran, die Komplement- verarmung, die während eines Anfalls eintritt, als Schutzwirkung des Organis- mus zu deuten. Meyer und Emmerich konnten aber bei einem Kranken, bei dem gerade kein Komplement nachweisbar war, trotzdem einen typischen Anfall auslösen, sprechen dem Komplementmangel also keine kräftigere Schutz Wirkung zu. Eher könnten dafür die von Kumagai und Inoue näher untersuchten antikomplementären Stoffe verantwortlich gemacht werden. Hierhin gehört auch die Beobachtung von Kaznelson, daß die Intensität des Anfalls mit der Konzentration des Hämolysins im Serum zusammenhängt, und daß diese Konzentration durch einen Anfall vermindert werden kann. Jedlicka (2) fand im Anfall eine Cholesterin Vermehrung des Blutes. Er stellt sich vor, daß das Cholesterin der zerfallenen Erythrozyten das Komplement fixiert und dadurch den Anfall zum Stehen bringt. Die Cholesterin Wirkung würde dann hiernach im Gegensatz zu Burmeister nicht in einer Ablenkung des Ambozeptors, sondern in einer Fixation des Komplements bestehen. Eine kurze Besprechung erfordern noch die Verhältnisse, die bei einem sogenannten frustranen Anfall vorliegen, also wenn nur Albuminurie mit oder ohne Schüttelfrost auf eine Abkühlung hin eintritt. Es bestand die Frage, ob dabei eine Hämolyse stattfindet. Kumagai und Inoue fanden in einem ihrer derartigen Versuche bei einem „latenten Hämoglobinuriker" röt- lich gefärbtes Serum und stellten dadurch die Hämoglobinämie sicher. In einer Anzahl anderer Untersuchungen von Kumagai und Inoue und von anderen Autoren wurde gelöster Blutfarbstoff allerdings nicht nachgewiesen. Es ist dabei aber zu bedenken, daß bei einem nur geringen Blutzerfall, wie er bei dem abortiven Anfall erfolgt, die Zeit, in der das freie Hämoglobin nach- weisbar bleibt, sehr kurz sein muß. Wir wissen, daß das Hämoglobin sich sehr rasch in Bilirubin umwandelt. Kaznelson hält deshalb auch den Nach- weis einer Bilirubinämie bei abortiven Anfällen für einen voraufgegangenen Blutzerfall für beweisend, ebenso ist die Urobilinausscheidung im Urin zu be- werten, wie es Bürger tut. Wir können also wohl sagen — da die serologischen Verhältnisse bei dem abortiven Anfall, wie oben erwähnt, die gleichen sind wie beim ausgebildeten Anfall — , daß die Kältealbuminurie bei Hämo- globinurikern auf demselben inneren Mechanismus beruht wie die Hämoglobinurie. Vielleicht handelt es sich sogar bei dieser „Albuminurie" um eine wirkliche Hämoglobinurie, die analog der Marsch -„Albuminurie" Blutfarbstoff im Urinsediment erkennen läßt. Die Eiweißausscheidung über- wiegt aber, wie im ausgebildeten Anfall. Das Wichtige ist die Feststellung, daß Hämolyse jedenfalls auch im larvierten Anfall zustande kommt, wenn auch in geringerem Grade ; dadurch wird auch die nur geringe Temperatur- erhöhung, das eventuelle Fehlen eines Schüttelfrostes erklärlich: je stärker die Hämolyse, desto mehr treten diese Reaktionen in Erscheinung. 4. Diagnose. Die Diagnose der Kältehämoglobinurie wird im allgemeinen nicht schwer sein. Schon die Anamnesen pflegen meist typisch zu sein. Im ausgebildeten 30* 612 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Anfall sichert der Urinbefund die Diagnose. Bei der „unechten" Hämoglobin- urie, bei welcher die Auflösung der Erythrozyten erst im, Urin erfolgt, pflegt stets ein größerer Teil der roten Blutkörperchen intakt zu bleiben. Ferner kommt differentialdiagnostisch in Frage, daß bei Nierensteinkoliken, die mit Schüttelfrost und Fieber einhergehen, die Schmerzen stets im Vordergrund stehen. Bei der paroxysmalen Hämoglobinurie sind zwar Schmerzen im Kreuz und in der Nierengegend vorhanden, ihnen fehlt aber stets der kolikartige Cha- rakter; das gelegentlich vorhandene Brennen in der Urethra beim Harnlassen ist von den ausstrahlenden Schmerzen der Nierenkoliken wohl zu unter- scheiden. Kommt der Kranke außerhalb eines Anfalls, so ist auf Ikterus, Milz- und Leberschwellung, im Urin auf Urobilin, Urobilinogen, eventuell auf Albumen, ferner auf die gelben Sedimentkörnchen zu fahnden. Die Diagnose wird gesichert durch den positiven Ausfall der Donath -Landsteinerschen Reaktion, eventuell durch die Provokation eines Anfalls im Rosenbachschen Versuch (Blutbild!). Durch den Wärme - Kälte versuch werden auch die Fälle sicher- gestellt, in denen es nach Abkühlung nur zur Albuminurie kommt, bei denen es sich also um eine „latente Hämoglobinurie" handelt. Ferner sei in diesem Zusammenhang auf den Begriff der „hämolytischen Diathese" hingewiesen (Umber), den Bürger auf einen Fall anwendet, der bei positiv ausfallendem Kälte -Wärme versuch an häufigen Lungenblutungen litt, ohne daß ein Krank- heitsprozeß in den Lungen klinisch nachweisbar war. 5. Therapie. Therapeutisch hat man der Kältehämoglobinurie auf verschiedenen Wegen beizukommen versucht, hat aber überall nur zweifelhafte Resultate erzielt. Entsprechend dem Zusammenhang mit der Lues ist häufig eine antiluetische Kur durchgeführt worden. Reiß, Weinberg sahen davon eine deutliche Besserung, Matsuo dagegen von Salvarsan nicht; allerdings hat er anscheinend nur in jedem Fall ein- bis zweimal injiziert. Von per os verabreichten Dosen Kochsalz (Mohr) oder Calcium chloratum (Neilson und Terrey, zit. nach Lindbom) sahen Meyer und Emmerich sowie Torday keine Erfolge. Bondy und Strisower injizierten hypertonische Salzlösungen (3% NaCl und 3% Dinatriumphosphat, 80—170 ccm in Ab- ständen von Tagen und Wochen) und konnten bei zwei Patienten die Anfälle dadurch teils unterdrücken, teils abschwächen. Sie stellen sich vor, daß durch hypertonische Lösungen eine Auswahl resistenter Erythrozyten bewirkt wird, indem die alten widerstandsunfähigen zugrunde gehen. Die zurückgebliebenen zeigen erhöhte osmotische Resistenz. Bur meist er (2) schließt auf Grund seiner Versuche, daß nicht die durch Auslese erfolgte Resistenzerhöhung der Erythrozyten, sondern die durch Salzanwesenheit hervorgerufene Lipoidf est ig - keit die Ursache sei: Eine Ambozeptor- und Komplementbindung könne infolge des veränderten Quellungszustandes nicht erfolgen. Kaznelson sah von dieser Behandlung keinen therapeutischen Effekt. Auf Grund der hämolysehemmenden Eigenschaften des Cholesterins gab Pringsheim eine Therapie an: Er nahm mehrere intramuskuläre Injek- tion« ii von 0,5 g Cholesterin in 10 %igcr Aufschwemmung in physiologischer NaCl- Uteung \<>r Er erreichte dadurch in einem Fall, daß dieselbe Kältewirkung, die vorher zu einem schweren Anfall geführt hatte, nach der Behandlung nur «•inen abortiv verlaufenden Anfall auslöste. Über Besserung berichten auch Lindbom, Keil.». Burmeister, während Torday in einem Fall deutliche Verschlechterung sah. .Die theoretischen Grundlagen für eine Cholesterin- Marschhämoglobinurie: Klinisches Bild. 613 therapie scheinen jedenfalls gegenüber denen anderer Behandlungsmethoden die bestfundiertesten zu sein [s. Burmeister (1), Jedlicka (2), Pribram (2)]. Widal, Abrami und Brissaud wurden, entsprechend ihrer Auffassung der Kältehämoglobinurie als Autoanaphylaxie, zu einer Autoserotherapie geführt. Sie nahmen wiederholte Injektionen von 20 — 60 ccm Eigenserum in Abständen von mehreren Tagen vor und sahen davon Erfolge. Durch die Injektion mit dem eigenen, sich anormal verhaltenden Serum wollen sie die Stabilität des Komplexes Ambozeptor-Komplement-Antihämolysin festigen. Auch von Lankhaut wird diese Therapie empfohlen; in einem Fall von E. Meyer war sie dagegen vollkommen erfolglos. Nolf injizierte Propepton, mit dem er bei der Behandlung der Hämophilie Erfolge gehabt hatte, und erreichte vorübergehende Besserung. Gläßner und Pick konnten nach der Injektion von normalem Serum Anfälle auf gewöhn- licher Weise nicht mehr auslösen. Zu Erfolgen hat eine aktive Therapie also nur in vereinzelten Fällen geführt. Die beste Therapie ist die Prophylaxe; die Kranken pflegen die zu Anfällen führenden Ursachen meist selbst genau zu kennen und können sich vor ihnen hüten. Möglich ist es, daß durch einen lange durchgeführten Selbstschutz eine gewisse Widerstandsfähigkeit den Kälteeinflüssen gegenüber erreicht wird, doch fehlen darüber sichere Beobachtungen. Die Bereitschaft zu Anfällen bleibt jedenfalls viele Jahre lang bestehen. Die Prognose quoad vitam ist nicht ungünstig. Ist durch fortgesetzte Anfälle die Anämie nicht zu hochgradig geworden, so besteht in dieser Hin- sicht keine Gefahr. Todesfälle im Anfall sind nicht bekannt. B. Die Marschhämoglobinurie. Im Jahre 1881 beschrieb Fleischer einen Fall von paroxysmaler Hämo- globinurie, bei dem die Anfälle nur durch Gehen ausgelöst wurden. Es handelte sich um einen Soldaten, der nach V-j2— 3 stündigem Marschieren plötzlich einen typisch hämoglobinurischen Urin ausschied. Eine Reihe weiterer gut beobach- teter typischer Fälle dieser „Marschhämoglobinurie" geben uns Einblick in das klinische Bild und die auslösenden Momente dieser äußerst seltenen Er- krankung. 1. Das klinische Bild der Marschhämoglobinurie. Der Anfall unterscheidet sich von vornherein von dem der Kältehämo- globinurie, daß bei ihm irgendwie erhebliche Allgemeinerscheinungen fehlen. Insbesondere ist bei typischen Fällen nie Schüttelfrost oder Temperatur- erhöhung zu beobachten. Der Kranke empfindet während oder nach einem Marsch etwas Harndrang und entleert Urin, der sich von dem der Kältehämo- globinurie durch nichts unterscheidet. Die Harnmenge ist gleichfalls zuerst vermindert und erhöht sich, wenn der Patient zu Bett gegangen ist. Die einzigen Beschwerden bestehen in Schmerzen in der Lendenmuskulatur und in der Nierengegend, die nach einigen Angaben bis in die Oberschenkel ausstrahlen. Auffallend ist, daß eine Milzschwellung so gut wie nie nachweis- bar ist; desgleichen pflegt Lebervergrößerung erst nach gehäuften Anfällen deutlich zu werden, wie in dem Fall von Porges und Strisower. Auch leichter Ikterus wird sehr selten angetroffen. Ein Teil der an Marschhämo- globinurie Leidenden scheint vasomotorisch leicht erregbar zu sein, jedoch ist dieses Symptom anscheinend nicht so ausgesprochen wie bei der Kälte- hämoglobinurie. 614 Fritz Sc hcllong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Über die Ursachen, die einen Anfall auslösen können, sind interessante Tatsachen aufgedeckt. Schon Fleischer wies nach, daß bei seinem Patienten andersartige Muskelanstr'engungen, wie Zuckerstoßen, Holzsägen, keinen Erfolg hatten, und dieser negative Einfluß aller erdenklichen Freiübungen ist für typische Fälle von Marschhämoglobinurie auch weiterhin sichergestellt. Nur aufrechtes Gehen führte zur Hämoglobinurie. Porges und Strisower haben dann nachgewiesen, daß das Auftreten der Hämoglobinurie von der Körperhaltung abhängig ist. Ihr Patient bekam nämlich nur dann einen Anfall, wenn er in lordotischer Haltung ging. Wurde er in kyphotischer Haltung in ein Korsett eingegipst, so kam es selbst nach stundenlangem Gehen nicht zur Hämoglobinurie. Dieser bedeutsame Einfluß der Lordose ist für fast alle nach Porges und Strisower veröffent lichten Fälle bestätigt. Bei einem Kinde, das Jehle beobachtete, wurde sogar lediglich durch eine passive ortholordotische Lage ohne Gehen ein hämoglobinurischer Anfall ausgelöst. Nur Förster konnte sich davon nicht überzeugen: Der Anfall trat bei kypho- tischem und lordotischem Gehen unverändert in Erscheinung. Lichtwitz erhielt durch Stehen in lordotischer Haltung Albuminurie, ebenso E. Meyer. Hierbei handelt es sich offenbar um ,,larvierte Anfälle". Denn ähnlich wie bei der Kältehämoglobinurie spielt die Eiweißausscheidung bei der Marschhämoglobinurie eine Rolle. Käst stellte fest, daß bei kürzerem Gehen Albuminurie einsetzte und erst nach x/4 bis 1/2 Stunde der Urin Blut enthielt. Übereinstimmend damit beobachteten Koelman sowie Rosenthal, daß die hämoglobinurischen Anfälle durch Albuminurie eingeleitet und be- schlossen werden. In dem oben erwähnten Fall Jehles führte der Lordose - versuch später nur zur Albuminurie, nicht zur Hämoglobinurie. Klein ent- nimmt der Anamnese seines Patienten, daß er schon vor dem Auftreten des ersten hämoglobinurischen Anfalls an Eiweißausscheidung gelitten habe. Rein objektiv ist es aber noch nicht sichergestellt, ob dem ersten, bei einem Indivi- duum überhaupt auftretenden Anfall eine kürzere oder längere Periode von durch Gehen ausgelösten larvierten Anfällen vorausgeht. Denn da hierdurch weder Beschwerden noch auffällige Symptome verursacht werden, entziehen sie sich der Kenntnis des Patienten. Stets ist es erst die alarmierende Erscheinung des Blutharnens, die die Kranken zum Arzt führt. Als sicher steht für die typische Marschhämoglobinurie fest, daß Kälte- einflüsse keinerlei Einwirkung haben. Der Urinbefund bei der Marschhämoglobinurie entspricht genau dem der Kältehämoglobinurie. Erfolgt im larvierten Anfall nur Albuminurie, so läßt sich gelegentlich der durch Essigsäure fällbare Eiweißkörper finden (Licht- witz, Schellong), der bei der orthostatischen Albuminurie eine gewisse Rolle spielt [s. Jehle (2)]. Sodann konnte ich zeigen, daß das Sediment auch bei dem larvierten Anfall die charakteristischen gelben hämo- glo bingefärbten Eiweißkörnchen enthielt. Ihr Auftreten ging der che- misch nachweisbaren Albuminurie voraus. Damit war erwiesen, daßdie,,Albu- mi Minie" in Wirklichkeit hämoglobinurisch verläuft; nur ist Nicht- hämoglobineiweiß in größerer Menge als Hämoglobineiweiß im Urin vorhanden; deshalb fällt Ihm einer langsamen Entwicklung des Anfalls die Eiweißprobe im Urin früher positiv aus als die chemische Blutprobe. Die Präge, ob während eines Hämoglobinurie -Anfalles gelöstes Hämoglobin im llliit vorhanden ist, ist lange strittig gewesen. Die älteren Untersucher hatten negative Befunde, von Rosenl hal, Klein, E. Meyer wird aber hervor - gehoben, daß das Anfallserum im Gegensatz zum Serum außerhalb des Anfalls rötlich sei und die Streifen des Ozyhämoglobins erkennen lasse. Auch in dem von mir beschriebenen Falle ließ sieh der einwandfreie spektroskopische Kältehämoglobinurie : Klinisches Bild. 615 Nachweis einer Hämoglobinämie erbringen, und zwar bemerkenswerterweise in einem Stadium der Erkrankung, in dem sie bereits im Rückgang begriffen war und in dem infolgedessen ein voll ausgebildeter Anfall nicht mehr zustande kam. Durch die positiven Befunde ist die Hämoglobinämie als Ursache auch der Marschhämoglobinurie sichergestellt. Der Bilirubin spiegel des Blutserums steigt auch im larvierten Anfall schnell an (Schellong). Eine verminderte Resistenz der Erythrozyten ist im Versuch nicht sicher nachgewiesen. Beobachtungen, die Porges und Strisower sowie Schellong über eine vielleicht vorhandene geringere Widerstandsfähigkeit der Anfalls -Erythrozyten gegen mechanische Einflüsse (Zentrifugieren) gemacht haben, sind nicht eindeutig und müssen noch weiter geklärt werden. Eine im Anfall stattfindende Schädigung der Erythrozyten glaubten Porges und Strisower jedenfalls infolge der eigentümlichen Schrumpfung annehmen zu müssen, die die während des Anfalls entnommenen roten Blutkörperchen in der Zählkammer erkennen ließen. Über Veränderungen des Blutbilds liegen nur drei Angaben vor (Licht - witz, Klein, Schellong). Konstant scheint eine Zunahme der Gesamt- leukozyten im Anfall zu sein. Seit dem durch Donath und Landsteiner geführten Nachweis des Auto- hämolysins der Kältehämoglobinurie sind die meisten publizierten Fälle auch in dieser Hinsicht untersucht. Nie hat sich bei der Marschhämoglobinurie ein ähnlicher Körper auffinden lassen. Die Marschhämoglobinurie ist bisher — außer dem ersten Fall von Jehle, der ein weibliches Kind betraf — nur bei Männern beobachtet ; bevorzugt wird entschieden das zweite Dezennium. Das Leiden ist äußerst selten; Rosen- thal hat 1908 die bis dahin bekannt gewordenen 11 Fälle zusammengestellt. Diese eingerechnet, sind bis heute nicht mehr als 25 typische Marschhämo- globinurien beschrieben. Für die Ätiologie haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben. Die Syphilis hat keinen Einfluß. Die Kranken von Bollinger und Roberts litten früher an Malaria. Der Verlauf ist stets günstig. Die Zeit der schweren Anfälle dauert nie länger als einige Monate ; die Paroxysmen pflegen dann von selbst schwächer zu werden und schließlich aufzuhören. Die kürzeste Dauer (9 Tage) hatte der eine Fall von Koelman. Der von mir beobachtete Patient ist nach einem Jahre (Juli 1923) nachuntersucht worden. Erst nach fünfstündigem Gehen konnte ich ein Urinsediment erhalten, das noch Hämoglobinniederschläge in geringer Menge aufwies. Im filtrierten Harn waren die Eiweißproben positiv, gelöstes Hämoglobin war darin nicht nachzuweisen. Therapeutische Versuche mit Injektionen von Eigenserum (Licht- witz), Kalzium haben den Verlauf nicht beeinflußt. Es wird sich zur Vermei- dung von Anfällen nur um eine für den speziellen Fall auszuprobierende Prophylaxe handeln müssen; schon Vermeidung der lordotischen Haltung beim Gehen dürfte nach dem Gesagten Einfluß haben. Eventuell kommt für die Dauer der Erkrankung eine Änderung in der Ausübung des Berufes in Frage. 2. Die Pathogenese der 3Iarschhämoglobinurie. Über das Zustandekommen der Marschhämoglobinurie standen sich zwei ältere Anschauungen gegenüber. Die eine, die durch Fleischer, Kast,Bastia- nelli, Bollinger vertreten wurde, nahm primär eine verminderte Wider- 616 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. Standsfähigkeit der Erythrozyten an, welche dann durch die Wirkung irgend- welcher, beim Gehen entstehender ,, Ermüdungsprodukte" in der Blutbahn zerstört werden sollten. Andere Autoren, wie Robin, Chvostek, Koelman, verlegten aber angesichts der von ihnen noch nicht nachgewiesenen Hämo- globinämie die primäre Schädigung in die Nieren, die etwa durch mechanische Insulte oder durch abnorme St off Wechselprodukte beim Gehen entstehen soll ; die Autoren verlangen aber auch eine herabgesetzte Resistenz der roten Blut- elemente. Ihre Auffassung als primäre Nierenschädigung gründen sie weiter- hin auf das Vorkommen einer Albuminurie ohne Hämoglobinurie. Dieser letzte Einwand würde zwar nach den von mir gemachten Beobach- tungen fortfallen, da auch bei abortiven Formen der Urin blutfarbstoffhaltig ist. Aber dieser Befund kann ebenso wie das jetzt sicher nachgewiesene Bestehen einer Hämoglobinämie nicht gegen einen Blutzerfall innerhalb der Nieren sprechen, der den Anfällen in der Tat zugrunde zu liegen scheint, wie noch weiter unten zu erörtern sein wird. Man kann sich den Mechanismus am wahrscheinlichsten so vorstellen: Die Lordose verursacht auf mechanischem oder reflektorischem Wege eine Zirkulationsstörung in den Nieren, welche hierselbst zum Blutzerfall führt; von da aus geht der Blutfarbstoff einerseits in den Harn, anderseits in das Blut über. Den überwiegenden Eiweißgehalt des Harns (gelöst und im Sedi- ment) kann man hier, ebenso wie bei der Kältehämoglobinurie, als Aus- druck der Störung der Nierenzirkulation auffassen. Die auffallende Erschei- nung, daß bei der Marschhämoglobinurie kein Schüttelfrost entsteht und daß nur ganz vereinzelt Ikterus und Milzschwellung beobachtet ist, spricht wohl dafür, daß der Blutzerfall im Gegensatz zur Kältehämoglobin- urie nicht im zirkulierenden Blut vor sich geht, ferner auch dafür, daß die Hämolyse im ganzen nur geringer ist oder sich nicht so plötzlich voll- zieht wie bei der Kältehämoglobinurie. So sehen wir denn bei sehr intensivem Blutzerfall auch bei der Marschhämoglobinurie gelegentlich doch einen Schüttel- frost auftreten, wie etwa in dem ersten der von Je hie beschriebenen Fälle. Über die inneren Ursachen aber, die zum Blutzerfall in den Nieren führen, sind wir noch im unklaren. Ein dem Donath-Landsteinerschen Hämolysin ähnlicher Körper kommt offenbar nicht in Frage. Am wahrscheinlichsten ist noch die Annahme, daß es sich um eine Resistenzschwäche der Erythrozyten handelt, wenn diese durch die üblichen Resistenzprüfungen bisher auch nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Die widerstandsunfähigen Blutkörper- chen verfallen dann an dem Orte der gestörten Blutzirkulation (Niere) der Auflösung. Einen abnormen, durch die Lordose ausgelösten vasomotorischen Reflex in der Milz nehmen Porges und Strisoweran. Er soll die Milzdurchblutung derart beeinflussen, daß dieses Organ eine übergroße Menge der an sich weniger resistenten roten Blutkörperchen einschmilzt. Abgesehen davon, daß man sich einen durch Lordose entstehenden abnormen Reflex in den Milzgefäßen nicht leicht vorstellen kann, möchte man meinen, daß gerade in einem in dieser Hinsicht so empfindlichen Organ Zirkulationsstörungen sich durch Volumen- zunahme offenbaren würden was aber auch bei dem Kranken von Porges und Strisower nicht der Fall ist. In Gegensatz zu diesen Anschauungen setzt sich Förster. Er verweist auf einen — noch weiter unten zu besehreibenden — einzig dastehenden Fall, den Meyer-Betz veröffentlicht hat, und auf die seit Versuchen von Camus in diesem Zusammenhang erörterte Theorie der „muskulären Hämoglobinurie". Camus injizierte Bunden ausgepreßten Muskelfarbstoff und fand, daß dieser die Nieren viel leichter passiert als Blutfarbstoff; auch wenn die Farbe des Marschhämoglobinurie : Pathogenese. 617 Blutserums noch nicht verändert ist, zeigt sich die Hämoglobinurie. Camus glaubt nun, daß bei der Marschhämoglobinurie bei vorhandener persönlicher Disposition starke Ermüdung die Muskelfasern schädigen und zur Abgabe ihres Farbstoffes veranlassen kann. Für den Fall von Meyer -B et z kann, wie wir sehen werden, diese Theorie zutreffen, für die Marschhämoglobinurie aber wahrscheinlich nicht. Wenn Förster starke Schmerzen und ,, leichte Schwellung" der Lendenmuskulatur als Ausdruck einer Muskelschädigung deuten will, so ist zu betonen, daß diese Beschwerden auch bei der Kältehämo- globinurie angetroffen werden und auf eine Nierenreizung zurückzuführen sind. Es ist wenigstens meiner Auffassung nach aus den in der Literatur nieder- gelegten Fällen nicht ersichtlich, daß die Schmerzen und Muskelaffektionen bei der Marschhämoglobinurie eine wesentlich größere Rolle spielen als bei der Kältehämoglobinurie. (Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt auch Günther, der ebenso wie Förster die Auffassung der Marschhämoglobinurie als „Myoglobinurie" erwägt.) Mein Patient gab seine Beschwerden nur auf direktes Befragen zu. Bei einer Hämoglobinurie im Anschluß an eine Blut- transfusion, die ich kürzlich beobachten konnte, wurde dagegen spontan über die heftigsten Schmerzen im Kreuz und in der Nierengegend geklagt — also in einem Falle, wo es sich sicher lediglich um Zerfall von Erythrozyten handelte. Ferner ist die bei dem Fall von Meyer-Betz betroffene Muskelmasse unver- gleichlich viel größer. Und schließlich wäre es, worauf Rosenthal hinweist, nicht einzusehen, warum nur das Gehen oder Laufen diese Muskelhämoglobinurie verursacht, niemals andere Körperbewegungen, selbst solche der unteren Glied- maßen nicht. Förster führt' zugunsten seiner Anschauung an, daß bei Sportsleuten nach starken Anstrengungen gelegentlich das Auftreten einer „physiologi- schen Hämoglobinurie" gefunden wird. Feigl sowie Feigl und Querner sahen nämlich bei einer Anzahl von Teilnehmern eines Armeegepäckmarsches Hämoglobinämie und auch Hämoglobinurie ; letztere soll auch nach Angaben von Dickinson schon 1894 in englischen Sportskreisen nichts LTnbekanntes ge- wesen sein. Von Jundell und Trier liegen gleichlautende Angaben vor. Es ist demnach nicht daran zu zweifeln, daß es nach maximalen Anstrengungen zu geringem Blutzerfall kommen kann, und daß hier Beziehungen zur typischen Marschhämoglobinurie bestehen. Aber diese Beziehungen scheinen mir gerade auf die Nieren hinzuweisen: Die so häufig beobachtete „Anstrengungs- albuminurie" wird allgemein auf Zirkulationsstörungen in den Nieren zurück- geführt; Albu z.B. nimmt einen akuten Reizzustand des Nierenparenchyms infolge venöser Stauung als Ursache an. Ich zweifle nicht daran, daß zwischen „Anstrengungsalbuminurie", „physiologischer Hämo- globinurie" und „Marschhämoglobinurie" Unterschiede lediglich gradueller Art bestehen, die von der noch ungeklärten Disposition des Einzelindividuums abhängig sind; ich möchte sogar glauben, daß bei Be- achtung von Serumfärbung und Sediment sich vielleicht mancher solcher Fälle als Hämoglobinurie herausstellen wird, der bisher als reine Albuminurie aufgefaßt ist. Aber gerade die Betrachtungsweise von der reinen An- strengungsalbuminurie aus — an deren renaler Genese wir nach allen unseren Kenntnissen festhalten müssen — muß dazu führen, der Niere einen primären Einfluß auf das Zustandekommen der „physiologischen" und „Marsch"-Hämoglobinurien aller Gradabstufungen zuzuer- kennen. Vielleicht führt diejenige Ursache (Lordose), die bei dem einen eine mehr mechanische Zirkulationsstörung zur Folge hat, bei einem Vaso- motoriker zu reflektorisch ausgelösten Gefäßfunktionsänderungen, die die Hämolyse begünstigen. Es wird ja besonders von neueren Forschern das vaso- 618 Fritz Schellong: Die paroxysmalen Hämoglobinurien. motorische Moment auch bei der Marschhämoglobinurie betont (Porges und Strisower, Lichtwitz); aber dieses hilft auch nicht über die Unkenntnis derjenigen Ursachen hinweg, die die Bereitschaft zum Blutzerfall herstellen. Vielleicht ist diese „Disposition" in einer besonderen Beschaffenheit der Blut- körperchen, vielleicht des Blutplasmas zu suchen: hier harren noch ungeklärte Fragen der Beantwortung. Klein hat neuerdings auf die Ähnlichkeiten hingewiesen, die in dem kli- nischen Bild der Kälte-, der Marschhämoglobinurie und orthostatischen Albu- minurie bestehen. Bindeglieder sind einerseits die Eiweißausscheidung in den larvierten Anfällen der Kältehämoglobinurie und Marschhämoglobinurie und anderseits die Lordose in ihrer Bedeutung für die Marschhämoglobinurie und orthostatische Albuminurie. Nachdem für abortive Formen der Kältehämoglobinurie von Kumagai und Inoue, der Marschhämoglobinurie durch mich Hämo- globinämie nachgewiesen ist, müssen wir die Bezeichnung „Albu- minurie", um Mißverständnisse zu vermeiden, für diese Fälle fallen lassen. Denn für einen Blutzerfall spricht auch, wie von mehreren Autoren (s. o.) betont wurde, das Auftreten von Urobilin im Harn, sowie das Erscheinen des hämoglobinhalt igen Sedimentes. Bei der orthostatischen Albuminurie dagegen sind Anzeichen eines Blutzer- falls im Urin noch nie nachgewiesen, auch Ikterus ist nie beobachtet [Jehle (2)]. Hier handelt es sich offenbar um eine andere Genese : Nach neueren Anschau- ungen nicht um eine Stauung in beiden Nieren, sondern um eine durch die anatomische Lage bedingte Abknickung der linken Vena renalis (Sonne, Neu- kirch und Rottmann). Darin unterscheidet sie sich auch von der Anstren- gungsalbuminurie. Marschhämoglobinurie und orthostatische Albuminurie haben nach unseren heutigen Kenntnissen nur die auslösende Ursache, die Lordose gemein. Nicht so klar scheinen die Verhältnisse zwischen der Kältehämoglobinurie und Marschhämoglobinurie zu liegen. Man stößt immer wieder auf Fälle, die als „Übergänge" angesprochen werden, wo sich Anfälle nur durch „Gehen in der Kälte" erzeugen ließen (Prior, Fejes und Kentzler). Aber wie E. Meyer betont, sind beide Krankheitsbilder auf Grund ihrer Unterschiede in Ätiologie, Symptomen und Verlauf doch wohl scharf voneinander zu trennen. Man wird bei näherer Betrachtung wohl stets wesentliche Faktoren auffinden, die eine Differenzierung ermöglichen. Eine sichere Unterscheidung gestattet die Anstellung der Donath -Landsteinerschen Reaktion. Da diese in einem Fall von Fejes und Kentzler z. B. positiv ausfiel, wird man ihn entgegen Kl eins Auffassung zur Kältehämoglobinurie rechnen müssen. Das Vorkommen von derartigen Übergangsfällen ist noch nicht erwiesen. C. Paroxysmale Myoglobinurie. Meyer -Betz beschrieb 1910 einen Fall, der vorher und nachher in pe-Seyler stammt, dessen Hp. von dem nach Nenckis Methode gewonnenen Stoffe verschieden ist. Es erscheint daher als Willkür, wenn der Name „Hp." neuerdings von manchen Autoren nur gerade für das Hp.-Nencki angewendet wird. Günther hat bereits 1911 klar und deutlich natives Hp. von Hp.-Nencki und Hp. -Hoppe unterschieden, und es gibt noch andere zur Gruppe des Hp. gehörende Substanzen. Die Existenz verschiedener nativer Hp. wurde schon früher (Mac Munn) angenommen. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die hier gebrauchte, in der klinischen Literatur übliche Bezeich- nung ,,Hp." dem in Fischers Arbeiten verwendeten Ausdruck „Kopropor- phyrin" entspricht. Die Gruppe der natürlichen Hämatoporphyrine scheint überhaupt recht variantenreich zu sein. H. Fischer (7) glaubt, daß zwischen ,,Uro- und Koproporphyrin" noch Porphyrine mit 6, 5 und 4 Karboxylgruppen vorhanden sind. Der hier wie bisher als Hämatoporphyrin bezeichnete natürliche Farbstoff wird von Fischer sowohl als ,,Koporprophyrin" oder Kotporphyrin wie als ,, normales Harnporphyr in" benannt und vom ,, Urinporphyr in" unterschieden. In letzter Zeit war der Fortschritt in der Erkenntnis auf diesem Gebiete von einer beängstigenden Unsicherheit getrübt, indem die Ansichten der in sehr schneller Folge sich häufenden Publikationen sehr bald wieder modifiziert wurden. Erst jetzt scheint ein ruhigerer Fortschritt möglich zu sein, für den vielleicht die neueste Ansicht von H. Fischer (10) bahnbrechend ist, daß es wohl entsprechend dem Verhalten des Chlorophylls auch eine a- und ß-Form des Hämoglobins gibt. Das ,, Hämoglobin A" sei das gewöhnliche, in den Erythro- zyten enthaltene Hb.; die Existenz der bisher noch nicht chemisch isolierten /3-Form wird nur indirekt aus dem Vorkommen verschiedener Porphyrine er- schlossen. Ebenso, wie aus dem a-Hb. Hämatoporphyrin ableitbar ist, kann man theoretisch auch die Gewinnung von Hp. aus der />-Form vermuten. Es Bedeutung der Hämatoporphyrine im Pigmentmetabolismus. 625 ergeben sich also 2 verschiedene Gruppen des a-Hp. und ß-Hp. In der a-Reihe findet sich das Hp.-Nencki, in der /5-Reihe der (von Fischer als „Kopropor- phyrin" bezeichnete) native Farbstoff, welcher in der klinischen Medizin ein- fach Hp. heißt. Bei der chemischen Verarbeitung der natürlichen Hämatoporphyrine läßt sich — besonders im Urin und Kot — das Vorkommen verschiedener Abarten nach- weisen. Eine genaue chemische Differenzierung dieser verschiedenen Spezies wird auch bei weiterem Fortschritt der Technik bei vielen klinischen Fällen gar nicht möglich sein, so daß wir uns dann eben darauf beschränken müssen, von Hämato« porphyrin zu sprechen. Günther hatte für die Klinik noch die Unterschiede des mit dem Harn ausgeschiedenen Uhp. und des im Darminhalt vorkommenden Ehp. eingeführt, wobei aber zu berücksichtigen ist, daß im Urin außer der Hauptform des nativen Hp. besonders noch das Uroporphyrin-Fischer vor- kommen kann. (Die einfache Bezeichnung Harn-Hp. und Kot-Hp. konnte leider nicht gebraucht werden, weil sie schon für bestimmte chemische Körper annektiert war.) Hämatoporphyrine sind rötlichbraune amorphe Stoffe, die sich in ver- dünnter Salzsäure mit purpurähnlicher, in verdünnter NaOH mit mehr gelblich- roter Farbe leicht lösen. Sie sind ferner in Alkohol und Eisessig leicht, in Äther schwerer, in Wasser unlöslich. Uroporphyrin-Fischer ist in Äther unlöslich und gleicht hierin dem nach Hoppe - Seyler aus Hb. dargestellten Hp. Der Farb- stoff wird durch manche Salze, besonders Kalziumphosphate, leicht adsorbiert und ausgefällt. Aus Urin wird daher ein größerer Teil des Hp. gewonnen durch Zusatz von 30°/0 NaOH 1 : 10, indem eine Adsorption an die ausfallenden Ca-Phosphate eintritt, oder durch Zusatz von etwas Eisessig und Extraktion mit Äther (oder Essigäther). Durch Lösung des Niederschlags in- od' us- schütteln des Ätherextraktes mit einer geringen Menge verdünnter ' *J oäure wird eine Hp. -Lösung höherer Konzentration gewonnen. Genaueres üijer diese und die folgenden Methoden findet sich in Günthers Monographie. Hier finden sich auch die Spezialmethoden, um aus verschiedenen Exkreten das Hp. zu gewinnen und rein darzustellen. Es gibt auch Leuko Verbindungen (Chromogene) des Hp., die sich durch geeignete Maßnahmen (Wärme, Licht, KMn04, HCl) in den Farbstoff überführen lassen. Hieran ist bei klinischen Untersuchungen auf Hp. zu denken. Die am meisten charakteristischen Eigenschaften der rot fluoreszierenden Hämatoporphyrine sind ihre spektralen Absorptionsstreifen, deren Lage nach Wellenlängen angegeben wird. Wie aus folgender Tabelle II ersicht- lich ist, zeigen die Farbstoffe in sauerer Lösung 2, in alkalischer Lösung 4 Haupt - streifen. Die Spektroskopie dieser Stoffe wurde besonders eingehend durch O. Sc hu mm bearbeitet. Tabelle IL Farbstoff salzsaure Lösung 1 alkalische Lösung (nach Fischer) I II I II III IV Hämatoporphyrin (nativ) Uroporphyrin-Fischer . . Hp.-Nencki . Mesoporphyrin 596—588 598—590 596—588 596—589 555 — 541 558—544 557—541 555—540 619—614 577—560 541—527 613—603 577—565 542—532 (—552) 621—613 577—559 544—535 619—612 575—558 546—536 505—496 511—496 515—495 517—495 Blutkrankheiten II. 40 626 H. Günther: Hämatoporphyrie. abelle III gibt noch einige wichtige Spektra. Tabelle III. Oxy-Hämoglobin .... 589—577 556—536 üxymyoglobin — 592—575 555—535 — Günther Hp. mit ZnCl2 + NH3 . 586—570 552—533 — Garrod Up. -Fischer mit ZnCl2 + NH3 — 577,2 541,5 — Schumm Hp.-Nencki, Bromreak- tion 635 (606) 583 525 495 5> Hp. -Modifikation mit Blaustreifen .... 615—608 591—555 545—35/512—498 476—452 Günther Chlorophyll im Kot . . 662, 607 560 570, 509 478, 452 Schumm Das Absorptionsbild einer alkalischen Hämatoporphyrinlösung (Up.) von verschiedener Konzentration oder verschiedener Schichtdicke stellt Abb. 2 dar. Die Ordinatenwerte dieses Spektrogramms geben die Schichtdicke der Lösung in Millimetern an, die ^ ja Q ^ Q & Abszissenwerte bedeuten Wellen- längen. Ein horizontaler Schnitt läßt also die Art des Schatten- bildes im Spektrum bei einer be- stimmten Konzentration oder Schichtdicke der Lösung er- kennen. Die Spektroskopie dient auch zur quantitativen Bestim- mung der Hp. -Menge. Eine für klinische Zwecke geeignete Me- thode wurde von Günther (1) angegeben. Ein Hp. -Komplex ist also im Hb . -Molekül enthalten, und wenn wir uns die quantitativen Ver- hältnisse mit Hilfe von Abb. 3 vorstellen wollen, so sehen wir mm 0 1 Z 10 20 30 H> 50 L -p- / / / n Abb 2 Absorptionsbild des nativen Hämato- porphyrins in alkalischer Lösung. Abb. 3. Würfelschema der Erythro- zytenmasse und ihrer Farbstoffe. die Erythrozytenmasse repräsentierenden Würfel einen i welcher die Hb. -Masse bedeutet, und schließlich einen ganz kleinen ; Hämochromogenmasse; von dieser Masse ist die des Hp. nur \ | i Schätzung der Gesamt-Hb.-Menge eines Erwachsenen von TU kg uif e1 würde die (laiin enthaltene Hp. -Menge noch nicht 22 g betrag a. Hierzu kommt ler Hp. -Anteil der nicht unbeträchtlichen Menge Bedeutung der Hämatoporphyrine im Pigmentmetabolismus. 627 des Muskelfarbstoffes (Myoglobin) bei einer 43°/o des Gesamtgewichtes aus- machenden Muskelmasse. Weitere Hp. -haltige physiologische Farbstoffe sind beim Menschen nicht bekannt; auf das Vorkommen solcher bei Tieren (Mol- lusken, Würmer, Vögel) kann hier nicht eingegangen werden. Mit der Blutzellmauserung wird schätzungsweise alle 1 — 2 Monate die ge- samte Hp. -Menge aus ihren Molekülverbänden herausgelöst, abgebaut oder um- gebaut sein. Ist nun die physiologische Hp. -Bildung vielleicht eine Funktion der sich neu bildenden Erythroblasten oder der Muskelzellen ? Auf die Möglichkeit einer Regeneration von Hp. in der Muskelzelle wurde von Günther hingewiesen. Mit Sicherheit können wir nur sagen, daß in bestimmten Pigmentbildungs- stätten im Organismus das Hp. aus irgendwelchen Pyrrolkörpern entsteht. Die Konstitution des Erythrozyten läßt nur die Einlage eines bestimmten Hb. -Gehaltes pro Volumeinheit zu; der Hp. -Bedarf ist also bei der Konstanz der Erythrozytenmasse und der Annahme einer in normalen Grenzen verlaufen- den Zellmauserung begrenzt. Wenn die Erythrozyten selbst fähig sind, aus den Pyrrolvorstufen via Hp. das Hämoglobin aufzubauen, läßt sich nach den klinischen Erfahrungen ausschließen, daß die normalen Vorstufen und aus diesen das Endprodukt relativ zur Zellmasse in anormal verminderter oder anormal gesteigerter Menge gebildet werden. Bei anormal gesteigerter Zellmauserung des Blutes wird ein größerer Hp.- Bedarf vorhanden sein, dem sich die Hp. -Bildungsstätten offenbar anzupassen vermögen, indem selbst bei schwerer perniziöser Anämie die Hb. -Bildungs- fähigkeit ebenso wie die des Myoglobins nicht beeinträchtigt ist [Günther (5)]. Es ergibt sich aber daraus nicht die Folgerung, daß nun Hp. als Intermediär- produkt des gesteigerten Erythrozytenabbaues in anormal großen Mengen aus dem Körper ausgeschieden oder gar im Körper abgelagert werden müßte. Besonders sprechen die klinischen Erfahrungen gegen eine solche Annahme, da bei pathologischen Zuständen mit stark vermehrter Erythrozytenmauserung, wie bei der Anaemia perniciosa und dem Icterus haemolyticus keine pathologisch gesteigerte Hp. -Ausscheidung gefunden wird. Auf die Möglichkeit der Hp. -Genese aus dem Muskelfarbstoff (,, Myoglobin") wurde von Günther in seinen Studien über den Muskelfarbstoff (5) besonders hingewiesen und betont (1, S. 651), daß ,,ein wesentlicher Faktor für die Hp.- Genese vorliegen könnte". Später behauptete H. Fischer (5), daß das ,, normale Porphyrin", also das Hp. ,, zweifellos durch Zerfall" des Muskelfarbstoffes entstehe; der Muskelfarbstoff werde ständig in geringen Mengen abgebaut zu ,, Kotporphyr in", das dann im Kot und im Urin erscheine. Aus der Eiweiß - komponente des Muskelfarbstoffes gehe bei diesem Prozesse ein brauner Farb- stoff hervor, dessen Ausscheidung in direktem Zusammenhange mit dem Er- scheinen des Porphyrines zu stehen scheine. Dieser ist vielleicht mit dem bereits von Günther (2) genauer als Urofuscin beschriebenen Farbstoff (vgl. 1, S. 634) identisch, der ebenfalls bisher nicht kristallinisch und rein gewonnen wurde. Fischer hält ihn aber für ein Eiweißabbauprodukt, dessen „analy- tische Zusammensetzung" dem Harnfarbstoff außerordentlich ähnlich oder identisch sei. Amerikanische Experimente (Hoagland) lassen die Möglichkeit einer Hp. -Bildung aus Myoglobin durch den Prozeß der Autolyse zu, indem durch wochenlange Wärmung angeblich steriler Rindermuskelstücke im Brutschrank im autolytischen Safte das Hp. -Spektrum nachweisbar gewesen sei. Da auch intra vitam autolytische Prozesse spielen, könnte ja durch eine anormale Rich- tung dieses Prozesses eine Hp. -Überproduktion vermutet werden. Eigene Nachprüfungen an steril entnommenen, in H2-Atmosphäre der Autolyse unter- worfenen Leichenmuskeln ergaben aber keine Hp. -Bildung (vgl. Becker). 40* 628 H. Günther: Hämatoporphyrie. Durch Fäulnis des Fleisches soll „Koproporphyrin" auftreten [Fischer (5)]. Schumm (8) konnte bei Verarbeitung ganz frischen Fleisches kein Hp. finden, auch in faulendem Fleisch kein Hp. („Koproporphyrin") nachweisen, dagegen in letzterem oft recht beträchtliche Mengen eines porphyrinartigen Farbstoffes, der mit einem nach Kämmerers oder Schumms Verfahren gewonnenen Hp. weitgehende Ähnlichkeit hat (eventuell identisch ist). Neuerdings leitet Fischer (10) das „Koproporphyrin", also das native Hämatoporphyrin aus dem ^-Hämoglobin her, dessen Identität mit dem Muskel- farbstoff er nicht aufrecht erhalten kann. Beobachtungen bei dem später zu beschreibenden Porphyrismus ergaben, daß auch die Annahme nicht haltbar ist, daß etwa der Hämoglobin-Abbau teilweise auf anormalen Bahnen verläuft, indem ein Hp. als anormales, nicht mehr spaltbares Zwischenprodukt auftritt. [Garrod (3) scheint neuerdings das Hp. als reguläres Zwischenprodukt zwischen Hb. und B. anzusehen.] Auch Fischer (10) vermutet ein Porphyrin (Hp. -Kämmerer, vgl. S. 630) als Zwischen- produkt auf dem Wege vom a-Hämoglobin zum Bilirubin und versucht ein in Vogeleierschalen vorkommendes, aus a-Hämoglobin herstammendes „Oopor- phyrin" in Bilirubin überzuführen. Er betonte aber noch vor kurzem (5), daß bisher bei der Umwandlung von Hb. in Bilirubin kein Porphyrin beobachtet worden ist. Inzwischen wurde aber von Brugsch behauptet, daß aus Hämin durch Brenzkatechin Gallenfarbstoff gebildet werde und durch Einwirkung von Adrenalin auf Hb. wenigstens Hämatoporphyrin entstehe, unter Hinweis auf Angaben von Paris ot über Gallenfarbstoffbildung aus Hb. durch Adrenalin, der sich aber betreffs Hp. viel vorsichtiger ausdrückte. Ich habe Parisots Versuche mit einem am Leipziger pharmakologischen Institut testierten Supra- renin präparate mehrfach wiederholt, ohne jemals ein auf Hp. verdächtiges Spektrum zu entdecken (auch nicht mit Brenzkatechin). 24 Stunden nach Ansetzen einer Erythrozytenemulsion mit testierter 1 °/00iger Suprareninlösung ää konnte ich mit Eisessig und Äther kein Hp. extrahieren. Also können wir sagen, daß das Vorkommen anormal großer Mengen von Hämatoporphyrin im Organismus das Zeichen einer konstitutionellen Anomalie des Pigment metabolismus ist, einer Plusdyskrasie im Sinne Günthers (7) oder chemischen Mißbildung [Garrod (1)]. Die Anomalie beruht auf einer Überfunktion der Hp. -Bildungsstätten, vielleicht auch auf einer ab- wegigen Bildung eines anormalen Hp. (besondere Adsorption oder kolloidale Dispersion?), welches zur Hb. -Genese nicht geeignet ist. Als Bausteine für den Hb. -Aufbau dienen die erwähnten Pyrrolkörper, die der Organismus wohl durch Spaltung des Nahrungseiweiß gewinnt. Es bedarf eigentlich keines besonderen Hinweises, daß der menschliche Organismus von einer alimentären Zufuhr von Blutfarbstoff oder Chlorophyll beim normalen Ablauf der Hb. -Genese nicht abhängig ist. Auch beim Porphyrismus haben besondere Diät versuche keinen Einfluß. Die alte Anschauung findet aber immer wieder Boden, daß die anormale Hp. -Vermehrung durch enterale Zufuhr bestimmter Pigmente (Blutfarbstoffe, Chlorophyll) bedingt sei. Und es ist auch keineswegs auszuschließen, daß auf irgendwelchem Wege aus diesen Stoffen geringe Mengen Hp. gebildet werden, welche dann innerhalb der physiologischen Grenzen in den Ausscheidungsprodukten (Urin, Kot) erscheinen. Günther(l) ii.it aber besonders betont, daß der anormale Zustand des Porphyrismus sich auf solche Weise nicht erklären lasse. Die schon von Nencki, Stokvis und dann von Abderhalden geäußerten Vermutungen über exogene Hp. -Bildung aus dem Chlorophyll der Nahrung sollen nochmals geprüft werden; ein nennenswerter Einfluß kommt ihr aber nicht zu. Audi die von Günther nachgewiesene Vermehrung des PhyUoeirythrins Bedeutung der Hämatoporphyrine im Pigmentmetabolismus. 629 in der Galle unter Einwirkung von Darmbakterien bringt keine restlose Lösung des Problems. Die Zufuhr von Blutfarbstoff mit der Nahrung und das Auftreten patho- logischer Darmblutungen hat ebensowenig eine anormale (s. u.) Steigerung der Hp. -Bildung zur Folge. Es liegen aber Beobachtungen vor, daß eine geringe Hp.- Vermehrung auf diese Weise, vielleicht unter besonderen Bedingungen, erfolgen kann. Nach entsprechenden Hinweisen von Stokvis hat Snapper in mehrfachen Publikationen auf diesen Entstehungs modus hingewiesen, wobei aber die Anwesenheit von Galle erforderlich sei. Snapper erwähnt jedoch, daß dabei beträchtliche individuelle Unterschiede erkennbar sind. Auch nach Robitschek fehlt Hp. stets in acholischem Stuhle. Untersuchungen von Günther und Dorn bestätigen einen geringen Einfluß exogener Hb. -Zufuhr, zeigen aber besonders eine Fehlerquelle, daß nämlich bei Verwendung künst- licher Präparate (Hämogallol) schon Hp. in diesen Präparaten vorhanden sein kann. In letzter Zeit berichtet Papendieck über das gleiche Thema. Er fand nach 12 Tagen fleisch- und chlorophyllfreier Kost (Selbst versuch) kein Hp. im Stuhl, auch nicht nach Eiern und Spinat, dagegen nach 500 g Rindfleisch; die Wiederholung des Versuches nach 5 Monaten hatte das gleiche Resultat. Außer Hp. fand sich noch ein ,,porphyrinartiger Körper", der aus salzsaurer Lösung in Chloroform überging und dessen Bänder in salzsaurer Lösung wechseln zwischen I. 602 und 596, II. 556 und 553. Der Autor glaubt, daß die Menge des aus anderen Quellen (Galle ?) stammenden Hp. gering sei im Vergleich zu der nach Fleischkost auftretenden, daß eine Bildung aus Chlorophyll äußerst un- wahrscheinlich sei, ,,daß der exogenen Porphyrinbildung eine größere Bedeutung zukommt, als Günther annimmt, vielleicht eine Bedeutung, die der des endo- genen nicht nachsteht". Auf Grund von Diätversuchen kommt Sc hu mm (3) zu der Ansicht, daß auch das Hp. des Harns „wahrscheinlich in hohem Grade vom Gehalt der Nahrung an Blutfarbstoff abhängig ist". Daß aber aus diesen Befunden die Anomalie des Porphyrismus nicht erklärlich ist, geht auch aus einer kürzlichen Äußerung H. Fischers hervor. Dieser um die chemische Erschließung der Pigmente sich bemühende Forscher weist auf die beträchtlichen Unterschiede der chemischen Konstitution der natürlichen Hämatoporphyrine vom Blutfarbstoff hin, so ,,daß an eine Umwandlung des Blutfarbstoffs, so wie er heute bei den Säugern vorliegt, in natürliches Porphyrin nicht zu denken ist". Unter Hinweis auf das Verhalten bei den Turacos (Helmvögel) mit anderer Art der Synthese des Blutfarbstoffs kommt Fischer (2) zu der eigenartigen Deutung, es handle sich bei dem menschlichen Porphyrismus „offenbar um eine Rückerinnerung an längst vergangene Zeiten, einen chemischen Atavis- mus". Auf einen weiteren Faktor, der möglicherweise zur Hp. -Bildung in Beziehung steht, wurde von H. Günther (2) hingewiesen, nämlich die symbiontische Bak- terienflora des Menschendarmes. Zu dieser Ansicht führte einerseits der Befund einer anormalen Darmflora bei einer kongenitalen Hämatoporphyrie, ander- seits der Nachweis einer vermehrten Bildung von „Phylloerythrin" in Rindergalle, wenn diese Galle unter Zusatz von Kotbakterien des Porphyrikers bebrütet wurde; es war dabei an die Möglichkeit zu denken, daß „dieses Phylloerythrin bei weiterem Verweilen im Darm zu Enterohp. umgebildet werden kann". „Ich glaubte infolgedessen an die Möglichkeit einer Hp. -Bildung im Darm durch Ein- wirkung einer besonderen Darmflora oder besonderer Fermente auf die Gallen- farbstoffe." Nachdem aber bei den Hämatoporphyriepatienten durch besondere Diät eine wesentliche Umstimmung der Bakterienflora erreicht war, blieb die Hp.- Ausscheidung in unverändertem Grade bestehen. Die Versuche wurden nicht fortgesetzt. Günther (1) schriebaber 1922 nochmals: „Die Untersuchungen 630 H. Günther: Hämatoporphyrie. über die Rolle gewisser Darmbakterien bei diesem Prozesse bedürfen noch eines weiteren Ausbaues." Einen wesentlichen Fortschritt in dieser Frage bedeuten nun die Unter- suchungsergebnisse Kämmerers. Wurden Blutbouillonkulturen mit einigen Ösen Stuhlaufschwemmung 2 — 3 Tage bebrütet, so ließ sich in den Kulturen mit der Ätherextraktionsmethode Hämatoporphyrin nachweisen; „manche" Stuhlaufschwemmungen gaben ziemlich reichlich Hp. Die Wirksamkeit be- stimmter Bakterienarten konnte nicht festgestellt werden, doch, schien die „Synergie der bakteriellen Belegschaften" — ein Ausdruck, der wohl Günthers (7) „Konstellation der Darmflora" entspricht — von Bedeutung zu sein. Darm- fermente waren dabei nicht wirksam, auch der Zusatz von Galle war irrelevant, eher schädigend. In gleicher Weise Avirkte die Bakterienflora aus dem Sputum einer Lungengangrän und putriden Bronchiektasie (3). Kämmerer glaubt, daß die Hp. -Bildung durch einfache Reduktion (naszierenden H2) entstehe, da H. Fischer die Hp. -Bildung aus Hämatin mit Natriumamalgam und nachträglichem Ansäuern geglückt sei. Kämmerers Resultate mit Stuhlbakterien waren in 15% stark, in 23% schwach positiv; das wirksame Bakteriengemisch war auch nach einstündiger Erhitzung auf 70° noch Hp. -bildend, so daß Fermente, Spirochäten und sporenfreie Bakterien nicht in Betracht kommen. Bakterien aus sauren Säuglingsstühlen und die Mischflora normaler Herbi- voren waren unwirksam. Aus reiner Hämatinbouillon (anstatt Blutbouillon) wurde kein Hp. gebildet. Eine Hemmung der Hp.- Bildung trat durch reichlichen Zusatz von Tierkohle, stärker noch durch Galle (auch taurocholsaures und glykocholsaures Natrium) ein; Rohr- zucker und Milchzucker war stärker hemmend als Traubenzucker. Bei saurer Reaktion trat keine Hp.-Bildung auf, die optimale pH-Ionenkonzentration betrug 7,0 bis 7,3. Fischer (6) gelang es, das nach Kämmerer hergestellte Hp. kristallinisch zu isolieren und ein komplexes Eisensalz („Hämin") darzustellen. Es wirkt stark sensibilisierend auf Paramäzien und unterscheidet sich spektroskopisch vom nativen Hp. des Stuhles („Kopro- porphyrin") durch Verschiebung der Streifen nach dem roten Ende in saurer und in alka- lischer Lösung. Wird der Farbstoff in Ätherlösung mit Kot-Hp. gemischt, so erscheinen die Absorptionsstreifen getrennt nebeneinander. Während so bei der Fäulnis des Hämo- globin nur „Kämmerer-Porphyrin" entstehe, liefert die Fäulnis des Muskels nach Fischer (5) , ,Koproporphyrin". Übrigens soll nach Fischer (9) das „Kämmerer-Porphyrin" nach wochenlangem Stehen in Eisessig-Äther den Hämatoporphyrinstreifen bei 623 zeigen und es könnte viel- leicht „durch Mithilfe der Bakterien der Übergang von Kämmerers Porphyrin in Hämato- porphyrin beschleunigt werden". Es wird also eine Transformation des Hp. -Kämmerer in Hp.-Nencki für möglich gehalten. Vor langer Zeit wurde von Laidlaw [vgl. Günther (2)] festgestellt, daß die Stabilität des Eisens im Hb.-Molekül von der An- oder Abwesenheit des Sauerstoffs abhängig ist und daß mit 2% HCl unter Luftabschluß Hp.-Bildung erfolgt. Ähnliche Beobachtungen machte Magnanimi und neuerdings Schumm. Wurde defibriniertes Blut nach längerem Stehen, so daß größtenteils „Sauerstoff freies Hämoglobin" vorhanden war, mit reichlichen Mengen Salzsäure behandelt, so konnte Schumm (5) sogleich die Bildung eines porphyr inartigen Farbstoffes nachweisen; am sauerstofffreien Präparat konnten mit rauchender HCl reichliche Mengen gewonnen werden. Auch aus mit Hydrazinhydrat behandeltem a-Hämatin wurde mit schwach HCl-haltigem Alkohol nach einigen Tagen ein ähnlicher Farbstoff erhalten. Eventuell handelt es sich nur um Farbstoff gemische ; gewisse Unterschiede gegen die natürlichen Porphyrine wurden festgestellt. Einen sehr ähnlichen, in Chloroform löslichen Farbstoff konnte Schumm (8) aus mit Schwefelwasserstoff behandeltem Blute bei der Aufspaltung mit starker Salzsäure ■_M'\\ innen. Eigene Versuche konnten diese Möglichkeit der Hp.-Bildung aus Blut und die Bedeutung der verschiedenen individuellen Konstellation der Darmflora be- stätigen. Doch ergab sich das weitere wichtige Resultat, daß die Bakterienauf- Bchwemmungen aus dem Kot von 2 Porphyrikern, welcher selbst Hp. in anormal gesteigerten Mengen enthielt, in der Blutkultur keine gesteigerte Hp.-Bildung verursachten, Ks läßl Bich daher die anormale Hp. -Steigerung des Porphyrikers nicht auf diesem Wege erklären. Mau kann ferner an die Möglichkeit der Hp.- Bedeutung der Hämatoporphyrine im Pigmentmetabolismus. 631 Bildimg aus Hb. durch Bakterien der Mundflora (besonders Zahnkaries) denken, doch verliefen eigene Versuche bisher negativ. Wenn die Wirksamkeit einer besonderen Darmflora auf das Nahrun gs- hämoglobin beim Porphyriker eine Bolle spielte, so müßte ferner das Symptom der Hp.- Steigerung durch Hb. -freie Diät beseitigt werden können. Das gelingt aber nicht. Schon vor langer Zeit wies Garrod darauf hin, daß die im Urin vorkommenden normalen Spuren Hb. bei Milchdiät nicht verschwinden, daß sie bei Säuglingen und Vegetariern zu finden sind. Fischer (5) fand bei 2 Vege- tarianern Hp. im Harn und Kot als normales Stoff Wechselprodukt. So inter- essant die bisherigen Ergebnisse sind, führen sie doch nicht zu einer restlosen Klärung des Problems der anormalen Hp. -Bildung. Garrod sagt in der neuen Ausgabe seiner ,,Inborn errors of metabolism": Mag die exogene Bildung von Porphyr inen vorkommen oder nicht, die endogene Entstehung eines Teiles der Porphyr ine kann nicht bezweifelt werden. Es ist weiterhin zu prüfen, wie sich in den tierischen oder menschlichen Organismus auf verschiedenen Wegen eingeführte Hämatoporphyrine verhalten, A>bau< UeöerQ Urin (Urohji + Uro? bilinoidjn) Faeces ( Enterohji + UrobilinoidinJ Abb. 4. Wanderung der Hämatoporphyrine im Organismus. welche Arten der Pigmentwanderung, der Ausscheidung oder des Abbaues in Frage kommen. Eine Orientierung über dieses Verhalten gibt Abb. 4. Hier sei nur erwähnt, daß künstliche, sowie natürliche Hämatoporphyrine bei oraler, subkutaner oder intravenöser Einführung in den Organismus hauptsächlich durch den Darm ausgeschieden werden, daß Uroporphyrin- Fischer bei oraler Gabe in gleicher Weise, dagegen bei subkutaner Gabe durch die Nieren aus- geschieden wird. Mesoporphyrin erscheint auf beiden Wegen nur in geringen Mengen, wird daher wohl im Körper größtenteils umgesetzt. Eine Förderung der Kalkablagerung in den Knochen von experimentell - rachitischen Ratten unter dem sensibilisierenden Einfluß des Hämatoporphyrins wird von van Leersum behauptet, ohne daß Kontrollen unter Lichtabschluß vorgenommen und auf eventuelle Färbung der Knochen mit Hp. geachtet wurde. Auch ohne die Annahme einer photodynamischen Wirkung des Hämato- porphyrins ist eine Förderung der Ca- Ablagerung im Knochen, wie sie van Leer- sum mit den Proben nach Mac Collum und Kossa feststellte, durch Adsorption von Hp. an Kalziumphosphate denkbar, zumal ähnliche Vorgänge bei Krapp- fütterung erwähnt wurden (A. Bauer in Beitr. z. Klin. d. Tuberk. Bd. 39 und 42). 632 H. Günther: Hämatoporphyrie. Größere Mengen injizierten Hämatoporphyrins wirken giftig, selbst tötend, geringe Mengen werden aber vertragen. Die Dunkelgiftigkeit der Hämato- porphyrine nimmt nach H. Fischer in der Reihenfolge: Hp.-Nencki, natives Hp., Uroporphyrin ab. Es sei besonders auf Fraenkels Experimente an ganz jungen Meerschweinen, Kaninchen und Hunden verwiesen, welche wochen- lang hindurch wiederholte subkutane Injektionen von 1,0 bis 1,5 ccm einer 0,5 bis l,0°/oigen wohl hauptsächlich Uroporphyrin enthaltenden Porphyrin- lösung offenbar gut vertrugen. Es läßt sich mit Hilfe von Hp. die Blutmenge des lebenden Tieres nach Günther(l) bestimmen. Hämatoporphyrin ist ein rot fluoreszierender Farbstoff, der im Organismus photodynamisch wirken kann (vgl. IV.). Fischer (10) hält es nicht für ausgeschlossen, daß die Porphyrine bei der Wirkung der ,, Vitamine" eine physiologische Bedeutung haben. Wenn natürliche Hämatoporphyrine als Zwischenprodukt beim Hämo- globinabbau auftreten, so muß der Körper normalerweise die Fähigkeit haben, das Hp. durch Abbau oder Umbau zu beseitigen. Wenn bei einem Kaninchen nach intravenöser Injektion von 1 mg Hp. nur der 10. Teil im Urin und Kot wieder gefunden wird, so kann man annehmen, daß zwar ein Teil wohl sich dem Nachweis entzogen hat oder erst später noch ausgeschieden wurde, daß aber ein beträchtlicher Teil im Körper umgeformt worden ist. Das Organ, welches in besonderem Maße zum Hämatoporphyrinumbau befähigt ist, ist nach Unter- suchungen von Sufier, Perutz und Günther die Leber. Milzgewebe, Nieren- gewebe, Herzmuskelbrei haben nach Günther (1) diese Fähigkeit nicht; auch der Glyzerinextrakt der Leber und anderer Gewebe ist unwirksam. Die Trans- formation des Hp. tritt nach Günther nur bei Brutschrankwärme ein. Nach Binder soll Hp. in vitro außer durch Leber auch durch Muskelsubstanz redu- ziert werden. Es wurde daher auch die Theorie aufgestellt (Sufier), daß das Auftreten anormaler Mengen von Hp. das Symptom einer Leberinsuffizienz sei. Der Leber wurde die Fähigkeit zugeschrieben, das überflüssige Hp. weiter abzu- bauen. Ein Abbau ist aber bei den bisherigen Experimenten mit Leberbrei nicht festgestellt worden, sondern nur eine Transformation bisher unbekannter Art. Die klinischen Beobachtungen Günthers (1) ergaben, daß zahlreiche verschiedene Lebererkrankungen mit Leberinsuffizienz ohne pathologische Hp. -Ausscheidung verlaufen. Bereits 1911 suchte Günther (2) das Auftreten anormaler Hp. -Mengen als Stoff Wechselanomalie zu deuten ,,ohne histologische Veränderung der Leber — infolge Fermentmangels". An die gleiche Möglichkeit dachte Gar r od (1), daß nämlich Mangel an einem Enzym bestehe, welches Hämoglobin in Bilirubin verwandle. Die Wirksamkeit von Leukozyten und deren Fermenten scheint ohne maßgebende Bedeutung zu sein. Bebrütung von Eiter mit Erythrozyt enemulsion ergab mit der Ätherextraktionsmethode keine Hp. -Bildung, und Bebrütung von Eiter in Hp. -haltiger physiologischer Kochsalzlösung oder Hp. -haltiger Aszitesflüssigkeit führte zu keiner quantitativen Verminderung des Hämato- porphyrins. Diese Übersicht zeigt, daß das Problem des Hämatoporphyrin-Metabolismus noch lange nicht gelöst ist. B. Bedeutung der Hämatoporphyrine in der klinischen Diagnostik. Archibald E. Gar r od hat zuerst nachdrücklich darauf hingewiesen, daß beim normalen .Menschen Spuren von Hämatoporphyrin im CJrin vorkommen. Bedeutung der Hämatoporphyrine in der klinischen Diagnostik. 633 Besonders wichtig ist auch der Befund von Hämatoporphyrin im ersten Meko- nium (Garrod, Günther); da hier exogene enterale Hämoglobinzufuhr und die Wirksamkeit einer Bakterienflora nicht in Betracht kommt, ist somit ein Beweis für eine endogene Hp. -Bildung gegeben. Günther (1) stellte außerdem fest, daß durch Zusatz von Darmbakterien zum Mekonium und aerobe oder anaerobe Bebrütung keine wesentliche Änderung des Hämatoporphyringehaltes erfolgt. Auch im späteren Lebensalter werden oft geringe Mengen Hp. im normalen Stuhl gefunden (Günther, Dorn). Die von Snapper betonte Notwendigkeit der pathologischen oder alimentären Zufuhr von Blutfarbstoffen mag in solchen Fällen zuweilen eine Rolle spielen, die im Sinne der Versuche Kämmerers eine besondere, spezifisch wirksame Bakterienflora besitzen. Doch ergibt sich aus Günthers Untersuchungen, daß z.B. die (auf Trockensubstanz berechneten) Hp. -Mengen des Mekoniums relativ größer sind als die im Kote normaler älterer Individuen gefundenen Mengen. Außerdem ist zu beachten, daß Hämatopor- phyrine durch die Gallengänge ausgeschieden werden und schon normalerweise Spuren dieses Stoffes mit der Galle in den Darm gelangen. (Über das Vor- kommen von Hp. in der Galle vgl. Becker.) In der klinischen Medizin ist es meist üblich, das Hp. des Harns durch Ad- sorption an die ausgefällten Kalziumphosphate (nach Garrod) zu gewinnen, obwohl auch andere Methoden möglich sind. Nach Günthers Erfahrungen sind die Vorzüge der einzelnen Methoden aus unbekannten Gründen sehr schwan- kende. Neuerdings fand Schumm, daß die geringen Hp. -Mengen des normalen Harnes ,, durchweg sicherer" durch Ätherextraktion aus dem mit Essigsäure angesäuerten Harn erfaßt werden. Die Anreicherungsmethoden zusammen mit der Spektroskopie reichen aus, um im normalen Harn und Kot mit Sicher- heit Spuren von Hämatoporphyrinen festzustellen. Eine genaue Spezifizierung durch schwierige chemische Analysen ist natürlich bei diesen Mengen nicht mög- lich. Nach einer Schätzung H. Fischers würden sogar 1000 Liter normalen Urins nicht ausreichen, um an der isolierten, reinen, kristallisierten Substanz genaue chemische Analysen vorzunehmen. Immerhin läßt das physikalisch- chemische Verhalten der verschiedenen Hämatoporphyrine eine Unterscheidung mit großer Wahrscheinlichkeit zu. Durch Prüfung dieses Verhaltens, beson- ders durch Aufnahmen mit dem Gitterspektrographen, kam 0. Schumm zu der Überzeugung, daß das ,, normale Harnhämatoporphyrin " mit den ent- sprechenden Eigenschaften von H. Fischers analysenrein dargestellten ,,Kot- porphyrin" übereinstimme, so daß die Möglichkeit der Identität sehr nahe gerückt sei. Nach der gleichen Methode konnte Schumm auch am Hp. des Mekoniums und der menschlichen Fistelgalle kein abweichendes Ver- halten feststellen. Niemals fand Schumm im Harn Gesunder das ,, patho- logische" Uroporphyrin Fischers, sondern das Hämatoporphyrin war stets ,, durchaus verschieden" von diesem. Das ist zunächst ein Grund mehr, an dem alten Namen ,, Hämatoporphyrin" für das „normale Harnhämato- porphyrin" oder ,, Kot porphyrin" usw. festzuhalten. Das von Günther (1) angegebene Verfahren zur quantitativen spektroskopischen Bestimmung des Hp. hat für klinische Zwecke hinreichende Genauigkeit. Die in normalen Urinen gefundenen Hp.- Werte liegen fast stets unter 0,1 mg in der Tagesmenge. Die Hp. -Werte im Kot werden am besten in Milligramm auf 100 g Trockensubstanz angegeben; sie betragen normal meist unter 1 mg. Im Mekonium finden sich aber höhere Werte (um 2 mg). Als Hämatoporphyrinurie (Hpurie) bezeichnet man die Ausscheidung von Hp. durch die Nieren in anormalen Mengen — in ähnlicher Weise, wie wir unter Albuminurie die Ausscheidung pathologischer Mengen Eiweiß verstehen, während in jedem Urin minimale Spuren zu finden sind. Man kann also nicht von Hpurie 634 H. Günther: Hämatoporphyrie. sprechen, wenn bei Krankheiten Hp. -Mengen ausgeschieden werden, die etwa den normalen Mengen entsprechen. Die normalen Werte im Harn schwanken also pro die etwa um 0,05 mg herum von minimalen, nicht mehr feststellbaren Mengen bis etwa 0,7 mg hinauf. 0,5 mg Hp. im Liter Harn oder etwa 0,75 mg in der Urintagesmenge soll nach Günther (1) die Grenze bilden, oberhalb welcher die anormalen Hp.- Mengen beginnen. An dieser Grenze zeigt der Hp. -haltige Urin mit HCl ange- säuert in 5 cm Schicht ein deutliches salzsaures Hp. -Spektrum. Es ist zweckmäßig, bei der Bezeichnung einer Hpurie an dieser Grenze streng festzuhalten. Wenn Hp. -Bestimmungen nur in Beziehung auf eine bestimmte Urinmenge (1 Liter) ausgeführt werden, so ist zu bedenken, daß bei starker Konzentration des Harnes auch relativ mehr Hp. ausgeschieden wird und anderseits bei starker Verdün- nung des Urins die Hp. -Ausbeute im gleichen Volum geringer ist. In früherer Zeit wurden bei Untersuchungen auf Hpurie die quantitativen Verhältnisse gewöhnlich gar nicht berücksichtigt. Es hat daher ein großer Teil der Literaturangaben über Hpurie bei. bestimmten Krankheiten (vgl. Günthers Monographie) gar keinen Wert. Es bedurfte jahrelanger Studien und Erfahrungen, um über die bei verschie- denen Krankheiten und im Gegensatz dazu bei der Konstitutionsanomalie des Porphyrismus vorkommenden Hp. -Mengen ein sicheres Urteil zu gewinnen. Nachdem Günther 10 Jahre hindurch an einem großen klinischen Material auf das Vorkommen von Hpurie geachtet hatte, konnte er die These aufstellen, daß die Hpurie kein Krankheitssymptom darstellt, sondern das Zeichen einer konstitutionellen Anomalie sui generis ist. Diese Ansicht wurde von Sc hu mm an einem ebenfalls großen Materiale vollauf bestätigt. Schumms gitterspektro- graphische Untersuchungen machen es außerdem wahrscheinlich, daß das bei verschiedenen Krankheiten gefundene Hämatoporphyrin mit dem Hämato- porphyrin im Urin Gesunder identisch ist. In Günthers Monographie finden sich Tabellen über quantitative Hp.- Bestimmungen bei besonders ausgesuchten eklatanten Fällen bestimmter Er- krankungen. Eine Durchsicht dieser Tabellen zeigt, daß bei diesen Krankheiten mannigfacher Art etwa 25% der Fälle Hp.- Werte der Urintagesmengen unter 0,001 mg (nicht genauer bestimmt) haben, daß die Werte bei 60% unter 0,051 und bei 80% unter 0,11 mg liegen. Wenn wir bei verschiedenen Krankheits- gruppen das arithmetische Mittel dieser Werte bilden, so finden wir z. B. Vergiftungen 0,04 mg pro die Anämien 0,06 mg ,, ,, Infektionskrankheiten . . . 0,09 mg ,, ,, Leberkrankheiten 0,16 mg ,, ,, Diese Übersicht lehrt, daß bei schweren Leberkrankheiten tatsächlich etwas höhere Werte als bei anderen Krankheiten gefunden werden, so daß der Leber im Sinne der im vorigen Kapitel besprochenen Theorie eine gewisse Bedeutung zugesprochen werden muß. Doch sind die hier gefundenen Tagesmengen noch minimal im Vergleich mit Werten, wie sie bei starker Hpurie des seltenen Por- phyrismus und der Konstitutionskrankheit der Hämatoporphyrie gefunden werden. Wenn Lebererkrankungen wirklich zu stärkerer Hpurie disponierten, müßte diese doch bei der Häufigkeit von Lebererkrankungen (Zirrhose, Lues. subakute Hepatitis) öfters beobachtet werden. Es geht ferner aus klinischen Erfahrungen bei Krankheiten mit starkem Erythrozytenzerfall und Hämo- globindestruktion hervor, daß diese und ähnliche Vorgänge keine gesteigerte, pathologische Hpurie bedingen. Als Beispiel nenne ich schwere Malariaanfälle, hochgradige Methämoglobinämie bei Vergiftung mit chlorsaurem Kali. Humatin- Bedeutung der Hämatoporphyrine in der klinischen Diagnostik. 635 ämie bei Nitrobenzolvergiftung, Hämoglobinurie, hämorrhagische Polymyositis [vgl. Günther (1)] und die neuerdings von Günther (6) beobachtete Myositis myoglobinurica. Es sei nochmals betont, „daß in Fällen von starker Hämo- globinämie Hämoglobinurie (resp. Methburie) und keine Hpurie auftritt (ähnlich auch bei Myoglobinämie), daß anderseits bei starker Hpurie keine Hämo- globinurie beobachtet wird". Der geringe arithmetische Mittelwert des Uro- hämatoporphyrins bei einer größeren Zahl klinisch beobachteter Vergiftungen wurde schon angeführt. Dabei handelte es sich teilweise um ,, Blutgifte" und die Leber schädigende Gifte. Bei der Behandlung dieser Fälle scheidet eine Gruppe von Vergiftungen aus, welche tatsächlich mit pathologischer Hpurie verlaufen, die aber als zur Krankheitsgruppe der Hpurie gehörig von einem anderen Ge- sichtspunkte aus zu betrachten sind und in einem späteren Abschnitt beschrieben werden. Auf zahlreiche andere Krankheiten, welche angeblich zuweilen mit Hpurie verlaufen sollen, wird unter Hinweis auf die hier gegebene generelle These nicht näher eingegangen. Hp. -Kämmerer ist bisher nicht im Harn beobachtet worden [Fischer (7)]. Der quantitativen Ausscheidung von Hp. im Urin geht oft die Ausscheidung von ,,Urobilin" oder „Urobilinoidin" annähernd parallel. Auch die im normalen Kot ausgeschiedenen Hp. -Mengen ergeben nur sehr geringe Werte. Die Kotuntersuchungen bei verschiedenen Krankheiten förderten ähnliche Verhältnisse, wie die Urinuntersuchungen; sehr zahlreiche klinische Untersuchungen (mit Dorn) führten zu der Erkenntnis, daß auch hier eine „pathologische" Vermehrung des Hp. als Krankheitssymptom nicht vorkommt. Aus den in Dorns Dissertation niedergelegten Tabellen lassen sich folgende Durchschnittswerte genauer quantitativer Bestimmungen (auf 100 g Trocken- substanz berechnet) feststellen: bei Leberkrankheiten (12 Fälle) 0,24 mg, bei anderen Erkrankungen ohne Darmblutungen (14 Fälle) 0,37 mg, bei zwei Patienten mit chronischer Obstipation 1,8 mg. Nach Fischer (7) ist der Farbstoff („Koproporphyrm") im Kot fast aus- schließlich als Leukoverbindung enthalten. Als Grenze für die anormale Steigerung der Hp. -Mengen des Kotes wurde von Günther (1) die Konzentration von 2 mg Hp. auf 100 g Kottrocken- substanz, gemessen nach der von ihm angegebenen Methode, gesetzt. Die Hp.- Ausscheidungen durch den Darm sind oft etwas größer als die im Urin. Zu einer genaueren Feststellung nimmt man am besten den Mittelwert der Stuhl- mengen von mindestens 3 Tagen. Es ergibt sich aber auch das umgekehrte Verhalten, wie aus einer Tabelle hervorgeht, die hier noch einmal gegeben wird, weil sie 1922 (1. c. S. 692) trotz richtiger Korrektur falsch gedruckt wurde. Diät Diät + Adsorbens 0,251 0,035 Die bereits erwähnte Möglichkeit einer Hp. -Bildung aus im Darm befind- lichen Blutmengen soll nach Snapper besonders bei Darmblutungen zum Aus- druck kommen. Es ergab sich aber ein eigentümlicher Unterschied, daß trotz Anwesenheit von Blutpigment im Kot bei Karzinom relativ viel häufiger Hp. gefunden wurde als bei Ulkus. Der Blut ström muß ja als Transportmittel für die Ausscheidung durch die Nieren benutzt werden. Nach Günthers (1) Berechnung (1. c. 647) ist aber die 636 H. Günther: Hämatoporphyrie. wahrscheinliche Hp. -Konzentration so minimal, daß der klinische Nachweis (außer bei der Hämatoporphyrie) ausgeschlossen ist. Auch Papendiecks (2) Untersuchungen an 100 Seren hatten ein negatives Ergebnis. Auch in hämorrhagischen Exsudaten und Harnsteinen konnte Günther (1) kein Hp. nachweisen. Es ergibt sich also, daß bei bestimmten Organerkrankungen der Nachweis von Hämatoporphyrin in Sekreten und Exkrementen keine klinisch-diagnostische Bedeutung hat. Abnorm große Mengen sind das Zeichen einer besonderen konstitutionellen Anomalie des Pigmentmetabolismus. C. Porphyrismus. Die Wesenskonstitution eines Organismus, durch die Ordnung der Erb- konstitution in ihren Grundzügen determiniert und durch Außenfaktoren phänotypisch modifiziert, stellt innerhalb der Mannigfaltigkeit der Spezies be- trachtet nur eine der ungeheuer zahlreichen Möglichkeiten dar, welche sich aus der Zufälligkeit der Verteilung der Erbfaktoren und der sehr mannigfachen Konstellation des äußeren Milieus ergeben. Wenn wir uns die Realisierung dieser Möglichkeiten nur in bezug auf ein einziges morphologisches oder physiologisches Merkmal in einer Variationsreihe geordnet vorstellen, so finden wir eine maximale Häufung von Individuen in einer bestimmten Wertklasse (bezüglich Größe oder Menge des Merkmales), welche einem gewissen Mittelbereich der Norm angehört. Außerhalb dieses Bereiches fällt in beiden Richtungen der größeren und klsineren Werte ein a geringere Zahl von Individuen, und an den beiden äußersten Enden der Kollektivreihe findet sich eine geringe Zahl von Individuen, welche innerhalb dieser Mannigfaltigkeit am seltensten auftreten. Diese Varianten bezeichnen wir als Anomalien, und die Abgrenzung des ganzen Normbereiches gegen diese Anomalien erfolgt nach einem bestimmten Verfahren [Günther (7)] so, daß die Anomalien nicht mehr als 5% der gesamten Kollektivzahl ausmachen. Ferner empfiehlt sich die Vereinbarung Günthers (8), von einer Anomalia rara zu sprechen, wenn ihre Häufigkeit weniger als 0,05 °/0 beträgt, und die Bezeichnung ,, Anomalia rarissima" nur bei einer Häufigkeit unter 0,001 % zu verwenden. Anomalien ergeben sich nun bai einer Spezies in verschiedenster Richtung der morphologischen und physiologischen Betrachtung. Abweichungen vom Mittelbereich des normalen Stoffwechsels (Eukrasie) bezeichnen wir als Dys- krasie. Im spezielleren Gebiete des Pigment metabolismus mag es mancherlei Dyskrasien geben, deren Erforschung erst in letzter Zeit begonnen wurde. Eine uns nun näher bekannte Dyskrasie des Pigmentmetabolismus bezieht sich auf das hier behandelte Vorkommen von freiem Hämatoporphyrin im Organis- mus. Der Forschung ist es gelungen, aine besondere Plus Variante dieser Dys- krasie aufzufinden, welche im Sinne der Definition eine Konstitutionsano- malie darstellt. Diese Konstitutionsanomalie heißt Porphyrismus. Das Hauptcharakterist ikum des Porphyrismus ist also das Vorkommen anormal großer Mengen von Hp. im Organismus. Nach der klinischen Erfahrung isl diese Anomalie als sehr selten zu bezeichnen. Bereits bei Erfassung der klinisch-pathologischen Gruppe der im nächsten Kapitel behandelten Hämato- porphyrie war es Günther klar, daß es sich im Grunde um eine Konstitutions- anomalie handelt; es findet sich bereits in der Arbeit von 1911 der Ausdruck: „besondere konstitutionelle Veränderungen". Erst die weitere klinische Be- obachtung konnte die Überzeugung festigen, daß es sich wirklich so verhält. Die Bezeichnung dyskrasische Konstitutionsanomalie bedeutet bezüglich <1< 1 I ■< tieee, daß es sich um eine endogene Überproduktion des Farbstoffs handelt; Porphyrismus. 637 denn eine exogen bedingte Konvertierung der Konstitution ist im Sinne der Konstitutionslehre keine Konstitutionsanomalie. Der Porphyriker ist also hinsichtlich seiner dyskrasischen Konstitutions^ anomalie ein Individuum, welches im Prozesse des Pigmentmetabolismus anormal große Mengen Hämatoporphyrin bildet, diese über die quantitative Grenze des Normbereiches hinaus im Harn und Kot ausscheidet und eventuell in nach- weisbaren Mengen in gewissen Körpergeweben aufspeichert. Das Auffinden solcher anormaler Varianten ist der Klinik erst auf Umwegen geglückt, indem solche Individuen besonders eklatante Krankheitssymptome der Hämato- porphyrie zeigen können. Nachdem aber nun die wissenschaftliche Erfassung dieser Konstitutionsanomalie gelungen ist, wird es in Zukunft auch möglich sein, solche Varianten bei der klinischen Forschung oder der pathologisch- anatomischen Autopsie zu entdecken. Bei der sehr großen Seltenheit dieser Anomalia rarissima werden allerdings diese Befunde nicht häufig vorkommen. Beobachtungen von Schumm und Schölbefg [vgl. Günther (1) S. 696] sind wohl als Porphyrismus zu deuten. Auf Grund der Beobachtung mehrerer Porphyriker gibt Günther (1) eine besondere klinische Charakteristik dieser Anomalie. Der Porphyriker erscheint als psychopathisch oder neuropathisch veranlagtes Individuum mit Neigung zu leichter nervöser Erregbarkeit, Schlaflosigkeit, Neurosen. Dunkle Pigmentierung der Haare und Neigung zu Hautpigmentation ist meist erkennbar. Je nach der konstitutionellen Disposition zu verschiedenen Formen der Hämatopor- phyrie ergibt sich noch die Korrelation zu anderen Konstitutionsanomalien, die bei Abhandlung dieser Formen besprochen werden. Der Urin braucht äußerlich nichts Auffälliges zu bieten ; der Geübte sieht vielleicht zuweilen eine rötliche Fluoreszenz. Die chemisch -spektroskopische Untersuchung enthüllt aber die Anwesenheit anomaler Mengen Hp. Bei geringer Konzentration des Urins nach größerer Wasserzufuhr wird natürlich der relative Hp.- Gehalt geringer sein. Auch die Tagesausscheidung des Hp. kann zuweilen in geringeren Mengen erfolgen. Die chemische Untersuchung der Fäzes offenbart die gleiche Ano- malie. Ein Zeichen dieser Anomalie ist auch die Ablagerung von Hp. in bestimmten Körpergeweben. Welche Bedingungen zur Ablagerung dieses Farbstoffes er- forderlich sind, wissen wir noch nicht. Da aber diese Ablagerung besonders (oder vielleicht nur) bei der kongenitalen Form der menschlichen Hämato- porphyrie vorkommt, welche sich durch die Anwesenheit des von H. Fischer rein dargestellten Uroporphyrins, also eines durch Addition weiterer 4COOH- Gruppen vom gewöhnlichen Hp. unterschiedenen Farbstoffes auszeichnet, da ferner von Schumm durch gitterspektrographische Untersuchungen die Anwesenheit des gleichen Uroporphyrin-Fischer in den hämatoporphyrischen Knochen mit Wahrscheinlichkeit festgestellt ist, kann man die Vermutung aussprechen, daß vielleicht diese Karboxylierung des Hp. eine Bedingung dar- stellt für die Ablagerung im Knochengewebe. Dieser Farbstoffdeponierung im Knochen geht meist eine Färbung des Zahn- zementes mit dem gleichen Farbstoff parallel. Es ist daher bei der klinischen Untersuchung von Porphyrikern mitunter möglich, einen extrahierten Zahn entsprechend zu untersuchen. Bei dem von Schumm beobachteten Porphyriker enthielt das Zahnwurzelzement kein Hp. Das Studium des Porphyrismus kann ferner von veterinär-medizinischer Seite in Angriff genommen werden besonders durch pathologisch -anatomische Verwertung des Materials von Schlachthöfen. Leider ist dem Verfasser eine entsprechende Fühlung bisher nicht in befriedigender Weise geglückt. Es ist nämlich seit längerer Zeit bekannt, daß die gleiche Anomalie, soweit sie sich 638 H. Günther: Hämatoporphyrie. auf die Ablagerung von Hp. im Knochengewebe bezieht, auch bei Tieren, be- sonders Schweinen und Rindern vorkommt. Der Nachweis dieser bei Tieren oft fälschlich als ,, Ochronose" oder „Osteohämochromatose" bezeichneten Anomalie wurde zuerst von v. Tappeiner an zwei Schweinen erbracht, deren Knochen in allen Schichten durch Hp. rotbraun gefärbt waren. Nach Erfah- rungen an Schlachthöfen handelt es sich jedenfalls bei Schweinen sowohl als bei Rindern um eine sehr seltene Konstitutionsanomalie. Die Rotbraun- bis Schwarzbraunfärbung wird, in allen Knochen, besonders den Wirbeln, an ossi- fizierten Knorpeln des Kehlkopfs und an Zahnwurzeln beobachtet. Zuweilen sind nur einzelne Skeletteile betroffen. Daß das Pigment wirklich im wesentlichen ein Hämatoporphyrin ist, wird durch die Untersuchungen von 0. Sc hu mm (7) an braunen Knochen von Schwein und Ochsen bekräftigt. Aus der Tatsache, daß an den betroffenen Knochen Zonen von geringerem und stärkerem Färb- st off gehalt sichtbar sind, die auf zeitliche Schwankungen in der Ablagerung des Pigmentes zu beziehen sind, kann man auf ähnliche Verhältnisse wie bei der menschlichen Anomalie schließen, welche auch mit quantitativen Schwan- kungen in der Bildung und Ausscheidung von Hp. "verläuft. Knorpel, Periost, Sehnen usw. nehmen das Pigment nicht auf, zeigen also nicht die Affinität, welche sie dem ochronotischen Pigment gegenüber haben. Auch innere Organe werden vermutlich von der Färbst offablagerung betroffen, da bei einem jungen Kalbe nicht nur Knochen und Schneidezähne, sondern auch Leber und Nieren tiefschwarzbraun gefärbt waren. Die Veterinär -medizinische Klinik wird in der Ambulanz kaum Gelegenheit haben, porphyrische Tiere zu entdecken. Wenn aber bei Schlachthof Veterinären hinreichend Interesse vorhanden ist, sollten bei einem unter "vielen Tausenden von Schlacht tieren vorkommenden Porphyrismus genaue Nachforschungen angestellt werden über das Verhalten des Tieres vor der Schlachtung, aus welcher Zucht das Tier stammt; von besonderem Interesse wäre es nun, weitere An- gehörige einer solchen Zucht zu untersuchen, um die Möglichkeit der Auffindung eines lebenden, für physiologische Versuche geeigneten porphyrischen Tieres zu steigern und eventuell durch Weiterzüchtung dieser wohl rezessiven Anlage die Zahl der Forschungsobjekte zu vermehren. Ein einziges Mal wurde fest- gestellt, daß der Harn einer porphyrischen Kuh einige Zeit vor der Schlachtung ,, blutig" war. Eine pathologische genuine Hämatoporphyrie ist beim Tier bisher noch nicht beschrieben worden. Es ist bisher auch noch nicht einwandfrei ge- glückt , auf experimentellem Wege durch Vergiftung eine krankhaft patho- logische Hpie zu erzeugen, welche symptomatisch der auf anormaler Kon- stitution beruhenden Hpie gleicht. Zahlreiche Experimente wurden z. B. unternommen, um durch chronische Sulfonalintoxikation bei Kaninchen Hpurie zu erzeugen. Den angeblich positiven Ergebnissen stehen ebenso viele negative Ergebnisse anderer Autoren gegenüber. Die Untersuchungen müssen mit genauen quantitativen Bestimmungen des Hp. vor Einleitung des Versuches und nach der Durchführung wiederholt werden . Vielleicht hat es sich in manchen Versuchen um wohl auch bei diesen Tieren vorkommende geringe Mengen in normalen Grenzen gehandelt. Die Versuchsanordnung muß auch immer den Bedingungen einer chronischen Intoxikation mit minimalen Gaben gerecht werden. Die von Günther geäußerte Möglichkeit ist hier zu referieren, daß verschiedene Kaninchenrassen Unterschiede in der Empfindlichkeit, also verschiedene kon- stitutionelle Disposition zeigen und eine Ungleichheit der Versuchsergebnisse bedingen können. Ähnliche Differenzen ergeben Sulfonalversuche bei Hunden. Durch chronische .Bleiintoxikation sollen bei Katzen und Kaninchen positive Er- gebnisse erzielt worden Bein. Derartige pathologische Resultate sind nicht mit der Porphyr ismus. 639 konstitutionellen Anomalie zu verwechseln. Erfahrungen über die toxische Form der menschlichen Hpyrie lehren (vgl. IV.), daß die konstitutionelle Basis des Porphyrismus oder eine Disposition zu dieser anormalen Erscheinung für das Eintreten des pathologischen Zustandes der Hpyrie erforderlich ist. Die konstitutionelle Anomalie des Porphyrismus kann bezüglich der Über- produktion von Hp. im Organismus in der Weise am Tier imitiert werden, daß durch immer wiederholte Injektionen von Hp. eine künstliche Über Wertig- keit der Hp. -Mengen im Organismus erzeugt wird. Diese wichtigen Experimente führte E. Fraenkel an Meerschweinchen, Kaninchen und Hunden aus. Es wurden den wohl im Dunklen gehaltenen Tieren lange Zeit hindurch kleine Hp.- Mengen täglich subkutan eingespritzt. Es gelang so bei jungen wachsenden Tieren die Hp. -Färbung der Knochen, bei intermittierender Behandlung auch entsprechende Zonenbildung. Bei experimentellen Knochenfrakturen trat Hp. -Färbung des Kallus auf [Fraenckel (2)]; das gleiche Ergebnis hatte schon Ad. Bauer (Zeitschr. f. Anat. u. Entwicklungsgesch. 1922. S. 66) bei Krapp- fütterung. Daß chronische Zufuhr von Farbstoffen auch per os zu Farbstoff- speicherung im wachsenden und regenerierenden Gewebe führen kann, ist ja lange bekannt. Die Rotfärbung der Knochen durch den Farbstoff der Krapp- wurzel wurde schon im 16. Jahrhundert beschrieben. Das in dieser enthaltene Alizarin geht mit dem Kalk der Knochen eine Verbindung ein. Die Feststellung wäre interessant, ob auch bei der Hp. -Färbung des Gewebes Kalkverbindungen eine Rolle spielen. Die Adsorptionsfähigkeit der Kalzium- phosphate ist ja aus den Gewinnungsmethoden des Hp. bekannt. Von toten Gewebsstücken nimmt das faserige Bindegewebe (subkutanes und peri- neurales) den Farbstoff in geringen Mengen an, während Fettgewebe, Gefäß- wandstücke, Sehnen und Knorpel nicht gefärbt werden [Günther (1)]. Die vorwiegende, fast selektive Vitalfärbung der sich bildenden Knochen hat also die Hp. - Einführung mit der Alizarinfütterung gemein. Doch sind inter- essante Färbungsversuche mit Alizarin anzuführen, welche zeigen, daß bei anderen Tierformen andere Gewebe der Vitalfärbung zugänglich sind. Wasserflohkrebse (Cladoceren) zeichnen sich durch Vitalfärbung des Nerven- systems mit Alizarin aus; diese Vitalfärbung in reiner Alizarinlösung tritt hier aber nach Beobachtungen Fischeis nicht nur als spezifische Artreaktion auf, es ergeben sich sogar in derselben Kultur individuelle Differenzen. Nur ein Beispiel, daß die Vitalfärbung feinere konstitutionelle Unterschiede sichtbar machen kann. Der Versuch liegt nahe, eine entsprechende Nervenfärbung durch Hp. bei Cladoceren zu erreichen. Fraenkels Versuche an lebenden Tieren ergaben nun, daß besonders Skelettknochen und Zähne und diese nur während der Wachstumsperiode das Hp. speicherten. Diese Färbst off ablagerungen waren schon intra vitam an der auffälligen Rotfärbung der Zahnkronen erkennbar (auch bei Krappfütterung beobachtet). Der Farbstoff war spektroskopisch in der Plazenta erkennbar, ging aber nicht in das Knochengewebe der Föten über. Da das verwendete Roh- produkt aus dem Harn eines Patienten mit kongenitaler Hpyrie stammte, ist es wahrscheinlich, daß es sich um eine Ablagerung des darin hauptsächlich vorhandenen Uroporphyrin-Fischer handelte. Es wurde bereits die Vermutung ausgesprochen, daß diese Modifikation wohl allein oder in höherem Grade als das gewöhnliche Hp. im Knochen deponiert wird (leicht experimentell prüf bar). Die Versuche Lignacs mit Hp.-Nencki verliefen zwar negativ, genügen aber noch nicht zu einer sicheren Entscheidung. Die Färbung der Nagezähne war bei jungen, lebhaft wachsenden Versuchstieren einmal schon nach 4 Tagen spurweise zu erkennen, in durchschnittlich 12 — 13 Tagen war die kirschrote Färbung deutlich ausgeprägt. Sie war zuerst an den basalen Teilen der 640 H. Günther: Hcämatoporphyrie. ; Krone sichtbar und zeigte bald an den oberen, bald an den unteren Nagezähnen größere Sättigung; die übrigen Zähne waren in geringerem Grade betroffen. Da die vorderen Nagezähnen auch bei ausgewachsenen Tieren permanent weiterwachsen und ihre Enden durch das Nagen ebenso schnell abgeschliffen werden, ist es verständlich, daß erstens auch bei ausgewachsenen Nagetieren eine Färbung dieser Zähne durch Hp. -Injektionen erzielt wird, während die nicht wachsenden Knochen sich nicht färben, und zweitens nach Sistieren der periodischen subkutanen Hp. -Zufuhr in 4 Wochen die Färbung wieder ziemlich ver- schwunden war. Indem der im Dentin abgelagerte Farbstoff durch die Schmelzschicht hindurch scheint, welche an der Vorderseite der Nagezähne stärker, an der Hinterseite aber schwach oder gar nicht ausgebildet ist, wird die Färbung äußerlich sichtbar. Die Skelett-Knochenfärbung junger Versuchstiere, die 4—5 Wochen lang täg- lich mit Hp. -Injektionen behandelt waren, läßt die beifolgende Abbildung (5) ausFraen- kels Arbeit (3) erkennen, welche Lendenwirbelsäule und Becken eines Meerschweinchens darstellt. Die Knochen sind im Gegensatz zu der rein kirschroten Farbe der Nagezähne mehr bräunlichrot gefärbt. Über diesen Sättigungsgrad schien die Knochenfärbung auch bei längerer Fortsetzung der Injek- tionen nicht wesentlich hinauszugehen. Fr aenkels histologische Untersuchungen von herausgebrochenen Knochenbälkchen und Schabsein der Kortikalis ergaben kein einheitliches Resultat. Einmal enthielten die Knochenzellen braune Pigmentkörnchen bei völlig farbloser Grund Substanz ; dagegen fanden sich in der Kortikalis eines Kaninchenfemur purpurrote tropf ige Pigment - t eilchen in den Haversschen Kanälchen und eine diffuse geringe Braunfärbung der Knochengrundsubstanz. Der so deponierte Farbstoff erleidet (abgesehen von langsamen Regener ations- vorgängen der Knochensubstanz) weder Abtransport, noch chemischen Abbau. Auch in der Leber und den Nieren einiger Versuchstiere Fraenkels und in geringerem Grade im Darminhalt konnte Hp. nachgewiesen werden, während die Milz stets frei von diesem Farbstoff war. Es ist von Interesse, entsprechende Versuche auch mit nativem Hp. (,,Koproporphyrin") und Hp.-Nencki anzustellen. Die Möglichkeiten einer genetischen Deutung dieser chemischen Anomalie ergeben sich aus den Ausführungen des 1. Kapitels. Doch ist eine befriedigende Erklärung noch nicht gefunden. Durch Abwegigkeit des Hp. -Ab- baues — indem Hp. als anormales, nicht mehr spalt- bares Intermediärprodukt auftritt — ist der Porphyris- mus nicht erklärbar, da sonst der normale Hämoglobin- abkömmling, das Bilirubin und sekundär das Darmuro- bilin vermindert sein müßte. Es findet sich aber im Gregenteil eine vermehrte Ausscheidung des ,,Uro- bilin" (soweit dieses nicht als Urobilinoidin aufzu- fassen ist). Obwohl diese abwegige Richtung des Pigmentstoffwechsels als dauerndes, eben konstitutionell fixiertes Merkmal erachtet werden muß, ist es doch möglich, daß bei der häufigen Variation der äußeren Konstellation auch dieser abwegige Metabolismus verschiedene Intensitätsgrade aufweisen kann. Es kann also vorkommen, daß zu gewissen Zeiten kleinere oder größere Mengen von Hp. gebildet werden. Vielleicht erfolgt auch zeitweilig eine stärkere sekundäre Umwandlung des Hp., so daß die Spuren der konstitutionellen Anomalie temporär verwischt werden. Der Farbstoff kann bekanntlich auch als Leukoverbindung, biso in farbloser Form auftreten. Die Untersuchung muß sich also auch auf diese Kodifikation des Hp. (Leukohp.) erstrecken. Ferner muß die Untersuchung vorgenommen werden, um nicht zu sehr von temporären Minimum- schwankungen getäuscht zu werden. Vorläufig gilt es, weitere klinische Daten zu sammeln, um das Symptomen- bild des Porphyrismus zu vervollständigen. Besonders ist im Sinne moderner Abb. 5. Meerschweinchen. Hämatoporphyrose der Lendenwirbelsäule und des Beckens. Nat. Größe. (Nach E. Fraenkel.) Krankheitsgruppe der Hämatoporphyrie. 641 Konstitutionslehre auf Korrelationen zu bestimmten morphologischen oder physiologischen Merkmalen zu achten. Das Studium des anormalen Pigment- metabolismus ist zu vertiefen. Nach Erfahrungen über die Hämatoporphyrie, die sich auf der Basis eines Porphyrismus entwickelt, müssen wir annehmen, daß die Eigentümlichkeit dieser Anomalie schon durch einen besonderen Anlagefaktor in der Erbkon- stitution festgelegt ist oder wenigstens, daß die Disposition zur Entwicklung dieser Anomalie in der Beschaffenheit der Erbkonstitution realisiert ist und die Manifestierung der Anomalie phänotypisch unter Einwirkung der Umwelt - faktoren erfolgt. D. Krankheitsgruppe der Hämatoporphyrie. Für die Entwicklung einer Krankheit ist die Konstitution des Organismus von großer Bedeutung. Die Konstitution selbst aber, resp. eine Konstitution - anomalie kann niemals begrifflich mit der Bezeichnung ,, Krankheit" sich decken. Es gibt aber Konstitutionsanomalien, welche zu einem krankhaften Zustand des Trägers führen können. Nur für solche Krankheiten, die sich allein auf der Basis einer Konstitutionsanomalie entwickeln, möchte Günther (7) die Bezeichnung ,, Konstitutionskrankheit" angewendet wissen. Ein interessantes Beispiel von Konstitutionskrankheiten ist die Gruppe der Hämatoporphyrie, welche nur auf der Basis des Porphyrismus entstehende Krankheiten umfaßt. Diese Krankheitsgruppe teilt sich in 2 Hauptformen, welche klinisch ein sehr differentes Symptomenbild bieten. Die Hauptform der akuten Hämato- porphyrie imponiert durch schwere bedrohliche Störungen der Darmfunktion und oft auch des Nervensystems, während die Haematoporphyria congenita durch Ablagerung von Hämatoporphyrinen im Gewebe und die eigenartigen Folgen der Lichtsensibilisierung durch den Farbstoff ausgezeichnet ist. Die gemeinsame konstitutionelle Grundlage bildet der Porphyrismus im weiteren Sinne, wie er vorher geschildert wurde. Es ist aber fraglich, ob die gleiche Form des Porphyrismus zu beiden Arten der Hämatoporphyrie dispo- nieren kann. Wahrscheinlicher ist, daß auch die Konstitutionsanomalie des Porphyrismus in wenigstens zwei Haupt modifikationen zur Ausbildung kommt, deren jede einer bestimmten Krankheitsdisposition zugeordnet ist. Es wurde bereits an die Möglichkeit gedacht, daß bei der zur Hämatoporphyrin-Ablagerung im Knochen führenden Form eine besondere Modifikation des Hämatoporphyrins, vielleicht die Karboxylierung zum Uroporphyrin-Fischer von maßgebender Bedeutung sei, welche vielleicht nicht bei allen Porphyrikern auftritt. Man soll aber seinen Gesichtspunkt nicht nur auf das Hauptcharakteristikum der Hämato- porphyrinbildung einengen; es können wohl auch Unterschiede ganz anderer Art von Bedeutung sein. Es ist noch nicht vorgekommen, daß ein Patient die typischen Krankheitszeichen der beiden Hauptformen zugleich geboten hätte. Die Erforschung dieser interessanten Krankheitsgruppe hat schon wichtige Tatsachen gefördert; immerhin befindet sie sich noch im Initialstadium. Um ein klares klinisches Krankheitsschema aufzustellen, sollten als Grund- lage nur die ,, typischen", gleichartigen Fälle verwendet werden. Die klinische Krankheit als Lehrgegenstand bleibt ein Schema und der kranke Mensch ist immer ein individueller, besonderer Fall. Es gibt stets Grenzfälle, die nicht in das Schema passen. Diese sollen uns hier nicht interessieren. Als Günther (2) im Jahre 1911 die Hämatoporphyrie als besondere Krank- heitsgruppe beschrieb, ließen sich nicht alle Fälle den beiden Hauptformen unterordnen, sondern es blieben drei Fälle, darunter ein selbst beobachteter übrig, welche weitgehende Ähnlichkeit mit der kongenitalen Hämatoporphyrie Blutkrankheiten II. 41 642 H. Günther: Hämatoporphyrie. boten, aber doch in dem wesentlichen Punkts abwichen, daß sie nach der Krank- heit sgeschichte nicht als ,, kongenital" bezeichnet werden konnten; es mußte damals damit gerechnet werden, daß diese als „chronische Hämatoporphy- rie" bezeichneten Fälle durch exogene Einflüsse pathogenetisch entstanden sein konnten. Im Jahre 1922 war die Zahl dieser Fälle auf 8 angewachsen1). Der Beginn der Krankheitserscheinungen wurde frühestens im 4. Lebensjahre 2), in der Hälfte der Fälle nach dem 24. Lebensjahre angegeben. 1922 heißt es: „Die Existenz der chronischen Hämatoporphyrie als besonderer Krankheits- spezies ist immer noch etwas problematisch." ,,Für kongenitale Grundlage spricht die Familiarität des Leidens" (es wurde einmal bei Vater und Sohn beobachtet). In diesem Falle ,,wäre die Haematoporphyria chronica nur ge- wissermaßen eine leichteste Form der kongenitalen Hämatoporphyrie". „Mit der akuten Hämatoporphyrie hat diese Krankheitsf oi m gemeinsam, daß die Krankheitssymptome im späten Kindesalter oder erst im mittleren Alter in seltenen oder öfteren Paroxysmen, manchmal nach prodromalen Intestinal- störungen auftreten." Nach dem jetzigen Stande der Forschung ist es sehr wahr- scheinlich, daß diese Fälle besondere Abarten der kongenitalen Hämatoporphyrie mit leichteren Krankheitssymptomen darstellen. Vorläufig mögen sie ganz in der Versenkung verschwinden. Es folgt daher nur die Beschreibung der akuten und der kongenitalen Hämatoporphyrie. 1. Haematoporphyria acuta. Die eine Hauptform, welche als pkute Hämatoporphyrie (Hpyria ac.) be- zeichnet wird, läßt sich auf Grund einer großen Zahl von klinischen Beobach- tungen als wohl charakterisiertes Krankheitsbild darstellen. Diese Krankheit tritt in Form von akuten Anfällen auf; die oft sehr schweren Attacken können sich mit geringer oder stärkerer Intensität im Laufe der Jahre mehrmals wieder- holen. Durch mehrjährige Beobachtung ist nun Günther (3) der sichere Nach- weis geglückt, daß in den Intervallen zwischen den krankhaften Paroxysmen kein normaler Zustand besteht, sondern daß die betreffenden Individuen die Konstitutionsanomalie des Porphyrismus darbieten. In dieser Zeit können sie bis auf die geringen, dem Porphyrismus eigenen Symptome ziemlich normal und gesund erscheinen; sie haben gewöhnlich keinen Anlaß, sich in ärztliche Beobachtung zu begeben oder fallen bei Angabe etwaiger ne urasthenischer Beschwerden nicht als Besonderheiten in der großen Schar der Neurastheniker auf. Der pathogenetische Vorgang der „Auslösung" des akuten Anfalles ist völlig unbekannt. Daß eine besondere Konstellation der Außenfaktoren dazu nötig ist, darf man wohl annehmen. Bei einem Teil der Fälle ist bekannt, daß eine pathogenetische Bedingung im Kausalnexus mit vorhanden ist, welche aber keinesfalls als alleinige Ursache angesehen werden darf. Diese Bedingung ist der chronische Einfluß gewisser Medikamente oder Gifte auf den Körper. In solchen Fällen, die der Unterart der Haematoporphyria acuta toxica angehören, addiert sich der konstitutionellen Basis des Porphyrismus noch der chronische Zustand des Sulfonalismus, Trionalismus usw. Aber auch hier reichen diese beiden Momente zur Auslösung des betreffenden Krankheits- zustandes noch nicht aus. Es gibt außerdem zahlreiche Fälle, bei denen ein exogenes toxisches Moment nicht bekannt ist. Diese Krankheitsform wird als genuine oder idiopathische Form der akuten Hämatoporphyrie bezeichnet. Der akute Anfall beginnt plötzlich mit äußerst heftigen Kolikschmerzen in der Ober- oder Unterbauchgegend, oft als epigastrischer oder symphysärer ii 'in typischer Hydroa fall von Senear-Fink. ilw in Monogr. ist Druckfehler. Haematoporphyria acuta. 643 Schmerz beschrieben. Der epigastrische Schmerz kann nach der Schulter, der hypogastrische nach Kreuz und Oberschenkel ausstrahlen. Trotz der Schwere des Krankheitsbildes fällt bei der Palpation die Schlaffheit der Bauchmuskulatur auf und selbst bei den heftigsten Schmerzen kann man besonders bei psychischer Ablenkung das Abdomen leicht und tief eindrücken. Dieses differentialdia- gnostisch wichtige Symptom, welches sich übrigens oft auch bei Bleikolik findet, spricht dafür, daß die Schmerzen wohl durch Darmspasmen ausgelöst werden. Zuweilen kann man Darmsteifungen oder palpatorisch spastische Darm- kontraktionen nachweisen. Meist tritt im Anfall Erbrechen ein, das Erbrochene ist oft durch Galle gelb gefärbt. Außerdem besteht Stuhlverhaltung, die sich bis zu dem Phänomen des spastischen Pseudoileus steigern kann. In min- destens zwei Drittel der Fälle ist die Trias: Darmkolik, Erbrechen, Stuhl- verhaltung vorhanden. Schüttelfrost ist im Anfall selten, öfters besteht leichtes Fieber. Das diagnostische Hauptsymptom der Krankheit ist die stark vermehrte Ausscheidung von Hämatoporphyrin im Kot und im Harn. Während die Fäzes auf der Höhe der Erkrankung wegen hartnäckiger Obstipation oft auch nach Einlauf nicht untersucht werden können, zeigt der in sehr verminderter Menge hochkonzentriert ausgeschiedene Urin eine eigenartige braunrote Fär- bung, welche den Aizt sofort auf das Bestehen einer ganz besonderen Affektion hinweisen muß. Je nach der Menge des Hämatoporphyrin und der Anwesenheit anderer Pigmente gleicht die Farbe mehr dem Malagawein, Kirschenwasser, Portwein oder ist schon in dünner Schicht schwarzbraunrot. Auf der Höhe des Anfalles ist die Farbe des Urins meist am dunkelsten, im Verlaufe des Anfalls nimmt sie nach anfänglichen quantitativen Schwankungen allmählich an Inten- sität ab bis zu scheinbar normalem Verhalten. Die Dunkelbraunfärbung wird durch das stets mit vorhandene Uro bil in und besonders das Urofuszin be- dingt. Wenn die Farbe schon heller geworden ist, läßt sich doch oft ein Nach- dunkeln beobachten, welches auf Urobilinogen und Leukohämatoporphyrin zu beziehen ist. Auch Fischers Uroporphyrin wurde in einzelnen Fällen ge- funden. Der Urin zeigt stets saure Reaktion, zuweilen ist Albuminurie und Zylindrurie als Zeichen einer toxischen Nierenreizung vorhanden. In der Regel kommt Hämoglobin, Hämatin oder Bilirubin im Harn nicht vor. Wenn nach Rückgang der hartnäckigen Darmspasmen schließlich nach 8 und selbst 10 Tagen Stuhlgang erfolgt, so findet man gewöhnlich einen spa- stischen kleinknolligen schwärzlichen Kot, dem blutiger Schleim beigemengt sein kann. Das mikroskopische Bild der Darmbakterienflora hat keine Be- sonderheiten ergeben. Wichtig ist nun die chemische Feststellung, daß der Stuhl Hp. enthält, und zwar oft in größeren Mengen als der Urin. Diese Tatsache ist wohl manchen noch nicht klar geworden, die es vorziehen, die Krankheit Hämato- porphyrie in „Porphyrinurie" umzutaufen. Nach der Wiederkehr normaler Darmpassage kann in kurzer Zeit wieder völliges Wohlbefinden eintreten. Der Urin zeigt wieder normale hellgelbe Farbe und läßt nur bei genauerer Untersuchung noch vermehrte Hämatoporphyrin- mengen erkennen. Die Anfälle können sich aber im Laufe der Jahre öfters wiederholen. Einzelne Attacken können als schwerer Ileus imponieren, oder der Unkundige kommt zur Diagnose einer Appendizitis, Cholelithiasis, Nephro- lithiasis und der Patient wird dem Messer des Chirurgen überliefert. Die richtige Stellung der Diagnose schützt zwar den Patienten vor einer unnötigen Operation und trotz des oft bedrohlichen Charakters des Krankheits- zustandes ist ein günstiger Ausgang zu erhoffen. Doch ist die Prognose bei öfterer Wiederkehr der Attacken keine besonders gute. 41* 644 H. Günther: Hämatoporphyrie. Ein gefährliches Symptom ist die Komplikation mit Störungen des Nerven - syste ms. Einzelnen Anfällen können sich Parästhesien, Störungen der Berührungs- und Schmerzempfindung, Paresen, ferner epileptiforme Anfälle und Psychosen hinzugesellen. Selbst Lähmungen wurden beobachtet, die wieder völlig zurück- gingen. So können mehrere Anfälle mit leichteren neuropathischen Kompli- kationen doch wieder überwunden werden. Die Zahl der Fälle ist aber nicht gering, die unter Zunahme der polyneuritischen Symptome, unter Auftreten von Lähmungen der Extremitäten, Ischurie, Lähmung der Stimmbänder, des Schluckmechanismus, der Augenmuskeln und schließlich Zwerchfellähmung mit dem Symptomenbild der aszendierenden Paralyse (Landry) zugrunde gingen. Wenn wir die Literatur der genuinen und toxischen Hämatoporphyrie zusammen überblicken, so finden wir unter 110 Fällen 66, welche unter den klinischen Erscheinungen der aszendierenden Paralyse letal verliefen. Dieser hohe Prozentsatz (59,5 °/0) darf aber nicht als Maßstab für die Mortalität der akuten Hämatoporphyrie eingesetzt werden, da man wohl annehmen kann, daß eine nicht unbeträchtliche Zahl von Fällen nicht diagnostiziert und nicht beschrieben worden sind, welche nicht zum Tode führten. Nach dieser allgemeinen Schilderung des Krankheitsverlaufes sollen die einzelnen Unterarten der akuten Hämatoporphyrie besonders besprochen werden. a) Haematoporphyria acuta idiopathica. Nachdem bei der letzten monographischen Bearbeitung 6 Fälle aus der Kasuistik gestrichen waren, soll jetzt noch ein atypischer Fall von Dana aus- geschaltet werden, so daß das Beobachtungsmaterial mit neun neuen Beobach- tungen 31 Fälle umfaßt. Die Erkrankungen fallen hauptsächlich in das 3. bis 5. Jahrzehnt. Eine weibliche Sexualdisposition scheint vorhanden zu sein (68°/0 $). Die nur anamnestisch eruierten Fälle wurden nicht mitgezählt, sonst würde sich die Zahl der weiblichen Patienten noch um mindestens 3 ver- mehren. Die konstitutionelle Basis des Porphyrismus kann man bei manchen Fällen der Literatur vermuten. Eine neuropathische resp. psychopathische Komponente läßt sich in mindestens 1/3 der Fälle annehmen. Trotz dieses konstitutionellen Momentes ist die Familiarität resp. Heredität des Leidens auf Grund der Literatur berichte nicht besonders ausgeprägt; doch, darf man vermuten, daß größerenteils hierauf nicht besonders geachtet worden ist. Günther nahm in seinen Fällen nicht nur anamnestische, sondern chemische Untersuchungen bei Familienmitgliedern mit negativem Ergebnis vor. Eine Publikation von Barker und Estes ist aber von großer Wichtigkeit, da sie in einem Falle Familiarität und wohl auch Heredität erkennen läßt. Zwei Schwestern der beobachteten Patientin starben unter ähnlichem Symptomenbild, auch eine dritte Schwester habe ähnliche Krankheitserscheinungen gehabt. Bemerkens- wert ist, daß die Geschwister alle im gleichen Alter (18 — 22 Jahren) an akuter Hämatoporphyrie erkrankten, aber nicht etwa durch eine gemeinsame Infektion, Intoxikation usw., da mindestens 4 Jahre zwischen den einzelnen Erkrankungen liegen. Angeblich hatten die Mutter und Großmutter mütterlicherseits Anfälle von Erbrechen, Leibschmerz, Obstipation mit Veränderung der Urinfarbe. Außerdem ist eine Häufung von Neuropathien in der Familie der Erkrankten erkennbar, z. B. Mutter und Schwester nervös (Günther, Grünewald), Mutter nervenkrank (Maase), Vater Hypochonder (Bostroem). ** Zur genaueren Schilderung des Krankheitsverlaufes seien zwei Fälle Gün- i berg (3) nochmals kurz beschrieben unter Hinzufügung neuer Beobachtungen. Haematoporphyria acuta idiopathica. 645 1. Fall. Jos. Proh. (tf, geb. 10. 10. 1897), Elektromonteur. Im Winter 1916, also mit 19 Jahren, traten zuerst „Magenkrämpfe" auf, die allmählich an Häufigkeit zunahmen. Frühjahr 1917 öfters Erbrechen. Nach Angaben der Eltern war der Urin schon seit 1916 öfters auffällig dunkel gefärbt. Am 20. 8. 1919 begann Anfall akuter Hpyrie, zunächst mit Leibschmerzen unterhalb des Nabels, die nach zwei Tagen heftiger wurden. Vom 22. 8. ab Stuhlverhaltung bis 1. 9. Am 23. 8. wurde dunkelrote Farbe des Urins beobachtet, die während des Anfalls persistierte. 26. 8. Aufnahme in Klinik. Stuhl verhaltung, Leib- schmerz, Singultus. Die Röntgenuntersuchung mit Bariumkontrastmahlzeit am 28. 9. Abb. 5. Röntgenbild des Intestinaltraktus von Fall 1. ergab ein eigenartiges Bild der Stenose im oberen Dünndarm, welches Abb. 6 demonstriert. Der auffällig weit nach rechts reichende Pylorusteil des Magens hebt sich durch eine große Gasblase in der rechten Kolonflexur besonders auffällig hervor; das Querkolon wird auch durch starke Gasfüllung teilweise sichtbar. Es findet sich eine Atonie des Pylorus und des Colon ascendens und transversum mit starker Gasfüllung des Magenfornix und der Kolonflexuren. Zunächst erfolgt oberhalb der spastisch kontrahierten oberen Dünndarm- schlingen eine Stauung des Darminhaltes, dann nach lang verzögerter Passage eine Stauung im atonischen Dickdarm (die Breite des Colon ascendens und transversum beträgt unter Berechnung der projektiven Vergrößerung 8—9 cm), bis schließlich 100 Stunden nach Einnahme der Bariummahlzeit und 10 Tage nach der letzten Stuhlentleerung die ersten Kotmengen nach Einlauf erscheinen. Stuhl und Urin enthalten reichlich Hämatoporphyrin, ebenso wohl die Galle, da im gallehaltigen Mageninhalt Hp. nachgewiesen wurde. Der 646 H. Günther: Hämatoporphyrie. Urin "Wird in geringen Mengen, mit stark saurer Reaktion und dunkelroter Farbe entleert; vom 31. 8. bis 3. 9. ist die Farbe schwärzlich-braun, wohl hauptsächlich durch Urofuszin- gehalt. Auch Hämatoporphyrinogen und reichlich Urobilin sind vorhanden. Im Zentrifugat sehr zahlreiche Epithelien, Leukozyten, mäßig viele granulierte Zylinder und Schleim- fäden. Seit 6. 9. spontane Entleerung schwärzlich-braunen festen Stuhles mit blutigen Schleimmassen an der Oberfläche. Allmählicher Rückgang der Erscheinungen. Am 8. 10. geheilt entlassen. Nachuntersuchungen im Frühjahr und Sommer 1920 ergeben noch über die Norm gesteigerte Hp. -Mengen in Harn und Kot. Die genaueren klinischen Unter- suchungen im Dtsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 134; genauerer Röntgenbefund in Assmanns Lehrbuch. In den folgenden drei Jahren sind seitdem keine schweren Anfälle aufgetreten, wohl aber 1921 etwa alle 6 Wochen ein ganz leichter Anfall von Kolikschmerzen, welche 1 bis 2 (auch 3) Tage dauerten und mit Obstipation und Sodbrennen verbunden waren. Erbrechen ist niemals erfolgt. Später traten die Anfälle seltener und in ungleichmäßigen Intervallen auf; das größte Intervall betrag 3 Monate. In den 3 Jahren wurde niemals vom Patienten eine Rotfärbung oder auffällig starke Dunkelfärbung des Urins beobachtet. Er war immer voll arbeitsfähig. Die schon früher vorhandene Nervosität besteht noch in gleicher Stärke und erfährt während der Anfälle eine Steigerung. Erwähnenswert ist noch, eine Angabe, daß ein gewisser Zusammenhang der Anfälle mit der Sexualfunktion zu bestehen scheine, indem mehrmals nach übermäßig starkem nächtlichen Sexualverkehr (mit 3 Ejakulationen) am folgenden Tage ein leichter Anfall auftrat. Eine Nachuntersuchung am 8. 8. 1923 ergab noch reichlich Sommersprossen im Gesicht. Urin zeigt nach HCl-Zusatz deutliche rote Fluoreszenz und Hp.- Spektrum. Hp. -Menge im Urin etwa 0,5 mg pro Liter. Nach starker psychischer Erregung am vorhergehenden Tage hat Urin am 13. 8. wieder Portweinfarbe; Hp. mit Äther extrahiert, entsprechende Konzentration 13 mg Hp. pro Liter; wenig Urobilin, im immer noch portweinfarbigen Urinrückstand reichlich ein brauner Farbstoff, wohl Urofuszin. Am 16. 12. 1923 Urin bernsteinfarbig, Hp. anormal gesteigert. 2. Fall. Frieda Te., 40jährige Lehrerin (geb. 1880). Frühgeburt, immer schwächlich, mit 3 Jahren laufen gelernt, als Kind öfters Leibschmerzen, seit 13. Jahre Menstruation mit Beschwerden. Häufig Obstipationsbeschwerden (1901, 1915, 1918). Nervosität. Eine besondere Färbung des Urins ist früher nicht aufgefallen. Ob die früheren Obstipations- beschwerden mit Leibschmerzen schon leichte Hpyrie-Anfälle waren, läßt sich nicht ent- scheiden. Erster sicherer Anfall begann 17. 3. 1920 angeblich nach psychischen Erregungen. War vom 6. 4, bis 20. 5. in medizinischer Klinik. Verlauf und genaue klinische Unter- suchung im Dtsch. Arch. f. klin. Med. 134. Ein zweiter Anfall mit klinischer Beobachtung vom 3. 12. 1920 bis 19. 3. 1921 ist in Monographie 1922 beschrieben. Im Sommer 1921 gute Erholung. Zeitweilig hatte aber Urin wieder dunkelrote Farbe, besonders Oktober 1921. Im Frühjahr 1922 wieder Steigerung der Nervosität durch Anstrengung (mußte wegen Straßenbahnstreik täglich 2 Stunden marschieren); öfters Leibschmerzen und leichte Obstipation. 3. Anfall während des Erholungsurlaubs am 10. 4. 1922. Obstipation, Oligurie, dunkel- rotbrauner Urin. Letzte Menstruation am 3. 4. Einer bekannten Krankenschwester war es aufgefallen, daß in diesen Tagen eine merkbare stärkere Braunfärbung des Gesichtes eingetreten war. In den nächsten 3 Tagen 3 mal Erbrechen. Klinische Beobachtung 13. 4. bis 8. 5. 1922. Verlauf typisch, ohne besondere psychische oder neurologische Sym- ptome. Die starke Oligurie und Hpurie ging mit Nachlassen der Obstipation allmählich zurück. Seit 21. 4. Besserung des Befindens, Blutuntersuchung am 15. 4. ergab 5,5 . 106 Erythrozyten, 90°/0 Hb., 5200 Leukozyten. Am 2. 5. war Urin wieder hellgelb und ent- hielt relativ wenig Hp. (unter 0,2 mg pro Liter). Tachykardie bis 140; nach Abklingen des Anfalls geht Puls in Hauptlage von 96 zurück. 4 Anfall begann am 22. Februar 1923 mit heftigsten Leibschmerzen, 2 mal Erbrechen, Obstipation. Periode in letzter Zeit regelmäßig. Die Höhe des Anfalls ist wieder in der prämenstruellen Zeit. Vom 27. 2. bis 17. 3. in medizinischer Klinik. Kurzer Bericht über diesen Anfall in der Medizinischen Gesellschaft Leipzig am 6. März. Befund: Wieder dunkler pig- mentiert, einige chloasmaartige größere Flecken im Gesicht Hyperästhesie in Unter- bauchgegend. Eindrücken ohne wesentliche Schmerzverstärkung. Urin dunkelrot bis lieh. Sehr reichlich Hp. und Urobilin. Am 28.2. Röntgenuntersuchung kgendarmkanals, die ähnliche Ergebnisse wie bei den früheren Anfällen hat; nach Duodenum und Ileum besonders im kleinen Becken zusammen- efüllt, keine Zökumfüllung, nach 24 Stunden ist Colon ascendens und trans- versuin sta >'lt Starke Schmerzen, häufiges Erbrechen, Morphium. 29.2. ergib die Bpektn Untersuchung des oativen Urins 5,2 mg Hp. pro Liter; bis 1. 3. ist die Farbe i itbraun. Am 2. 3 Schmerzen geringer, nach Einlauf etwas Stuhl, Drin in entleert, 1400 (spezifisches Gewicht 1009), hellgelb, mit wenig Haematoporphyria acuta idiopathica. 647 Hp. und sehr wenig Urobilin. Am 3. 3. Einsetzen der Menstruation (bis 6. 3.). 6. 3. keine Schmerzen. Aufstand. Urin hellgelb, nur geringe Mengen Hp. Urin enthält bis zur Ent- lassung (am 17. 3.) Urobilinogen. Die Bräunlichfärbung der Haut wird allmählich geringer. Blutuntersuchung auf vital granulierte Erythrozyten durch Dr. Weigeldt ergab im Anfall 1,3%, im Intervall bis 0,9 %, während normal nach Naegeli höchstens 0,2 °/0 ge- funden werden. Nachuntersuchung am 21. 6. 1923. Hat seit Entlassung als Lehrerin Dienst getan. Allgemeinbefinden wechselnd. Urin sei jetzt immer früh heller und mittags dunkler. Unter- suchung der mitgebrachten Urinproben ergibt: Frühurin hellgelb mit rötlicher Fluoreszenz. WenigHp. (0,5mg pro Liter) mit Wärmespektrum im nativen Urin. Nach Zusatz von HCl viel Gasentwicklung durch Karbonate und Rosafärbung, wenig Leukohp , nach KMn04- Zusatz Hp. 0,6 mg pro Liter. Der Mittagsurin ist in Flasche schwarzrotbraun und noch in 1 cm Schicht dunkelbraun; Wärmespektrum des Hp. Leukohp. nicht nachweisbar. Hp. -Konzentration 6 mg pro Liter, also das Zehnfache des Morgenurins. Am 9. 3. 1924 Hp. im Urin pathologisch vermehrt. Bisher kein neuer Anfall. Im Vordergrund der klinischen Krankheitserscheinungen stehen die Störungen der Dar Infunktion. Die äußerst heftigen Kolikschmerzen und Passage- störungen Werden durch lokale Spasmen des oberen Dünndarms bedingt. Warum die Spasmen gerade hier auftreten, ist nicht bekannt. Andere Darmpartien können dagegen atonisch sein, so der Magen und das Colon ascendens [Günther (3)]. Besonders wichtig ist ein Sektionsfall von Barker und Estes, welcher eine auffallende Erweiterung des Magens und des Duodenums und Kontraktion des Ileums sowie leeren Dickdarm ergab. Ähnliche Erscheinungen sah Günther (x) bei einer mit subkutaner Hp. -Injektion behandelten Maus. In Günthers Hämato- porphyriefällen fand sich eine atonische Obstipation mit starker Gasfüllung, besonders an der Lienalflexur. Die Darmspasmen und die atonische Obsti- pation vom Aszendenstypus haben eine hartnäckige Stuhlverhaltung zur Folge, welche bis 10 Tage anhalten kann. Die Darmschleimhaut gerät in Mitleidenschaft, es findet sich blutiger Schleim an der Oberfläche der harten Kotknollen; selten werden auch ,, okkulte" Blutungen oder sogar blutige Diar- rhöe beobachtet. Grünewald sah Gastroptose, starke Darmspasmen, mangelnde Peri- staltik und verzögerte Entleerung des Magens. Mobitz berichtet über einen nicht ganz typischen Fall, bei dem röntgenologisch Pylorospasmus und ver- langsamte Dünndarmentleerung festgestellt wurde. Ein weiteres wichtiges Symptom sind in schwereren Fällen die Störungen des Nervensystems. Schlaflosigkeit, die teilweise durch die heftigen Kolik- schmerzen hervorgerufen wird, ist oft vorhanden. Leichte Sensibilitätsstörungen (Parästhesien), suprasymphysäre hyperalge tische Zonen kommen auch in leichteren Fällen vor. „Polyneuritiden" oder Neurotoxikosen mit Sensibilitäts- störungen und Lähmungen (öfters Radialislähmung), selbst vorübergehende Amaurose kommen auch bei günstig verlaufenden Fällen vor. Der Liquor - befund ist normal. Neuerdings wurde von Thiele ein Fall berichtet, der genauer neurologisch und psychiatrisch beobachtet wurde. Der Anfall verlief bisher mit Hyperalgesie der Haut, Muskeldruckempfindlichkeit, Dehnungsschmerz des Ischiadikus, Ny- stagmus, Erschwerung der Blickrichtung nach beiden Seiten bei normalen Sehnen- reflexen, Delirium. Nach Abklingen des Deliriums rasch progrediente schlaffe atrophische, ziemlich symmetrische Lähmung an Rumpf und Extremitäten, an letzteren allmählich vom Ansatz distal fortschreitend mit Erlöschen der Sehnen- und Knochenreflexe. Es tritt partielle EaR. und schließlich an den proximalen Extremitätenmuskeln komplette EaR. ein. Zunehmende Fazialis- schwäche (besonders unterer Ast), doppelseitige Phrenikuslähmung und doppelseitige Rekurrenslähmung; Parese des Sphincter ani et vesicae. Pyra- midensymptome waren niemals vorhanden. Hypästhesie für Berührung und 648 H, Günther: Hämatoporphyrie. Temperatur „von im groben segmentalen bzw. radikulären Charakter" bei wechselnden Angaben über Schmerzempfindung und intakter Tiefensensibilität. Es wurde ein, polyneuritischer Prozeß mit primär radikulärem Angriffspunkt der Noxe angenommen. Ein solcher Verlauf gibt eine sehr schlechte Prognose. Schwere Poly- neuritiden, besonders vom Typus der (aszendier'enden) Landryschen Paralyse , verlaufen meist letal. Von allen bisher beschriebenen Fällen genuiner akuter Hämatoporphyrie endeten über 60% auf diese Weise tödlich. Ein von Simons beobachteter Patient (24 jähr. <3) hatte zunächst eine schwere Polyneuritis ziemlich überwunden, erlag aber kurze Zeit darauf einem Rückfall. Der Hämatoporphyrie -Anfall begann mit suprasymphysärem Schmerz, Obstipation und Portweinfarbe des Harns. Nach 2 Wochen Parese der Arme, Heiserkeit, starker Schweiß. Später Kachexie, Tachykardie, tiefe Atmung, Nystagmus nach rechts, doppelseitige Rekurrenslähmung, schwache Bauch - presse, Hypotonie der Nackenmuskulatur, Parese und elektrische Störungen der atrophischen Schultermuskeln und oberen Extremitäten; Druckempfind- lichkeit der Muskeln und Nerven der Extremitäten, Patellarreflex nur rechts, Achillesreflexe und Bauchdeckenreflexe fehlend, doppelseitiger Babinskiref lex ; keine Gefühls- oder Blasenstörungen. Nach 8 Tagen waren Nystagmus und Babinskiref lex verschwunden, fortschreitende Besserung, nach 10 Monaten ohne Lähmung reisefähig entlassen. Kurz darauf aber, angeblich nach Genuß kalten Bieres ein neuer Anfall von Kolik, Obstipation und Hpurie. 11 Monate naoh Beginn des 1. Anfalles Tod an Herzschwäche. Das vegetative Nervensystem ist — wie man aus den Störungen der Darmfunktion schließen kann ■ — zweifellos stark beteiligt. Doch läßt sich die Störung nicht eindeutig auf ein bestimmtes Gebiet dieses Systems oder allein auf einen der beiden Antagonisten zurückführen. Auch die pharmako- logischen Prüfungen Günthers [(3), S. 263 und 275] hatten kein eindeutiges Resultat. Es muß noch eine öfters bestehende Tachykardie (bis 140) erwähnt werden. Eine im Anfall auftretende Galaktorrhöe wurde von Grünewald als Sympathikusalteration gedeutet, auch Speichel- und Tränenfluß trat bei diesem Falle auf. Daß alle Patienten ein neuropathiscb.es oder psychopathisches Wesen zeigen, ist ein Hinweis auf die dem Leiden zugrunde liegende Konstitutionsanomalie des Porphyrismus. Epileptiforme Anfälle, Delirien, Manie, schwere Depressions- zustände kommen vor. Das Kardinalsymptom der Hämatoporphyrin-Ausscheidung in Harn und Stuhl wurde schon im vorigen Abschnitt genauer geschildert. Während des Anfalls ist die Hp. -Menge enorm gesteigert, mit dem Nachlassen der Krank- heitssymptome geht sie wieder auf das Niveau des Intervalls zurück. Die Urin- farbe ist gewissermaßen mit ein Index für den Kr ankheits verlauf. Der Verlauf der quantitativen Ausscheidung des Hämatoporphyrins während der Krank- heit ist in einem Diagramm Günthers (Dtsch. Arch. f. klin. Med. 134, S. 275) graphisch dargestellt. Die Vermehrung des „Urobilins" geht etwa der des Hp. parallel. Der native, stark saure Urin zeigt gewöhnlich das Wärmespektrum des Hämatoporphyrins. Im Falle Veil-Weiß wurde außer Up. -Fischer auch Zystin und Leuzin notiert. In einem typischen Falle wurde die Rotfärbung des Urins zunächst auf Skatolrot bezogen; erst Maase erkannte später den Fall als akute Hämato- porphysie und wies in dem 3 Jahre lang aufbewahrten Urin reichlich Hp. und in der Bleifällung Skatolrot nach. Maase konnte ferner durch Untersuchung Lfbewahrten Urins eines von Gutstein als ,,Nephroseinurie" beschrie- benen Falles die sichere Diagnose einer akuten Hpurie erbringen, die ja nach Haematoporphyria acuta idiopathica. 649 der Krankengeschichte einen typischen Verlauf hatte (Forschbachs Fall in Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 85 möchte ich als zu unbestimmt nicht mit in die Kasuistik aufnehmen). In dem nicht ganz typischen Falle von Mobitz mit Cholelithiasis wurde nach Cholezystektomie Hp. in Gallensteinen nachgewiesen. Daß auch noch andere Anomalien im Pigmentmetabolismus spielen, sieht man nicht nur an der dem Porphyriker gewöhnlich eigenen Neigung zu stärkerer Hautpigmentierung (diffuse oder starke Epheliden), sondern auch daran, daß während des Anfalles Veränderungen der Hautpigmentierung auftreten können. So wurde von Günther mehrmals im Anfall eine Zunahme der Haut- pigmentierung bis zu ziemlich brauner Färbung und das Auftreten grober, brauner, chloasmaartiger Flecken im Gesicht beobachtet. Bei dem Patienten von Simons soll schon 2 Jahre vor Beginn des Anfalls eine Bräunung der Haut und Schwärzung der Haare eingetreten sein, während des Anfalls trat eine Veränderung bis zu braungrauer, kachektischer Farbe ein; im finalen Stadium wird die Färbung als ,, zwischen Kaf fernschwarz und Chinesengelb" geschildert. Thiele sah im Anfall hellbraune Pigmentierung der Skleren und eine 4 Tage dauernde „subikterische" Färbung des ganzen Körpers. Maase fand bräunliche Pigmentierung des unteren Abdomens, Gut st ein erwähnt Epheliden im Gesicht und „subikterische" Konjunktiven, Grünwalds Fall hatte Hautbräunung an Gesicht und Hals bei ausgesprochen dunklem Teint, Harbitz fand gelbliche Färbung von Haut und Skleren, Grünwald auffallend dunkel pigmentierte Warzenhöfe bei einer Virgo. Schleimhautpigmentierungen wurden nicht gefunden. Für Störung der Nebennierenfunktion haben sich keine positiven Daten ergeben. Da man sich früher die Erkrankung durch hämolytische Prozesse zu erklären suchte, wurde das Blut meist genauer untersucht. Zytologisch wurde bei einer größeren Zahl Patienten völlig normaler Befund erhoben. Wenn dreimal durch komplikative Blutverluste eine Oligozythämie gefunden wurde, so war dies eine Ausnahme. Viermal wurde dagegen eine Erythrozytose festgestellt (zweimal sogar über 7 Millionen Erythrozyten). Die Erythrozytose war nach Günthers Beobachtungen auf der Höhe des Anfalls am größten, war aber auch noch nach völligem Verklingen der Attacke nachweisbar. Leichte zyanotische Gesichtsfärbung Wurde einige Male ei wähnt. Grob morphologisch verhalten sich die Blutzellen normal, eine Vermehrung der punktierten Erythrozyten wurde nicht gefunden. Weigeldt gibt aber an, eine geringe Vermehrung der vital granulierten Erythrozyten und daher ,,als Ausdruck einer vermehrten Knochenmarkstätigkeit eine Vermehrung der jugendlichen Blutzellen" nachgewiesen zu haben. Zwischen der von Günther festgestellten quantitativen Hp.- Ausscheidung in Urin und Stuhl und der Zahl der vital granulierten Erythrozyten konnte nach Weigeldt „nur zeitweise ein gewisser Parallelismus festgestellt werden". Im Anfall wurden 1,3%, im Intervall 0,9% gezählt. Die Resistenz der Erythrozyten fand Günther normal. Das Blutserum bietet keinerlei Zeichen von Hämolyse. Hämatoporphyrin kann auch im Anfall bei starker Ausscheidung im Urin nur in so geringen Mengen vorhanden sein, daß diese klinisch nicht faßbar sind. Snapper fand einmal ein wenig Bilirubin, vermehrten Cholesteringehalt und während des Anfalles Vermehrung des gelben Luteinfarbstoffes. Die Wassermann-Reaktion war stets negativ. Der Reststickstoff war einmal 112 mg (Thiele). Sonst ergab die Untersuchung der inneren Organe keine typischen Ab- weichungen. Lichtüberempfindlichkeit besteht nicht. Wenn wirklich inThieles Fall im Sommer ein Hydroa aestivale auftrat, würde es sich um eine große Aus- nahme handeln (Kombinationsform) ; dies wurde aber nur anamnestisch eruiert. 650 H. Günther: Hämatoporphyrie. Der so geschilderte Anfall kann sich im Laufe der Jahre mehrmals wieder holen. Bei den in der Literatur verzeichneten Fällen waren in 58% zwei und mehr Anfälle notiert. Günther beobachtete allein bei einer Patientin im Laufe von 3 Jahren vier ziemlich schwere Anfälle. Im Falle Grunds ließen sich anamnestisch sieben Anfälle zählen. Von keinem einzigen Falle läßt sich mit Sicherheit sagen, daß eine wirk- liche Heilung eingetreten ist. Es ist zu hoffen, daß über einige Patienten nach einer hinreichend langen Zeit wieder berichtet wird. Die einzelnen Attacken können sich in unregelmäßigen Zwischenräumen von Wochen, Monaten und 1 bis 2 Jahren folgen. Von Günthers einem Patienten läßt sich sagen, daß er in den letzten 31/2 Jahren von schweren Anfällen verschont blieb, doch sind wohl zahlreiche leichte Abort ivanfälle aufgetreten. Die aszendierende Paralyse kann in wenigen Tagen zum Tode führen und bei sehr stürmischem Verlauf des ganzen Anfalls kann zwischen Krankheits- beginn und Tod eine Woche liegen. In Ascolis Fall scheint sogar die Dauer des ganzen letal verlaufenden Anfalles nur 4 Tage betragen zu haben. Die pathologische Anatomie hat bisher zur Klärung der Krankheitsgenese nicht beigetragen. Zunächst interessiert die Frage, ob sich bei der Sektion Zeichen von Porphyrismus gefunden haben, ob besonders bei der akuten Hämato- porphyrie Ablagerungen von Hämatoporphyrin im Gewebe vorkommen. Leider ist trotz einer größeren Zahl von Sektionen (8) wohl meist nicht darauf geachtet worden. Eine Hp. -Färbung der Knorpel ist nicht wahrscheinlich, doch erwähnt Löffler leichte Braunfärbung der Rippenknorpel. In Simons Fall, über den eine genauere Mitteilung noch aussteht, ergab die Obduktion durch Verse gelbbraune Knochen; bei Fall Maase waren die Knochen nicht pigmentiert. Die Befunde an den einzelnen Organen sind keineswegs eindeutig. Über die älteren pathologisch-anatomischen Befunde vgl. Günthers Monographie 1922. Von neuen Sektionsergebnissen sind folgende anzuführen: Hypoplasie der Aorta (Maase, Gutstein), kongenitale Lappung der Niere, Struma colloides, „eigentümliche Erweichung des rechten Ovariums", histologische Verände- rungen in Prähypophyse und Epithelkörperchen (Maase), parenchymatöse Leberdegeneration (Harbitz), „eigentümliche schwärzliche Fleckung der Leber" (Maase). Besonderheiten ergab noch die Sektion des Falles Harbitz (43jähr. # ) : Chronische Nephritis mit Herzhypertrophie, Arteriosklerose, be- sonders der Basilar- und Vertebralarterien, beträchtliche Pigmentierung der tieferen Wandschichten der Basalarterien, Thrombose der Basilararterie, Hirn- erweichung (Pons, Cerebellum, Nucl. caud.), Myelitis des Zervikalmarkes ( ? ), spinale Meningitis mit Pigmentation. Die Untersuchung des Bauchsympathikus, Gangl. coeliac. und suprarenaler Ganglien ergab ,,im wesentlichen negativen Befund" (Maase). Die Nervenprozesse der Neurotoxikosen lassen sich oft histologisch nicht erfassen. Die Ätiologie der akuten genuinen Hämatoporphyrie ist unbekannt. Das Kardinalsymptom der vermehrten Hp.- Ausscheidung eignet ebenso dem Porphy- rismus zu als Zeichen einer Anomalie des Pigment metabolismus, doch erfährt diese Ausscheidung im Anfall eine wesentliche Steigerung. Es entsteht die Frage, ob diese Steigerung die Folge eines besonderen Krankheitszustandes bei einem Porphyriker ist oder ob umgekehrt bei einer solchen Konstitutions- anömalie durch weitere quantitative Steigerung der anormalen Hp. -Mengen und eventuell anderer unbekannter Körper toxische Wirkungen zustande kommen. Für letztere Möglichkeit spricht die Erfahrung, daß bei Mäusen »rphyrininjektionen ähnliche Motilitätsstörungen des Darmes und Lähmungserscheinungen hervorrufen (Günther) und bei großen Dosen sogar letal (Fischer) wirken können. Anderseits gibt es aber Porphyriker, welche Haematoporphyria acuta idiopathica. 651 den der kongenitalen Hämatoporphyrie (vgl. folgendes Kapitel) zugehörigen Symptomenkomplex bieten können, die aber niemals der akuten Hämato- porphyrie eigene Anfälle aufweisen. Dies spricht für die schon geäußerte An- nahme, daß die Konstitutionsanomalie des Porphyrismus schon in mindestens zwei Modifikationen auftreten kann, deren eine für die Anfälle der akuten Hämatoporphyrie besonders disponiert ist. Der Porphyr iker ist psychopathisch leicht erregbar, und Zeiten stärkerer Hämatoporphyrinbildung gehen oft Perioden stärkerer psychischer Erregbarkeit parallel. Die Patienten selbst sind leicht geneigt, einen bestimmten psychischen Erregungsvorgang für den Eintritt eines Anfalles verantwortlich zu machen. Aber auch hier kann man mit Günther (1) annehmen, daß ,,ein koordinierter Parallelismus zwischen gesteigerter Erregbarkeit des Darmes und der Psyche" besteht. Ferner ist zuweilen ein engerer Zusammenhang der Anfälle mit der Sexual- drüsenfunktion wahrscheinlich. Bei einer dysmenorrhoischen Patientin Günthers fiel der Beginn mehrerer Anfälle jedesmal in die prämenstruelle Zeit. Es ist denkbar, daß in diesen mit einer höheren Erregbarkeit des vegetativen Nervensystems einhergehenden Perioden die Disposition zu hämatoporphyrischen Darmkrisen größer ist. Bostroems Patientin hatte zur Zeit der Menstruation Erregungszustände und Armschmerzen, bekam nach dem 3. Partus einen An- fall, danach Amenorrhoe und nach 2 Jahren den 3. Anfall, der zum Tode führte. Im Falle Veil-Weiß traten stärkere Hpurie und nervöse Symptome jeweils mit den Menses auf; eine kurz dauernde Gravidität führte bei künstlichem Abort zu rasch fortschreitender Kachexie, Anämie, poly neuritisähnlichen Symptomen, Exitus. Ein besonders deutlicher Zusammenhang ergibt sich im Fall Maase. Ein 30 jähriges stets schwächliches Fräulein war vom 17. bis 26. Jahre regel- mäßig menstruiert, dann traten Dysmenorrhöen mit halbjährigen Pausen auf, die mit Hpyrie- verdächtigen Symptomen verliefen ; im vorletzten Anfall wurde auch roter Urin beobachtet. Der letzte typische, in 11 Tagen letal endende Anfall begann nach 4 Monate langer Amenorrhoe in der prämenstruellen Zeit, während des Anfalles setzte nach 6 Tagen die Regel ein. (Der Beginn des Anfalles fällt also in die 2. Periode der Molimina menstrualia, etwa in die Zeit der ziemlich vollendeten Reifung des Corpus luteum). Gutsteins Patientin hatte irreguläre Menses mit oft halbjährigen Pausen. Bei männlichen Indi- viduen tritt nach ungewöhnlich starker sexueller Tätigkeit oft eine nachhaltige höhere Erregbarkeit des Darmes ein, die sich z. B. in gesteigerter Peristaltik, Flatulenz und Tenesmus äußern kann. Die Angabe eines Patienten Günthers ist in diesem Zusammenhange wichtig, daß nach starkem Exzeß in venere ein leichter Anfall auftreten kann. Nebenbei sei erwähnt, daß die Psychose des Falles Thiele eine stark erotische Komponente hatte (begehrt geküßt zu werden, glaubt ein Kind zu bekommen, spürt Stiche und Kältegefühl in der Vagina oder ,, wehenartige'4 Schmerzen im Leib, ,,als ob etwas herauswolle"). Eine Patientin bekam beim 1. Anfall Schwellung beider Brüste und Hyper- algesie der Brustwarzen (Harbitz), eine Virgo hatte im Anfall Galakt orrhöe bei Hypästhesie der Brüste und auffallend dunkel pigmentierten Warzen- höfen (Grünewald). Außer der hypothetischen Wirkung von Enterotoxinen muß noch der Mög- lichkeit des Einflusses irgendwelcher exogen zugeführter Stoffe resp. Gifte gedacht werden, auf deren Bedeutung im folgenden Unterabschnitt noch be- sonders eingegangen wird. Im Zusammenhang mit den dortigen Ausführungen (S. 653) muß die Tatsache erwähnt werden, daß in 2 Fällen vor einem heftigen Anfall Schlafmittel (Luminal) gegeben worden sind. Die Meinung, daß in diesen Fällen der Airfall lediglich durch Gabe dieser Mittel hervorgerufen wurde, 652 H. Günther: Hämatoporphyrie. muß abgelehnt werden; immerhin kann man daran denken, daß vielleicht durch das Medikament eine geringe Steigerung der Disposition zum Anfall bewirkt wurde. Jedenfalls ist in allen Fällen akuter Hämatoporphyrie danach zu forschen, ob chronischer Schlafmittelgebrauch oder die Möglichkeit einer anderen toxischen Wirkung vorliegt. Wenn zwei nicht verwandte, in einem Haus wohnende Personen etwa zu gleicher Zeit erkranken (Ranking-Pardington), ist ein toxischer Einfluß wohl zu vermuten. Erst der Ausschluß dieser Möglichkeiten berechtigt dazu, den Fall als genuinen, idiopathischen zu bezeichnen. In einem solchen Falle kennen wir eben den eigentlichen Anlaß nicht, welcher übrigens nicht in simpler Weise als ein einzelnes exogenes Moment (,, Ursache") aufgefaßt werden soll, sondern als eine Kon- stellation verschiedener Momente. An welche Momente man dabei denken kann, wurde besprochen, doch haben wir vielleicht von den wichtigsten keine Ahnung. Wenn es wirklich gelingen sollte, die pathogenetische Konstellation für den Eintritt der akuten Hämatoporphyrie aufzufinden, so wird die Unersättlich- keit des Warum -Fragens noch lange nicht getilgt. Warum treten denn gerade an jener Stelle des oberen Jejunums die heftigen schmerzhaften Spasmen ein, während diese anderen Darmteile atonisch sind? Läßt ,,eine gesteigerte Erreg- barkeit von Teilen des Vagussystems" (Günther) eine besondere Disposition dieser Teile vermuten? Vielleicht werden durch die anhaltende Koprostase Enterotoxine entstehen, welche eventuell die Ursache einer toxischen Nieren- schädigung sein können. Warum tritt aber in einzelnen Fällen eine ominöse Polyneuritis auf, in anderen aber trotz anhaltender Kotstauung nicht? Oder sind Darmstörung und Polyneuritis durch dieselbe Noxe bedingt, deren Wirk- samkeit individuell verschieden ist ? Trotz Erschließung des interessanten Zusammenhanges der akuten Hämato- porphyrie mit einer ,, chemischen Mißbildung" (Garrod) bleibt doch die Genese des Pathos noch in Dunkel gehüllt. Die Therapie der akuten Hämatoporphyrie ist im Anfall nur symptomatisch- Die heftigen Koliken werden mit Opium und Morphium gelindert, während Atropin versagt. Gegen anhaltende Schlaflosigkeit sollen möglichst nicht Mittel der Sulfonal- und Veronalgruppe gegeben werden; geeignet sind Morphium und Chloralhydrat. Lokale Wärme therapie, ein Warmes Bad können die Koliken lindern. Einlaufe versuchen die Kotlentleerung zu fördern. Anfangs strenge Diät (Suppen, Tee, Fruchtsaft); Nahrungsaufnahme wird auch gewöhnlich nicht begehrt. Unter Zureden gelingt es gewöhnlich, eine volle Kontrastmahlzeit zu applizieren, ohne eine Verschlimmerung des Zustandes herbeizuführen. Alkalitherapie kann Versucht werden. Galvanisation des Abdomens ohne besonderen Erfolg. In der Rekonvaleszenz können Ficht ennadelbäder und elektrische Bäder verordnet Werden. Die richtige Diagnose vermeidet vor allem einen unnötigen chirurgischen Eingriff. Die partielle Vagusresektion ist ein moderner, kühner, ernster Ein- griff, der, selbst an der richtigen Stelle ausgeführt, nur mit geringer Wahrschein- lichkeit einen Erfolg haben dürfte. Lagerungsversuche, ähnlich wie beim arterio- mesenterialen Darmverschluß, brachten keine Besserung. Prophylaktisch soll man den Eintritt neuer Anfälle durch Vorschrift einer geeigneten ruhigen Lebensweise zu verhüten suchen. Psychische Erregungen können vielleicht durch Änderung des Milieus gemindert werden. Diese Maßnahmen sind aber alle sekundärer Art. Eine eigentliche Therapie gibt es nicht, weil die Grundlage des Leidens eine Konstitutionsanomalie ist, i die kein Kraut gewachsen ist: Konstitutionstherapie gibt es nicht. Haematoporphyria acuta toxica. 653 b) Haematoporphyria acuta toxica. Die Fälle dieser Unterabteilung sind von der genuinen Form dadurch unter- schieden, daß ein bekanntes kombinatorisches oder auslösendes toxisches Moment hinzukommt. Es sei im voraus betont, daß die betreffenden toxischen Sub- stanzen nicht als monogenetische Ursache anzusehen sind. Zwei Formen sind besonders zu erwähnen, welche mit chronischem Sulfonalismus (Trionalismus) und Veronalismus in Zusammenhang stehen. Weitere Formen als Kombination mit Saturnismus, Typhus usw. sind mehr problematischer Natur. Haematoporphyria sulfonalica. Die Sulfonalhämatoporphyrie gleicht noso- logisch der genuinen Form, außer daß dem Anfall der chronische Gebrauch des Schlafmittels mehrere Jahre hindurch vorangegangen ist. Die Kasuistik umfaßt 68 Fälle. Es besteht eine hochgradige Disposition des weiblichen Geschlechts (92%). Das Maximum der Erkrankungen liegt in den mittleren Lebensjahren. Von Hauterscheinungen Werden je einmal addisonähnliche Hautpigmen- tationen, punktförmige Hauthämorrhagien und Blasenbildungen an verschie- denen Körperteilen genannt. Die Mortalität dieser Form ist sehr hoch, da der größere Teil der Fälle mit Angaben über den Ausgang der Erkrankung letal verliefen. Auch hier bildet gewöhnlich die aszendierende Paralyse den Schlußakt der Tragödie. Die Ätiologie ist von der genuinen Form nur dadurch verschieden, daß ein weiteres begünstigendes Moment hinzukommt. Der exakte Beweis des Sulfo- nalismus kann durch den chemischen Nachweis des Sulfonals im Harn erbracht werden. Diese Feststellung ist mitunter erwünscht, weil der Schlafmittel- abusus zuweilen vom Patienten geleugnet wird. Es ist bekannt, daß akute schwere Sulfonalvergiftungen ohne Hp. -Aus- scheidung im Urin verlaufen. Der chronische Sulfonalismus war in einer ge- wissen Zeitepoche besonders in Irrenanstalten sehr verbreitet. Die Zahl der dem Sulfonalismus ergebenen Patienten muß in dieser Zeit sehr hoch geschätzt werden; im Verhältnis dazu ist die Zahl der Hämatoporphyriefälle gering. Es wurde über vieljährigen Sulfonalgebrauch (bis zu 10 Jahren) berichtet, ohne daß Hämatoporphyrie auftrat. Von mancher Seite Wurde die ätiologische Bedeutung des Sulfonals daher überhaupt in Frage gestellt. Anderseits wurde bei einem Sulfonalisten Rotfärbung des Urins beobachtet, die nach Aussetzen des Mittels verschwand und nach Wiederaufnahme der Sulfonaltherapie wieder- kehrte mit stürmischem letalen Verlauf. Schwankungen in der Intensität der Hp. -Ausscheidung kommen bei Porphyrikern vor, so daß es sich um eine zufällige Koinzidenz handeln konnte. Tierexperimente mit chronischer Sulfonal- intoxikation führten zu keinen eindeutigen Resultaten. Fischer (5) meint neuerdings, daß die Porphyrinbildung aus dem Muskelfarbstoff bei dessen Abbau durch Sulfonal, Blei usw. erheblich gesteigert werde. Die Grundlage für die Erkrankung bildet wohl auch hier der Porphyrismus. Die psychopathischen Erscheinungen des Porphyrikers, die häufige Schlaf- losigkeit führen erst zum Schlaf mittel abusus. Es kann aber nicht bestritten werden, daß Sulfonalismus besonders bei der Frau den Eintritt des Anfalles begünstigt. Die pathologische Anatomie hat auch hier keine eindeutige Klärung gebracht. Therapeutische Maßnahmen wie bei der genuinen Form, nur ist sofortige Entziehung des Sulfonals durchzuführen. Haematoporphyria trionalica. Entspricht im wesentlichen der vorigen Form. Die'Kasuistik ist aber kleiner, da nur 11 Fälle publiziert wurden. Davon sind 9 weiblich. Nach Untersuchungen von Ellinger-Rießer und von Schumm 654 H. Günther: Hämatoporphyrie. soll der Farbstoff des Urins dem Uroporphyrin-Fischer entsprechen, welcher im Urin der kongenitalen Hämatoporphyrie gefunden wird. Das ist bei der nosologischen Verschiedenheit der Erkrankungen verwunderlich und würde bedeuten, daß dem Uroporphyrin-Fischer keine besondere pathognomonische Bedeutung zukommt. Ätiologische Bedeutung des Typhus. Diese ist noch sehr problematisch. Bei Typhus wird im allgemeinen keine Hämatoporphyrie beobachtet. Schließ- lich kann ein Porphyriker einmal Typhus bekommen. Es ist immerhin denk- bar, daß diese und andere Infektionen dann den akuten Anfall auslösen können. Im übrigen vgl. Günthers Monographie. Ätiologische Bedeutung des Saturnismus? Es ist neuerdings Mode, bei Untersuchungen auf Bleiintoxikation die Hämatoporphyrin - Ausscheidung im Urin zu beachten resp. die Hpurie als wichtiges Symptom der Blei- vergiftung zu erklären, obwohl manche Untersucher über den Unterschied einer normalen und pathologischen Hpurie kaum im klaren waren. Es läßt sich daher die Gültigkeit der approximativen Bestimmungen manch- mal bezweifeln, ,,da eine exakte Grenze zwischen Normalem und Patho- logischem sich hier ohne eine allgemein angenommene Definition und Bestim- mungsmethode nicht setzen läßt". Solange die Untersuchungen nicht nach bestimmten Maximen [z. B. nach Günther (1)] vorgenommen werden, ist es doch ziemlich bedenklich, wenn ein arbeitsames Individuum vom Hygieniker aus seinem Berufe herausgerissen wird, nur weil es bei der prophylaktischen Untersuchung angeblich „Hämatoporphyrinurie" darbietet. Dieses auch in ,, Bleimerkblättern" verkündete Phänomen soll sogar die Bedeutung eines Frühsymptoms haben. Es ist bedenklich, für praktische Ärzte ein Verfahren vorzuschlagen, das besondere Erfahrungen und geeignete Apparate (Beachtung der Wellenlängen) erfordert, noch dazu, wenn der Vorschlag selbst fehlerhaft ist. Wenn man die Hp. -Bestimmung nach der Vorschrift des Bleimerkblattes von 1919 (R. -Ges. -Amt) einigermaßen sinngemäß (so, wie sie vielleicht gemeint sein könnte) ausführt, kommt man auf sicher im Normalbereich liegende Werte ; selbst wenn man das Filtrat 50 fach verdünnen würde (wodurch man die gleiche Konzentration erhält, die schon vorher im nativen Urin vorhanden war, so daß man einfacher gleich den nativen Urin bei 5 cm Schicht [„5 cm lange Glas- kammer?"] spektroskopiert), reicht man gerade an die Grenze des Pathologi- schen heran (bei Spektrum in 1 cm Schichtdicke würde also sicher pathologische Hpurie bestehen). Kommt nun vielleicht hinzu, daß die Bestimmung praktisch noch fehlerhafter ausgeführt wird, so kann man berechnen, welcher soziale Nutzen der Allgemeinheit erwächst, wenn gesunde Arbeiter wegen eines ver- meintlich pathologischen Symptoms aus ihrer erlernten Tätigkeit herausgerissen und der Gefahr der Arbeitsentwöhnung ausgesetzt werden, welche, euthenisch und sozialökonomisch betrachtet, oft von größerem Übel ist als eine leichte El krankung. Die Hp. -Bestimmung bei Arbeitern in Bleibetrieben hat sich aber eingebürgert, ebenso wie die Beachtung des auch nicht eindeutigen Sym- ptoms der punktierten Erythrozyten. Dabei wurden die beiden Symptome ineinander abgewogen und mitunter dem ersteren der diagnostische Vorzug gegeben (vgl. Günthers Monographie), ohne daß das Vorkommen der gleichen Hp. -Mengen bei nicht Bleikranken genug berücksichtigt worden ist. 'Protz dieser Kritik soll nicht verkannt werden, daß bei leicht Bleivergifteten die Hp.-Werte innerhalb des Normbereichs vielleicht öfters relativ hohe sind als bei anderen [ndividuen. Einen gewissen steigernden Einfluß auf die Hp.- Aus8cheidung im Urin darf man dem leichten Saturnismus doch zusprechen. vielleicht aber nur in dem Sinne eines sekundären Symptoms bei primärer Haematoporphyria acuta toxica. 655 Koprostase. Entsprechende Versuche bei einer größeren Zahl chronischer Obstipanten ohne Bleiwirkung sind noch auszuführen. Dabei ist aber immer zu bedenken, daß solche relativ hohen Werte innerhalb des Normbereiches eben auch bei anderen Individuen vorkommen, so daß das Symptom keineswegs eindeutig ist. Das gilt auch für die neuesten diagnostischen Fahndungen nach dem Symptom. Immerhin fanden sich bei 33 in hygienischen Betrieben arbeitenden Stereo- typeuren, die keinem Bleistaub ausgesetzt waren und weder Saum noch Ver- mehrung der punktierten Erythrozyten hatten, niemals Hp., während die nach dem gleichen Verfahren von Schwarz untersuchten 101 Schriftgießer 3 mal Saum, 6 mal punktierte Erythrozyten (über 100 zu 10 6) und 17 mal Hp.- Vermehrung zeigten. Wurden 30 bleiverdächtige Fälle ausgesucht, so fanden Schwarz und Hefke bei 12 mit positivem Blutbefund 11 mal Hp.+, bei den mit negativem Blutbefund 7 mal Hp. +, daher sei der Nachweis des Hämato- porphyrins ,,in manchen Fällen entscheidend". Manche dieser Urine wurden von Sc hu mm (3) untersucht; es fanden sich mitunter relativ hohe Hp.- Werte. Ferner fand Lehmann unter 666 Arbeitern in Bleibetrieben granulierte Erythro- zyten 105, Bleisaum 28, vermehrte Hp. -Mengen im Urin 21, über 150 mm Hg gesteigerter Blutdruck 16, unter 65°/0 verminderten Hb. -Gehalt 11 und Albu- minurie 11 mal. Daß bei der eigentlichen Bleikrankheit, besonders Bleikolik, relativ hohe Hp. -Werte vorkommen, ist ja seit langer Zeit (Binnendijk, Garrod, Stokvis) bekannt. Doch ist aus den quantitativen Bestimmungen Günthers (1) zu er- sehen, daß auch bei Bleikolik gewöhnlich nicht pathologische Mengen auf- treten, wenn auch einzelne relativ hohe Werte beobachtet wurden. Dies entspricht auch den Erfahrungen von O. Schu mm (3), der außer Saturnis- mus zahlreiche andere Krankheiten untersuchte, und zwar manchmal beträcht- liche Vermehrungen des Harnhämatoporphyrins fand, ,,die aber nicht entfernt an die Mengen heranreichen, die man bei Fällen echter Hämatoporphyrie findet". Schumm schreibt weiter: ,, Selbst bei Bleivergiftung habe ich niemals einen durch den Porphyringehalt weinroten Harn gefunden, trotzdem ich bei einer größeren Anzahl Fällen von Bleikolik während des Anfalls sowie wochenlang danach den Harn regelmäßig prüfen konnte." Immerhin waren die Hp. -Mengen, welche sich bei 12 Bleivergiftungen fanden, relativ groß und reichten mitunter an die Grenzen des Pathologischen heran. In einem Falle fand Schumm auch im Kot ,,eine ziemlich beträchtliche Menge", während im Blutserum eines anderen Falles kein Hämatoporphyrin nachweisbar war. Diese Untersuchungen Schu m ms brachten ein weiteres interessantes Ergebnis. Bei der Verarbeitung der Urine war es aufgefallen, daß durch Äther- extraktion oft mehr Farbstoff zu gewinnen war als durch Ausfällung nach Garrod. Nach Isolierung resp. Reindarstellung des Farbstoffes ergab die spektrographische Untersuchung mit dem Gitterspektrographen eine Über- einstimmung mit dem ,, physiologischen" Urohämatoporphyrin und dem im Kote vorkommenden Hämatoporphyrin (welches auch hinsichtlich der Lös- lichkeit in Äther vom Uroporphyrin Fischers verschieden ist). ,, Sollte die weitere Untersuchung beide Körper endgültig als chemisch identisch erweisen, so besteht bei der Bleikolik bzw. Bleivergiftung eine vermehrte Ausscheidung des physiologischen Porphyr ins, während der Hämatoporphyrie die Ausschei- dung eines pathologischen Harnporphyrins der Zusammensetzung C40H36N4O16 allein oder neben dem ,,Kotpotphyrin" eigentümlich zu sein scheint." Welche Beziehungen hat nun der Saturnismus zur Hämatoporphyrie? Nach den bisherigen klinischen Erfahrungen jedenfalls keine direkten. Wenn wirklich eine so einfache chemische Abgrenzung dieser Konstitutionskrankheit 656 H. Günther: Hämatoporphyrie. durch An- oder Abwesenheit des Uroporphyrins Fischer möglich "wäre, so würde sich schon aus O. Schumms Untersuchungen der Mangel eines Zusammen- hanges ergeben. Wie verhält sich aber der Porphyr iker zum Saturnismus ? Bei der großen Verbreitung des Saturnismus kann es schließlich einmal vor- kommen, daß ein Porphyriker, der einen hämatoporphyrischen Anfall bekommt, gleichzeitig und unabhängig davon Zeichen des Saturnismus bietet. Die Frage aber, ob die Bleivergiftung vielleicht bei vorliegendem Porphyrismus zum Anfall der akuten Hämatoporphyrie disponiert, liegt besonders deshalb so nahe, weil manche Symptome der Bleikrankheit und akuten Hämatoporphyrie sehr ähnlich sind (Darmkolik, Polyneuritis), so daß man selbst bei der akuten Hämatoporphyrie differentialdiagnostisch mit an Bleiintoxikation denken muß. Zwei Fälle von Bleikrankheit sind bisher nur bekannt geworden, welche einen der akuten Hämatoporphyrie entsprechenden Anfall boten. Das ist bei der ausgedehnten Verbreitung des Saturnismus sehr wenig. Wenn man dem Saturnismus in ähnlicher Weise wie dem doch weit selteneren Sulfonalismus einen zur Hämatoporphyrie disponierenden Einfluß bei Porphyrismus zuschreiben will, so würde dieser jedenfalls weit geringer als beim Sulfonalismus sein. Es soll besonders betont werden, daß kein Fall von sicherer Bleiintoxikation bekannt geworden ist, der mit den Erscheinungen der akuten Hämatoporphyrie letal verlief. Auch der letale Ausgang allein unter dem Bilde der aszendierenden Paralyse ist der Nosologie des Saturnismus fremd. Wenn der Saturnismus für den Tod verantwortlich gemacht werden kann, so handelt es sich meist um Schrumpf nieren; diese bilden in der Pathologie der Hämatoporphyrie einen seltenen Befund. Es ergibt sich also, daß die diagnostische Bedeutung der Hp.- Ausscheidimg im Urin bei Bleigefährdeten oft überschätzt wird, daß bei Bleikranken zuweilen Steigerungen der Hp. -Mengen bis an die Grenzen des Pathologischen beobachtet werden, daß aber eine Disposition zur akuten Hämatoporphyrie im Sinne einer konstitutionellen Auslese der Porphyriker durch den Saturnismus kaum oder nur in geringem Grade anerkannt werden kann. Die ätiologische Bedeutung anderer Gifte (Veronal, Nitrobenzol usw.) ist fraglich und kann hier übergangen werden (vgl. Günthers Monographie). 2. Haematoporphyria congenita. Die kongenitale Hämatoporphyrie ist eine Konstitutionskrankheit, die auf der Basis einer besonderen Modifikation der Konstitutionsanomalie des Porphy- rismus unter den Erscheinungen der Lichtüberempfindlichkeit zur Entwicklung kommt. Diese konstitutionelle Abweichung muß nach Günthers (8) Definition als Anomalia rarissima bezeichnet Werden, denn das sich aus ihr entwickelnde, äußerst typische, auffällige Krankheitsbild wurde, auch nachdem seine klinische Umgrenzung in der inneren Medizin hinreichend bekannt geworden ist, nur bei ganz vereinzelten Fällen wieder festgestellt. Das seltene Phänomen gehört aber zu den interessantesten Forschungsobjekten des Internisten. Die Kenntnis des Krankheitsbildes der Haematoporphyria congenita wird auch in weiteren ärztlichen Kreisen Fuß fassen, besonders durch die Darstellung in v. Strü mpells klassischem Lehrbuch und dadurch, daß ArchibaldE. Garrod, der als erste Autorität auf dem Gebiete der Stoffwechselanomalien seit 30 Jahren dem Vorkommen von Hämatoporphyrinen beim Menschen seine besondere Beachtung geschenkt hat, ihr ein besonderes Kapitel in seinen bekannten, „Inbom errors of metabolism" gewidmet hat. Bei weiterer Verbreitung der Kenntnisse über diesen Gegenstand wird trotz der großen Seltenheit der Anomalie die geringe Zahl der bisher bekannten Haematoporphyria congenita. 657 Fälle hoffentlich bald vermehrt werden. Denn obwohl auf Grund dieser 18 Fälle eine klare klinische Umgrenzung der Krankheit^form möglich ist, muß doch eine Vertiefung der Kenntnisse an weiteren Fällen erstrebt Werden. Die klinischen Erfahrungen stützen sich auf die in Günthers Monographie verarbeiteten Fälle von Anderson (2), Capelli, Ehrmann, Fraenkel, Gagey (2), Günther, Hausmann- Arzt (2), Linser, Xebelthau- Vollmer, Schultz und die seitdem veröffentlichten Fälle von Garrod -Mackey, Klee-Fischer, Martenstein- Siemens (2) und Ashby. Die Publikationen von Fischer, Friede, Groß, Lewitus, Robitschek und Minkowski beziehen sich auf keine neuen Fälle! Ob ein von Derrien als kongenitale ,,Hämatoporphyrinurie" vorgestellter Fall hierher gehört, läßt sich aus der kurzen Mitteilung nicht ersehen; über den Fall von Gray habe ich auch nichts Näheres erfahren können. Soweit bei der geringen Anzahl ein Urteil zulässig ist, scheint im Gegensatz zur akuten Hämatoporphyrie hier eine Prädisposition des männlichen Ge- schlechtes (78%) zu bestehen. Garrod (1) weist auf die interessante Tat- sache hin, daß überhaupt bei Stoffwechselanomalien (Albinismus, Alkaptonurie, Zystinurie, Pentosurie, kongenitale Hämatoporphyrie) ein geringes Über- wiegen des männlichen Geschlechtes beobachtet wird (was bei morphologischen Mißbildungen nicht der Fall ist). Anderseits ergibt sich die interessante Analogie, daß die in Anfällen auftretende akute Hämatoporphyrie und die temporäre Alkaptonurie eine Prädisposition des weiblichen Geschlechtes er- kennen läßt. Die Erblichkeitsfrage läßt sich erst an einem größeren Material klären. Sicher ist ein häufiges familiäres Auftreten, indem 3 mal Geschwister und 1 mal Vettern betroffen wurden. Nachforschungen über die zwei inzwischen gestorbenen Fälle Andersons durch Garrod (3) ergaben beifolgende Geschwister- reihe (Abb. 7). Es soll also noch eine 1 a a ^ i % A A Schwester das gleiche Leiden gehabt haben, ^DD 7 die mit 15 Jahren an ,, congenital cyanosis, chron. haematuria and dropsy" starb; die noch lebenden Geschwister sind gesund. In gleicher Weise soll in Ehrmanns Fall ( $ ) noch ein Bruder und eine Schwester von demselben Leiden be- troffen sein. Diese nur anamnestisch erhobenen Fälle sind in der Statistik nicht mitberücksichtigt. Ferner ist eine 1 o ^ ö g p ^ 9 Geschwisterreihe von Martenstein- ^bo 8 Siemens bekannt (Abb. 8). Garrods Fall ist der jüngste und allein betroffene unter 5 Geschwistern, Günthers (2) Fall hatte 2 gesunde Schwestern, deren Urin kein Hp. enthielt (eine dritte Schwester mit U/o Jahren f). Man kann vermuten, daß die Anomalie regressiv vererbt wird. Garrod (2) bezeichnet in einer kürzlich gehaltenen Rede chemische Mißbildungen, wie Alkaptonurie, Zystinurie und Hämatoporphyrie als in hohem Grade hereditär mit regressivem Vererbungsmodus. Im Falle Haus mann -Arzt wurde Konsanguinität der Eltern fest- gestellt. Ferner ergab sich, daß die Urgroßmutter der Patientin von Nebelthau- Vollmer und die Großmutter der Patientin von Klee Schwestern waren. Die seltenere Behaftung zweier weiblicher Deszendenten wurde hier also auch durch weibliche Mitglieder übertragen. Trotzdem soll man noch nicht von einer Geschlechtsbegrenzung sprechen. In anderen Fällen (Anderson, Garrod, Günther) war keine Konsanguinität der Eltern nachweisbar. Die Bezeichnung ., congenita"' bedeutet nicht nur, daß eine hereditäre Konsti- tutionsanomalie die Wurzel des Übels ist, sondern auch, daß das Phänomen hochgradiger Hpurie als angeboren schon nach der Geburt festgestellt werden kann; und ebenso können bald nach der Geburt, wenn das Kind stärkerer Belichtung ausgesetzt wird, die durch Lichtüberempfindlichkeit bedingten Blutkrankheiten II. 42 658 H. Günther: Hämatoporphyrie. Krankheitserscheinungen auftreten. Je nach der Intensität der Symptome und der Beobachtungsfähigkeit der Eltern und deren Umgebung werden die ersten auffälligen Erscheinungen in eine frühere oder spätere Lebenszeit datiert. Garrod (3) betont besonders die zuverlässigen Angaben einer Mutter, der die rote bis portweinähnliche Farbe des allerersten Urins und aller weiteren Ent- leerungen und die Rotf ärbung der Tücher durch den urinfreien Kot aufgefallen war. Sir A. E. Garrod verdanke ich die briefliche Mitteilung über einen kürzlich in England beobachteten Fall, über den bisher nur ein kurzer Bericht von Ashby erschienen ist. Das 21/2 Jahre alte Mädchen, einziges Kind nicht blutsverwandter Eltern hatte seit Geburt roten Urin und die Windeln rot färbenden Stuhl (Hp. +) ; bereits im ersten Lebensjahre trat Hydroa aestivale auf. Das Kardinalsymptom der durch Lichtüberempfindlichkeit bedingten krankhaften Hauteruption (Hydroa aestivale) soll zuerst besprochen werden. Seit den Feststellungen v. Tappeiners und seiner Schule, Hausmanns1), Fischers u. a. ist es bekannt, daß zahlreiche fluoreszierende Stoffe tierisches Gewebe überempfindlich gegen Belichtung machen und daß auch das künstliche Hämatoporphyrin -Nencki, sowie das von Porphyrikern gewonnene natürliche Hämatoporphyrin die entsprechende photodynamische Wirkung hat. Doch deckt sich das Experiment nicht ganz mit den natürlichen Vor- gängen. Mit Hp. sensibilisierte Mäuse können zwar bei vorsichtiger Belichtung Hautschädigung besonders der Ohren bis zur Nekrose aufweisen, der Hpyrie des Menschen völlig entsprechende Hauteruptionen lassen sich aber nicht er- zeugen. Im Experiment tritt dagegen bei stärkerer Lichtwirkung besonders ein anderes Symptom auf: starke ödematöse Schwellung der dem Lichte aus- gesetzten Körperteile. Auch der bekannte Selbst versuch von Meyer -Betz mit intravenöser In- jektion von 0,2 Hp.-Nencki ergab als Hauptsymptom starke Hautrötung und Ödem der unbedeckten Körperteile, wie Abb. 9 illustriert. Trotzdem kann man wohl mit Recht bei der kongenitalen Hämatoporphyrie das im Gewebe befindliche Hämatoporphyrin als den Sensibilisator ansehen, der das Auf- treten der Hauteruptionen vermittelt; der Porphyriker reagiert eben in be- sonderer Weise mit dem Symptom des Hydroa aestivale; ob es sich dabei um eine besondere Art der Ablagerung des Sensibilisators im Gewebe, eine besondere Modifikation des Hämatoporphyrins oder um eine besondere konsti- tutionelle Eigenart des Gewebes selbst vornehmlich handelt, ist noch nicht bekannt. Bei der anderen Form der Hämatoporphyrie (Hpyria acuta) finden sich keine Sensibihsierungserscheinungen. Von der individuellen Konstitution hängt es ab, in welcher Weise der Körper auf Lichtsensibilisierung reagiert. Von Günther (1) wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Hp.-Sensibilierung auch unter dem Bilde der Sklero- dermie verlaufen kann. Neuerdings beobachtete Duke eine 43jährige Frau, die nach natürlicher und künstlicher Bestrahlung ein urtikarielles Exanthem bekam und in gleicher Weise auf intrakutane Injektion von Serum reagierte, welches vorher unter Zusatz von Hp. bestrahlt worden war; ebenso trat Urti- karia auf, wenn ein Hautgebiet nach intrakutaner Einführung von Hp. bestrahlt wurde. Letztere Methode wurde bereits von Günther (1) bei Kaninchen mit irlichem Porphyrin versucht. Fraenkels experimentelle Erfahrungen sind hervorzuheben, daß mit zahl- II p. -Injektionen behandelte Versuchstiere (vgl. S. 639) trotz starker Langer Belichtung keine Sensibüisierungserscheinungen zeigten; er glaubt daß die Ursache von Lichtschäden mit ,,in individuellen, uns vorläufig l. Hausmanns Grundzüge Wer Lichtbiologie und Lichtpathologie. Haematoporphyria congenita. 659 allerdings durchaus unbekannten Eigentümlichkeiten des betreffenden Organis- mus, vor allem der Haut, zu suchen ist". Nach den bisherigen klinischen Erfahrungen scheint das Symptom des Hydroa aestivale nicht lediglich die Folge einer photodynamischen Wirkung des Hämatoporphyrins zu sein; es gibt auch Fälle, bei denen die Symptome des Porphyrismus nicht erkennbar sind. Immerhin ist es möglich, daß unter den zahlreichen Fällen, von denen lediglich das dermatologische Symptom des Hydroa aestivale beschrieben wurde, einige echte Hämatoporphyriefälle sich befinden. Wegen der symptomatischen Verwandtschaft und wegen der annehmbaren Zugehörigkeit mancher Fälle zur Hämatoporphyrie soll hier kurz eingegangen werden auf dieses Abb. 9. Starke Hautrötung und Ödem der unbedeckten Körperteile. (Selbstversuch von Meyer-Betz.) Symptom des Hydroa aestivale seu vacciniforme 1). Nachdem unter dieser Bezeichnung alle Hydroafälle, deren Zugehörigkeit zu der Krankheitsgruppe der Hämatoporphyrie nicht erwiesen ist, von Günther (1) abgegrenzt worden sind, sollten sie nicht wieder von anderer Seite mit der letzteren chaotisch zusammengeworfen werden. Es handelt sich hier ja nur um ein Symptom, welches genetisch vielleicht verschiedenen Krankheiten zugehören kann. Nur solange eine weitere klinische Trennung nicht gelingt, ist es statthaft, diese Fälle unter dem Gesichtspunkte des dermatologischen Symptoms zu vereinen. 1) Die von Bazin stammende Bezeichnung ist Neutrum, wie Ekzema, Koma usw. Falsch ist daher ,, Hydroa vacciniformis" und ,,die Hydroa vacciniforme"! 42* 660 H. Günther: Hämatoporphyrie. Aus der 106 Fälle umfassenden Statistik ergibt sich eine Prädisposition des männlichen Geschlechts (60% ± 4,8). Nur 3 mal waren Geschwister, einmal identische Zwillinge erkrankt, in der Deszendenz wurde das Symptom einmal beobachtet (Mutter und Tochter). Die Behauptung von Siemens, daß Hydroa vacciniforme eine rezessiv-geschlechts- begrenzte Erbkrankheit sei, beruht auf falschen Unterlagen, indem erstens wieder nicht Zusammengehöriges (Hämatoporphyrie und nicht dieser zugehörige Fälle) zusammen- gewürfelt wurde und zweitens durch Aufzählung imaginärer Fälle falsche Zahlenverhält- nisse entstanden (Fälle von Groß und Lewitus identisch, die Legende der drei Geschwister Bettmanns durch ein ungeschicktes Referat Med. Klinik 1921, 8. 641 entstanden). Die Angaben Bettmanns von 1918 und 1921 beziehen sich nur auf einen Bruder und eine Schwester. Die meist in früher Kindheit beginnenden Hauteruptionen wiederholen sich fast jährlich,, gewöhnlich im Frühjahr, und sind an den unbedeckten Körper- teilen unter Prädisposition der Ohren lokalisiert; auffälligerweise ist die Kinn- und Mundgegend meist verschont. Der Anfall tritt — oft nach kurzem Prodromal- stadium mit Jucken, Brennen, Mattig- keit, Kopfschmerz, Übelkeit, Konjunkti- vitis — mehrere Stunden nach der Strah- lenwirkung auf ; nur selten erfolgt Hyper- ämie und diffuse Ödembildung der Sub- kutis. Die typische Hauteruption besteht in der Bildung von „vakziniformen" oder „vesikulo-bullösen" Effloreszenzen mit serösem Inhalt, die unter eintrocknender Krustenbildung heilen oder unter Ge- schwürsbildung und infektiöser Vereite- rung zur oberflächlichen oder tiefen Narbenbildung führen. Durch Wieder- holung dieser Anfälle können unter zu- nehmender Defektbildung Verstümme- lungen besonders der Ohren, Nase, Finger eintreten. Manche dieser Fälle mögen wohl der Hämatoporphyrie angehören; nur in 15% wurde auf Hp. untersucht, mit negativem Erfolg. Dabei wurde die Untersuchung der Fäzes (bis auf einen Fall) unterlassen. Auch das eventuelle Vorhandensein der Leuko Verbindung wurde gewöhnlich nicht beachtet. Ebenso wie es Fälle gibt, welche bei Hämatoporphyrie -Ausscheidung keine Sensibili- »rung erkennen lassen, wäre es auch denkbar, daß Hp. lokal im Gewebe wirk- sam ist, ohne daß dieser Farbstoff im Urin erscheint. H. Fischer (1) denkt an die Möglichkeit, daß bei Hydroa und Dermatitis solaris nur Leukoverbin- dungen gebildet werden, welche - - „wenn dann bei der Belichtung an den Lichte zugekehrten Stellen der Farbstoff erzeugt wird" -- photodynamisch ohne daß Hp. im Urin erscheint; eher im Kot. Es muß aber doch auch i)glichkei1 gerechnet werden, daß andere unbekannte Sensibilisatoren ; hervor rufen. Was berechtigt zu einer Vermutung, phy logische]] Mengen im Körper vorhandene Hämatoporphyrin bilisator in Betrachi käme? Eöber sprichl die Vermutung aue Anwesenheil von Hämatoporphyrin und ähnlichen Stoffen das Lichl i Hautreiz ausübt, welcher aeben anderem wohl die Abb. 10. Hydroa aestivale. Haematoporphyria congenita. 661 physiologische Basis dessen ist, was man als erregende und die Stimmung hebende Wirkung hellen Wetters empfindet". Die klinische Untersuchung der meist nur dermatologisch beschriebenen Fälle ist nicht ertragreich. Dreimal fand sich Eosinophilie (bis 15%)- Zweimal sistierten die Eruptionen mit der Pubertät (§). Über den weiteren Verlauf in späteren Jahren ist wenig bekannt. Bezüglich der Ergebnisse der histo- logischen und lichtexperimentellen Untersuchungen siehe eine frühere Arbeit Günthers (4). Beistehende Abb. 10 und 11 demonstrieren eine eigene Beobachtung. Die 9 jährige Elli Schm. wurde in der Dermatologischen Klinik zu Leipzig 1923 behandele. Herr Prof. Rille gestattete mir gütigst die Untersuchung und Lichtbildreproduktion. Solitärer Fall. Vater hatte Gelenkrheumatismus, dessen 6 Geschwister gesund, ohne Hautausschlag, dessen Vater gichtleidend. Mutter und eine 11jährige Schwester gesund. Eltern nicht bluts- verwandt. Urinuntersuchung mehrerer Familienangehöriger ergab keine Hpurie. Patientin entwickelte sich normal, hatte 1922 Scharlach. Eine besondere LTrinfärbung wurde nie- Abb. 11. Hydroa aestivale. mals beobachtet. Erster Hydroaanfall Anfang April nach größerem Ausflug bei starker Besonnung, dessen Lokalisation die Abbildungen zeigen; die Eruptionen im Gesicht (be- sonders Nase, Ohren, auch Kopfhaut) sind schon eingetrocknet. Am 19. 5. geheilt ent- lassen, am 20. 5. Wiederaufnahme wegen neuen Anfalls nach längerem Spaziergang. Die Heilung erfolgte mit leicht gedeihen Narben. Während der Beobachtungszeit trat nie- mals eine anormale Harnfärbung auf. Quantitative Hp. -Bestimmungen ergaben im Urin vom 13. 4. (nach Garrod gefällt) 0,022 mg pro Liter, am 14. 4. nicht faßbare Mengen, aber nach Behandlung des Urins mit HCl und MnK04 0,028 mg pro Liter; also war Leukohp. vorhanden. Im Stuhl fand sich 0,3 mg Hp. auf 100 g Trockensubstanz. Das Kind zeigt normalen Körperbau und gesunde Organe. Blutuntersuchung (26. 4.): 14 600 Leukozyten, die Auszählung von 300 Zellen ergab: 49,3°/0 Neutrophile, 8,7 Eosinophile, 0,3 Mastzellen, 40,3 Lymphozyten, l,4°/0 Monozyten. Eine spätere Nachuntersuchung ergab, daß im Laufe des Sommers trotz stärkerer Lichtexposition keine neuen Hauteruptionen erfolgten. Verschiedenheit der Sensibilisatoren und der konstitutionellen Beschaffen- heit des Gewebes wird Ungleichheit der Reaktion bedingen. Schon das Symptom des Hydroa aestivale kann in verschiedenen Modifikationen auftreten (vakzini- forme oder vesikulo-bullöse), andere Personen reagieren überhaupt nicht mit 662 H. Günther: Hämatoporphyrie. Blaseneruptionen, sondern zeigen nur das Bild einer Dermatitis solaris oder eines starken Ödems der Subkutis (vgl. Abb. 9), in selteneren Fällen Sklero- dermie [Günther (2)] oder Hauthämorrhagien. Eine eigenartige Beobachtung von Lichtüberempfindlichkeit, die anamnestisch zunächst den Verdacht auf Hämatoporphyrie erweckt, sei hier mitgeteilt. Friedr. Du., 20 Jahre alter Kaufmann. 6. — 11. 5. 1923 in medizinischer Klinik. Seit 6. Lebensjahr jedes Frühjahr (zuweilen auch im Herbst) 1 — 4 mal nach längerem Aufenthalt im Freien bei Sonne + Wind Erythem und unter heftigem brennenden Schmerzgefühl starke Schwellung der unbedeckten Körperteile. Besonders tritt starkes Ödem der Lippe und Augenlider auf, so daß meist beide Augen zugeschwollen sind. Bei stärkerer Einwirkung auch leichte Hauthämorrhagien, niemals Blasenbildung (niemals Juckgefühl). Die Eruption ist schon etwa 5 Stunden nach Beginn der Besonnung stark ausgeprägt. In der Kindheit wurden auch die Ohren etwas dick, später nicht mehr. An den Händen wurde die prall gespannte Haut oft rissig — ,,sie platzte auf, ,,es kam Eiter heraus" — ohne vorherige Blasenbildung. Kinn war stets wenig, der Hals nur sehr selten betroffen. Am 6. 5. 1923 früh 7 — 8 Uhr langsame Autofahrt (30 km) ohne Gesichts- und Hände- schutz bei geringem Wind und Besonnung von rechts. Schon während der Fahrt trat Brennen an rechter Gesichtshälfte und an beiden Handrücken auf. Gegen 12 Uhr Schüttel- frost und starkes Hitzegefühl. Nachmittags 4 Uhr waren beide Augen zugeschwollen, starke Spannung im ganzen Gesicht. Kann sich entsinnen, daß etwa seit 13. Lebensjahr der Urin anfallsweise eine braun- rote Farbe (wie MalagaAvein) gehabt habe, er hat aber keinen zeitlichen Zusammenhang der Urinverfärbung mit dem Auftreten der Hauteruptionen beobachtet. Diese Urinver- änderungen treten in letzter Zeit etwa alle Monate auf und halten etwa 1—2 Tage an. In letzten Tagen keine auffällige Urinfärbung beobachtet (der letzte Anfall etwa vor 3 Wochen). Kongenitaler Herzfehler, als Kind Masern, Scharlach, Diphtherie. Familienanamnese: Mutter an Herzleiden gestorben. Von 5 Geschwistern eine an angeborenem Herzfehler gestorben, eine Schwester ist herzkrank. Über das Auftreten anormaler Urinverfärbungen und Lichtüberempfindlichkeit bei Geschwistern und in weiterer Familie nichts bekannt. Eltern nicht blutsverwandt. Status: Normaler Habitus, mittelgroß, bräunliche Gesichtsfarbe, normale Behaarung, kein Fieber. Das Gesicht ist stark ödematös gedunsen und gerötet (r. > 1.) mit bren- nendem heftigen Schmerz, in rechter unterer Wangengegend auch Druckschmerz. Ohren und Kinn frei. Rechte untere Stirngegend, rechte Oberlippe und besonders rechter Nasen- flügel zeigen kleinste punktförmige Hämorrhagien. Keine Blasenbildung. Starkes Ödem der rechten Augenlider und der Oberlippe. Haut des Nasenrückens etwas gerunzelt, Ohren leicht gerötet. Beide Handrücken stark gerötet und geschwollen; pralles Ödem bis etwa 2 cm über Handgelenk hinaufreichend. Leichte punktförmige bis konfluierende Hauthämorrhagien, keine Blasenbildung. Erste Phalangen dorsal leicht gerötet, Finger sonst unverändert. An beiden Handrücken einige kleine, oberflächliche, unregelmäßig begrenzte Dellen von früheren Vereiterungen. Übrige Haut normal. Die Schwellungen an Gesicht und Händen entsprechen an Intensität und Form etwa Abb. 9. Kongenitaler Herzfehler (sehr lautes, rauhes, systolisches Geräusch besonders über oberem Sternum, nach Karotiden fortgeleitet; kein Schwirren). Sonst normale innere Organe. Urin hellbernsteinfarbig, klar, E.— Z. — , Urobilin — , Urobilinogen schwach, Uro- chromogen — , Indikan — . Hämatoporphyrin 0,072 mg pro Liter, kein Leukohp. Am 8. 5. Ödeme geringer, fieberfrei. Livide dunkle Rötung der Handrücken und Pe- techien stärker geworden, dabei kleinste gelbe (purulente) Stippchen sichtbar. (Hat wegen brennenden ( Gefühles oft die Handrücken am Bettuch gerieben.) Weiterbeobachtung wegen Entlassung nicht möglich. Nach Mitteilung bis September 1923 kein neuer Anfall, auch keine auffällige Urinverfärbung. Ein Zusammenhang der bei Xeroderma pigmentosum [vgl. Günther (4)] festgestellten Lichtüberempfindlichkeit mit Porphyrismus hat sich bisher nicht sben. Bei Untersuchung der in Serbien häufiger vorkommenden Gesichts- itheliome will Kosanovic größere Mengen Hp. im Urin gefunden haben, ' anderen Karzinomen Leidenden und Gesunden. r Porphy i ikcr reagiert auf eine Hp.-Lichtsensibilisierung des Gewebes dem Symptom des Hydroa aestivale. Der bereits erörterte, ini noch nicht geklärte Sensibilisierungsvorgang ist vielleicht noch an r innte Bedingungen geknüpft, deren Realisierung nur zeitw Itung kommt. Die Disposition zum Kruptionsanfall Haematoporphyria congenita. 663 kann daher temporäre Schwankungen zeigen, es können Remissionen von längerer Dauer eintreten. Auch die Provokation eines Hydroaanf alles mit künstlichem Licht (Quarzlampe usw.) gelingt gewöhnlich nicht, weil offenbar nicht alle Bedingungen erfüllt sind. Neuere Lichtexperimente an Hämatoporphyrie -Kranken von Martenstein ergaben, daß die ultravioletten Strahlen besonders abwärts 280 ju/ll stärkere Überempfindlichkeitsvorgänge auszulösen vermögen. Hydroaeruptionen wurden zwar nicht erreicht, aber eine Erythemreaktion (bei stärkerer Wirkung Quaddelbildung) ohne Inkubation, wenn ungefilterte Strahlen verwendet wur- den, während mit Blau- (resp. Hell-)uviolfilter das Erythem erst nach der üb- lichen Inkubationszeit auftrat. Dem Autor war es nicht bekannt, daß Günther bereits 1911 (1. c. S. 139) bei ultravioletter Bestrahlung seines Hämatoporphyrie - patienten „direkt danach" Erythembildung und ein noch viel interessanteres Phänomen (s. u.) feststellte. Martenstein sucht die Erscheinung der inku- bationslosen Reaktion so zu erklären, daß durch einen in der Haut vorhandenen Katalysator der gleiche Vorgang wie beim Späterythem, aber mit größerer Intensität ausgelöst werde. Ich glaube, daß es sich beim Früherythem um einen Vorgang besonderer Art handelt. Das normale Lichterythem nach gewöhnlicher Besonnung ist nach Art eines anaphylaktischen Prozesses an eine Inkubationszeit gebunden. Den anaphylaktischen Vorgang kann man sich in der Weise vorstellen, daß durch die aktinischen Strahlen bestimmte Veränderungen an kolloidalen Eiweißkörpern verursacht Werden. Das so ent- standene Antigen tritt mit dem im Körper schon vorhandenen Toxogenin während der Inkubationszeit in Reaktion; das chemische Reaktionsprodukt (Apotoxin) verursacht die biologische Veränderung im Gewebe, die sichtbare Erythemreaktion. Die Antigenbildung durch Veränderung biologischer Eiweiß- körper kann durch Anwesenheit von Sensibilisatoren eine Steigerung erfahren. Als grob chemisches Beispiel kann man die Befunde von Ho well anführen. Dieser Autor fand, daß unter Anwesenheit von Hämatoporphyrin-Nencki belichtetes Fibrinogen seine Gerinnbarkeit durch Thrombin und durch Hitze und Fällbarkeit durch Dialyse verliert (ähnlich wirkt Eosin) ; die stärkste Wirkung hatten Strahlen von 570 — 487^, mit kürzerer Wellenlänge nahm die Wirkung ab und fehlte unter 300 juju. Günthers (1) Vergleich der Phänomene der Sen- sibilisierungs - Experimente mit dem anaphylaktischen Schock veranlaßte Garrod (1) zu der Bemerkung, daß im Dunkeln aufgezogene Tiere das Be- lichtungsphänomen nicht zeigen würden. Subkutane Chlorkalziumgaben ver- minderten nach Lignac die Lichtschädigung (bei Anwendung von Hp.-Nencki). Versuche mit Röntgenstrahlen ergeben weder Frühreaktion noch Über- empfindlichkeit bezüglich der Erythemdosis [Günther (2)] . Auch gegen a- Strahlen des Thorium X und gegen Mesothoriumstrahlung (ß -j- y) besteht keine Über- empfindlichkeit (Martenstein). Die Latenzzeit der spontanen Hydroaeruption schwankt übrigens mit der Intensität der Belichtung und beträgt einige Stunden bis mehrere (1 — 3) Tage (ausnahmsweise tritt bei sehr intensiver Belichtung die Blaseneruption als Frühreaktion sofort auf, wie die Anamnese des Falles Günther ergibt). Die Blasenbildung erfolgt unter lästigem Brennen ohne Juckreiz. Die Lokalisation an den unbedeckten Körperteilen und das Aussehen der ersten Eruptionen in der Kindheit entspricht etwa den Abbildungen 10 und 11. Es ergeben sich regionäre Unterschiede, indem manche der Belichtung gleich stark aus- gesetzten Teile größere Resistenz oder geringere Sensibilisierung zeigen. Ziem- lich immun sind Kinn, Unterlippe, Lippenrot, Greiffläche der Hände, und oft auch die Stirn, besonders betroffen werden Nase, Ohren, Wangen, Handrücken, Die Entwicklung der Blasen wurde schon bei Schilderung des Hydroasymptoms 664 H. Günther: Hämatoporphyrie. besprochen, die Blasen können einen Durchmesser von 2,5 cm erreichen, die sei ose. gelbliche bis grünliche oder sanguinolente Flüssigkeit von saurer Reaktion trocknet ein. es erfolgt mit oder ohne Umbilikation die Rückbildung und Heilung ohne oder mit leichter blatternähnlicher Narbenbildung. Oft erfolgt aber Ge- schwürsbildung, Vereiterung mit tiefer gehender Gewebsschädigung und Defekt- bildung. Wenn so im Laufe der Jahre immer wieder neue Eruptionen erfolgen und besonders die schon einmal geschädigten, weniger widerstandsfähigen, narbigen Hautstellen durch mehrfache neue Lichtscbädigungen angegriffen werden, so resultieren schließlich narbige Entstellungen des Hautreliefs, deren ziemlich symmetrische Loka- lisation hervorzuheben ist. Es finden sich kleine, blatternartige Dellen- narben und konfluierende breitere Eindellungen, mehr flächenhafte, glänzende Narbenpartien mit Ge- fäßektasien, größere sklerodaktylie- artig gespannte Hautpartien und schließlich durch die immer wieder- kehrenden Defektbildungen Muti- lationen, von deren Intensität Abb. 12—15 Zeugnis geben. Abb. 12 ist eine Reproduktion des Falles Linser, Abb. 13 stellt Günthers Patienten im 18. Lebensjahr, Abb. 14 den- selben im 30. Jahre vor; letzteres Licht- bild verdanke ich Herrn Prof. Eugen Fraenkel. Günthers Fall wird auch öfters in der Literatur als ,,Fall Petri" bezeichnet. Abb. 15 zeigt den Fall Nebel - thau-Vollmer. Die deletären, schrecklich ent- stellenden Folgen ergeben sich fast immer im Laufe der Jahre, nur in einem Fall (Fraenkel), der vielleicht durch Hypertrichie geschützt oder kaschiert war, wird lediglich er- wähnt, daß die Hände ,,wie abge- griffen" aussahen. Die größte Ent- stellung des Gesichts entsteht durch Mutilation der Nase, die an der Nasenspitze und den Nasenflügeln beginnt und zu völliger Zerstörung ,,wie bei Lupus" führen kann (Fall Schultz, Klee). Die Ohren sind fast stets betroffen, „wie angefressen" oder weitgehend ver- stümmelt. Die narbigen Veränderungen der Wangen werden durch die Ab- bildungen demonstriert; die Oberlippe kann durch narbige Schrumpfung so verkleinert werden, daß die oberen Zähne sichtbar werden (Abb. 12—14). An (U>n Händen werden besonders Finger und Handrücken geschädigt. er können im Eruptionsstadium des Hydroa anschwellen; Marten- ' wähnt häufige schmerzhafte Schwellungen der Finger von 3 Tagen r. !m besonderem Maße leiden die Endphalangen, welche schließlich ganz könn n. Den Fortschritt der Verstümmelungen im Laufe von l<> ,.n man an Günthers Fall studieren, wenn man die Abb. 13 des I \i)l». 1 [ vergleicht. Abb. 12. Fall Linser. Haematoporphyria congenita. 665 Durch narbige Schrumpfung der glatten, gespannten, atrophischen Haut treten Bewegungsbehinderungen, Gelenkverbiegungen und Gelenkfixierungen mit Ankylosenbildung (sogar in rechtwinkeliger Stellung) ein. Die Knochen werden sekundär teilweise atrophisch, an anderen Stellen läßt das Röntgen- bild aber Verdichtungen und an einzelnen Gelenken arthritische Veränderungen erkennen . Verkümmerungen der Nägel begleiten die Atrophie der Endphalangen. Kleinheit, Kürze, Längsstreif ung, ferner auch radialwärts gerichtete Schräg- stellung der Indexnägel (Martenstein) werden beschrieben. Die Nägel lösen sich stellenweise (eventuell unter Vereiterung) ab und werden schließlich total abgestoßen. In einem Fall Hartensteins erfolgte 6 mal nach Blasen- eruption Ablösung von Fingernägeln. Bei einem 2jährigen Kind (Ashby) waren die Nägel ,, dunkelrot" wie bei subungualen Blutungen. Nicht un- interessant ist in diesem Zusammen- hang die von Darwin berichtete Er- fahrung, daß Schweine durch Fressen der Farbwurzel Lachnanthes nicht nur rot gefärbte Knochen bekommen (vgl. S. 639), sondern auch ihre Klauen ver- lieren; schwarz pigmentierte Schweine erweisen sich gegen diese Erkrankung resistent. Eine weitere Verstümmelung tritt zuweilen durch Lichtschädigung der Augenlider ein. Infolge narbiger Verengerung der Lider kann das Sehen nur durch ganz enge, schlitzförmige Spalten erfolgen (Fall Klee). Bei- folgende Abb. 15 zeigt eine 45jährige Frau, deren Augenlider zu derben, nar- bigen Wülsten umgebildet sind (Fall Neb elthau -Vollmer). Die Lichtschädigungen der Haut sind mitunter noch von anderen Phäno- menen begleitet. Es können großfleckige purpuraähnliche Hauthämorrhagien auftreten (Vollmer, Garrod). Die zwischen den Narben befindliche Haut ist gewöhnlich stark pigmentiert. Es finden sich aber oft noch Veränderungen, welche schon die Vermutung aufkommen ließen, daß es sich bei der kongenitalen Hämatoporphyrie über- haupt nicht um das typische Symptom des Hydroa aestivale handele. Capelli weist schon darauf hin, daß die leukoatrophischen Hautstellen, die zahlreichen miliumartig aussehenden Epidermis zysten und die temporären Nagel- dystrophien eine Verwandtschaft mit der Epidermolysis bullosa erkennen lassen. Hartensteins Fälle zeigen ebenfalls stecknadelkopfgroße Epidermis - zysten; es ergab sich anamnestisch, daß im Sommer eine besondere Empfind- lichkeit der Haut traumatischen Einflüssen gegenüber bestehen soll. In Garrods (3) Fall ergab die dermatologische Untersuchung, daß im Sommer die dem Licht ausgesetzte Haut eine gesteigerte Empfindlichkeit gegen leichte mechanische Einflüsse zu haben scheine, daß das Kratzen der sensibilisierten Haut die Blaseneruption anzuregen scheine, daß eine große Ähnlichkeit mit Epidermolysis bullosa bestehe (,,it more closely resembles in its clinical features Abb. 13. Fall Günther (1910). 6tu; H. Günther: Hämatoporphyrie. epidermolysis bullosa than hydroa aestivale*'). Wieder ein Zeichen mehr für die polygenetische Ätiologie. Narbig veränderte Haut ist oft gegen Läsionen empfindlicher. Nach der Beschreibung scheint es so, als ob auch die epidermolyis- ähnlichen Symptome auf das Narbengebiet beschränkt sind. Das zweite Kardinalsymptom betrifft die Ausscheidungen von Hämato- porphyrinen in Harn und Kot. Der Harn zeigt stets stark saure Reaktion und meist eine auffällige rot- braune Farbe (Kirschsaft. Burgunder. Portwein); oft ist die Farbe heller (bern- Abb. 14. Fall Günther 1922. tcin, hellrot) oder noch dunkler, bis braunschwarz mit temporären Schwan- kungen. Gewöhnlich fehlen Albuminurie. Glykosurie, Bilirubin, selten wird Azeton, Indikan erwähnt. Die Braunfärbung ist durch zeitweilig in größeren ngen vorkommende „Urobiline" und ,,Urofuszine" bedingt. Der Nach- 3 der Hämatoporphyrine wird schon durch die spektroskopische Unter - ; i i.itiwn Harnes wahrscheinlich gemacht, welcher das alkalische | kt i im zeigt. Der genauere Nachweis erfolgt durch die bekannten I nngsmet] B i der kongenitalen Hämatoporphyrie wurde zuerst Haematoporphyria congenita. 667 von H. Fischer das Vorkommen eines besonderen Hp. im Harn, nämlich das Uroporphyrin -Fischer festgestellt. Der Nachweis dieses Stoffes ist bisher bei den Fällen von Günther und Klee durch H. Fischer selbst, bei Garrods Fall durch Allott erbracht. Daneben kommt aber noch das gewöhnliche native Hämatoporphyrin vor. Die Summe dieser Farbstoffe und Nebenprodukte im ungereinigten Zustande („Rohporphyr in") wurde in einem Falle längere Zeit quantitativ bestimmt und ergab tägliche Durchschnittsmengen von 0,3 bis 0,5 g (Fischer, Schumm); diese Mengen blieben 3 Jahre hindurch etwa gleich (Schumm). Auch Leukohp läßt sich im Harn feststellen. Hämatin- artige Farbstoffe waren im Harn nie zu finden. Der Eisengehalt des Harns soll im Fall Ehrmanns über die Norm erhöht sein (Robitschek). Der Kot zeigt schwarzbraune Farbe (auch bei Milchdiät) und enthält reichlich Hämatoporphyrin (kein Uroporphyrin-Fischer). Die durchschnittlichen Tagesmengen werden etwas geringer als die des Urins befunden. Blutfarbstoff ist gewöhnlich nicht vorhanden. Uro- bilinogen wurde im Falle Ehr- manns zu 0,13 pro die von Charnes bestimmt (Robitschek). Im Blutserum kann man natürlich das Vorkommen geringer Hp. -Mengen, besonders des durch die Nieren ausgeschiedenen Uro- porphyrins annehmen, doch ist der Nachweis nicht immer geglückt. Schumm betont, daß ihm der Nachweis von Hp. im Serum von Günthers Fall stets gelungen ist, und zwar handelt es sich nach der spektrographischen Untersuchung vornehmlich um Uroporphyrin; daneben war Hämatin und eine pathologisch erhöhte Menge Bili- rubin mit indirekter Diazoreaktion vorhanden. Eine Übersicht über die quantitativen Schwankungen im Laufe der Jahre gibt Schumm in einer Tabelle. Fischer meint, daß das ,, Hämatin" vielleicht das Eisensalz des Urinporphyrins gewesen sei, welches in n/10 NaOH mit Hydrazin eine Absorption 528 — 500 gebe, während Hämin unter gleichen Umständen 532 bis 509 gebe.; Ferner glaubt Fischer (5) neuerdings, daß die Karboxylierung des Hp., also die Uroporphyrinbildung erst in den Nieren erfolge, da im Serum bei kon- genitaler Hämatoporphyrie nur „Koproporphyrin" (im Gegensatz zu Schumm) zu finden sei. Schumm (6) konnte beide natürlichen Porphyrine auch im Pleuraexsudat, und zwar in höherer Konzentration als im Blutserum nachweisen. Unter Anerkennung des Vorkommens von Up. in Serum und Pleuraexsudat gibt Fischer (10) zu, daß die Karboxylierung auch an anderen Orten als in der Niere statthaben kann. Abb. 15. Fall Nebelthau -Vollmer. 6G8 H. Günther: Hämatoporphyrie. Über die Ablagerung von Hämatoporphyrinen im Gewebe wird noch zu sprechen sein. Mit Schweiß und Speichel wird kein Hämatoporphyrin aus- geschieden. Diese Kardinalsymptome sind der Ausdruck der besonderen Konsti- tutions^anomalie des Porphyrismus, der in seinen Grundzügen bereits S. 636 geschildert wurde. Es sollen jetzt weitere konstitutionelle Eigenarten, speziell Korrelationen mit anderen Konstitutionsanomalien besprochen werden. Der allgemeine Körperbau zeigt keine Besonderheiten. Wenn die Hände mehrmals als atrophisch oder im Wachstum zurückgeblieben geschildert werden, so ist dies wohl als Folge der Lichterkrankung des Integumentes anzusehen. In Fraenkels Fall wird nichts von Lichtsensibilisierung erwähnt, die Hände werden aber als kurz, zwergartig, „wie abgegriffen" beschrieben. Verdickungen der Endphalangen (Gagey), Koilonychie (auch am Fuß) und Hyperkeratosen der Nägel (Martenstein) kommen vor. Die unter der retrahierten Oberlippe hervorragenden oberen Schneidezähne sind bei Abb. 12 auffällig schräg nach vorn gestellt. Anomalien der Behaarung fallen meist auf. Gewöhnlich ist Hypertrichie vorhanden. Öfters findet man kräftige Kinnbarthaare, auffallend stark ent- wickelte Augenbrauen mit Synophrys (Abb. 13) und lange schwarze Zilien (Abb. 14), sehr grobes Kopfhaar, starke Behaarung der Unterarme und zu- weilen übernormale Stammbehaarung. Als Folge der Hautschädigung können einzelne Haarbezirke gelichtet werden, so besonders die Wimpern und Augen- brauen (Abb. 15) und der Kinnbart teilweise (Abb. 13) verschwinden. Vermehrte allgemeine Hyperpigmentation ist als Symptom des Porphy- rismus bekannt. Die nicht geschädigten Hautpartien zwischen den Hydroa- eruptionen fallen besonders durch ihre starke Pigmentierung (unregelmäßige Pigment flecke) auf. Im Narbengebiet kommen auch pigmentlose Stellen vor. Eine gelbliche Pigmentation der Conjunctiva bulbi erwähnen Schultz, Günther. Ein besonders eigenartiges Phänomen ist die von Günther (1) beschriebene Pigmentfrühreaktion. Während die normale Belichtungspigmentation der Haut erst nach einer Latenz von mehreren Tagen [vgl. Günther (4)] zum Vorschein kommt, tritt bei der kongenitalen Hämatoporphyrie unmittelbar nach der Bestrahlung (Bogenlampe, Bergkristallinse, Wasserkühlung) eine intensive schwärzliche Pigmentierung auf, die sich relativ schneller als die normale Sonnenbräunung wieder zurückbildet. Wird ein Hautstück sofort nach der Belichtung exstirpiert, so findet man eine bedeutende Pigmentanhäufung in den Basalzellen und älteren Epithelzellen (vielleicht auch interzelluläre Pigmentanhäufungen), während in der Kutis keine Pigmentvermehrung statt- findet; das Pigment gibt keine Eisenreaktion und zeigt mikrospektroskopisch keine Absorptionsstreifen. Bei der akuten Hämatoporphyrie konnte dagegen Günther (3) mittels Quarzlampenbestrahlung keine Pigment f ruh reaktion und nur ein wie bei einer normalen Kontrolle nach zwei Stunden erscheinendes Lichterythem erzielen. Daß gewisse Körpergewebe die anormal gebildeten Farbstoffe aufnehmen, läßt sich schon intra vitam nachweisen. Die Zahnkronen sind meist nicht durch besondere Färbung aufgefallen; Günther erwähnt in seinem Falle besonders lie gelblich-weiße Farbe der Zähne. Dagegen lassen die Zahnwurzeln eine rotbraune Färbung erkennen (Günther, Fraenkel), und von Günther (2) urde zuerst der Nachweis von Hp. im menschlichen Körpergewebe durch i des Farbstoffes aus der Zahnwurzel erbracht. Nach Extraktion off es wurden Knochenschliffe quer und längs hergestellt, welche deut- braune Pigmentierung der Zementschichit und des Zahnbeines ohne mikro- sp h wahrnehmbare Absorptionsstreifen erkennen ließen. Ausnahm*- Haematoporphyria congenita. 669 weise kann aber der Farbstoff auch, bei der Zahnbildung in die Zahnkronen übergehen, wie sich ja auch aus den erwähnten Experimenten E. Fraenkels (2) ergibt. Ein interessantes Beispiel dafür ist der Fall Garrods. Schon die ersten Zähne im 9. Monat fielen durch ihre rote Farbe auf; die erste ärztliche Beob- achtung im 2. Lebensjahre stellte eine rötliche F'arbe der Zahnkronen fest, Welche kaum von der des Zahnfleisches zu unterscheiden war; im 6. Lebens- jahr war die Farbe mehr bräunlich-rot. Es kann wohl nicht bezweifelt werden und wird noch beim Zahnwechsel sicher festgestellt werden können, daß es sich hier um Ablagerung von Hämatoporphyrin und von braunen Pigmenten handelt. Da es gelingt, das Hämatoporphyrinspektrum bei auffallendem, reflek- tiertem Licht zu erhalten, wenn1 man die reine Substanz als Pulver untersucht oder das gelöste Hp. auf Löschpapier eintrocknen läßt, so läßt sich hier vielleicht mit einem schon von Günther (1) (I.e. S.740) als ,,Dermospektroskopie" ver- wendeten Verfahren schon jetzt der spektroskopische Nachweis von Hp. im Dentin durch die überlagernde dünne Schmelzschicht hindurch erbringen. Nach brieflicher Mitteilung Sir A. E. Garrods sind jetzt auch die ersten Zähne der 2. Dention rosa gefärbt. Bei dem neuesten Fall (Ashby) sind die Milch- zähne gleichfalls rot gefärbt. Die Spektren der trockenen Substanz im reflektierten Licht entsprechen nicht denen der Lösung. Das Pulver des reinen Uroporphyrin-Methylesters zeigt das Spektrum: 650-630/ 597-573/ 565-5477 535 EEE. Urohämatoporphyrin gereinigt auf dem Filter: 607 — 572 / (560—533) / 515 . 391, :ü»7. 128, 10' l.,7 194, 624, 030, 043. 660, 581 649. 017. 31 \. 387, 146, Fraenkel, E. 39, 435, 465, 503, 632, 039, 640, 657, 05S. 664, 668, 669, 670, 671. Fränkel, S. 158. Frankenhaeuser 142. Frehse 550. Frei, M. 335, 343, 578. French 159. Freund 34, 137, 138, 158, 268, 379. Frey, W. 522, 537. Freytag 560. Fried 584. Fried berger 147. Friede 657. Friedeldij 134. Friedenwald 145. Friedson 489. Fronzig, M. 3!). Fuld 574. Gagey 657, 668. Gaisböck 260, 261, 263, 267, 269, 270, 280, Galli 131. O anter 150. Gardini 66, 137. Garrod 628, 631, 632, 633, 655, 656, 657, 658, 665, 669. Gassier 189. Gaucher 435, 558. Gauckler 437. Gaule 96. Gautier 19, 84. Gavazzeni 43, 414. Gaviati 43. Gebhard 22. Geigel, R. 19. Gengou 575. Geppert 22. Gerhardt 129, 152, 153, 179, 183. Ghiron 268, 278. Gibelli 262. Gibson 274. Gierke, v. 536. Gigon 492. Gilbert 116, 609. Gioseffi 142. Githens 37. Glaeßner 261, 268, 272, 013. Gl ans mann 40. Glanzmann 292, 326, 328, 385. 386, 387, 388, 465, 468. Godall 10, 70, 74, 104, 106, 112, 117, 120, 143, 153, 154. 15!). 165, 166, 171, IS2. IS5. ISO, 188,189. 192, Goldmann 477, 478, 479, 484. 4SS, 489, 402. 494, 500. 502. Goldschmidl 532,554,555, 266, 282. 652, 663, 158, 598, 344. 105, 141, 100. 184, 105. 483, 403. 556. Goldstein 272. Golubinin 265. Gomeß 135. Gordon 266, 268. Gorke 352, 356, 357, 362, 400, 403, 407, 413, 428, 420. 450. Görnar 238. Gott 40. Gottschalk 24. Govaerts 342, 343. Gräber 82. Gräfe 62, 63, 602, 611. Gräfe 148. Gräff 481, 489, 503, 504, 519, 549, 553. Graham 62, 63. Gram 117, 119, 139, 314, 319, 324, 378, 380, 385. Grandidier 567, 568, 56!). Grant 586. Grauhan 60. Grawitz 5, 8, 17, 27, 44, 45, 47, 78, 82, 88, 98, 105, 106, 113, 114, 115, 120, 129, 132, 136, 139, 142, 143, 144, 145, 100, 187, 196, 198, 204, 225. Gray 657. Gressot 581. Grezel 141. Griesbach 78. Griesinger 59. Groß 657, 660. Grosser 60. Großmann 534. Gruber 468, 524. Grumnach 84. Grund 650. Grünewald 644, 647, 648, 649, 651. Gualdi 52. Gudzent 261. Guggenheimer 281, 374. 37S. Guglielmo 268, 269, 278. Guillemont 232. Guinon 271. Gulland 70, 74, 103, 104, 105, 106, 112, 117, 120, 141, 143, 153, 154, 159, 160, 164, 166, 171, 182, IK4, 185,186, 188,189,192, 195. Gumprecht 27. Gundobin 00. Günther 609, 617, 619, 623, 624, 625, 627, 628, 629, 630, 632, 633, (534. 635, 030, 638, 639, 641. 042. 047, 648, 649, 650, 651, 652, 654, 655, 050. 057. 058, 661, 662, 004. 007. 668, 669, 670. Gtirber 30. Gusserow 135. 130. 228. Gutheil 88, 91. Gütig 433. 430. Gutmann 142. 458. Naro enverzeichnis. 677 Gutstein 648, 649, 650, 651. Gutzeit 263, 269. Haan, de 60, 495. Haberland 507. Habersohn 228. Hahn 513, 537. Halberstädter 261. Halbing 194, 195. Haidane 269. Hämäläinen 169. Hamburger 205. Hamilton 271. Hammarsten 574. Hammer 260. Hammerschlag TS, 79, 196. Handrick 159, 168, 184, 241. Hannema 600. 605, 609. Hannes 383. Hanot 82. Hansemann 238, 239. Bansen 186, 229. Hanser 352. Harbitz 649, 650. 651. Harrop 97, 349, 379. 458. Hart mann 351. Hathsey 26!). Battori 486. Hai ick 550. Hauke 361, 363. 373. Hausmann 657, 658. Hayashi 486. Bayern 65, 83. 88, 138, 143. 156, 166, IST. 196. J9T. 235, 292, 30T. 311, 313, 314, 315, 329, 336, 337, 351. 352. 353. 386, 388, 391. Bedinger 11, 158, 406. Hefke 655. Heine 90. Heinecke 15, 16. IT. 157, 187, 188, 234, 235, 414, 440. Beinike 42. Hrmrichsdorf 151. Beintz 227. Heinz 7, 15. Beißler 28. Heitier 17, 18. Bekma 576. Heller 124. Helly 16. 234. 391, 402. Henderson 36, 137. Henle 235. Benneberg 193. Henoch 290, 292, 293, 30T, 310, 311, 328, 451. 452. 459, 465, 468, 471. Henry 159, 195. Herrmann 382. Hertz 261. Herxheimer 267, 268. Herz 402, 403, 435. Herzberg 143, 238. Herzfeld 5T5. 581. Herzog 398, 401, 414, 431 . 468, 482, 483, 484, 492, 499, 520, 530, 531, 532, 533. 535, 536, 554, 588, 590. Heß 269, 275, 276, 332, 368, 384, 385, 388, 463, 530. 535, 537, 538, 547. Heubner 311, 402, 459. Heudorf er 117, 482. Heyland 578. Heyter 586. Hijmans van den Bergh 399. 515, 605, 609. Hirsch 33. Hirschfeld 7, 14, 39, 92, 121 129, 142, 147, 148, 150. 151, 153, 161, 196. 207. 208, 209, 212, 216, 217. 224, 260, 269, 272, 276. 280, 363, 391, 392, 406, 407, 408, 421, 423, 424, 433, 436, 540, 552. Hisinger-Jägerskiöld 195. Hittmair 537. Hnatek 267. Hoagland 627. Höber 342, 343. 495, 660. Hoche 451. Hofbauer 23, 161. 177. Hoefer 142. Hoff mann 122, 503. Hof mann 96, 535. Högler 282. Hoke 26, 79. Holler 75. Holst 115, 146. Holsti 115. Hooper 515. Hopkins 190, 508. Hopmann 543. Hoppe-Seyler 22, 36, 72. 187, 624, 625. H örder 279. Horiuchi 29. Horovitz 314, 368. Hößlin 38. Host 229. Hover 598. Howell 14, 319, 579. 663. Huber 150, 161, 194, 224. Hueck 190, 408, 480, 492, 499, 533. Hunj/reckcr 280. Hunter 123, 135, 142, 146, 164, 165, 181, 187, 190, 191, 232, 238, 239, 241. Hürter 111, 136, 143, 159. Hurwitz 335. Hus 69, 70. Hutchinson 109, 269, 272. Hutinel 468. Ikeda 536. Immermann 113, 115, 122, 155, 159, 197, 243, 290, 311. [noue599, 602, 603, 611, 618. Isaak 12, 132, 159, 168, 184, 241, 407. 510, 513, 514. 532, 554, 555, 556. Itami 275. Jacksch, v. 24, 25. 79, 191. 196, 268. Jacob 189. Jacobi 82. Jaffe 361, 487. Jagic 21, 73, 121. Jagnov 588. Jakob 483. .Jakuszcewsky 205. Jaquet 2»>o. ' Jedlicka365, 602, 604, 61 1,613. Jedwabnik 267, 272, 279. Jehle 614, 615. 618. Jerlow 133, 241. Jo 486. Joannovicz 158, 159. Joest 504. Johnsson 1(51. .Joltrain 189. Jones 598. .Jounkin 489. Juliusburger 193. .Jundell 617. Jung 268. Jungmann 137, 461. 462. Jürgens 504. Jürgensen 225. Kabanow 148. Kahler 426. Kamiya 483. Kämmerer 628, 630. 633, 635. Kanai 342. Käppis 65. Karl bäum 9, 10. Karvonen 135. Käst 433, 436, 614, 615. Katsch 293. Katsunuma 478, 483. Kaufmann 235, 236. Kausch 588. Kawamura 486. Kaznelson 212, 315, 353. 350. 357, 358, 361, 362. 363. 372, 373, 378, 381, 402. 429, 430, 435, 440, 518, 547, 598, 599. 611, 612. Kehrer 388. Kelling 62. Kelsch 55. Kennerknecht 190. Kentzler 618. Kermauner 383. Kestner 43. Kienböck 414. Kionka 22. Kiralyfi 280. Kirch 260. Kisch 28. Kißkalt 56. Kitamura 606. G78 Namenverzeichnis. Kivono 479. 481. 483. '486, 488, 489, 490. 496, 504, 507. 512. 524. 525, 532, 533. Klee 657. 664. 665. 667. Kleemami 517. Klein 116, 139, 549, 614. 618. Kleinschmidt 41, 51, 391 Klemperer 29. 143. 161. 227. 276, 280. 373. Klieneberger 52. Klimenko 124. Klinger 340, 350, 380. 577.579,580,581,582, Knape 572. Knowles 548. Knox 561. 562. Koch 416. Kocher 73. 588. Kockel 91. Kodama 499, 515. Kohn 518, 535, 541. Kokitsu 486. Koelman 614, 615, 616. Komura 486. Könis, F. 372. - L. 345. Konjetzny 93. Konnstein 29. Koranyi, v. 187, 261. 279. Korbsch 371. Koren 112, 113. Korschun 146, 147. Kosian 149. Koso 486. Kossa 631. Kossei 560. Kossler 24, 25. 79. Köster 266, 267. Kotake 511. Kottmann 581. Krantz 212, 423, 424. Kraus 18, 30, 168, 170. 178, 239, 327, 530, 558. 561. Krause 42. 235. 267. Krauß, E. 292. Kristensen 322, 323. Krogh 339, 348, 349. 379. 459. Krokiewicz 597. 598, 600, Kroll 413. Krömeke 320. 387. 388. Krompechei 560. Ksonka, v. 40. Kuckeil] 262. Ku.ziiiski 462. 478. 479. 494.499.r,(i(i. 501,502, Kühl 98. Kühne! 84. Kulimann ''»2. Kumagai 599. 802, 603, 618. Kunkel <17 Kurpjuweil 15. 66 397. 484, Kusama 514. Lewisohn 590. 491. Kusimoto 103. Lewitua 657. 660. 518. Kusnetzowsky 494. Ley 151, 342. 536. Kusonoki 109. Leyden 193. 670. Küßner 598. Küttner 276, 280. 524. Libman 558. Lichtenstein 67, 68. 615, Kyes 507. Kylin 458, 470. Lichtheim 193, 595. Lichtwitz 614, 615, 618. Lichtv 154. 224. La Barre 575. Lidsky 581. 380. Laachell2, 115. 139. 155 159. Lignac 639, 663, 671. 164, 166, 170, 188. 189. Limbeck 50. 190, 197, 243. Lindbom 198, 210, 597, 598, 575. Labbe 64. 139, 154, 189 599, 605, 606, 607, 612. 590. Labendzinski 136. Labhardt 309. Linser 657, 664, 670. Lippmann, H. 558. Ladd 117. Litten 88, 124, 290, 294, 309, Laidia w 458. 630. 311, 462, 463, 468, 469. Landau 37, 160, 238, 473. 511. 578, 592. 512. Löffler 650. Lande 67, 68. Löhr, H. 510. Landry 644. Lommel 266, 270, 272. 278. Landsteiner 597. 600, 601, Longcope 436, 542. 603, 606, 607, 615. Looser 39. Langhans 555. Lortat 189. Langlev 459. Lossen 568, 580, 581. Lankhaut 597, 613. Loew 266, 272. Lapique 232. Loewv 22, 168, 268. 269. 436. Larabee 430. Lubarsch 483, 563. Latiner 261. Lubnitzky, S. 336. 411. Laveran 517. Luce 60. Lazarus 102, 103, 105, 106, Lucey 530. 111, 120, 123, 129, 136, Luedm 281. 137, 140, 141, 150, 151, Lüdke 17, 18, 19. 20. 147 148, 162, 165, 168, 183, 185, 602. 191. 194, 196, 207, 208 Lutembacher 281. 209,223.225,227,235,292. Lutoslawski 8, 44. Le Fevre de Arric 342, 343. Lüttke 510. Le Sourd 313. Lutz 563. Lebert 121. Lyonnet 196. Leder 414. Leede 547. Maase 644, 648, 649. 650 651. Leersum, van 631. Mac CoUum 631. 176, Lefas 272. Mac Munn 624. 547, Legg 276. Mac Nee 511. Lehmann 22, 38. 95. (iöö. Macfie 601. Leicht enstern 121. 124. 125. Mackey 657. 128, 135, 193, 194. Madsen 70, 71. Leicht entritt 517. Magath 51(5. 458, Lenhartz 142. Leon, A. 402, 543. Magnanimi 630. Magnus 168. 609. Lepehne 487, 497, 501, 514. 515. 512, Makarow 104. 189. Makino 515. Lequeux 136. Mallorv433,437.488.5(>3 54Ö Leredde 413. Malte 217. Leschke 465. Mandlebaum 558. 560. Lesser 262. 27 (i. Mann 516. t87 Lethans 276. .Manna lief- 52. 142. 556. Letheby 512. Letzerich 293. Leube, \. 157. 178. Mansfeld 74. 277. Manwaring 507. Maragliano 8. 61, 205. Leupold 483. Marchand 127. 132. 133. 473. (Hi. Levaditi 475. 47 1. 177. 481, 183, 484. Levine 1 17. 192. 493, 499. 503. 506, Levy, M. 30, 168, 608 507. 532. 533. 543. 559. Lewis 482, 483. Manonelles 151. Namenverzeichnis . 679 Martenstein 657, 663, 664 , 665, Moorhead 159, 160. 668, 670. Moosbrugger 135. Martin 272. Moraczewski, v. 24, 170, 190, Martins 184, 239, 245. 191. Marx 475, 509. Morawitz 7, 12, 18, 24, 80, Masai 511. 97, 98, 120, 129, 137, 142, Masing 29, 170. 149, 153, 170, 175, 196, Massart 524. 212, 225, 227, 269, 292, Massary 212, 419. 340, 341, 342, 343, 388, Massini 47. 446, 447, 461, 573, 574. Matsuo 599, 600, 602, 604 ,612. 575, 580, 581. Matthes 115, 117, 165, 193,238. Morgenroth 146, 147, 225. Matthieu 82. Mori 489, 511. Matzdorf 319, 387. Moritz 143. Mautner 509. Moro 597, 601, 603, 605. Maximow 473, 474, 477, 479, Morsasca 135. 481, 494, 532, 533, 534, 536. Morse 271. Medak 184. Mosenthal 281. Meiclner 151. Moses 149, 510, 514. Melchior 514. Moß 62, 602. 605. Mendel 119, 568. Mosse 159, 194, 239, 260, 262, Menetrier 143. 263, 271, 272, 276. Menghini 96. Mottram 368. Metschnikoff 427, 473, 474, Moutard 272. 475, 476, 477, 478, 487. Mühsam 429. 490, 492, 507, 605. Muir 82. Meulengracht 110, 111, 117, Müller 38, 60, 105, 135, 136, 146, 149, 161, 243, 244. 139, 155, 159, 165, 166, Meyer, E. 15, 16, 17, 131 133, 168, 170, 173, 176, 181, 157, 187, 188, 225, 234, 182, 197, 231, 262, 272, 235, 241, 261, 267, 595, 276, 602, 611. 596, 597, 598. 599, 601, - Fr. 262, 269, 610. 602, 603, 605, 606, 607, - H. 190, 191. 610,611,612,613,614 618. - J. 184. L. F. 39. - O. 455. H. 309. Munk 38, 56. Meyer-Betz 616, 617, 618, 619, Münzer 269, 280. 658. Murata 486. Meyerstein 40. Musser 399. Michaelis 29. Mustelin 117, 119, 206, 207, .Mickcli 62. 208, 209, 243. Migai 497. Mikulicz, v. 516. Naegeli 5, 6, 9, 16, 39, 44, Miller 595. 45, 46, 49, 50, 59, 73, 75, Minelli 43, 414. 78, 79, 80, 81, 82, 90, 97, .Mi not 262. 103, 109, 111, 117, 123, Minkowski 515, . 51.). Montesano 52. Nebelthau 657, 664, 665. Monti 109. Nehring 168. Neilson 612. Neisser 98, 224, 226, 227. Nencki 623, 624, 625, 628, 630. Netousek 547. Neubert 482. Neuda 266. Neuffer 591. Neukirch 618. Neumann 15, 416. Neuschloß 74. Neusser 185. Niekau 470. Niemann 560, 561, 562. Niepraschk 161. Nierenstein 495. Nissen 496, 510, 519, 539. Nißle 149. Nobecourt 588. Noda 597, 601, 603, 605. Nolf 292, 448, 575, 581, 588, 613. Nonne 134, 193, 194. Nonnenbruch 24, 590. v. Noorden 5, 21, 23, 28, 34, 38, 64, 72, 73, 74, 77, 78, 82, 83, 84, 88, 89, 90, 124, 139, 150, 154, 156, 161, 183, 184, 187, 189, 190, 191, 193, 195, 210, 261. Nossen 517. Nothnagel 238. Occhino 479. Ogata 353, 355, 378. Ohme 406, 537. Okubo 486. Okuneff 494, 495. Ölecker 93. Olin 169. Oeller 504, 505, 508, 513, 514, 519, 525, 526, 537, 544, 550. Opitz 41, 95, 319, 335, 343, 387, 578, 584. Orsos 482. Osler 152, 263. Otte 578. Otten 20, 73, 80, 84, 87, 91 Ozoki 508. Pagniez 313. Pallitzer 70, 74. Panum 37, 276. Papendieck 629, 636. Pappenheim 1, 123, 137, 138, 150, 151, 152, 155, I.V.). 162, 163, 204, 205, 208, 223, 228, 234, 235, 239, 241, 261, 278, 321, 407, 408, 410, 421, 431, 518, 551. Pardington 652. Parisot 628. Parker 508. Parkes 260, 402. 680 Nam en Verzeichnis . Parkinson 160, 189, 265, 281. Parquet 262. Paschkis 490, 574. Paszkiewicz 188, 180, 233. Patek 117, 119, 154. Patella 400, 518, 547. Paton 10. Paul 619. Paulicek 524. Payer 137. Pehu 605. Pekelharirig 574. Pel 262. Pelladani 15. Pentimalli 378, 530. Pepper 150, 228, 388. Perthes 93. Perutz 632. Pest 18. Petren 193, 446, 447, 448. Petri 250, 664. Petroff 405, 407. Petrone 142. Petzal 510, 514. Peyer 36. Peyton, Rous 65. Pfaundler 68, 367, 388, 452, 457. Pfeiffer 475, 406, 490, 500, 510, 511. Phedran 130. Pick 158, 159, 262, 465, 468, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 598, 613. Plehn 182, 188, 180, 265. Plesch 78, 170, 105, 260, 277, 280. Plicot 137. Poggenpol 134. Poll 483. Pollitzer 73, 208. Pölzl 260. Ponfick 17, 477, 505, 506, 608. Pontano 136. Popoff 14. Popper 266, 272. Porges 613, 614, 615, 616, 618. Preiß L56. Pribram 184, 500, 605, 613. Pringsheim 605, 60(5, 610, 612. Prior 618. Queckenstedt 130, 131, 132, 146, 164, 100. 191, 241. Quenstedt 87. 91. Querner 617. Quincke 78, 90, 91, 96, 104, 122. 154. 104. I7(>. IS3. 107. 199. 22S. Rabe 334. 343. 578. P.i' Iiiii;iiio\\ 1*3. Radovioi 588. i: oza 127, 133. 244. Ramon v ( lajal 184. Ranke 328, 180, 506, 506. Ranking 652. Ranvier 473, 474, 476, 488. Rautenberg 461. Recklinghausen v.88, 91, 262. Reckzeh 134, 188, 272, 477. Rectano 553. Redtenbacher 116. Regnault 150. Reich 121. Reicher 225. Reinert 37. Reis, van der 150. Reiß 25, 612. Reitano 480. Renaut 473, 474, 477, 478, 402. Rendu 272. Reschad 401, 551, 553, 554. Rethers 89. Retzlaff 266, 27.' Reuber 558. Reyher 122, 123, 196. Ribbert 18, 475, 476. 477, 479, 483. Ribierre 205. Richardson 550. Richartz 62. Ricker 459, 572. Riebold 568. Riedel 470. Rießer 653. Riethers 168. Rieux 518. Rille 661. Risel 466, 467,468,470,47 1 ,559 . Risien 193. Rist 76, 271. Rivet 307, 315, 328, 331. Robert 328. Roberts 615. Robertson 224. Robin 616. Robitschek 620, 057, 667, 670. Roccavilla 233. Rodier 79. Rogers 428, 434, 548. Rogowitsch 494. Röhmer 148. Rohnstein 36, 82, 157, 161. 207, 208, 209. Rolleston 159, 160. Rolly 84. Rombach 262. Romberg 50. Römer 170, 509. Roos 160. 238. Röscher 308, 401, 414, 431. Rosenbach 597. 000. ti()7. Rosenfeld 282. Rosengart 279, 280. Rosenow 363. Rosenqvisl I 15. 1 10. 120. 128, Mo. 143. 170, 171. 175. L82, 185. 190. 210. Rosenthal 353. 381, 182, 507. 510, 514. 517. 530. 614, 615, 617. Rosin 267, 597, 598, 000. 607. Roskam 320, 339, 341, 342. 343. 344. 345, 449. Rösler 379, 519. Rossi 134, 135, 152. Roessing 63. Roessingh 97. Rößle 468, 475, 506. Rostoski 88. Roth 50, 110, 117. 120, 130, 139, 141, 196, 233, 271. Röthlin 72. Rothmann 193, 194. 195. Rotschild 263. R ott mann 618. Roubier 189. Rouget 482. Roughton 276. Rouslarroix 137. Roux 124. Rover 265. Rover 278. Rovere 241. Rowley 547. Rumpel 470. Runeberg 115, 122, 123, 124, 135, 155, 159, 243. Russell 193, 273. Rydgaard 281. Rytma 600, 605, 009. Sabbarani 574. Sabin, Fl. R. 491. Sabrazes 8, 44, 139, 159. Sachs 282. Sackheim 238. Sacks 484. Sahli 86, 127, 139, 142, 144, 145, 334, 570, 577, 578, 579, 580, 581, 583, 585, 586, 587. Sakamato 484, 486. Salomon 154, 189, 334, 343, 578. Saltzman 108, 117, 119, 122. 126, 129, 155, 163, 166, 173, 180, 181, 183, 184, 185, 187, 188, 191, 194, 210. 233, 237. Salvioli 14. Samuely 17. Sandberg 425. Sandoz 225. Santesson 367, 4M, 413. Sauerbruch 502. Saundby 266, 273. Savolin 135. Sawai ISO. Sawtschenko 475. Saxer 473. Saxl 270. 511. Schaffer 480. Schäffer, W. 345. 397. Schapiro 123. 124. 125, 127- I2S. Scharold 272. Namenverzeichnis . 681 Schatiloff 234. Schaub 60. Schaudinn 56. Schaumann 70, 74, 102, 115, 124, 126, 128. 137, 143, 155, 191, 196, 197, 198, 199, 201, 203, 204, 208, 211, 214, 219, 221, 231, 233, 239, 241, 242, 243, 244, 245, 402, 424. Scheby 290, 451. Scheffer 447, 448. Schellong 65, 597, 608, 614, 615, 616, 617. Schenk 379. Schiassi 595, 599, 609. Schilling 103, 135, 142, 352, 353, 462, 463, 482, 490, 491, 506, 518, 520, 530, 532, 535, 536, 539, 544, 547, 548, 550, 551, 552, 553, 554. Schimmelbusch 336, 348. Schindler 142, 208. Schittenhelm 38, 56, 230, 496, 508, 509, 516, 518, 522, 524, 526, 530, 535, 538, 539, 544, 548, 550. Schläpfer 147. Schlecht 38, 56, 493, 538, 549. Schleip 159, 160, 188, 194. Schienner 491, 535, 536. Schlesinger 260. Schloffer 372. Schlößmann 577, 578, 579, 581, 585, 587, 589. Schmeißer 561, 562. Schmidt 8, 143, 161, 608. - A. 191, 574, 589. - M. B. 40, 279, 487, 501, 502. 503. - P. 46. - R. 187, 189, 190, 191, 380. Schmincke 40, 129, 130. Schmorl 39. Schneider 224, 261, 272, 280. Schnitter 46. Schölberg 637. Schollenbruch 104. Schönlein 289, 290, 294, 311, 451, 455, 567. Schottmüller 294, 462, 504. Schrader 510. Schramm 282. Schreiber 134. Schridde 235, 353. Schröder 309. Schucanv 159, 160, 233. Schulemann 479, 483, 495, 496. Schüller 17, 18, 19. 20. Schultz, W. 293, 296, 340, 345, 346, 402, 419, 425, 447, 448, 471, 540. 543, 664, 670. - (Kiel) 551. Schultze 155, 478, 553, 563. Schulze 83. Schumacher 237. Schumm, O. 625, 628, 629, 630, 633, 634, 637, 638, 653, 655, 656, 657, 667, 670, 671. Schüpbach 117. Schupfer 276, 280. Schur 436. Schurig 595, 597, 608. Schwarz 131, 655. Schwarzkopf 189. Seeland 149, 225. Seeliger 326, 352, 353, 354, 356, 357, 358, 361, 362, 365, 387, 404, 420, 436, 459. Seht, von 367, 452, 457. Seifert 479, 496, 501. Seiler, v. 72. Seitz 309. Selling 367, 391, 402, 406, 410, 413, 428. Senator 38, 39, 124, 157, 176, 260, 264, 266, 268, 269, 270, 279, 572. Seufert 279. Seyderhelm 131, 132, 134, 135, 148, 149, 153, 225, 241, 244, 261. Seyfarth, C. 365. Sibelius 113. Sicard 142. Siebeck 269. Siegmund 492, 496, 505, 510, 516, 559, 561, 562. Siemens 657, 660. Siemerling 120. Sieß 426. Sievers 124. Silbermann 241. Silvestri 598, 607. Simon 109, 271, 650. Simons 503, 648. I Simpson, M. 491, 519, 521, 525. 1 Sinkler 116. j Sisto 208, 209. ' Sjawtzillo 494. Skramlik, v. 513, 537. Smith 78. Snapper 629, 633, 635, 649. Soli 36. Sonne 618. Sonne ville 262. Soxhlet 40. Spak 397. Spatz 483, 484. Spielmeyer 483. Spiro 74, 574. Spitz 324, 325. Spitzer 517. Spors 458. Stadelmann 241. Stahl 326, 330, 361, 366, 378, 435. Stamm 563. Standenath 499, 509, 510, 511. Stanley 159. Stäubli 261. Steinbrink 361, 363, 373, 380, 381. Steinhaus 402. Stejskal, v. 147, 191, 196. Stephan 312, 382, 571, 590, 591. Stern 165, 270. Sternberg 15, 16, 358, 372, 399, 403, 420, 483, 543, 555. Stieve 483. Stiller 327. Stintzing 27. Stock 426. Stockman 154, 232. Stöhr 499. Stokvis 628. 629, 655. Stolz 489. Stölzner 40. Stone 598. Stones 397. Stordeur 402. Stoerk 158. Storkiewicz 114. Stranz 413. Strauß 25, 36, 82, 115, 129, 143, 157, 161, 170, 182, 184, 187, 190, 191, 196. 207, 208, 209, 239. Streibel 227. Stricker 457. Strisower 65, 612, 613, 614, 615, 616, 618. Strümpell, v. 59, 123, 656. Stuber 343. Stühmer 227. Stursberg 543. Suderhelm 530. Sunde 274. Suner 632. Suter 260. Suzuki 479. Szeczi 151. Szenes 591. Szyszka 590. Takamori 486. Tallev 233, 271. Tallquist 40, 70, 115, 116, 124, 127, 128, 129, 130, 131, 133, 146, 147, 216, 217, 227, 228, 230, 241, 261. Tanaka 486. Tancre 281. Tangl 266. Tappeiner, v. 638, 658. Tarchetti 49. Tartakowski 40. Taschenberg 280. Taussig 261. 682 Namenverzeichnis. Taylor 187, 188, 191, 193. Teichmann 517. Telekv 413. Terrey 612. Thiele 168, 647, 649, 651. Thoma 482. Thompson 607. Thomsen 324. Thoring 591, 592. Thorne 489. Thum 378. Tidy 542. Tigerstedt 169. Tiraboschi 414. Tixier 109, 588. Toeniessen 260. Torday 612. Tornom 135. Trautmann 46. Trier 617. Troisier 271. Trousseau 86, 91. Trunecek 266. Tschaschin 479. Tsuchiya 147, 148. Türk 5, 6, 34, 55, 76, 81, 83, 89, 105, 110, 120, 122, 123, 129, 130, 136, 137, 138, 142, 148, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 163, 165, 179, 180, 183, 184, 185, 192, 194, 198, 201, 203, 204, 206, 208, 209, 212, 223, 224, 225, 233, 235, 259, 261, 263, 266, 271, 272, 280, 391, 392, 399, 402, 403, 408, 409, 425, 435, 543, 549. Tzuchiya 239. Uchida 598, 599, 606, 610. Umber 29, 60, 260, 268, 269, 612. Unverricht 74. Valerio 131. Vannucci 509. Vaquez 263, 269, 399. Veil 23, 648. 651. Ariden, van den 132, 241, 586, 587, 590. Verse 563, 650. Verworn 516. Vetlesen 225. Veyrassat 205. Vicariis, de 66. Vierordt 3, 260. Vines 574, 587. Virchow 69, 72. 88, 91, 503. Vogel 262, 275, 381. Voges 191. Vollmer 657, 664, 665, 670. v. Voß 194, 241. AVagner 279, 306, 310, 503. Wahl 559, 561, 562. Wallerstein 37. Wallgren 165, 233, 239, 244. Wallis 146. Walterhöfer 52, 282. Waltmann 511. Warfvinge 146. Warschauer 149. Wassermann 509. - F. 482. - M. A. 475. Watson 266. 272, 273, 277. Weber 20, 260, 261, 266, 269, 272, 402. Webster 482. Wechsberg 517. Weeney 212. Weichardt 510, 516. Weidenreich 473, 477, 480, 482. Weigeldt 260, 647, 649. Weigl 104. Weil 116, 212, 419, 579, 580. - E. 339, 379. - R. 586, 587. Weinberg 152. 216, 238, 597, 598, 599, 605, 612. Weiner 413. Weinert 276. Weintraud 266, 270. Weiß 648, 651. Weizsäcker 170. Weltmann 158. Wemyß 273. Wentzlaff 489. Werlhof 289, 290, 296, 331. Westenhöfer 272. Westhues 484, 497, 505. Whipple 335, 515. White 159. Wichmann 331. Widal 189. 272, 597, 598, 599r 601. 609, 610, 613. Wiesel 158, 160. Wild 381. Willebrand, v. 198, 212, 392. Williams 563. Willson 117, 119. Winigradow 487. Winter 267, 280. Wirth 416. Witgenstein, A. 374, 378, 380. Wöhlisch 319, 574, 576, 577, 578, 579, 580, 581, 582, 583. Wolf 462. Wolfer 19. Wolff 15. Wollenberg 490, 530, 535, 536, 550. Worm 262, 276. Wright 322, 352, 353. Wvssokowitsch 507. Yekizo Ohno 482. Yorke 601. Yuki 486. Zabel 165. Zadek 149, 151, 198, 210. Zahn 337. Zak 575. Zakai 489. Zanfrognini 36. Zangenmeister 137. Zappert 135. Zehner 43. Zeri 142, 212, 397. Ziegler 16, 42, 155, 159, 160. 175, 199, 208, 209, 212, 233, 234, 235, 408, 413, 493, 549. Zielaskowski 517. Ziemann 103, 104. v. Ziemssen 104, 228. Zilmann 142. Zimmer 517. Zimmermann 238. Zondek 73, 262, 277. Zülzer 469. Zuntz 22. 38, 260, 575. Sachverzeichnis. Achylie bei perniziöser Anämie 143. Addisonsche Krankheit und perniziöse An- ämie 140. Aderlaßhyperglykämie 33. Aderlässe bei Polyzythämie 279. Adrenalininj ekt ion Malariaprovokation durch 56. Monozytenzahl und 537, 538. Adrenalintherapie der essentiellen Thrombo- penie 378, 379. Ätherschwefelsäure bei perniziöser Anämie 191. Agglutininbildung durch das Makrophagen- system 475. Agranulozytose 402, 543. Aktivitätssteigerung der Zelle durch Speiche- rung 499. Akzentuation des zweiten Pulmonaltons bei Chlorose 21. Albuminurie bei perniziöser Anämie 188. Albumosen im Harn bei perniziöser Anämie 189. Aleukia — haemorrhagica 294, 39011. — — Ätiologie 407. - Anämie, perniziöse und 421. - Salvarsanbebandlung und 413. - Thrombopenie, essentielle und 418. - splenica typhosa 435. Aleukie, splenopathische 433. 434. Alveolarepithelien der Lunge, histiozytäres System und 484. Amyloid 556, 557. Anaemia splenica 61. Anämie Aleukia haemorrhagica und 398 ff. — aplastische 211. — Myxödem und 277. — Saponin und 12. — Thyreoidektomie und 277. — perniziöse lOOff. — — essentielle 121. — — — Frühsymptome 164. — — idiopathische 121. - Kinder und 108. — — kryptogenetische 121. — — protopathische 121. — - Therapie 221. — — Verbreitung der 102. .Anämien, sekundäre, Therapie der 92. Anchylostomum duodenale und perniziöse Anämie 135. Angina und perniziöse Anämie 142. Anisozytose — Anämien, sekundäre und 4. — Chlorose und 81. - Röntgenstrahlen und 43. Antikörperbildung des Makrophagensystems 475. Antithrombinbildung in der gesunden Leber- zelle 448. Antitoxinbehandlung der perniziösen Anämie 225. Aphthenkrankheit, tropische, und perniziöse Anämie 142. Appetitlosigkeit bei perniziöser Anämie 181. Arsazetin 227. Arsen behandlung — der perniziösen Anämie 226. - der sekundären Anämien 98. - bei Polyzythämie 280. Arsenhaltige Quellen bei der perniziösen Anämie 227. Ascaris lumbricoides und perniziöse Anämie 135. Asthenopie bei Polycythaemia megalosple- nica 265. Atemtypus bei Anämien 22. Athrombie 449. Atmungsorgane - Anämie, perniziöse und 176. — Chlorose und 83. Atoxyl bei der perniziösen Anämie 227. Augenhintergrundblutungen bei essentieller Thrombopenie 310. Avitaminose, skorbutische, und Knochen- mark 417. Azetonkörper im Urin bei perniziöser Anämie 191. Bacillus purpurae 293. Basedowsche Krankheit und Chlorose 73. Benzolmedikation bei Polyzythämie 280. Beri-Beri und Anämie 38. Bilirubingehalt des Serums bei Aleukia haemorrhagica 399; bei perniziöser An- ämie 196. Bindegewebe, Veränderungen bei perniziöser Anämie 239. Blasenschleimhautblutungen bei essentieller Thrombopenie 309. Bleianämie 44. Blockierung des retikulo-endothelialen Sy- stems 497 ff. 684 Sach Verzeichnis. Blutalkaleszenz nach Blutentziehungen 22. Blutdruck Anämie, perniziöse und 180. - Erythrämie und 265. Blutgefrierpunkt und Aderlaß 33. Blutgerinnung — Aderlaß und 33. — Leberatrophie, akute gelbe und 447. — Leberzellenschädigung und 446. Blutkörperchenphosphat ide 29. Blutkrise (v. Noorden) 6. Blutkrisen bei der perniziösen Anämie 203. Blutplättchen bei Karzinomen 65. Blut platt chenkrise 372. Blutplättchenphagozytose 356. Blutplättchentransfusion 37 1 . Blutplättchenzahl 315. — bei essentieller Thrombopenie 315, 316. Blutplättchenzählung 321, 322. — im Plasma 324. Bluttherapie der perniziösen Anämie 228. Bluttransfusion bei Hämophilie 589ff. Blutungen — Anämie, perniziöse und 231. — Erythrämie und 265. Blutungszeit 320. Blutverluste und perniziöse Anämie 153. Blutzuckerkurve bei perniziöser Anämie 161. Bothriozephalin 134. Bothriozephalusanämie 101. — als Ursache der perniziösen Anämie 115, 122. Bothriozephaluslipoid 130. Bronchitis bei Ervthrämie 265. Carrelsche Gewebskultur, Blutbildung in der 532ff. Chlorose 69. - Anämie, perniziöse und 154. - Erythrozyten bei der 79. - geographische Verbreitung 74. - Gesamtblutmenge bei der 78. — beim Kinde 76. - Krankheitsbild, allgemeines 76. - spezifisches Gewicht des Gesamtblutes bei der 78. — Theorie der 72. — Therapie 92. - Tuberkulose und 83. Chlorretention bei Hämophilen 585. Cholera und Polyzythämie 260. Cholestearin, ölsaures. im Bothriozephalus- körper 129. Cholesterinämie bei Morbus Gaucher 559. Cholesterinbehandlung der perniziösen An- ämie 225. Chromatophoren, histiozytäres System und 484. Crise haemoblastique 315. Darmpatronenuntersuchungsmethode bei per- »ser Anämie L50. De nschleimhautatrophie bei perniziöser \n- I 43. Darmspülungen bei der perniziösen Anämie 225. Darmtätigkeit bei perniziöser Anämie 183. Deckzellen der serösen Häute, histiozytäres System und 483. Deformierbarkeit der Blutzellen bei Chlorose 81. Degeneration, — anämische 7. — der Blutzellen durch Gifte 7. Diabetes mellitus und perniziöse Anämie 189. Diät bei Polyzythämie 279. Diazoreaktion bei perniziöser Anämie 191. Dickdarmmelanose, Histiozyten bei 486. Digestionsapparat bei Erythrämie 265. Doppelspeicherung der Retikuloendothelien 497. Durstgefühl bei perniziöser Anämie 181. Eierstock, Vitalfärbung 483. Eisenarme Ernährung bei Polyzythämie 279. Eisenausscheidung im Harn bei perniziöser Anämie 190. Eisenresorptionsstörung bei der perniziösen Anämie 145. Eisentherapie — der Anämien 96. — bei der perniziösen Anämie 227. Eiweißgehalt des Blutes 24; bei der perni- ziösen Anämie 196; bei sekundären An- ämien 23ff. i — des Serums bei Karzinom 66. Eiweißzersetzung bei der perniziösen Anämie 170. , Elektroferrol bei der perniziösen Anämie 227. Endocarditis lenta 294, 461 ff. Endokrine Störungen bei der Polyzythämie 277. Endothelhyperplasie 551 ff. Endothelialleukozvten (Mallory) 488. Endothelien — im Blut 530. — phagozytäre Eigenschaften 530. Endotheliitis bei Morbus Werlhofii 344. Endotheliosis haemorrhagica 461. Entkernungsvorgang und Polychromasie 7. Eosinopenie bei Aleukia haemorrhagica 400. Eosinophile Zellen bei der perniziösen Anämie 209. Eosinophilie bei Karzinom 65. Erbliche Belastung und perniziöse Anämie 115. Erbrechen bei perniziöser Anämie 182. Ernährung und perniziöse Anämie 113. Erythrämie 259. - chemische Beschaffenheit des Blutes 268. - Gesamtblutmenge bei der 269. Erythroblasten im Blut bei Malaria 52. Erythroblastengewebc, Vermehrung im Kno- chenmark bei Polyzythämie 274. Erythroleukämie 278. Erythromelalgie bei der Erythrämie 266. Erythropenie bei Knochenmarkstumoren 4. Sachverzeichnis. 685 Krythrophagie, Vermehrung der, in der Milz bei Polyzythämie 275. Erythropoese, — lienale 14, 15. - vermehrte, bei Polyzythämie 274. - Schilddrüse und 277. Frythrose 264. Erythrozyten, Resistenz der 605. Erythrozytosen 260; im Hochgebirge 260. Euphyllininjektion bei Hämophilie 590. Färbeindex - Aleukia haemorrhagica und 399. - Anämie, perniziöse und 198. Chlorose und 80. Karzinomanämie und 66. Fettgehalt des Blutes bei sekundärer Anämie 28. Fettgewebe, ( Gelbfärbung bei der perniziösen Anämie 231. - histiozytäres System und 482. Eettinfiltration, degenerative, in inneren Or- ganen bei der perniziösen Anämie 231. Fibrinogenmangel, völliger 578. Eibrinopenie 334. Eibroadenie bei Bantischcr Krankheit 60. Eixatoren (Metschnikoff) 475. Elagellaten im Blut bei perniziöser Anämie 142. Frühgeborene, Anämie der 66. Erühsymptome der perniziösen Anämie 164. Gaisböcksche Erythrämie 269. Galaktorrhöe bei Hämatoporphyrie 648. ({alle bei Aleukia haemorrhagica 403. Gallenfarbstoffbildung 514. - extrahepatische 514. in den Kupf ferschen Sternzellen 515. Gallenfarbstoffgehalt der Galle bei Poly- zythämie 275. Gastroptose bei Chlorose 88. Gaswechsel, respiratorischer, bei der perni- ziösen Anämie 168. Gauchersche Krankheit 557ff. — Pathogenese der 560, 561. Gaucherzellen 559. - im Milzpunktat 558. ( -et äße - Anämien und 21 ff. Anämie, perniziöse und 240. Gefäß wandalteration bei Chlorose 88. Gefäßwandzellen 530, 531. Gehirnblutungen bei Morbus Werlhofii 310. Geldrollenbildung, herabgesetzte, der Ery- throzyten bei der perniziösen Anämie 204. ( Gelenkrheumatismus und perniziöse Anämie 142. Geräusche, — anämische 19 ff. - diastolische, über der Aorta bei Anämien 21. Gerinnsel, Retraktilität des 319. Gerinnungsbeschleunigung 382. Gerinnungsfähigkeit des Blutes bei perni- ziöser Anämie 196. Gerinnungssystem, hämophiles 578; Fibrin- menge 578; Prothrombinmangel 579. Gerinnungs Vorgang, Wesen des 573ff. Gerinnungszeit, — Bestimmung der 319. Hämophilie und 577. - Kältehämoglobinuric und 599. — Morbus Werlhofii und 314. Gesamtblutmenge 259. — bei Pulmonalstenose 26 1 . (Geschlecht und perniziöse Anämie 105. Geschwülste, bösartige, und perniziöse An- ämie 150. Gewebskultur 532 ff. (Gewicht , spezifisches des Blutes 27 ; des Plasmas 27 ; des Serums 27 ; bei der per- niziösen Anämie 196. ( Glaskörper blutung bei essentieller Thrombo- penie 310. Gliazellen , histiozytäres System und 483. 484. Glossitis dissecans 165. (ilykosurie, alimentäre, bei perniziöser An- ämie 160. (Glyzerinbehandlung der perniziösen Anämie 225. Granulozytenschwund, septischer 410. Hämatoblasten 292. Hämatopoese, hepatische 15. Hämatoporphyrie 622ff., 641 ff. — Ätiologie 650. — akute 642. — idiopathische 644. — — toxische 653. - Anatomie, pathologische 650. — kongenitale 656. — Saturnismus und 654, 655. Sulfonal und 653. — Therapie 652. — Trional und 653, 654. — Typhus und 654. Hämatoporphyrin, - Giftigkeit 632. - Vorkommen im Urin, im Mekonium 632, 633. Hämatoporphyrinausseheidung im Harn bei perniziöser Anämie 188. Hämatoporphyrinurie 633ff. Hämaturie bei perniziöser Anämie 188. Hämoglobinämie 595, 598. - bei perniziöser Anämie 196. Hämoglobingehalt - des Blutes bei der perniziösen Anämie 197. - der Erythrozyten nach Blutverlusten 4. Hämoglobinurie - Anämie, perniziöse und 188. — Infektionskrankheiten und 596. - latente, und Syphilis 603. - paroxysmale 895 ff. - Syphilis und 599, 600. 686 Sachverzeichnis. Hämoglobinurie, Transfusionen und 595, 596. Vergiftungen und 596. Hämolyse, gesteigerte, bei der perniziösen Anämie 161. Hämolysin im Blute bei Hämoglobinurie 600, 601. Hämolysinbildung durch das Makrophagen- system 475. Hämophilie 567 ff. - Differentialdiagnose 585. — Gerinnungssystem bei 576ff. — Prophylaxe 592. — Symptomatologie 559ff. — Therapie 586ff. — Vererbungsgesetz der 557. - Verlauf der 572, 573. Hämopoese, Persistenz der lienalen \~). Hämorrhagien bei septischer Allgemeininfek- tion 464. Hämosiderin — in den Lymphknoten bei Polyzythämie 274. — in Milz und Leber bei der Polyzythämie 274. Hämosiderosis — Aleukia haemorrhagica und 408, 409. Anämie, perniziöse und 232. Hämostase bei der Purpura haemorrhagica 314. Hämotoxische Anämien 43. Hämotropine 605, 606. Hämovarien bei Morbus Werlhofii 310. Harn, — Reaktion des. bei perniziöser Anämie 187. - spezifisches Gewicht des, bei perniziöser Anämie 186. Harnmenge bei perniziöser Anämie 186. Harnsäureausscheidung, endogene, bei Aleu- kia haemorrhagica 403. Hautblutungen bei der perniziösen Anämie 167. Hautpigment ierung bei Hämatoporphyrie 649. Hepatolienale Erkrankungen (Eppinger) 501, 512. Hereditäre hämorrhagische Diathese 383. H erz - Anämie, perniziöse und 177, 239. Anämien, sekundäre und 17. Herzfehlerzellen und Histiozyten 486. Herzfigur bei Hunden nach Pyrodinintoxi- kation 19. Herzgeräusche bei der perniziösen Anämie 178. Herzgröße bei Chlorose 84. Herzhypertrophie bei Chlorose 19, 84. Hirndruck bei Chlorose 90. Hirudinvergiftung, Blutungen bei 340. Histamin Wirkung auf die Kapillaren 458. Histioblasten (Kiyono) 481, 563. Histiomonozyten 488, 521. in der Leber 525. Histiozytäre Elemente 181; Umwandlung in Fibrozyten J8J. Histiozyten im Sputum bei Lungentuber- kulose 486. Histiozytome, infektiöse (Aschoff) 506. Historetinierte Substanzen, Mobilisierung durch Aderlaß 33. Höhenpolyglobulie 260, 261. Hodenspindelzellen, histiozytäres System und 483. Hodenzwischenzellen, histiozytäres System und 483. Howell-Jolly-Körper 9. - nach Milzexstirpation 9. Hydroa aestivale 649, 658, 659ff. Hydrothorax, hämorrhagischer, bei perni- ziöser Anämie 176. Hypalbuminaemia rubra 26. Hyperchlorhydrie bei Chlorose 88. Hvperemesis gravidarum und Polyzythämie " 260. Hyperglobulie - Addisonsche Krankheit und 277. — Basedowsche Krankheit und 277. - Fettwuchs, eunuchoider 277. — endokrine Störungen und 262. — Tetanie und 277. Hypoleukia splenica 435. — — chronica 437. Hypoleukie bei der abdominellen Form der Lymphogranulomatose 436. Hypophyse und perniziöse Anämie 164. Hypothrombozytose 316. — chronische 330. Identitätshypothese der hämorrhagischen Diathesen 290. Ikterus bei perniziöser Anämie 166. Indikan im Harn bei perniziöser Anämie 191. Infektionskrankheiten, — Anämie, perniziöse und 139. — chronische Anämien, sekundäre und 48. — Monozytenzahl und 539ff. Influenza und perniziöse Anämie 142. Innersekretorische Störungen und perniziöse Anämie 158. Inoblasten 480. Irretractilite du caillot 313. Isolyse des Blutes bei Tumoren 62. Jodmedikation bei Polyzythämie 280. Jodothyrin bei Polyzythämie 280. Kadaverin im Harn bei der perniziösen An- ämie 191. Kakodyl präparate bei der perniziösen An- ämie 227. Kala-Azar Anämie, perniziöse und 142. Blutveränderungen bei 434. Kalium ohloricum als Blutgift 46. Kalksalze und Gerinnung 573. 574. Kalkstoffausscheidung bei perniziöser An- ämie L90. Kältehämoglobinurie 596ff, Sachverzeichnis . 687 Kältehämoalobinurie - Ätiologie 599, 600. - Blutbild bei 598, 599. familiäres Vorkommen 600. Mechanismus der Anfälle 606ff. — Pathogenese 600 ff. Theorie 606ff. Kältehyperbilirubinämie 599. Kälteikterus 599. Kapillartoxikose, hämorrhagische 293, 451 ff. Karyorhexis 9. Karzinomanämie 61. - Färbeindex und 66. Kefirmilch bei der perniziösen Anämie 226. Kerntrümmer im Blut bei Chlorose 82. Klasmatozyten 473. Knochenbestrahlung bei Polyzythämie 281. Knoehenent markung bei Polyzythämie 282. Knochenmark - Aleukia haemorrhagica und 404ff. Anämie, perniziöse und 162, 233. Polyzythämie und 272. rotes Mark in den langen Röhrenknochen 272. Knochenmarksatrophie bei Eigenblutinjek- tionen 275. Knochenmarksendothelien 482. Knochenmarkskarzinose und Erythroblasten 65. Knochenmarkspräparate, therapeutische, bei der perniziösen Anämie 223. Knochensystem bei perniziöser Anämie 185. Koagulationszeit des rekalzifizierten Zitrat- plasmas 319. Koagulinbildung durch das Makrophagen- .system 475. Kochsalzret ention bei perniziöser Anämie 190. Kohlenoxydvergiftung 47. - Anämie, perniziöse und 112. Kollargolintoxikation 414. Komplementbindungsreaktion bei Bothrio- zephalusträgern 133. Konstitution und perniziöse Anämie 157. Koproporphyrin 624, 625, 635. — bei Fleischfäulnis 628. Körpertemperatur bei der perniziösen Anämie 171. Kotporphyrin 627. Kreislauf organe bei perniziöser Anämie 177. Kryptogenetische perniziöse Anämie 121. Kurzatmigkeit bei perniziöser Anämie 176. lijiktobazillin bei der perniziösen Anämie 226. Leber Anämie, perniziöse und 236. Polyzythämie und 274. Leberatrophie , akute gelbe , Polyzythämie und 260. Lcltcrsch wellung bei Erythrämie 266. Lebervergrößerung bei der perniziösen An- ämie 184. Leberzirrhose — Anämie, perniziöse und 271. Leberzirrhose — Malaria, chronische und 58. - Polyzythämie und 271. Leistungsfähigkeit des Herzens bei Anämien 19. Leptothrixformen im Blut bei perniziöser Anämie 142. Leukämie, - akute, und Aleukia haemorrhagica 431. - Anämie, perniziöse und 154. - Polyzythämie und 267. Leukanämie 157. Leukodermose bei der perniziösen Anämie 167. Leukopenie bei Polyzythämie 276. Leukopoese, vermehrte, bei Polyzythämie 274. Leu ko Verbindungen des Hämatoporphyrins 625. Leukozyten — Aleukia haemorrhagica und 399. — Anämie, perniziöse und 206. — Chlorose und 82. — melaninhaltige 486. Leukozytoide Zellen 473, 477. Leukozytose, neutrophile posthämorrhagi- sche 3. Leuzinkugeln im Urin bei perniziöser Anämie 190. Lichtmangel und Anämie 43. Lichtüberempfindlichkeit bei Haematopor- phyria congenita 658ff. Lienin bei der perniziösen Anämie 223. Lipoide im Blut nach Blutentziehung 29. — hämolytisch wirksame 158. Lungen bei der perniziösen Anämie 240. Lungentuberkulose und perniziöse Anämie 176. Lymphatisches System bei der perniziösen Aiiämie 185. Lymphdrüsen bei der perniziösen Anämie 237 . Lymphknotenhyperämie bei Polyzythämie 272. Lymphozytenherde im Knochenmark bei Aleukia haemorrhagica 406, 407. Lymphozytose, - Aleukia haemorrhagica und 400, 401. — Anämie, perniziöse und 207. — Chlorose und 73. — Malaria, chronische und 57. Magen bei der perniziösen Anämie 23.S. Magendarmkanal, — Blutungen aus dem, bei essentieller Thrombopenie 309. — Chlorose und 88. Magenfunktionsprüfung bei perniziöser An- ämie 182. Magensaft bei Aleukia haemorrhagica 403. Magenschleimhautatrophie bei perniziöser Anämie 143. Magenspülungen bei der perniziösen Anämie 225. Makrophagen — bei der perniziösen Anämie 234. 688 Sachverzeichnis. Makrophagen - bei Endocarditis lenta 463. Makrozytase 475. Makrozyten — bei Anämie 5. - bei Chlorose 81. Malaria — Anämie und 51. Anämie, perniziöse und 141. - Polychromasie und 7. Malariakachexie 57. Markaplasie durch Typhustoxin 14. Markhemmung, splenopathische 432, 433. Markschädigungen bei Tumoranämien 64. Marschhämoglobinurie 613ff. Megakaryotoxikose bei Thrombopenic 364. Megakaryozyten - Aleukia haemorrhagica und 405. ainöboider Habitus der 353. Anämie, perniziöse und 234. Blutplättchenabstammung aus 353. Megaloblasten 6, 202. — bei Chlorose 82. — bei Malaria 55. Megaloblastische Umwandlung des Knochen- marks bei der perniziösen Anämie 162. Megalozyten 5. - bei der perniziösen Anämie 201. Mesoporphyrin 631. Mikroorganismen im Blut bei perniziöser Anämie 142. Mikrozyten - bei der perniziösen Anämie 202. - im Blut bei Malaria 55. Mikrozytose — nach Blutverlusten 3. — bei Chlorose 81. - bei Polyglobulie 5. Milchinjektion und Monozytenzahl 539. Milchnahrung bei Polyzythämie 279. Milchsäure im Magen bei perniziöser Anämie 183. Milz Anämie, perniziöse und 161. Chlorose und 89. Erythrämie und 265. Polyzythämie und 272. Reizbestrahlung der, zur Oerinnungs- beschleunigung 382. Milzexstirpation Anämie, perniziöse und 223. Monozytenzahl und 539. Polyzythämie und 280ff. Thrombppenie, essentielle und 305, 306, 372. Milzgröße bei der perniziösen Anämie 235. Milzpräparate, therapeutische, bei der perni- ziösen Anämie 223. Milzvergrößerung bei perniziöser Anämie 185. Mischungsverhältnis der Eiweißkörper im Blut 24. Mitosen in den Krythroblasten 203. Mitralinsuffizienz, relative, bei perniziöser Anämie 178. Mitralkonfiguration des Heizens bei penn ziöser Anatme 18, 178. Möller- Barlowsche Krankheit und Anämie 39. Mononukleäre Zellen bei der perniziösen Anämie 20!). Mononukleose bei chronischer Malaria 57. Monozytäre Reaktion 539. Monozyten, — Granulation 535. Herkunft der 535. - Oxydasereaktion der 536. - retikulo- endotheliales System und 518ff. Monozytenangina 425, 540ff. Monozytenleukämie 551 ff. - Übergang in Myeloblastenleukämie 552. Monozytenvermehrung durch Speicherung 522. Monozytenzahl - Adrenalininjektion und 537, 538. - Infektionskrankheiten und 53911". - Milchinjektion und 539. - Milzexstirpation und 539. - Seruminjektion und 538, 539. Monozytose - Endokarditis und 544. Infektionen und 550, 551. - Kala-Azar und 548. — Malaria und 548. — Masern und 549. - Typhus und 549, 550. — Variola und 548. — Varizellen und 549. Monozytosen, symptomatische 518, 535 ff. Morawitz-Roskamsches Prinzip 344. Morbus Werlhofii — chronicus 307. - Differentialdiagnose 332. — Prognose 331. Muskulatur, Farbe bei der perniziösen An- ämie 231. Mutaflorbehandlung der perniziösen Anämie 149. Myeloblasten bei der perniziösen Anämie 208. Myeloblastenleukämie nach Knochenbestrah- lung bei Polyglobulie 281. Myeloblastenmark bei Cirrhosis hepatis 437. Myeloblastenzunahme im Knochenmark bei Eigenblutinjektionen 275. Myeloide Differenzierung, Hemmung der, bei Typhus abdominalis 436. Myeloide Umwandlung der Leber bei Poly- zythämie 274. - der Lymphdrüsen bei Polyzythämie 274. - der Milz bei Polyzythämie 274. Myeloische Zellen, Farbstoff speicherung durch 486. Myelopathie, primäre toxische, bei der Aleukia haemorrhagica 410. Myelozyten - Anämie, perniziöse und 208. Karzinom und 65. Myoglobinämie 619. Myoglobinurie, paroxysmale 618, tili». Myositis myoelobinurica 636. Myxödem und perniziöse Anämie 186. Sachverzeichnis. 689 Nasenschleimhaut, Blutungen aus der, bei essentieller Thrombopenie 309. Nebennieren bei perniziöser Anämie 159, 238. Nephritis — Anämie, perniziöse und 189. — hämorrhagische, bei Purpura 452. Nervensystem - Aleukia haemorrhagica und 404. - Anämie, perniziöse und 191, 240. — Chlorose und 90. Erythrämie und 266. vegetatives, bei Hämatoporphyrie 648. Neuritis bei der perniziösen Anämie 195. Neuropathie bei Hämatoporphyrie 644, 647. Nieren bei der perniziösen Anämie 237. Noma bei Aleukia haemorrhagica 398. Nonnengeräusch bei der perniziösen Anämie 180. Nonnensausen bei Chlorose 85. Normoblasten 5. — Chlorose und 82. — Malaria und 52. - orthochromatische 6. - polychromatische 6. Nukleoalbuminurie bei perniziöser Anämie 189. Ochronose 638. Ödeme bei der perniziösen Anämie 165. Oligochromämie bei Chlorose 80. Oligozythämie bei Chlorose 80. Ölsäureanämie 40. Ölsäuren des Bothriozephalus latus und per- niziöse Anämie 129. Ooporphyrin 628. Opsonine 605, 606. Ortshistiozyten 481. Osteohämochromatose 638. Östrin aus Fliegenlarven 132. Oxydasereakti on - Histiomonozyten und 522. labile, der Retikuloendothelien 478. Oxyproteinsäurestickstoff bei der perniziösen Anämie 191. Pankreas bei der perniziösen Anämie 237. 1 'ankreaspräparate bei der perniziösen An- ämie 227. Panmyelophthisie 391. Parenchymblutungen bei Morbus Werlhofii 310. Peliosis rheumatica 290. Pepsintherapie bei der perniziösen Anämie 227. Pepton im Urin bei perniziöser Anämie 189. Perlenketten der Thrombozyten 355. Petechien, Lokalisation bei Morbus Werlhofii 309. Pferdeanämie 132. Phenylhydrazin bei Polyzythämie 280. Phosphorsäureausscheidung bei der perni- ziösen Anämie 190. Phylloerythrin «28, 629. Blutkraukheiten. II. Pigment in Leukozyten bei chronischer Ma- laria 57. Pigmentfrühreaktion bei Haematoporphyria congenita 668. Plethora vera — — Erythrämie und 262. — — Erythrozytosen und 262. Poikilozytose — Anämie, perniziöse und 200. — Blutverluste und 3. — Röntgenstrahlen und 43. Polyblasten 474. Polychromasie 7. Polychromatophilie bei Chlorose 81. Polyglobulie und Mikrozytose 5. Polyplasmie 4. Polyurie bei perniziöser Anämie 164, 189. Polyzythämie 259. - Anämie, perniziöse und 268. — Leukämie, myeloische und 278. — Milzexstirpation und 275. — Therapie 278ff. — Urobilinikterus und 270. Porphyrismus 636ff. Prämenstruelle Phase und Polyzythämie 260. Präsystolische Geräusche an der Herzspitze bei Anämie 21. Präzipitinreaktion bei Bothriozephalus- anämie 132. Proserozym 584. Proteinkörpertherapie der essentiellen Thrombopenie 378, 379. Prothrombin 574. Protopathische perniziöse Anämie 121. Protoplasmaaktivierung 516. Protozoen im Blut bei perniziöser Anämie 142. Provokationsphänomene der Werlhofsohen Krankheit 311. Pseudohaemophilia hepatica 445. Psychosen und perniziöse Anämie 121, 192. Ptomaine bei der perniziösen Anämie 191. Pulmonalstenose und Polyglobulie 261. Pulsus celer bei perniziöser Anämie 181. Purinkörperausscheidung bei der perniziösen Anämie 190. Purpura — fulminans 465ff. - haemorrhagica chronica (Hayem) 307. - thrombopenische und athrombopenisehe 293. — variolosa 465 ff. Putrescin im Harn bei der perniziösen An- ämie 191. Pyrodinvergiftung bei Tieren 194. Pyrogallol als Blutgift 47. Pyrrolzellen (Goldmann) 478, 493. Radioaktive Substanzen, Wirkung auf den erythropoetischen Apparat 43. Radiumbestrahlung der Knochen bei Poly- zythämie 282. Rassendisposition bei perniziöser Anämie 104. Reactio alba und paroxysmale Hämoglo- binurie 609. 44 690 Sachverzeichnis. Rechtsverschiebung des neutrophilen Blut- bildes bei perniziöser Anämie 208. Resistenz der roten Blutkörperchen bei der perniziösen Anämie 205. Reststickstoff und Aderlaß 33. Rctikulo-endotheliales System 473 ff. - Antikörperbildung und 509 ff. - Einteilung 479 ff. Ernährung und 500, 501. - Geschwülste und 502. - Histologie, vergleichende des 484ff. Infektionen und 503ff. - Milzexstirpation und 501, 502. Parabiose und 502. - Proteinkörpertherapie und 5 IG, 517. Speicherung des 493 ff. - trypanozide Stoffe des menschlichen Se- rums und 5 17 ff. - Stoffwechsel und 511 ff. Vitalfärbung 476ff. Retikuloendothelien, Übertritt ins Blut 488. Retikuloendotheliose, leukämische 532, 551ff. Retinalblutungen bei der perniziösen Anämie 231. Rhagiokrine Zellen 474. Riesenblutplättchen bei Thrombopenie 315. Riesenthrombozyten 366. Ringkörper (Cabot) 10. Röntgenbestrahlung — Anämie, perniziöse und 230. - Milz bei Hämophilie 590. — Polyzythämie und 281. Thrombopenie, essentielle und 374ff. Röntgenstrahlen, Einwirkung auf tierisches < rewebe 42. Rougetsche Zellen 482. Rückenmark bei perniziöser Anämie 193. Rumpel-Leedescher Versuch bei Hämophilie 585. Rumpel-Leedesches Phänomen bei Morbus Werlhofii 312. Salvarsan bei der perniziösen Anämie 227. Salzsäuremangel bei perniziöser Anämie 143. Salzsäuretherapie bei perniziöser Anämie 227.- Sauerstoffatmung bei Polyzythämie 279. Sa uerstoffbindungs vermögen des Hämoglo- bins bei Anämie 170. Schilddrüsenanschwellung bei perniziöser Anämie 161. Schizozyten 4. Schönlein-Henochsche Krankheit 451 ff. Ätiologie 160. Blutbild bei 457. Therapie 460, 461. Schrothsche Kur bei Polyzythämie 280. Schüffner-Tupfelung 51 . Schutzkörperbildung des Makrophagen - systems I7.~>. Schwangerschaft und perniziöse Anämie 135. Schwefelausscheidung bei der perniziösen \tiainic IUI. Sensibilisierung rel iku l<> endothelialer Apparat, Kim kl ion nach 508, 509, 526. Sensibilisierung Schock, anaphylaktischer und 509. Sepsis — Anämie, perniziöse und 142. - kryptogenetische, und Aleukia haemor- rhagica 398. Septikämie, bakterielle und Polychromasie 7. Seruminjektion — Hämophilie und 586. - Monozytenzahl und 538, 539. Sexualdrüsenfunktion und Hämatoporphvrie 651. Siderose bei der perniziösen Anämie 231. Sinnesorgane bei Chlorose 90. Sinusthrombose bei Chlorose 87. I Skorbut und Anämie 38. Spätchlorose 75. Speichelfluß bei perniziöser Anämie 181. Speicherungsvermögen, verschiedenes, der Zellen des retikulo-endothelialen Appa- rates 496. Sphingogalaktoside bei Morbus Gaucher 560. Spinalparalyse, spastische, und perniziöse Anämie 193. Spinalpunktion bei Polyzythämie 280. Splenogene Anämien 58. Splenomegalie, lipoidzellige (L. Pick) 561 ff. Spontansymptomenkomplex der essentiellen Thrombopenie 308. Status lymphaticus u. perniziöse Anämie 1 58. Staubzellen und Histiozyten 486. Stauungspapille — Chlorose und 90. — Sinusthrombose, chlorotische und 87. Stauungsversuch bei Werlhofscher Krank- heit 312. Sterkobilingehalt des Stuhles bei perniziöser Anämie 184. Sternzellen (Kupffer) 480, 481, 482. Stickstoffbilanz bei Bantischer Krankheit 60. Stickstoff gehalt des Blutes 24. — der roten Blutkörperchen bei Chlorose 79. Stoff umsatz und Aderlaß 34. Stoffwechselanomalien bei der Erythrämie 266. Stomatitis ulcerosa bei Aleukia haemorrha- gica 397. Streptokokken im Blut bei perniziöser An- ämie 142. Stuhlfarbe bei perniziöser Anämie 184. Substantia granulo-filamentosa 10. Syphilis — Anämie und 50. - Anämie, perniziöse und 139. Tabesähnliche Erscheinungen bei der perni- ziösen Anämie 193. Taenia und perniziöse Anämie 134. Tacniin aus Taenia saginata 135. Thorium X-Behandlung der perniziösen An- ämie 23(». Thorium K-Injektionen Ihm Polyzythämie 282. Thrombasthenie 385. Thrombenbilduns bei Chlorose« 86. Sachverzeichnis. 691 Thrombin 574, 575. Thrombinbildungsgeschwindigkeit bei der Hämophilie 580. Thrombokatechie der Milz 367. Thrombokinase 574, 575. - Mangel bei Hämophilie 581. Thrombolyse 356, 357. Thrombopenie - Aleukia haemorrhagica und 401. - Anämie, perniziöse und 209. - essentielle 293, 295ff. - Therapie der 370. — Genese der 352. — maligne 294. - Purpura haemorrhagica und 293. Thrombozym 575. - Mangel bei Hämophilie 581. Thrombozyten bei Chlorose 82. Thrombozytenabbau 356. Thrombozytenzahl, - kritische Grenze der 338. - Schwankung der, bei Thrombopenie 330. Thrombozytose, posthämorrhagische 34. Thymus, Retikulumzellen des 483. Thyreoidea bei perniziöser Anämie 185. Thyreoideastörungen bei Chlorose 73. Thyreoidingaben und Erythrozytose 262. Thyreoidintabletten bei Polyzythämie 280. Tolidinblaufärbung, supravitale 490. Toluylendiamin bei Polyzythämie 280. Toluylendiaminvergiftung, Vorkommen hä- molytischer Lipoide in der Leber bei 159. Tonsillarnekrose bei Endocarditis lenta 465. Totenflecke bei der perniziösen Anämie 231. Transsudate bei perniziöser Anämie 176, 240. Trephone 534. Triehocephalus dispar und perniziöse Anämie 135. Trikuspidalinsuffizienz, relative, bei perni- ziöser Anämie 178. Trinkkuren bei Polyzythämie 280. Trockenrückstand des Blutes bei Anämie 26. Trommelschlegelfinger bei der Erythrämie 266. Trunksucht und perniziöse Anämie 119. Trypanosomiasis und Polychromasie 7. Tuberkulose — Anämie, perniziöse und 140. - primäre, der Milz bei Polyzythämie 272. Tüpfelung, — basophile 8. — bei chronischer Malaria 57. Typhöse Knötchen, Histiozyten in den 504. Typhus - Anämie, perniziöse und 141. - retikulo-endotheliales System und 503, 504. 505. 5